Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 2 VG 773/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VG 4103/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts H. vom 26. August 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Klägers sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist im Streit, ob der Kläger am 29.07.2010 Opfer vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriffe im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Opferentschädigungsgesetz (OEG) geworden ist.
Der 1965 geborenen Kläger war 2009 in einem Strafverfahren als schuldunfähig begutachtet worden. Dabei wurde die Diagnose einer "paranoid-querulatorischen Persönlichkeitsstörung" gestellt. Auf die darauf veranlasste amtsärztliche Untersuchung zur Prüfung der Fahreignung wurde dem Kläger der Führerschein entzogen. Während dieses Verfahrens beschimpfte und bedrohte der Kläger mehrfach die Sachbearbeiter im Gesundheitsamt, der Kreiskasse und des Landratsamts in äußert aggressiver Form. Einen Mitarbeiter des Landratsamts rief er zusätzlich privat an, verteilte Flugblätter beleidigenden und verunglimpfenden Inhalts in dessen privater Nachbarschaft und kündigte aggressiv weitere Aktionen an, was dieser als Bedrohung empfand. Daraufhin wurde vom Ordnungsamt E. am 28.07.2010 ein Unterbringungsverfahren und die Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung eingeleitet. In dem amtsärztlichen Zeugnis vom 29.07.2009 führte Dr. St. aus, dass die Stimmung des Klägers gereizt mit überschießendem Affekt und deutlicher Unruhe gewesen sei. Es hätten sich Hinweise auf inhaltliche Denkstörungen mit unangemessenem Misstrauen und dem Gefühl, von Institutionen bedrängt und betrogen worden zu sein, gezeigt. Der Kläger sei von Anfang an verbal aggressiv gewesen und habe mit Flugblattaktionen sowie Agieren im persönlichen Umfeld von involvierten Personen gedroht. Seine Aktivitäten seien zunehmend grenzüberschreitend, wobei eine Eskalation mit Fremdgefährdung nicht auszuschließen sei. Deswegen seien ärztliche Maßnahmen, nämlich eine stationäre Unterbringung für 4 Wochen, erforderlich, zumal der Kläger keinerlei Krankheitseinsicht zeige und jede Behandlung seiner psychischen Störung ablehne.
Mit Beschluss vom 29.07.2010 ordnete das Amtsgericht H. - Betreuungsgericht - daraufhin die vorläufige Unterbringung des Klägers im Klinikum am W. in W. an. Gleichzeitig wurden das Ordnungsamt der Stadt E. als Unterbringungsbehörde und die gegebenenfalls zur Hilfe gezogenen polizeilichen Vollzugsbeamten ermächtigt, erforderlichenfalls zur Zuführung des Klägers in das Klinikum Gewalt anzuwenden und hierzu auch die Wohnung des Klägers zu betreten. Die sofortige Wirksamkeit dieser Entscheidung wurde angeordnet. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, eine weitere Eskalation habe sich dadurch abgezeichnet, dass der Kläger, obwohl ihm die Fahrerlaubnis entzogen worden sei, mit seinem Pkw am 29.07.2010 gefahren sei. Der Kläger stelle zunehmend eine Gefahr für sich selbst und andere dar. Es seien bereits bedrohliche Verhaltensweisen dokumentiert, die Vorstufe für weitere Aggressionen seien. Da vorhersehbar sei, dass der Kläger sich nicht freiwillig in das Klinikum begeben werde, sei die Erforderlichkeit von Gewaltanwendung zu befürchten.
Noch am selben Tag begaben sich insgesamt 4 Polizeibeamte zum Wohngebäude des Klägers, wovon 2 den rückwärtigen Teil sicherten. Nachdem der Kläger nach Eröffnung des Beschlusses durch die Polizeibeamten G. und P. dreimal erfolglos aufgefordert wurde, mitzukommen, drehte er sich um und versuchte, in seine Wohnung zu kommen. Um das zu verhindern, wandten die beiden Polizeibeamten unmittelbaren Zwang an, fassten jeweils einen Arm des Klägers, brachten diese auf den Rücken und schlossen ihn. Sie verbrachten den Kläger, der über Schmerzen im Schulterbereich klagte, in das Klinikum am W. in W ... Der Polizeibeamter L. schaltete, nachdem der Kläger berichtet hatte, dass sein Computer noch laufe, diesen herunter.
Bei der am 28.08.2010 durchgeführten Kernspintomographie des linken Schultergelenks wurde eine komplette Ruptur der Supraspinatusansatzsehne diagnostiziert, eine frische traumatische oder knöcherne Läsion war nicht feststellbar (Bericht des Radiologischen Zentrums S.). Eine arthroskopische Sehnenrekonstruktion erfolgte 07/2010 in der Vulpius Klinik Bad R ...
Mit Schreiben vom 26.09.2010 stellte der Kläger Strafanzeige wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die beiden Polizeibeamten. Er führte aus, er habe nur die Hälfte dieses Unterbringungsbeschlusses lesen können und dann gesagt, dass er noch Fenster und Rollläden schließen, diverse Geräte vom Netz trennen und die gesamte Computeranlage entsprechend "beenden" müsse. Daraufhin sei er vom Polizeibeamten G., der ihn abgelenkt habe, unvermittelt und plötzlich angegriffen worden, indem dieser seinen linken Arm auf seinen Rücken gerissen und ihn seitlich gegen die Betontreppe gedrückt habe. Durch diesen Zugriff sei seine Sehne in der linken Schulter vollständig abgerissen. Widerstand und Gegenwehr habe er nicht geleistet.
Am 10.11.2010 beantragte der Kläger, der sich bis 13.08.2010 im Klinikum am W. befunden hatte, wegen dieses Vorfalls Beschädigtenversorgung beim Landratsamt H ... Schädigende Personen seien der Polizeibeamte G. sowie die Ärzte im Klinikum gewesen. Die Polizeibeamten P. und G. gaben im Rahmen der gegen sie gerichteten strafrechtlichen Ermittlungen am 06.12.2010 übereinstimmend an, sie hätten am 29.07.2010 die Unterbringung des Klägers durchgeführt. Nach Eröffnung des Unterbringungsbeschlusses habe der Kläger verbal deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er nicht gewillt sei, mit ihnen zu kommen. Nach wiederholter erfolgloser Aufforderung habe sich der Kläger plötzlich umgedreht und versucht, in seine Wohnung zu gelangen. Als dies der Polizeibeamte G. bemerkt habe, habe dieser den Kläger an der rechten Schulter beziehungsweise am rechten Oberarm gepackt und festgehalten. Sodann habe der Polizeibeamte P. den Kläger am linken Handgelenk beziehungsweise am linken Unterarm gefasst und diesen Arm, ebenso wie der Polizeibeamte G. den rechten Arm, mit einfacher körperlicher Gewalt auf den Rücken gebracht. Anschließend sei der Kläger geschlossen zum Streifenwagen gebracht worden. In dem Abschlussvermerk vom 15.12.2010 gab die Polizeidirektion H. an, das Festhalten an der Schulter, den Unterarmen und den Handgelenken sowie das anschließende Schließen mittels einer dienstlichen Handschließe seien polizeiliche Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs, welche vorliegend geboten gewesen seien, da der Kläger sich der Gewahrsamsnahme habe entziehen wollen.
Mit Verfügung vom 22.12.2010 stellte die Staatsanwaltschaft H. das Ermittlungsverfahren ein (Az.: 12 Js 27927/10). Zur Begründung wurde ausgeführt, das Verhalten der Polizeibeamten G. und P. sei, auch wenn es zu den - nicht festgestellten - Verletzungen gekommen sei, gerechtfertigt gewesen. Der Kläger sei der mehrfachen Aufforderung nicht freiwillig nachgekommen und habe sich entfernen wollen, woran man ihn gehindert habe. Das Verhalten sei von der Ermächtigung zur Anwendung von Gewalt in dem Unterbringungsbeschluss des Amtsgerichts H. gedeckt. Es habe sich insoweit um die mildeste der in Betracht kommenden Maßnahmen zur Durchsetzung dieses Beschlusses gehandelt. Eine Strafbarkeit des Verhaltens der beiden Polizeibeamten sei deshalb nicht gegeben.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts zog das Landratsamt die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten bei und holte eine telefonische Auskunft bei der Krankenkasse des Klägers ein (kein Regressverfahren gegen die Polizeibeamten, kein Krankengeldbezug des Klägers).
Mit Bescheid vom 19.01.2011 lehnte das Landratsamt den Antrag des Klägers ab. Es führte zur Begründung aus, der Kläger sei am 29.07.2010 nicht Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs geworden. Die tatsächliche Anwendung unmittelbarer Gewalt durch die beiden Polizeibeamten sei erforderlich gewesen, da der Kläger deren mehrfacher Aufforderung, ihnen zu folgen, nicht nachgekommen sei. Vollstreckungshandlungen von Polizeibeamten seien gerechtfertigt, wenn der an sich strafrechtliche Tatbestand in Ausübung rechtmäßigen hoheitlichen Handelns geschehe.
Hiergegen legte der Kläger am 05.02.2011 Widerspruch ein. Er führte unter anderem aus, er habe das Recht, sein Haus und Eigentum entsprechend zu sichern und zu schützen. Dies habe man nicht zulassen wollen. Dass die beiden Polizeibeamten sich herauslügen würden, sei klar gewesen. Ferner habe bereits keine medizinische Untersuchung stattgefunden und der Unterbringungsbeschluss sei als gefaxtes Papier rechtswidrig gewesen, zumal er den Dienststempel nicht gesehen habe. Mit Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 14.02.2011 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.
Hiergegen hat der Kläger am 28.02.2011 Klage beim Sozialgericht H. erhoben und vorgetragen, die beiden Polizeibeamten hätten völlig rechtswidrig und mittels eines rechtlich äußerst zweifelhaften Unterbringungsbeschlusses gehandelt. Er müsse nicht still auf der Stelle an der Haustüre stehen bleiben, nur weil er zwei "Vollidioten" von Polizeibeamten geöffnet habe. Auch sei er nicht verpflichtet, stundenlang. mit diesen zu diskutieren, um seine Rechte wahrzunehmen. Es habe ihm rechtlich zugestanden, seine Wohnung beziehungsweise sein Haus vollständig zu sichern, Fenster, Türen und Fensterläden zu schließen sowie elektrische Geräte vom Stromnetz zu trennen, wenn ihm mit einem "gefaxtem Fresszettel eines betrügenden Richters" mitgeteilt werde, dass man ihn für mindestens 4 Wochen aus seiner Wohnung entferne. Der Kläger hat eine sofortige Entschädigung für die erlittene Gesundheitsstörung in Form einer Rente, eine sofortige Entschädigung für die erlittene Freiheitsberaubung in Höhe von 10.000,00 Euro, eine Entschädigung für die während seiner Unterbringung durchgebrannten Elektrogeräte, Nutzungsausfallentschädigung für das Kfz in Höhe von 10.000,00 Euro und eine "Weiterverweisung" jeglicher Dienstvergehen und Straftaten an das Strafgericht beantragt.
Mit Gerichtsbescheid vom 26.08.2011 hat das Sozialgericht nach vorangegangener Anhörung die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf eine Entschädigung nach dem OEG. Die Gewaltanwendung durch die Polizeibeamten anlässlich der Unterbringung des Klägers in das Klinikum am W. in W. sei durch den Unterbringungsbeschluss des Amtsgerichts H. gedeckt gewesen. Die Anwendung unmittelbarer Gewalt sei den Polizeibeamten ausdrücklich gestattet gewesen. Sie sei auch erforderlich gewesen, weil sich der Kläger, schon nach seinen eigenen Angaben, gegen seine Verbringung in das Klinikum gewehrt habe oder zumindest durch Flucht habe entziehen wollen.
Hiergegen hat der Kläger am 21.09.2011 Berufung eingelegt. Er hat nochmals darauf hingewiesen, dass es eindeutig rechtswidrig sei, wenn ein Polizeibeamter ihn daran hindere, sein Eigentum zu sichern und zu schützen. Neben den bereits vor dem Sozialgericht gestellten Anträgen begehre er die Übernahme seiner Krankenversicherungsbeiträge seit der Krankmeldung am 29.07.2010 sowie den Ersatz weiterer Kosten und Auslagen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts H. vom 26. August 2011 sowie den Bescheid des Beklagten vom 19. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 2011 aufzuheben und festzustellen, dass er am 29. Juli 2010 Opfer vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriffe im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Opferentschädigungsgesetz geworden ist.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist weiterhin der Ansicht, es ermangele an einem vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff.
Der Senat hat das amtsärztliche Zeugnis der Dr. St., Fachärztin für öffentliches Gesundheitswesen, vom 29.07.2010 (Verdacht auf eine paranoide-querulatorische Persönlichkeitsstörung) beigezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligen wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist nicht begründet. Der Kläger erstrebt bei sachdienlicher Auslegung seines Klage- und Berufungsbegehrens (§ 123 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG die Aufhebung der die Gewährung von Leistungen ablehnenden - und auch einer zukünftigen Leistungsgewährung entgegenstehenden - Verwaltungsentscheidungen des Beklagten sowie die gerichtliche Feststellung des Vorliegens vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriffe im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG (so Urteil des Senats vom 09.06.2011 - L 6 VG 3447/10). Denn nachdem der Beklagte die Gewährung von Leistungen insgesamt mit der Begründung abgelehnt hat, ein solcher Angriff liege nicht vor, ist vorliegend in Ermangelung einer vom Beklagten getroffenen Verwaltungsentscheidung über konkrete Entschädigungsleistungen ein gerichtlicher Leistungsausspruch auf Gewährung von (unbenannten) Versorgungsleistungen nicht zulässig (vgl. zur Verneinung eines Versicherungsfalls durch den Unfallversicherungsträger im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung BSG, Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 4. Auflage, Seite 162-165). Vielmehr ist zunächst die in Rede stehende und vom Beklagten verneinte Voraussetzung möglicher Leistungsansprüche im Wege der Feststellungsklage zu klären. Einem auf Gewährung von Beschädigtenversorgung gerichteten Leistungs- oder Verpflichtungsantrag kommt bei dieser Sachlage keine eigenständige Bedeutung zu (vgl. BSG, Urteil vom 15.02.2005, a. a. O., Urteil vom 07.09.2004 - B 2 U 45/03 R - SozR 4-2700 § 2 Nr. 2).
Die Berufung des Klägers ist mit dem so gefassten Begehren zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die angegriffenen Bescheide sind rechtsmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten. Denn er hat keinen Anspruch auf Feststellung, dass er Opfer vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriffe geworden ist. Dies hat das Sozialgericht im angegriffenen Gerichtsbescheid mit Blick auf die von Polizeibeamten am 29.07.2010 getroffenen Maßnahmen zutreffend dargelegt; hierauf wird verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Das Begehren des Klägers richtet sich nach § 1 OEG.
Wer im Geltungsbereich des OEG infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG (§ 1 Abs. 1 Satz 1 OEG). Bei der Auslegung des Rechtsbegriffs "vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff" im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG ist entscheidend auf die Rechtsfeindlichkeit, vor allem verstanden als Feindlichkeit gegen das Strafgesetz, abzustellen. Das Vorliegen eines tätlichen Angriffs ist aus der Sicht eines objektiven, vernünftigen Dritten zu beurteilen. Allgemein ist davon auszugehen, dass als tätlicher Angriff grundsätzlich eine in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende gewaltsame Einwirkung anzusehen ist (BSG, Urteil vom 29.04.2010 - B 9 VG 1/09 R - zitiert nach juris). An der Rechtswidrigkeit eines solchen Angriffs fehlt es, wenn sich der Angreifende auf Rechtfertigungsgründe stützen kann. Als ein solcher Rechtfertigungsgrund ist grundsätzlich das Handeln aufgrund von Amtsrechten und Dienstpflichten, so insbesondere bei Vollstreckungshandlungen von Polizeibeamten, anerkannt (Kunz/Zellner/Gelnhausen/Weiner, OEG, 5. Auflage, § 1, Rz. 33; Rademacker in Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, § 1 OEG, Rz. 67). Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit des Handelns von Polizeibeamten gilt ebenso wie bei der Prüfung, ob eine Handlung des von der Amtshandlung betroffenen Bürgers gemäß § 113 Strafgesetzbuch (StGB) als Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte strafbar ist, ein strafrechtlicher Rechtmäßigkeitsbegriff, bei dem es grundsätzlich nicht auf die Richtigkeit der Amtshandlung, sondern nur auf ihre formale Rechtmäßigkeit ankommt. Daher genügt das Vorliegen einer gesetzlichen Eingriffsgrundlage, die sachliche und örtliche Zuständigkeit des handelnden Beamten zum Eingreifen, die gesetzlichen Förmlichkeiten, soweit solche vorgeschrieben sind, der vom zuständigen Vorgesetzten erteilte Auftrag und, soweit der Beamte nach eigenem Ermessen handelt, die Ordnungsmäßigkeit der Ermessensausübung (OLG Celle, Beschluss vom 08.07.2011 - 31 Ss 28/11 - zitiert nach juris).
Die von den Polizeibeamten P. und G. durchgeführte vorläufige Unterbringung war auch zur Überzeugung des Senats rechtmäßig. Sie beruhte auf der einstweiligen Anordnung gemäß §§ 1 und 2 Baden-Württembergisches Unterbringungsgesetz (BW-UBG) in Verbindung mit §§ 331 und 332 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG). In Ausführung dieses Beschlusses des Amtsgerichts H. - Betreuungsgericht - vom 29.07.2010 haben die beiden Polizeibeamten auf einer gesetzlichen Eingriffsgrundlage gehandelt. Zweifel hinsichtlich der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit der Polizeibeamten zum Eingreifen bestehen ebenso wenig wie solche an der Einhaltung vorgeschriebener Förmlichkeiten.
Die Polizeibeamten haben dem Kläger auch - wie dieser selbst einräumt - den Beschluss eröffnet und ihn - mehrfach - zum freiwilligen Mitgehen aufgefordert. Dem hat der Kläger nicht Folge geleistet, so dass er gegen seinen Willen ins Klinikum verbracht werden musste. Auch diese Zuführung ist ausdrücklich in dem Beschluss angeordnet worden, da "vorhersehbar ist, dass der Betroffene sich nicht freiwillig in das Klinikum am W. begeben wird".
Dass die Polizeibeamten dabei unmittelbaren Zwang angewendet haben, ist durch die Anordnung von Gewaltanwendung bei Widersetzen der Zuführung ebenfalls gerechtfertigt, so dass es auch zur Überzeugung des Senats an einer rechtswidrigen Tat fehlt. Der Kläger hat selbst eingeräumt, dass er der Aufforderung keine Folge leisten und in seine Wohnung zurück wollte. Angesichts der bei dem Kläger aufgrund der amtsärztlichen Untersuchung festgestellten Fremd- und Eigengefährdung mussten ihm das die Polizeibeamten verwehren. Denn es bestand zumindest begründet Fluchtgefahr, deswegen war bei der Einsatzplanung die Sicherung des Gebäudes auf der Rückseite berücksichtigt und ein Zugriff von 4 Polizeibeamten veranlasst worden. Des Weiteren musste mit einer Eskalation gerechnet werden, die bereits ihren Anfang in den vom Kläger eingeräumten und im Übrigen während des gesamten Verfahrens fortgeführten verbalen Aggressionen gegen die Polizeibeamten fand. Deswegen bestand mit hoher Wahrscheinlichkeit auch die akute Gefahr einer Fremd- und Eigengefährdung, die ebenfalls die Anwendung des unmittelbaren Zwangs rechtfertigte. Dass noch Geräte in der Wohnung abzuschalten waren, haben die Polizeibeamten hinsichtlich des Computers bestätigt und das auch veranlasst. Insofern bestand keine Notwendigkeit, den Kläger die Abschaltung selbst vornehmem zu lassen, zumal die Polizeibeamten nicht ausschließen konnten, dass der Kläger flieht oder sich oder andere gefährdet. Dass noch weitere Geräte hätten ausgeschaltet werden müssen, hat der Kläger zwar behauptet, deren Defekt aufgrund Nichtabschaltung nie belegt.
Zweifel an der Ordnungsgemäßheit der von den beiden Polizeibeamten im Zeitpunkt ihres Handelns getroffenen Ermessensentscheidung, den Kläger an einer Rückkehr in seine Wohnung zu hindern, bestehen mithin nicht. Nach alledem handelt es sich bei den von den Polizeibeamten P. und G. am 29.07.2010 gegen den Kläger gerichteten Maßnahmen nicht um vorsätzliche, rechtswidrige tätliche Angriffe. Sie haben gegenüber dem Kläger weder in feindseliger Willensrichtung noch rechtswidrig gehandelt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten des Klägers sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist im Streit, ob der Kläger am 29.07.2010 Opfer vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriffe im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Opferentschädigungsgesetz (OEG) geworden ist.
Der 1965 geborenen Kläger war 2009 in einem Strafverfahren als schuldunfähig begutachtet worden. Dabei wurde die Diagnose einer "paranoid-querulatorischen Persönlichkeitsstörung" gestellt. Auf die darauf veranlasste amtsärztliche Untersuchung zur Prüfung der Fahreignung wurde dem Kläger der Führerschein entzogen. Während dieses Verfahrens beschimpfte und bedrohte der Kläger mehrfach die Sachbearbeiter im Gesundheitsamt, der Kreiskasse und des Landratsamts in äußert aggressiver Form. Einen Mitarbeiter des Landratsamts rief er zusätzlich privat an, verteilte Flugblätter beleidigenden und verunglimpfenden Inhalts in dessen privater Nachbarschaft und kündigte aggressiv weitere Aktionen an, was dieser als Bedrohung empfand. Daraufhin wurde vom Ordnungsamt E. am 28.07.2010 ein Unterbringungsverfahren und die Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung eingeleitet. In dem amtsärztlichen Zeugnis vom 29.07.2009 führte Dr. St. aus, dass die Stimmung des Klägers gereizt mit überschießendem Affekt und deutlicher Unruhe gewesen sei. Es hätten sich Hinweise auf inhaltliche Denkstörungen mit unangemessenem Misstrauen und dem Gefühl, von Institutionen bedrängt und betrogen worden zu sein, gezeigt. Der Kläger sei von Anfang an verbal aggressiv gewesen und habe mit Flugblattaktionen sowie Agieren im persönlichen Umfeld von involvierten Personen gedroht. Seine Aktivitäten seien zunehmend grenzüberschreitend, wobei eine Eskalation mit Fremdgefährdung nicht auszuschließen sei. Deswegen seien ärztliche Maßnahmen, nämlich eine stationäre Unterbringung für 4 Wochen, erforderlich, zumal der Kläger keinerlei Krankheitseinsicht zeige und jede Behandlung seiner psychischen Störung ablehne.
Mit Beschluss vom 29.07.2010 ordnete das Amtsgericht H. - Betreuungsgericht - daraufhin die vorläufige Unterbringung des Klägers im Klinikum am W. in W. an. Gleichzeitig wurden das Ordnungsamt der Stadt E. als Unterbringungsbehörde und die gegebenenfalls zur Hilfe gezogenen polizeilichen Vollzugsbeamten ermächtigt, erforderlichenfalls zur Zuführung des Klägers in das Klinikum Gewalt anzuwenden und hierzu auch die Wohnung des Klägers zu betreten. Die sofortige Wirksamkeit dieser Entscheidung wurde angeordnet. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, eine weitere Eskalation habe sich dadurch abgezeichnet, dass der Kläger, obwohl ihm die Fahrerlaubnis entzogen worden sei, mit seinem Pkw am 29.07.2010 gefahren sei. Der Kläger stelle zunehmend eine Gefahr für sich selbst und andere dar. Es seien bereits bedrohliche Verhaltensweisen dokumentiert, die Vorstufe für weitere Aggressionen seien. Da vorhersehbar sei, dass der Kläger sich nicht freiwillig in das Klinikum begeben werde, sei die Erforderlichkeit von Gewaltanwendung zu befürchten.
Noch am selben Tag begaben sich insgesamt 4 Polizeibeamte zum Wohngebäude des Klägers, wovon 2 den rückwärtigen Teil sicherten. Nachdem der Kläger nach Eröffnung des Beschlusses durch die Polizeibeamten G. und P. dreimal erfolglos aufgefordert wurde, mitzukommen, drehte er sich um und versuchte, in seine Wohnung zu kommen. Um das zu verhindern, wandten die beiden Polizeibeamten unmittelbaren Zwang an, fassten jeweils einen Arm des Klägers, brachten diese auf den Rücken und schlossen ihn. Sie verbrachten den Kläger, der über Schmerzen im Schulterbereich klagte, in das Klinikum am W. in W ... Der Polizeibeamter L. schaltete, nachdem der Kläger berichtet hatte, dass sein Computer noch laufe, diesen herunter.
Bei der am 28.08.2010 durchgeführten Kernspintomographie des linken Schultergelenks wurde eine komplette Ruptur der Supraspinatusansatzsehne diagnostiziert, eine frische traumatische oder knöcherne Läsion war nicht feststellbar (Bericht des Radiologischen Zentrums S.). Eine arthroskopische Sehnenrekonstruktion erfolgte 07/2010 in der Vulpius Klinik Bad R ...
Mit Schreiben vom 26.09.2010 stellte der Kläger Strafanzeige wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die beiden Polizeibeamten. Er führte aus, er habe nur die Hälfte dieses Unterbringungsbeschlusses lesen können und dann gesagt, dass er noch Fenster und Rollläden schließen, diverse Geräte vom Netz trennen und die gesamte Computeranlage entsprechend "beenden" müsse. Daraufhin sei er vom Polizeibeamten G., der ihn abgelenkt habe, unvermittelt und plötzlich angegriffen worden, indem dieser seinen linken Arm auf seinen Rücken gerissen und ihn seitlich gegen die Betontreppe gedrückt habe. Durch diesen Zugriff sei seine Sehne in der linken Schulter vollständig abgerissen. Widerstand und Gegenwehr habe er nicht geleistet.
Am 10.11.2010 beantragte der Kläger, der sich bis 13.08.2010 im Klinikum am W. befunden hatte, wegen dieses Vorfalls Beschädigtenversorgung beim Landratsamt H ... Schädigende Personen seien der Polizeibeamte G. sowie die Ärzte im Klinikum gewesen. Die Polizeibeamten P. und G. gaben im Rahmen der gegen sie gerichteten strafrechtlichen Ermittlungen am 06.12.2010 übereinstimmend an, sie hätten am 29.07.2010 die Unterbringung des Klägers durchgeführt. Nach Eröffnung des Unterbringungsbeschlusses habe der Kläger verbal deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er nicht gewillt sei, mit ihnen zu kommen. Nach wiederholter erfolgloser Aufforderung habe sich der Kläger plötzlich umgedreht und versucht, in seine Wohnung zu gelangen. Als dies der Polizeibeamte G. bemerkt habe, habe dieser den Kläger an der rechten Schulter beziehungsweise am rechten Oberarm gepackt und festgehalten. Sodann habe der Polizeibeamte P. den Kläger am linken Handgelenk beziehungsweise am linken Unterarm gefasst und diesen Arm, ebenso wie der Polizeibeamte G. den rechten Arm, mit einfacher körperlicher Gewalt auf den Rücken gebracht. Anschließend sei der Kläger geschlossen zum Streifenwagen gebracht worden. In dem Abschlussvermerk vom 15.12.2010 gab die Polizeidirektion H. an, das Festhalten an der Schulter, den Unterarmen und den Handgelenken sowie das anschließende Schließen mittels einer dienstlichen Handschließe seien polizeiliche Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs, welche vorliegend geboten gewesen seien, da der Kläger sich der Gewahrsamsnahme habe entziehen wollen.
Mit Verfügung vom 22.12.2010 stellte die Staatsanwaltschaft H. das Ermittlungsverfahren ein (Az.: 12 Js 27927/10). Zur Begründung wurde ausgeführt, das Verhalten der Polizeibeamten G. und P. sei, auch wenn es zu den - nicht festgestellten - Verletzungen gekommen sei, gerechtfertigt gewesen. Der Kläger sei der mehrfachen Aufforderung nicht freiwillig nachgekommen und habe sich entfernen wollen, woran man ihn gehindert habe. Das Verhalten sei von der Ermächtigung zur Anwendung von Gewalt in dem Unterbringungsbeschluss des Amtsgerichts H. gedeckt. Es habe sich insoweit um die mildeste der in Betracht kommenden Maßnahmen zur Durchsetzung dieses Beschlusses gehandelt. Eine Strafbarkeit des Verhaltens der beiden Polizeibeamten sei deshalb nicht gegeben.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts zog das Landratsamt die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten bei und holte eine telefonische Auskunft bei der Krankenkasse des Klägers ein (kein Regressverfahren gegen die Polizeibeamten, kein Krankengeldbezug des Klägers).
Mit Bescheid vom 19.01.2011 lehnte das Landratsamt den Antrag des Klägers ab. Es führte zur Begründung aus, der Kläger sei am 29.07.2010 nicht Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs geworden. Die tatsächliche Anwendung unmittelbarer Gewalt durch die beiden Polizeibeamten sei erforderlich gewesen, da der Kläger deren mehrfacher Aufforderung, ihnen zu folgen, nicht nachgekommen sei. Vollstreckungshandlungen von Polizeibeamten seien gerechtfertigt, wenn der an sich strafrechtliche Tatbestand in Ausübung rechtmäßigen hoheitlichen Handelns geschehe.
Hiergegen legte der Kläger am 05.02.2011 Widerspruch ein. Er führte unter anderem aus, er habe das Recht, sein Haus und Eigentum entsprechend zu sichern und zu schützen. Dies habe man nicht zulassen wollen. Dass die beiden Polizeibeamten sich herauslügen würden, sei klar gewesen. Ferner habe bereits keine medizinische Untersuchung stattgefunden und der Unterbringungsbeschluss sei als gefaxtes Papier rechtswidrig gewesen, zumal er den Dienststempel nicht gesehen habe. Mit Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 14.02.2011 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.
Hiergegen hat der Kläger am 28.02.2011 Klage beim Sozialgericht H. erhoben und vorgetragen, die beiden Polizeibeamten hätten völlig rechtswidrig und mittels eines rechtlich äußerst zweifelhaften Unterbringungsbeschlusses gehandelt. Er müsse nicht still auf der Stelle an der Haustüre stehen bleiben, nur weil er zwei "Vollidioten" von Polizeibeamten geöffnet habe. Auch sei er nicht verpflichtet, stundenlang. mit diesen zu diskutieren, um seine Rechte wahrzunehmen. Es habe ihm rechtlich zugestanden, seine Wohnung beziehungsweise sein Haus vollständig zu sichern, Fenster, Türen und Fensterläden zu schließen sowie elektrische Geräte vom Stromnetz zu trennen, wenn ihm mit einem "gefaxtem Fresszettel eines betrügenden Richters" mitgeteilt werde, dass man ihn für mindestens 4 Wochen aus seiner Wohnung entferne. Der Kläger hat eine sofortige Entschädigung für die erlittene Gesundheitsstörung in Form einer Rente, eine sofortige Entschädigung für die erlittene Freiheitsberaubung in Höhe von 10.000,00 Euro, eine Entschädigung für die während seiner Unterbringung durchgebrannten Elektrogeräte, Nutzungsausfallentschädigung für das Kfz in Höhe von 10.000,00 Euro und eine "Weiterverweisung" jeglicher Dienstvergehen und Straftaten an das Strafgericht beantragt.
Mit Gerichtsbescheid vom 26.08.2011 hat das Sozialgericht nach vorangegangener Anhörung die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf eine Entschädigung nach dem OEG. Die Gewaltanwendung durch die Polizeibeamten anlässlich der Unterbringung des Klägers in das Klinikum am W. in W. sei durch den Unterbringungsbeschluss des Amtsgerichts H. gedeckt gewesen. Die Anwendung unmittelbarer Gewalt sei den Polizeibeamten ausdrücklich gestattet gewesen. Sie sei auch erforderlich gewesen, weil sich der Kläger, schon nach seinen eigenen Angaben, gegen seine Verbringung in das Klinikum gewehrt habe oder zumindest durch Flucht habe entziehen wollen.
Hiergegen hat der Kläger am 21.09.2011 Berufung eingelegt. Er hat nochmals darauf hingewiesen, dass es eindeutig rechtswidrig sei, wenn ein Polizeibeamter ihn daran hindere, sein Eigentum zu sichern und zu schützen. Neben den bereits vor dem Sozialgericht gestellten Anträgen begehre er die Übernahme seiner Krankenversicherungsbeiträge seit der Krankmeldung am 29.07.2010 sowie den Ersatz weiterer Kosten und Auslagen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts H. vom 26. August 2011 sowie den Bescheid des Beklagten vom 19. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 2011 aufzuheben und festzustellen, dass er am 29. Juli 2010 Opfer vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriffe im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Opferentschädigungsgesetz geworden ist.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist weiterhin der Ansicht, es ermangele an einem vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff.
Der Senat hat das amtsärztliche Zeugnis der Dr. St., Fachärztin für öffentliches Gesundheitswesen, vom 29.07.2010 (Verdacht auf eine paranoide-querulatorische Persönlichkeitsstörung) beigezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligen wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist nicht begründet. Der Kläger erstrebt bei sachdienlicher Auslegung seines Klage- und Berufungsbegehrens (§ 123 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG die Aufhebung der die Gewährung von Leistungen ablehnenden - und auch einer zukünftigen Leistungsgewährung entgegenstehenden - Verwaltungsentscheidungen des Beklagten sowie die gerichtliche Feststellung des Vorliegens vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriffe im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG (so Urteil des Senats vom 09.06.2011 - L 6 VG 3447/10). Denn nachdem der Beklagte die Gewährung von Leistungen insgesamt mit der Begründung abgelehnt hat, ein solcher Angriff liege nicht vor, ist vorliegend in Ermangelung einer vom Beklagten getroffenen Verwaltungsentscheidung über konkrete Entschädigungsleistungen ein gerichtlicher Leistungsausspruch auf Gewährung von (unbenannten) Versorgungsleistungen nicht zulässig (vgl. zur Verneinung eines Versicherungsfalls durch den Unfallversicherungsträger im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung BSG, Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 4. Auflage, Seite 162-165). Vielmehr ist zunächst die in Rede stehende und vom Beklagten verneinte Voraussetzung möglicher Leistungsansprüche im Wege der Feststellungsklage zu klären. Einem auf Gewährung von Beschädigtenversorgung gerichteten Leistungs- oder Verpflichtungsantrag kommt bei dieser Sachlage keine eigenständige Bedeutung zu (vgl. BSG, Urteil vom 15.02.2005, a. a. O., Urteil vom 07.09.2004 - B 2 U 45/03 R - SozR 4-2700 § 2 Nr. 2).
Die Berufung des Klägers ist mit dem so gefassten Begehren zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die angegriffenen Bescheide sind rechtsmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten. Denn er hat keinen Anspruch auf Feststellung, dass er Opfer vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriffe geworden ist. Dies hat das Sozialgericht im angegriffenen Gerichtsbescheid mit Blick auf die von Polizeibeamten am 29.07.2010 getroffenen Maßnahmen zutreffend dargelegt; hierauf wird verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Das Begehren des Klägers richtet sich nach § 1 OEG.
Wer im Geltungsbereich des OEG infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG (§ 1 Abs. 1 Satz 1 OEG). Bei der Auslegung des Rechtsbegriffs "vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff" im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG ist entscheidend auf die Rechtsfeindlichkeit, vor allem verstanden als Feindlichkeit gegen das Strafgesetz, abzustellen. Das Vorliegen eines tätlichen Angriffs ist aus der Sicht eines objektiven, vernünftigen Dritten zu beurteilen. Allgemein ist davon auszugehen, dass als tätlicher Angriff grundsätzlich eine in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende gewaltsame Einwirkung anzusehen ist (BSG, Urteil vom 29.04.2010 - B 9 VG 1/09 R - zitiert nach juris). An der Rechtswidrigkeit eines solchen Angriffs fehlt es, wenn sich der Angreifende auf Rechtfertigungsgründe stützen kann. Als ein solcher Rechtfertigungsgrund ist grundsätzlich das Handeln aufgrund von Amtsrechten und Dienstpflichten, so insbesondere bei Vollstreckungshandlungen von Polizeibeamten, anerkannt (Kunz/Zellner/Gelnhausen/Weiner, OEG, 5. Auflage, § 1, Rz. 33; Rademacker in Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, § 1 OEG, Rz. 67). Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit des Handelns von Polizeibeamten gilt ebenso wie bei der Prüfung, ob eine Handlung des von der Amtshandlung betroffenen Bürgers gemäß § 113 Strafgesetzbuch (StGB) als Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte strafbar ist, ein strafrechtlicher Rechtmäßigkeitsbegriff, bei dem es grundsätzlich nicht auf die Richtigkeit der Amtshandlung, sondern nur auf ihre formale Rechtmäßigkeit ankommt. Daher genügt das Vorliegen einer gesetzlichen Eingriffsgrundlage, die sachliche und örtliche Zuständigkeit des handelnden Beamten zum Eingreifen, die gesetzlichen Förmlichkeiten, soweit solche vorgeschrieben sind, der vom zuständigen Vorgesetzten erteilte Auftrag und, soweit der Beamte nach eigenem Ermessen handelt, die Ordnungsmäßigkeit der Ermessensausübung (OLG Celle, Beschluss vom 08.07.2011 - 31 Ss 28/11 - zitiert nach juris).
Die von den Polizeibeamten P. und G. durchgeführte vorläufige Unterbringung war auch zur Überzeugung des Senats rechtmäßig. Sie beruhte auf der einstweiligen Anordnung gemäß §§ 1 und 2 Baden-Württembergisches Unterbringungsgesetz (BW-UBG) in Verbindung mit §§ 331 und 332 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG). In Ausführung dieses Beschlusses des Amtsgerichts H. - Betreuungsgericht - vom 29.07.2010 haben die beiden Polizeibeamten auf einer gesetzlichen Eingriffsgrundlage gehandelt. Zweifel hinsichtlich der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit der Polizeibeamten zum Eingreifen bestehen ebenso wenig wie solche an der Einhaltung vorgeschriebener Förmlichkeiten.
Die Polizeibeamten haben dem Kläger auch - wie dieser selbst einräumt - den Beschluss eröffnet und ihn - mehrfach - zum freiwilligen Mitgehen aufgefordert. Dem hat der Kläger nicht Folge geleistet, so dass er gegen seinen Willen ins Klinikum verbracht werden musste. Auch diese Zuführung ist ausdrücklich in dem Beschluss angeordnet worden, da "vorhersehbar ist, dass der Betroffene sich nicht freiwillig in das Klinikum am W. begeben wird".
Dass die Polizeibeamten dabei unmittelbaren Zwang angewendet haben, ist durch die Anordnung von Gewaltanwendung bei Widersetzen der Zuführung ebenfalls gerechtfertigt, so dass es auch zur Überzeugung des Senats an einer rechtswidrigen Tat fehlt. Der Kläger hat selbst eingeräumt, dass er der Aufforderung keine Folge leisten und in seine Wohnung zurück wollte. Angesichts der bei dem Kläger aufgrund der amtsärztlichen Untersuchung festgestellten Fremd- und Eigengefährdung mussten ihm das die Polizeibeamten verwehren. Denn es bestand zumindest begründet Fluchtgefahr, deswegen war bei der Einsatzplanung die Sicherung des Gebäudes auf der Rückseite berücksichtigt und ein Zugriff von 4 Polizeibeamten veranlasst worden. Des Weiteren musste mit einer Eskalation gerechnet werden, die bereits ihren Anfang in den vom Kläger eingeräumten und im Übrigen während des gesamten Verfahrens fortgeführten verbalen Aggressionen gegen die Polizeibeamten fand. Deswegen bestand mit hoher Wahrscheinlichkeit auch die akute Gefahr einer Fremd- und Eigengefährdung, die ebenfalls die Anwendung des unmittelbaren Zwangs rechtfertigte. Dass noch Geräte in der Wohnung abzuschalten waren, haben die Polizeibeamten hinsichtlich des Computers bestätigt und das auch veranlasst. Insofern bestand keine Notwendigkeit, den Kläger die Abschaltung selbst vornehmem zu lassen, zumal die Polizeibeamten nicht ausschließen konnten, dass der Kläger flieht oder sich oder andere gefährdet. Dass noch weitere Geräte hätten ausgeschaltet werden müssen, hat der Kläger zwar behauptet, deren Defekt aufgrund Nichtabschaltung nie belegt.
Zweifel an der Ordnungsgemäßheit der von den beiden Polizeibeamten im Zeitpunkt ihres Handelns getroffenen Ermessensentscheidung, den Kläger an einer Rückkehr in seine Wohnung zu hindern, bestehen mithin nicht. Nach alledem handelt es sich bei den von den Polizeibeamten P. und G. am 29.07.2010 gegen den Kläger gerichteten Maßnahmen nicht um vorsätzliche, rechtswidrige tätliche Angriffe. Sie haben gegenüber dem Kläger weder in feindseliger Willensrichtung noch rechtswidrig gehandelt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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