L 3 AL 1802/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 4 AL 1092/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 1802/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 11. Januar 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin wendet sich gegen die Rücknahme einer Förderung für die Beschäftigung eines schwerbehinderten Menschen und die geltend gemachte Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen i.H.v. 28.229,96 EUR.

Die Klägerin betrieb unter der Firma "P." seit 1996 einen Briefmarkenhandel. Am 11.10.1999 beantragte sie bei der Beklagten die Förderung der Einstellung und Beschäftigung Schwer-behinderter für den am 18.10.1941 geborenen G.F. (G.F.), bei dem jedenfalls seit Juni 1994 ein Grad der Behinderung von 50 festgestellt war. Sie gab an, G.F. werde zum 01.11.1999, befristet bis zum 30.04.2000, eingestellt. Bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden erhalte G.F. ein monatliches Bruttoarbeitsentgelt i.H.v. 5.200,- DM und 1.200,- DM Urlaubsgeld. Das befristete Beschäftigungsverhältnis werde mit dem Ziel der unbefristeten Übernahme bei Bewährung geschlossen. Unter dem 12.10.1999 schlossen die Klägerin und G.F. einen Arbeitsvertrag über eine Tätigkeit des G.F. im Betrieb der Klägerin als "Organisator" zu diesen Konditionen. G.F., der unter der gleichen Wohnanschrift wie die Klägerin wohnte, hatte parallel hierzu eine selbständige Tätigkeit mit dem Gegenstand "An-, Verkauf und Vermietung von Gebrauchtwagen" und eine solche mit dem Gegenstand "Handelsvertretung in Waschmitteln und Kosmetikartikeln" angemeldet.

Mit Bescheid vom 02.11.1999 bewilligte die Beklagte der Klägerin daraufhin für die Dauer von sechs Monaten (01.11.1999 - 30.04.2000) einen Zuschuss im Umfang von 80 v.H. des Arbeitsentgelts i.H.v. 4.160,- DM monatlich. Nachdem die Klägerin der Beklagten unter Vorlage einer Quittung am 26.01.2000 mitteilte, dass G.F. von ihr eine Weihnachtsgratifikation i.H.v. 866,67 DM erhalten habe und darum bat, diese nachträglich zu erstatten, die Beklagte dies zunächst mit Bescheid vom 23.03.2000 ablehnte, zahlte sie sodann einen Zuschuss zum Weihnachtsgeld i.H.v. 693,- DM aus, nachdem durch die Klägerin ein auf den 12.10.1999 datierter Arbeitsvertrag vorgelegt wurde, der bei im Übrigen unveränderten Inhalten vorsah, dass G.F. eine Weihnachtsgratifikation i.H.v. 5.200,- DM zustehe.

Nachdem die Klägerin unter dem 30.03.2000 das Fortbestehen des Beschäftigungsverhältnisses bestätigte und einen ab dem 01.05.2000 geltenden unbefristeten Arbeitsvertrag vom 30.03.2000 vorlegte, in dem bei unveränderten finanziellen Konditionen die Tätigkeit des G.F. als Organisator und Fahrer beschrieben wurde, bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 08.05.2000 ab dem 01.05.2000 einen Zuschuss zum Arbeitsentgelt für die Dauer von 54 Monaten im Umfang von 80 % des Arbeitsentgelts von 5.200,- DM. Der Förderumfang reduzierte sich nach dem 1. Förderjahr um jährlich 10 % ab dem jeweiligen 01.11. eines Jahres. Konkret bewilligte die Beklagte für die Zeit vom 01.05. – 31.10.2000 einen Betrag i.H.v. 4.160,- DM monatlich, für die Zeit vom 01.11.2000 – 31.10.2001 einen solchen von 3.640,- DM, für die Zeit vom 01.11.2001 – 31.10.2002 einen solchen von 3.120,- DM, für die Zeit vom 01.11.2002 – 31.10.2003 einen solchen von 2.600,- DM monatlich und für die Zeit vom 01.11.2003 - 31.10.2004 einen Betrag von 2.080,- DM monatlich.

Vom 25.08. – 30.11.2000 erhielt G.F. nach Mitteilung der Klägerin wegen einer über den Lohnfortzahlungszeitraum von sechs Wochen andauernden Erkrankung kein Arbeitsentgelt. Die Beklagte verlängerte daraufhin den Förderungsumfang von 80 v.H. (monatlicher Leistungsbetrag von 4.160,- DM) für das erste Förderjahr bis zum 31.01.2001.

Anfang 2001 trat bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse im Saarland (AOK), bei der die Klägerin G.F. ab dem 01.11.1999 als Pflichtmitglied angemeldet hatte, der Verdacht auf, es könnte sich bei dem angemeldeten Beschäftigungsverhältnis zwischen G.F. und der Klägerin um ein fingiertes Beschäftigungsverhältnis handeln. Anlass für die Zweifel war, dass laufend Leistungen aus der Lohnfortzahlungsversicherung des G.F. beansprucht wurden, die die Beitragsansprüche der AOK überstiegen. Ferner wurden seitens der Klägerin Korrektur-meldungen hinsichtlich der Gewährung von Einmalzahlungen vorgelegt, nachdem seitens der AOK die Berücksichtigung dieser Zahlungen im Rahmen der Lohnfortzahlungsversicherung abgelehnt wurden. Im Rahmen des eingeleiteten Prüfungsverfahrens wurde von der Klägerin ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 02.04.2000 vorgelegt, in dem neben dem monatlichen Bruttolohn ein weiterer Betrag i.H.v. 533,33 DM monatlich, der zwecks Rücklagenbildung beim Arbeitgeber verbleibe, aufgeführt war. Ferner wurde eine schriftliche Änderung des Arbeitsvertrages vom 29.01.2001 vorgelegt, in der ausgeführt wurde, dass ab 01.01.2001 die Rücklage nunmehr an G.F. ausgezahlt werde. Die Klägerin legte des Weiteren eine Erklärung vom 17.10.2001 vor, in der sie an Eides statt versicherte, dass G.F. bei ihr als Fahrer eingestellt sei. Außer den Fahrten zu Kunden oblägen ihm auch die Einhol- und Tierausführungsfahrten sowie die Pflege und Wartung der Fahrzeuge. Er leiste dabei keine überwiegend geistige Arbeit. Es handele sich um ein Arbeit¬nehmerverhältnis. Der Rentenversicherungsträger, die damalige Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg (LVA), übersandte der AOK weitere Unter¬lagen und wies u. a. darauf hin, dass die Klägerin neben der Lohnfortzahlungserstattung aus der Umlage U1 von der hiesigen Beklagten eine Förderung wegen der Beschäftigung eines Schwerbehinderten im Umfang von 80 % des Bruttolohns erhalte. Ferner sei auffällig, dass G.F. nach eigener Aussage Fahrer sei und Kunden besuche, die Zusammenstellung der Betriebs¬ausgaben jedoch keine Fahrtkosten ausweise.

Mit Bescheid vom 05.11.2001 entschied die AOK, das G.F. nicht in einem abhängigen, sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stehe. Es sei, so die AOK, davon auszugehen, dass die Anmeldung des G.F. nur deswegen erfolgt sei, um in betrügerischer Absicht Leistungen der Lohnfortzahlungsversicherung in Anspruch zu nehmen. Ein Widerspruch hiergegen gereichte der Klägerin ebenso wenig zum Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 20.03.2002) wie das anschließende Klageverfahren vor dem Sozialgericht Reutlingen (SG; - S 3 KR 1131/02 -). Die gegen den klageabweisenden Gerichtsbescheid vom 03.04.2006 eingelegte Berufung (- L 5 KR 2154/06 -) wies das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) mit Urteil vom 31.10.2007 zurück. Es führte aus, das Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und G.F. sei als Scheinarbeitsverhältnis zu qualifizieren. Die monatlichen Gehaltszahlungen an G.F. seien im Hinblick auf die ausgeübten Verrichtungen völlig überhöht. Sie machten nur vor dem Hintergrund Sinn, dass 80 % der Lohnkosten von der Beklagten übernommen worden seien und ein hohes Arbeitsentgelt hohe Förderleistungen nach sich gezogen habe. Ferner habe G.F. neben seiner angeblichen Tätigkeit für die Klägerin zwei Gewerbe angemeldet, sodass zweifelhaft sei, inwieweit die dortige zeitliche Inanspruchnahme mit einer vollzeitigen Beschäftigung für die Klägerin vereinbar sei. Die vorgelegte Einnahmen-/Ausgabenrechnung der Klägerin zeige, dass die Lohnkosten für G.F. fast ausschließlich durch die Fördermittel der Beklagten (42.040,- DM im Jahr 2000) und die von der AOK bezogenen Leistungen der Lohnfortzahlungsversicherung (21.238,37 DM im Jahr 2000) getragen worden seien. Die von der Klägerin vorgelegten Einkommensteuerbescheide zeigten, dass die Einnahmen aus dem Briefmarkenhandel die der Klägerin obliegenden Lohnkosten des G.F. betriebswirtschaftlich nicht tragen könnten. Es falle, so das LSG, auf, dass ausweislich der Einnahmen-/Ausgabenübersicht der Klägerin dort keinerlei Fahrkosten steuerlich geltend gemacht worden seien, obschon G.F. als Fahrer angestellt gewesen sei. Auch der Umstand, dass zeitgleich mit dem Auslaufen der Förderung durch die Beklagte nicht nur das Arbeitsverhältnis mit G.F. beendet, sondern auch der Betrieb eingestellt worden sei, begründe weitergehende Zweifel am Bestehen des behaupteten Be-schäftigungsverhältnisses. Dass in betrügerischer Weise zu Lasten der Sozialversicherungspflicht Leistungen erschlichen worden seien, werde auch dadurch belegt, dass die Klägerin gegenüber der AOK im Hinblick auf die bestehende Lohnfortzahlungsversicherung bei Arbeitsunfähigkeit des G.F. nochmals die Erstattung von 80 % der Lohnkosten in ihren jeweiligen Anträgen geltend gemacht habe, obwohl sie nur tatsächlich 20 % selbst zu tragen gehabt habe. Wenn sich die Klägerin während der Arbeitsunfähigkeitszeiten des G.F. im Ergebnis 160 % der Lohnkosten habe erstatten lassen, könne dies nicht mehr aus Fahrlässigkeit oder Unkenntnis erfolgt, sondern müsse mit Vorsatz geschehen sein. Die gegen das Urteil des LSG eingelegte Nicht¬zulassungsbeschwerde (- B 12 KR 91/07 B -) verwarf das Bundessozialgericht (BSG) mit Beschluss vom 01.07.2008 als unzulässig.

Nachdem die Beklagte von der AOK im Januar 2001 über den dortigen Verdacht informiert wurde, stelle die Beklagte die Auszahlung der bewilligten Leistungen ab Februar 2001 ein. Bis zu diesem Zeitpunkt zahlte die Beklagte der Klägerin

für die Zeit vom 01.11.1999 - 30.04.2000: 4.160,- DM monatlich (= 24.960,- DM), für die Zeit vom 01.05.2000 - 31.08.2000: 4.160,- DM monatlich (= 16.640,- DM), für die Zeit vom 01.12.2000 - 31.01.2001: 4.160,- DM monatlich (= 8.320,- DM), Weihnachtsgeld 1999: 693,- DM, Urlaubsgeld 2000: 960,- DM, Weihnachtsgeld 2000: 3.640,- DM,

mithin insgesamt einen Betrag von 55.213,- DM (= 28.229,96 EUR) aus.

Mit Schreiben vom 07.02.2002 informierte die Beklagte die Klägerin, dass sie Kenntnis davon erlangt habe, dass G.F. nicht in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stehe und dass überprüft werde, ob die Leistungsbewilligung ab 01.11.1999 ganz oder teilweise aufgehoben werde und die Zuschüsse zurückgefordert werden. Der Klägerin wurde Gelegenheit eingeräumt, sich hierzu bis zum 10.03.2002 zu äußern. Die Klägerin gab hierzu an, G.F. sei bei ihr als Fahrer beschäftigt. Unter Vorlage eines Schreibens der LVA vom 18.10.2001, in dem mitgeteilt wird, dass G.F. als Fahrer beschäftigt sei und die Lohnunterlagen eine rechnerisch richtige Beitragsanzeige an die AOK belegten, brachte sie vor, die insofern gegenteilige Einschätzung der AOK, der eine eigene Prüfung versagt sei, sei falsch. Die Einschätzung des Rentenversicherungsträgers sei maßgebend.

Mit Bescheid vom 30.09.2002 nahm die Beklagte die Bewilligung des Zuschusses ab dem 01.11.1999 zurück und forderte die Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen i.H.v. 28.229,96 EUR. Sie stützte ihre Entscheidung auf § 45 Abs. 2 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) i.V.m. § 218 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) und führte begründend an, G.F. habe nicht in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden.

Hiergegen erhob die Klägerin am 30.10.2002 Widerspruch, der, auf Anregung der Klägerin, zunächst im Hinblick auf das Verfahren gegen die AOK ruhend gestellt wurde. Nach dem rechtskräftigen Abschluss dieses Verfahrens nahm die Beklagte das Widerspruchsverfahren im Januar 2009 wieder auf und gab der Klägerin erneut Gelegenheit, sich bis zum 15.02.2009 zu äußern.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27.02.2009 wies die Beklagte sodann den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Bewilligung der Förderung sei zurückzunehmen gewesen, da die Fördervoraussetzungen bereits zum Zeitpunkt des Leistungsbeginns am 01.11.1999 nicht vorgelegen haben. Nach den Feststellungen des LSG habe kein förderungsfähiger Arbeitsplatz i.S.d. § 7 Abs. 1 Schwerbehindertengesetz (SchwbG) bestanden. Das Beschäftigungsverhältnis des G.F. sei lediglich zum Schein begründet worden, um in betrügerischer Absicht Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen. Die Bewilligung sei erfolgt, weil die Klägerin im Antragsformular Angaben gemacht habe, die sich als unrichtig herausgestellt hätten. Auch habe die Klägerin die Rechtswidrigkeit der Leistungsbewilligung erkennen müssen, da in den Bewilligungsbescheiden angeführt gewesen sei, dass der Zuschuss für ein Beschäftigungsverhältnis gezahlt werde. Der erhaltene Zuschuss sei nach § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten.

Hiergegen hat die Klägerin am 06.04.2009 Klage zum SG erhoben. Die Forderung sei, so die Klägerin, erloschen, nachdem die Beklagte es verabsäumt habe, sie bis spätestens 31.12.2003 geltend zu machen.

Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten und hat hierzu vorgebracht, nach den Ausführungen des LSG im Urteil vom 31.10.2007 bestünden keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides.

Mit Urteil vom 11.01.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die Bewilligungsbescheide seien bereits zum Zeitpunkt ihres Erlasses rechtswidrig gewesen, da nach § 33 Abs. 1 Nr. 3 SchwbG i.V.m. § 3 der Schwer-behinderten-Ausgleichsabgabeverordnung (SchwbAV) die Einstellung und Beschäftigung von Schwerbehinderten nur unter der Voraussetzung gefördert werden könne, dass ein Beschäfti-gungsverhältnis bestehe. Ein solches habe zwischen der Klägerin und G.F. jedoch nur zum Schein bestanden, um Sozialleistungen in rechtswidriger, betrügerischer Absicht in Anspruch nehmen zu können. Ausschlaggebend für die Überzeugungsbildung sei, dass die monatlichen Gehaltszahlungen von 5.200,- DM im Hinblick auf die von G.F. angeblich erbrachten Leistungen völlig überhöht gewesen seien. G.F. habe nach den Angaben der Klägerin lediglich Botenfahrten getätigt und sei für das Ausführen der Hunde und die Wartung und Pflege des Kraftfahrzeuges der Klägerin zuständig gewesen. Die Einnahmen-/Ausgabenrechnung der Klägerin belege ferner, dass die Lohnkosten für G.F. fast vollständig durch die Fördermittel der Beklagten (42.040,- DM im Jahr 2000) und die Zahlungen aus der Lohnfortzahlungs-versicherung durch die AOK (21.238,37 DM im Jahr 2000) erbracht worden seien. Einnahmen aus dem von der Klägerin betriebenen Briefmarkenhandel seien im Jahr 2000 nur i.H.v. 16.800,-DM erwirtschaftet worden. Vor dem Hintergrund dieser Einnahmen ergebe sich, dass der Klägerin nach Bestreitung der ihr verbleibenden Lohnkosten von 12.480,- DM praktisch kein Gewinn mehr verblieben sei. Daran, dass sich die Klägerin während der nicht unerheblichen Arbeitsunfähigkeitszeiten des G.F. 160 % der Lohnkosten (80 % laufend von der Beklagten und weitere 80 % von der AOK im Rahmen der Lohnfortzahlungsversicherung während der Arbeitsunfähigkeitszeiten) habe erstatten lassen, zeige sich, dass es der Klägerin ausschließlich darum gegangen sei, durch Vorspiegeln eines gut bezahlten Arbeitsverhältnisses mit G.F. vergleichsweise hohe Leistungen von der Beklagten zu erhalten. Dass nur ein Scheinar¬beitsverhältnis bestanden habe, zeigt sich, so das SG, auch daran, dass die Klägerin mit der Einstellung der Förderleistungen durch die Beklagte nicht nur das Beschäftigungsverhältnis mit G.F. beendet, sondern auch den Gewerbebetrieb eingestellt habe. Damit habe die Klägerin deutlich gemacht, dass das Gewerbe zu keinem Zeitpunkt ernsthaft betrieben worden sei.

Gegen das am 17.03.2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 16.04.2010 Berufung eingelegt. Hierzu bringt sie vor, die Beklagte sei verpflichtet gewesen, ihre Forderung bis spätestens zum 30.09.2004 zu präzisieren. Die pauschale Forderung von 28.299,96 EUR sei unzulässig. Die Beklagte habe nicht dargelegt, ob auch Leistungen für Februar 2001 zurückgefordert werden. Da sie nicht innerhalb einer Frist von zwei Jahren eine detaillierte Forderung vorgelegt habe, verliere sie ihren Anspruch auf Erstattung.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 11. Januar 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 30. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Februar 2009 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung ihres Antrages verweist die Beklagte auf die aus ihrer Sicht zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil und ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Mit Beschluss vom 04.08.2011 hat der Senat Hr. Heinz-Peter Fiala, der die Klägerin im Berufungsverfahren (zunächst) vertreten hat, als Prozessbevollmächtigten zurückgewiesen.

Die Beteiligten wurden mit Schreiben vom 22.02.2012 darauf hingewiesen, dass der Senat erwäge, über die Berufung nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss zu entscheiden. Ihnen wurde Gelegenheit eingeräumt, sich hierzu bis zum 26.03.2012 zu äußern, wovon sie keinen Gebrauch gemacht haben.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, insb. des Vorbringens der Beteiligten, wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz, die Akte des LSG - L 5 KR 2154/06 - sowie die bei der Beklagten für den streitgegenständlichen Vorgang geführte Leistungsakte verwiesen.

II.

Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. In der Sache ist die Berufung jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Der Senat konnte nach Anhörung der Beteiligten die Berufung der Klägerin gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss zurückweisen, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Gründe für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurden nicht vorgebracht und sind dem Senat auch anderweitig nicht ersichtlich.

Die Beklagte hat die Bewilligung der der Klägerin gewährten Förderung der Einstellung Schwerbehinderter in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ab dem 01.11.1999 vollständig zurückgenommen und Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen i.H.v. 28.229,96 EUR geltend gemacht.

Seine rechtliche Grundlage findet die Rücknahme der Bewilligung der Förderung der Einstellung Schwerbehinderter in § 45 Abs. 1 SGB X. Zwar beinhaltete die auf Grundlage von § 33 Abs. 2 Satz 5 SchwbG erlassene SchwbAV vom 28.03.1988 (BGBl. I 484) in ihrem § 10 Abs. 1 Satz 1 eine Regelung, dass Zuschüsse nach Maßgabe näherer Bestimmungen zurückzuzahlen sind, diese Regelung trat jedoch, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, mit dem 30.09.2000 außer Kraft, so dass Rücknahmen oder Aufhebungen ab diesem Zeitpunkt nicht mehr hierauf gestützt werden konnten. Ob § 10 Abs. 1 SchwbAV eine eigenständige Rechtsgrundlage war (ver¬neinend: Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13.06.2000 - L 7 AL 17/99 - be-jahend: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.05.2003 – L 5 AL 3801/02 – jew. veröffen-tlicht in juris), kann hiernach und deswegen, weil ein Rückgriff auf §§ 44 ff SGB X nicht ausgeschlossen wäre, offen bleiben.

Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 der Vorschrift ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Rechtswidrig ist der Verwaltungsakt, wenn er unter Verletzung geltenden Rechts zustande gekommen ist. Die Feststellung der Rechtswidrigkeit bestimmt sich hierbei nach dem für die Leistung im streitgegenständlichen Rücknahmezeitraum maßgeblichen materiellen Recht (vgl. BSG, Urteil vom 13.09.2006 - B 11a AL 19/06 R - veröffentlicht in juris).

Gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 SchwbG in der zur Zeit der Leistungsbewilligung geltenden Fassung des Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung vom 24.03.1997 (BGBl. I 594) konnte die Bundesanstalt für Arbeit im Rahmen ihrer Zuständigkeit zur besonderen Förderung nach Absatz 1 Nr. 3 Arbeitgebern aus den ihr aus dem Ausgleichsfonds zugewiesenen Mitteln (§ 11 Abs. 4) Geldleistungen gewähren, wenn diese insbesondere ohne gesetzliche Verpflichtung oder über die gesetzliche Verpflichtung nach § 5 hinaus in § 6 Abs. 1 genannte Schwerbehinderte (Nr.1) oder Schwerbehinderte in besonderen Situationen (Nr. 2 – Nr. 5) eingestellt haben. § 10 Abs. 1 SchwbAV in der bis 30.09.2000 gültigen Fassung hat hierzu bestimmt, dass die Zuschüsse unter der Voraussetzung bewilligt werden, dass der Arbeitgeber den Schwerbehinderten während der Förderzeit beschäftigt und bei unbefristeten Arbeitsverhältnissen nach Ablauf der Förderzeit wenigstens ein Jahr weiterbeschäftigt. In diesem Sinne hat ferner § 3 Abs. 1 SchwbAV die Förderung an die Einstellung und Beschäftigung Schwerbehinderter geknüpft. Hieraus folgt, dass Voraussetzung für die Förderung der Einstellung Schwerbehinderter deren Beschäftigung war.

Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung war § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 Satz 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Bei untergeordneten und einfacheren Arbeiten ist eher eine Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation anzunehmen. Ob jemand abhängig beschäftigt ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung. Grundsätzlich unerheblich ist hierbei der Beweggrund für die Aufnahme der Beschäftigung (BSG, Urteil vom 07.12.1989 - 12 RK 7/88 - veröffentlicht in juris). Ob ein Beschäftigungsverhältnis vorliegt, richtet sich nicht nur nach den Angaben oder Erklärungen der Betroffenen, sondern danach, ob die tatsächlichen Verhältnisse insgesamt den Schluss auf die ernstliche Absicht rechtfertigen, die mit einer Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis verbundenen gegenseitigen rechtlichen Verpflichtungen einzugehen. Ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis ist dann zu verneinen, wenn ein Scheingeschäft vorliegt, mit dem ein Beschäftigungsverhältnis lediglich vorgetäuscht werden soll, um Leistungen zu erlangen (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 29.09.1998 - B 1 KR 10/96 R - veröffentlicht in juris).

Im vorliegenden Fall lassen die vorliegenden Tatsachen nicht die Feststellung zu, dass zwischen der Klägerin und G.F. ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis wirksam begründet wurde. Das SG hat die hierbei zu berücksichtigenden Umstände im angefochtenen Urteil umfassend und zutreffend beschrieben und ist zu der nicht zu beanstandenden Bewertung gelangt, dass zwischen der Klägerin und G.F. kein Beschäftigungsverhältnis begründet war. Der Senat macht sich dies zu eigen und verweist zur (weiteren) Begründung seiner Entscheidung auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist lediglich auszuführen und zu betonen, dass sich bei einer Gesamtschau aller in Betracht kommender Umstände auch für den Senat die Annahme aufdrängt, dass in betrügerischer Absicht lediglich formal ein Beschäftigungsverhältnis begründet wurde, um Sozialleistungen zu Unrecht zu beziehen. Hierbei wird der Senat zuvorderst dadurch geleitet, dass das G.F. gewährte Arbeitsentgelt völlig überhöht und außer Verhältnis zu den von ihm zu erbringenden Arbeitsleistungen stand. Nach den Bekundungen der Klägerin hat G.F. keine geistigen Arbeiten erbracht, er war vielmehr mit Botenfahrten, der Pflege und Wartung der Kraftfahrzeuge und dem Ausführen von Hunden beschäftigt. Für die Erbringung solcher Tätigkeiten ist aber eine Bezahlung von monatlich 5.200,- DM zuzüglich Sonderzahlungen i.H.v. 1.200,- DM (Urlaubsgeld) und 5.200,- DM (Weihnachtsgeld) völlig unangemessen. Zahlungen in dieser Höhe sind nur vor dem Hintergrund nachvollziehbar begründbar, dass ein hohes - behauptetes - Gehalt, höhere Förderleistungen nach sich gezogen hat. Insb. ein Vergleich mit den Einkünften der Klägerin aus dem Briefmarkenhandel belegt, dass die Lohnkosten für G.F. fast vollständig durch die Fördermittel der Beklagten (42.040,- DM im Jahr 2000) und Zahlungen aus der von der AOK getragenen Lohnfortzahlungsversicherung des G.F. (21.238,37 DM im Jahr 2000) getragen wurden. Einnahmen aus dem von der Klägerin betriebenen Briefmarkenhandel konnten im Jahr 2000 nur i.H.v. 16.800,- DM erwirtschaftet werden. Da der Klägerin, ausgehend von einer Förderung im Umfang von 80 % bei den behaupteten Lohnzahlungen noch eine Zahlungsverpflichtung i.H.v. 12.480,- DM p.a. oblagen, wären die Betriebseinnahmen weitestgehend hiervon aufgezehrt worden, so dass der Klägerin kein maßgeblicher Gewinn verblieben wäre. Unter Berücksichtigung der angeblich noch bezahlten Sonderzahlungen wäre bei einer korrekten Abrechnung und Abwicklung des vermeintlichen Beschäftigungs-verhältnisses der Klägerin keinerlei Ertrag verblieben. Dies verdeutlicht, dass die vermeintlichen Lohnzahlungen an G.F. jeglichen sinnhaften betriebswirtschaftlichen Überlegungen wiedersprechen. Mithin begründen bereits die geltend gemachten finanziellen Bedingungen des angeblichen Beschäftigungsverhältnisses den massiven Verdacht eines Scheinarbeitsver¬hältnisses. Dieser wird dadurch bestärkt, dass die Klägerin, die neben der Förderung durch die Beklagte in Höhe von 80 % der Lohnkosten während der Arbeitsunfähigkeitszeiten des G.F. weitere 80 % der Lohnkosten aus der Lohnausfallversicherung des G.F. bei der AOK beansprucht und bezogen hat. Mithin hat sie, worauf bereits das SG hingewiesen hat, in Zeiten der Arbeitsunfähigkeit des G.F. 160 % der Lohnkosten im Wege Förderungen und Erstattungen erhalten. Eine Inanspruchnahme in diesem Umfang lässt es offensichtlich erscheinen, dass vorliegend in betrügerischer Absicht Leistungen erschlichen werden sollten.

Des Weiteren fällt auf, dass die (Arbeits-)Vertragsbedingungen zwischen der Klägerin und G.F. im Hinblick auf eine Maximierung der Förderung hin angepasst wurden. So wurde klägerseits zunächst – außerhalb der zunächst vertraglich vereinbarten Zahlungen – die Zahlung von Weihnachtsgeld i.H.v. 866,67 DM behauptet, nachdem die Beklagte sodann einen Zuschuss zum Weihnachtsgeld i.H.v. 693,- DM geleistet hatte, wurde der Vertrag geändert und eine höhere Weihnachtsgratifikation von 5.200,- DM vereinbart.

Ferner ist zu berücksichtigen, dass auf G.F. zur streitigen Zeit zwei Gewerbe, eines auf ihn allein und ein weiteres gemeinsam mit seinem Bruder angemeldet waren. Dies wirft die Frage auf, inwieweit neben diesen Gewerben eine vertragliche vereinbarte Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche abgeleistet werden konnte. Vor diesem Hintergrund wird auch relevant, dass mit dem Auslaufen der Förderung des vermeintlichen Beschäftigungsverhältnisses nicht nur das angeb¬liche Arbeitsverhältnis des G.F., sondern der gesamte Briefmarkenhandel beendet wurde.

Der Senat ist mithin davon überzeugt, dass zwischen der Klägerin und G.F. kein Be-schäftigungsverhältnis begründet wurde. Die Bewilligung der Förderung für die Beschäftigung eines schwerbehinderten Menschen mit den Bescheiden vom 02.11.1999 und vom 08.05.2000 war hiernach bereits zum Zeitpunkt des Erlasses der Bewilligungsbescheide rechtswidrig.

Die Rücknahme begünstigender Verwaltungsakte wie der Bewilligungsbescheide vom 02.11.1999 und vom 08.05.2000 ist gemäß § 45 Abs. 1 SGB X nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 möglich. Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X darf ein rechtswidriger Verwal-tungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwal-tungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist gemäß § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht hat oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte u.a. dann nicht berufen, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X) oder er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X).

Zwar geht der Senat davon aus, dass die Klägerin die ihr gewährten Zuschüsse verbraucht hat, das hierdurch begründete Vertrauen ist jedoch zur Überzeugung des Senats nicht schutzwürdig, da die Bewilligung des Zuschusses auf falschen Angaben der Klägerin über das Eingehen bzw. Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses beruht.

Die Klägerin hat im Rahmen des Erst- und des Folgeantrages angegeben, dass zwischen ihr und G.F. ein Beschäftigungsverhältnis besteht, obwohl dies nicht der Fall war. Zur Überzeugung des Senats hat die Klägerin die falschen Angaben jedenfalls grob fahrlässig getätigt. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Grob fahrlässig handelt, wer einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im konkreten Fall jedem einleuchten muss (BSG, Urteil vom 31.08.1967 - 7 RAr 112/74 -; Urteil vom 11.06.1987 - 7 RAr 105/95 -, jeweils veröffentlicht in juris). Das Maß der Fahrlässigkeit ist hierbei nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Beteiligten sowie der besonderen Umstände des Falles zu beurteilen (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff: u.a. BSG, Urteil vom 08.02.2001 - B 11 AL 21/00 R - veröffentlicht in juris).

Nachdem im Rahmen des förmlichen Antragsformulars eine Förderung der "Einstellung und Beschäftigung" aufgeführt und von der Klägerin angekreuzt wurde, musste ihr klar sein, dass nur eine tatsächliche Beschäftigung förderungsfähig war. Da sie überdies erklärt und unterschriftlich bestätigt hat, die Hinweise zur Einstellung und Beschäftigung Schwerbehinderter erhalten und zur Kenntnis genommen zu haben, hätten ganz einfache Überlegungen ausgereicht, die Fehlerhaftigkeit der Angaben zum Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses zu erkennen. Zwar bestehen deutliche Hinweise darauf, dass die Klägerin vorliegend vorsätzliche falsche Angaben gemacht hat, um die Förderleistungen zu erhalten, wobei insb. der Umstand, dass die Klägerin mit G.F. eine vertragliche Vereinbarung geschlossen hat, nach deren Inhalt Gehalts¬ansprüche begründet wurden, die aus dem von ihr betriebenen Briefmarkenhandel zu keinem Zeitpunkt betriebswirtschaftlich getragen werden konnten, hierfür spricht, der Senat kann dies im Ergebnis jedoch offen lassen, da er jedenfalls von einer grob fahrlässigen Falschangabe der Klägerin überzeugt ist. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin nach ihrer persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit oder ihrem Einsichtsvermögen nicht in der Lage gewesen wäre, die Fehlerhaftigkeit ihrer Angaben zu erkennen, sind dem Senat nicht ersichtlich.

Infolge der groben Fahrlässigkeit der Klägerin scheidet Vertrauensschutz auch nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X aus, da die Klägerin die Rechtswidrigkeit der Zuwendungsbescheide jedenfalls kennen musste.

Nach § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X durften die Bewilligungsbescheide, da ein Fall des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X vorliegt, auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Die hierfür einzuhaltende Frist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X wurde von der Beklagten gewahrt. Nach dieser Regelung muss die Behörde den Verwaltungsakt innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen zurücknehmen, welche die Rücknahme für die Vergangenheit rechtfertigen. Der Umfang der erforderlichen "Kenntnis der Tatsachen" als Beginn der Jahres-frist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X richtet sich nach dem Tatbestand der Korrekturvorschrift. Im Falle einer Rücknahme nach § 45 SGB X muss das maßgebende Wissen der Behörde jedenfalls die Rechtswidrigkeit des korrekturbedürftigen Verwaltungsaktes umfassen. Der Lauf der Frist beginnt daher erst dann, wenn die Behörde ohne weitere Sachaufklärungen eine Korrek¬turentscheidung treffen kann. Dieser Zeitpunkt trat vorliegend erst dann ein, als sich die Klägerin im Rahmen des Anhörungsverfahrens nach § 24 SGB X zum unberechtigten Bezug der Förderleistungen geäußert hat (vgl. BSG, Urteil vom 21.03.1990 - 7 RAr 112/88 - veröffentlicht in juris). Nachdem die Stellungnahme der Klägerin bei der zuständigen Stelle am 20.03.2002 einging, begann die Jahresfrist mit diesem Zeitpunkt zu laufen. Der Erlass des Rück-nahmebescheides am 30.09.2002 erfolgte innerhalb eines Zeitraums von einem Jahr nach diesem Eingang. Die Jahresfrist der §§ 48 Abs. 4, 45 Abs. 4 SGB X ist mithin gewahrt worden.

Soweit die Klägerin vorträgt, die Beklagte habe es unterlassen, innerhalb einer Frist von zwei Jahren eine detaillierte Forderung vorzulegen, ist ihr zwar zuzugestehen, dass gemäß § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden kann, indes bestimmt § 45 Abs. 3 Satz 3 Nr.1 SGB X, dass, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 2 oder Nr. 3 SGB X, wie vorliegend, gegeben sind, ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden kann. Diese Frist wurde von der Beklagten gewahrt.

Gemäß § 330 Abs. 2 SGB III war der Bewilligungsbescheid von der Beklagten zwingend auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

Der streitgegenständliche Rücknahmebescheid unterliegt auch im Übrigen keinen rechtlichen Bedenken, er ist im Besonderen, entgegen dem Vorbringen der Klägerin, hinreichend bestimmt. Das Bestimmtheitserfordernis des § 33 Abs. 1 SGB X verlangt, dass der Verfügungssatz eines Verwaltungsaktes nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzt, sein Verhalten daran auszurichten. Mithin muss aus dem Verfügungssatz für den Adressaten des Verwaltungsaktes vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein, was die Behörde regeln will. Bei einem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid muss aus dem Bescheid klar hervorgehen, welcher Bescheid in welchem Umfang aufgehoben wird, welcher Erstattungsbetrag zurückgefordert wird und wer Adressat des Aufhebungs- und Erstattungs-bescheides ist. Die Frage, wie sich der Rückforderungsbetrag errechnet und aus welchen Leistungszeiträumen er sich ergibt, ist nicht eine Frage der Bestimmtheit, sondern der hinreichenden Begründung des Verwaltungsaktes im Sinne des § 35 SGB X (BSG, Beschluss vom 22.07.1999 - B 11 AL 91/99 B - veröffentlicht in juris). Indes unterliegt der Bescheid auch vor dem Begründungserfordernis des § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB X keinen Bedenken. Ungeachtet dessen, dass aus dem Rücknahmebescheid hinreichend deutlich wird, dass die Förderung ganz zurückgenommen wird und die Rücknahme und dem Folgend die Erstattung auch Leistungen, die für Februar 2001 gewährt wurden, umfasst, kann nach § 42 Satz 1 SGB X die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 40 SGB X nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren zustande gekommen ist, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können (Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 17.09.1987 - 5 C 26/84 – veröffentlicht in juris). Die - sinngemäß - geltend gemachte unvollständige Begründung eines Verwaltungsaktes ist ein vom Anwendungsbereich des § 42 SGB X erfasster Verfahrensfehler, der nicht zur Nichtigkeit des Bescheides nach § 40 SGB X geführt hat. Auch hätte in der Sache keine andere Entscheidung ergehen können, weil, wie bereits ausgeführt, die Rücknahme der Bewilligungsbescheide durch den Bescheid vom 30.09.2002, rechtmäßig ist, insbesondere keiner Ermessensbetätigung des Beklagten bedurfte.

Mithin geht der klägerische Einwand, die Beklagte habe es unterlassen, die geltend gemachte Forderung zu präzisieren, fehl.

Gemäß § 50 Abs. 1 SGB X ist die Klägerin nach der Aufhebung des Bewilligungsbescheides, verpflichtet, die zu Unrecht erbrachten Leistungen i.H.v. 55.213,- DM (28.229,96 EUR) zurückzubezahlen. Die Höhe der Erstattungsforderung unterliegt keinen Bedenken. Die Klägerin bezog vom 01.11.1999 - 31.08.2000 sowie vom 01.12.2000 - 31.01.2001 monatlich jeweils 4.160,- DM. Ferner wurde die Gewährung von Weihnachtsgeld i.H.v. 693,- DM für das Jahr 1999 und i.H.v. 3.640,- DM für das Jahr 2000 gefördert. Unter Berücksichtigung der Förderung betreffend des Urlaubsgeldes im Jahr 2000 von 960,- DM errechnet sich hieraus ein Betrag von 55.213,- DM, der sich auf umgerechnet 28.229,96 EUR beläuft.

Der Bescheid der Beklagten vom 30.09.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.02.2009 ist hiernach rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Die Berufung gegen das Urteil des SG vom 11.01.2010 ist zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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