L 1 U 4738/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 3584/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 4738/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil vom 29. September 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Im Streit steht die Anerkennung des Überfalls vom 8. Juli 2006 als Arbeitsunfall.

Der Kläger ist 1949 geboren und war bis zu seinem vorzeitigen Ruhestand (wegen dauernder Dienstunfähigkeit) zum 1. Februar 2009 als Lehrer im Schuldienst des Landes Baden-Württemberg tätig. Vom 1. August 2005 bis 31. Juli 2007 war er ohne Zahlung von Dienstbezügen beurlaubt und über das Bundesverwaltungsamt (BVA) als Leiter der Deutschen Schule in K. L. (Malaysia) tätig. Dort bewohnte er zusammen mit seiner Ehefrau ein von ihm angemietetes Haus, das sich außerhalb des Schulgeländes befand.

Am 8. Juli 2006 gegen 5:30 Uhr morgens, dem ersten Ferientag der Schule, wurden der Kläger und seine Frau in ihrem Haus überfallen. Mehrere Unbekannte, bewaffnet mit Messern, Gewehren und Eisenstangen, drangen über die Terrassentür in das Haus ein und verletzten den Kläger und seine Ehefrau mit Schlägen durch eine Eisenstange schwer. Der Kläger musste zudem mit ansehen, wie einer der Überfallenden versuchte, seine Ehefrau zu ersticken. Die Täter öffneten den Tresor im Haus des Klägers und nahmen Bargeld, die Schultasche des Klägers und Schulschlüssel mit (Unfallanzeige des Klägers vom 31. März 2009 bzw. des BVA vom 29. Juni 2009). Bargeld der Schule befand sich in nur geringem Umfang im Tresor (ca. 75,- bis 100,- EUR), allerdings Bargeld in größerem Umfang für den Privatgebrauch. Durch ein Geräusch aufgeschreckt verließen die Täter nach kurzer Zeit das Haus, ohne weitere Wertgegenstände mitzunehmen, die sich ebenfalls im Tresor befunden hatten (z.B. PC, Schmuck, Kreditkarten).

Mit Bescheid vom 12. Oktober 2009 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Überfalls vom 8. Juni 2006 als Arbeitsunfall sowie die Zahlung von Entschädigungsleistungen ab. Für die Beurteilung, ob es sich bei dem Geschehen um einen Unfall handelt, seien im In- und Ausland gleiche Maßstäbe anzulegen. Dies gelte insbesondere hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs. Auch wenn bei einem dienstlichen Auslandsaufenthalt der gesamte Aufenthalt durch die versicherte Tätigkeit bedingt sei, seien nicht sämtliche Verrichtungen versichert. Der Aufenthalt in dem Haus, in dem der Kläger und seine Frau gewohnt hätten, sei nicht dem versicherten Risikobereich zuzurechnen, da er ausschließlich auf privaten Belangen beruht habe. Zwar sei das Risiko in Malaysia größer als in der BRD. Doch handle es sich nach Auskunft der Deutschen Botschaft in Malaysia bei der Tat nicht um eine Eigentümlichkeit des Landes Malaysia, sondern um Beschaffungskriminalität, wie sie auch in der BRD anzutreffen sei. Entscheidend seien bei einem bewaffneten Überfall die Beweggründe der Täter. Diese seien im vorliegenden Fall nicht in der versicherten Tätigkeit des Klägers zu sehen.

Dagegen erhob der Kläger Widerspruch und brachte zur Begründung vor, er sei von seinem Dienstherrn entsandt worden. Die Gefährdung sei in den Städten Malaysias wesentlich höher als in Deutschland. Dies gelte insbesondere für Vermögensdelikte, die dort mit hoher körperlicher Gewalt verbunden seien. Die Tat habe zudem offenkundig in besonderer Beziehung zu seiner dienstlichen Tätigkeit als Schulleiter gestanden. Bereits bei der Vorgängerin des Klägers als Schulleiterin sei mehrfach eingebrochen worden, ebenfalls bei mehreren Kollegen. Die Täter hätten es einzig auf das Bargeld der Deutschen Schule abgesehen gehabt, das die Täter im Tresor des Klägers vermutet hätten. Darüber hinaus seien gezielt Schultasche und Schulschlüssel gestohlen worden. Letzterer sei gut versteckt gewesen, es sei gezielt danach gesucht worden, so dass davon auszugehen sei, dass er ausgekundschaftet worden sei. Sonstige vermögenswerte Gegenstände wie Schmuck, Kreditkarten, PC und Handys seien nicht entwendet worden.

Die Verwaltungsleiterin der Deutschen Schule nahm auf Anfrage der Beklagten mit Mail vom 4. August 2010 Stellung. Weder vor noch nach dem Überfall auf den Kläger habe es vergleichbare Überfälle auf Mitarbeiter der Schule gegeben. Weder der Schulleiter noch Mitarbeiter führten höhere Geldbeträge oder andere vermögenswerte Gegenstände der Schule bei sich.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10. August 2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Im Zeitpunkt des Überfalls sei der Kläger eindeutig einer unversicherten, eigenwirtschaftlichen Tätigkeit nachgegangen. An dem deshalb fehlenden Versicherungsschutz ändere sich nichts dadurch, dass die Täter eventuell ein mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängendes Tatmotiv gehabt haben. Nicht zuletzt hätten weder die Verwaltungsleiterin der Schule noch das Bundesverwaltungsamt die Angaben des Klägers zu den stattgehabten Einbrüchen bestätigt. Ein entschädigungspflichtiger Arbeitsunfall liege deshalb nicht vor.

Dagegen hat der Kläger am 26. August 2010 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG)erhoben. Die Beklagte habe zur Frage der Kriminalität in Malaysia nur unzureichend ermittelt und sei insbesondere nicht darauf eingegangen, dass nur Dinge, die sich auf die Schule bezogen hätten, entwendet worden seien. Gerade in den vergangenen 5-6 Jahren hätten Überfälle mit Waffengewalt in Malaysia deutlich zugenommen, was auch Zeitungsberichten (ab Anfang 2006) über Überfälle auf sog. VIPs entnommen werden könne. In der freien Wirtschaft tätigen Leitern von Auslandsniederlassungen seien daher von ihren Arbeitgebern auch rund um die Uhr Sicherheitskräfte zur Bewachung zuteilt worden. Es könne daher keine Rede davon sein, dass es sich bei dem Überfall um "normale Beschaffungskriminalität" gehandelt habe. Vergleichbare Überfälle habe es zwar nicht gegeben, Einbrüche jedoch mehrfach. Es sei auch auffällig, dass nur auf die Schule bezogene Gegenstände entwendet worden seien, insbesondere der Schulschlüssel, der gut versteckt gewesen sei. Das Dienstmädchen des Klägers habe den Tätern wohl die entscheidenden Hinweise gegeben. Wertgegenstände von über 50.000,- EUR, die sich ansonsten noch in der Wohnung befunden hätten, seien von den Tätern nicht mitgenommen worden. Die Schlösser der Schule seien am 10. Juli 2006 ausgetauscht worden. Der Kläger habe nicht zuletzt in seinem Wohnhaus dienstliche Verrichtungen erfüllt, denn er habe außerhalb der Dienstzeiten den Schlüsselbund mit den Schulschlüsseln bei sich im Tresor verwahrt. Gerade darauf hätten es die Täter abgesehen, so dass ein dienstlicher Bezug offensichtlich sei.

Mit Urteil vom 29. September 2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe zum Zeitpunkt des Überfalls am 8. Juli 2006 nicht unter Versicherungsschutz gestanden, da sich der durch die Entsendung begründete Versicherungsschutz nicht auf jedwede Tätigkeit erstreckt habe. Der Kläger und seine Ehefrau hätten im Zeitpunkt des Überfalls geschlafen. Der Schlaf habe der körperlichen und geistigen Regeneration gedient, jedoch keinen Bezug zur versicherten Tätigkeit des Klägers als Leiter der Deutschen Schule in Malaysia gehabt. Allein der Umstand, dass infolge der Erholung durch den Schlaf mittelbar auch die Leistungsfähigkeit für die versicherte Tätigkeit gesichert/erhöht werde, bedinge auch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) keinen Bezug zur versicherten Tätigkeit. Zudem habe es sich im Zeitpunkt des Überfalls um den ersten Ferientag gehandelt. Auf die Motivationslage der Täter komme es deshalb nicht entscheidend an. Allerdings sei zur Überzeugung der Kammer auch nicht erwiesen, dass irgendwelche, der versicherten Tätigkeit des Klägers zuzurechnende Umstände den Überfall wesentlich begünstigt hätten. Es stehe fest, dass der Kläger allenfalls einen geringen Geldbetrag der Schule im Tresor verwahrt gehabt habe, wobei die Gründe, warum der diesen geringen Betrag während der Ferien im Wohnhaus verwahrt haben will, wo auch die Schule über einen Tresor verfüge, nicht ersichtlich seien. Es sei darüber hinaus nach den Angaben der als Zeugin gehörten Ehefrau des Klägers mit Niemandem, auch nicht mit dem ausspähenden Dienstmädchen, über die Verwahrung von Schulgeldern im Privattresor gesprochen worden. Erhebliche Zweifel am dienstlichen Zusammenhang des Überfalls seien auch dadurch bedingt, dass am Tag vor dem Überfall die Ehefrau des Klägers einen erheblichen Geldbetrag zur privaten Verwendung im Tresor deponiert habe und dem Dienstmädchen bekannt gewesen sei, dass sie bei der Bank gewesen sei. Nicht zuletzt sei trotz der gestohlenen Schulschlüssel kein Versuch unternommen worden, in die Schule einzudringen und dort Wertgegenstände oder Geld zu entwenden. Auch dieser Umstand spreche gegen ein der versicherten Tätigkeit zuzurechnendes Tatmotiv. Die Gesamtumstände sprächen daher für ein der Beschaffungskriminalität zuzurechnendes Verbrechen, wofür nicht zuletzt der Umstand spreche, dass nur Bargeld, nicht aber sonstige Wertgegenstände entwendet worden seien. Auch dürften gewaltbereite Täter generell davon ausgehen, dass im Land lebende Ausländer über größere Vermögenswerte, auch in ihrer Unterkunft, verfügten als Einheimische. Dadurch ließen sich auch die vom Kläger aufgeführten Überfälle auf "VIPs" erklären. Der Kläger sei schließlich bei dem Überfall auch keiner besonderen, mit der dienstlichen Tätigkeit in Malaysia verbundenen Gefahrenlage erlegen. Denn Beschaffungskriminalität sei keine landestypische Besonderheit in Malaysia, sondern auch im Bundesgebiet ein nahezu täglich vorkommendes Delikt. Dass der Überfall mit außergewöhnlicher Brutalität vorgenommen worden sei, betreffe das "Wie", nicht das "Ob" der Tat. Auch die im Internet abrufbaren Sicherheitshinweise des Deutschen Auswärtigen Amtes oder des Schweizerischen Eidgenossenschaftlichen Departments für Auswärtige Angelegenheiten enthielten nur Hinweise auf Piraterie und Entführungen sowie Trickbetrügereien, Taschen- und andere Diebstähle. Ein erhöhtes Gefährdungspotential lasse sich hieraus aber nicht herleiten.

Gegen das dem Klägerbevollmächtigten am 6. Oktober 2011 zugestellte Urteil hat dieser für den Kläger am 31. Oktober 2011 Berufung eingelegt und zur Begründung das bisherige Vorbringen wiederholt und vertieft. Der Kläger sei nach seiner Entsendung in ein Gebiet mit hoher Kriminalitätsrate in seiner Funktion als Schulleiter in seiner privaten Wohnung überfallen worden, während er Betriebsmittel für die Schule verwahrt habe. Es seien auch nur Betriebsmittel entwendet worden. Allein dies belege den objektiven Zusammenhang zwischen Überfall und versicherter Tätigkeit. Das SG habe nicht beachtet, dass für Unfälle im Ausland Besonderheiten gelten würden. Auch bei rein privaten Verrichtungen sei Versicherungsschutz zu bejahen, wenn durch die Entsendung eine besondere Gefährdungslage bedingt oder wenn durch die versicherte Tätigkeit eine wesentliche Bedingung für den Überfall gesetzt sei. Schon durch seine Entsendung nach Malaysia sei der Kläger einer erhöhten Gefährdungslage ausgesetzt gewesen. Die enorme Brutalität beim Überfall spreche zudem gegen eine "normale" Beschaffungskriminalität. Die Tat habe zudem offenkundig im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Klägers als Schulleiter gestanden. Die Kriminalität in Malaysia sei gegenüber Deutschland deutlich höher, dies habe das SG ebenfalls nicht ausreichend gewürdigt. Es sei darüber hinaus lebensfremd, wenn das SG von einer normalen Beschaffungskriminalität ausgehe, die Täter aber Vermögensgegenstände, die in Malaysia ohne Probleme an Hehler verkauft werden könnten, nicht mitgehen ließen. Da die Ursache des Überfalls im dienstlichen Bereich begründet liege, bestehe Versicherungsschutz auch dann, wenn der Kläger und seine Frau im Zeitpunkt des Überfalls geschlafen hätten. Darüber hinaus habe der Kläger als Sachwalter der ihm von der Schule überlassenen Geldmittel und Schlüssel gehandelt, als er den Angriff abzuwehren versucht habe. Durch die Mitnahme des Schul- und des sich daran befindlichen Tresorschlüssels der Schule hätten sich die Täter Zugang zum dortigen Tresor verschaffen können, in dem während der Ferienzeit auch Wertgegenstände der Lehrer verwahrt worden seien. Nur darauf hätten es die Täter abgesehen. Davon sei auch die ermittelnde malaysische Polizei ausgegangen. Nicht zuletzt unter dem Gesichtspunkt der "gemischten Tätigkeit" sei Versicherungsschutz zu bejahen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29. September 2011 sowie den Bescheid vom 12. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. August 2010 aufzuheben und festzustellen, dass der Überfall vom 8. Juli 2006 ein Arbeitsunfall war.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

und verweist zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidungen.

Der Senat hat Ermittlungen beim Bundesverwaltungsamt, Zentrale für das Auslandsschulwesen (Stellungnahme vom 12. Januar 2012) sowie beim Auswärtigen Amt (Stellungnahmen vom 15. Januar 2012 sowie 7. und 17. Februar 2012) vorgenommen.

Der Senat hat den Beteiligten mitgeteilt, es komme die Möglichkeit in Betracht, die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte. Die Beteiligten haben Gelegenheit erhalten, zu dieser Verfahrensweise Stellung zu nehmen.

Der Kläger hat daraufhin Stellungnahmen von F. S., D. C. A. Group. vom Januar 2012, von Dr. R. H., C. E. O., D.-A. I.- und H. vom 15. Februar 2012 sowie von H.D. J., Botschafter a.D. vom 26. Januar 2012 sowie von Frau M. S. vom 20. Januar 2012 und U. A., C. E. D., M. I.d E ... vom 12. März 2012 vorgelegt. Auf deren Inhalt wird Bezug genommen.

Weiter vorgelegt worden ist der Schriftsatz vom 26. April 2012.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungs- und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss entscheiden, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, nachdem die Beteiligten Gelegenheit erhalten hatten, sich hierzu zu äußern.

Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind ohne Rechtsfehler.

Rechtsgrundlage für die Anerkennung eines Ereignisses als Arbeitsunfall ist § 8 Abs 1 SGB VII. Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer dem Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis (dem Unfallereignis) geführt hat (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern ua für die Gewährung einer Verletztenrente (st. Rspr. Bundessozialgericht, zusammenfassend BSG vom 18. November 2008 – B 2 U 27/07 R = SozR 4-2700 § 8 Nr. 30).

Im Zeitpunkt des Überfalls schliefen der Kläger und seine Ehefrau. Dabei handelt es sich nicht um eine der versicherten Tätigkeit zuzurechnende Verrichtung, sondern eine solche, die wie z.B. die Einnahme einer Mahlzeit dem eigenwirtschaftlichen und damit unversicherten Bereich zuzurechnen ist. Dies hat das SG zutreffend festgestellt. Der Einwand des Klägerbevollmächtigten im Berufungsverfahren, wonach es sich hierbei um eine zu formalistische Sichtweise handle und die Besonderheit der Auslandsverwendung des Klägers mit berücksichtigt werden müsse, rechtfertigt insoweit keine abweichende Beurteilung. Für die Frage der Reichweite des Versicherungsschutzes bei Dienstreisen, auch mit Auslandsbezug, hat das BSG in ständiger Rechtsprechung ausgeführt, dass ein Betroffener nicht allein deshalb unter Versicherungsschutz steht, weil er sich im Zeitpunkt eines tätlichen Angriffs aufgrund der versicherten Tätigkeit in einer fremden Stadt befindet (vgl. BSG vom 29. April 1980 – 2 RU 95/79 = BSGE 50, 100 ff). Denn auch bei Dienstreisen – und nichts anderes gilt grundsätzlich bei dienstlich veranlasstem Aufenthalt im Ausland aus anderen Gründen – muss unterschieden werden zwischen Betätigungen, die mit dem Beschäftigungsverhältnis rechtlich wesentlich zusammenhängen und solchen, die der privaten Sphäre des Betroffenen angehören. Dabei lässt das Bundessozialgericht bei Dienstreisen an einen auswärtigen Beschäftigungsort durchaus einen weitergehenden Zusammenhang einer Tätigkeit mit dem Beschäftigungsverhältnis am Ort der auswärtigen Beschäftigung zu, z.B. der Weg zur Nahrungsaufnahme während einer Dienstreise, um den Besonderheiten der auswärtigen Beschäftigung angemessen Rechnung zu tragen. Ist der Beschäftigte infolge der auswärtigen Tätigkeit gezwungen, zur Nahrungsaufnahme erst einen längeren Weg zurückzulegen, dann ist folglich auch dieser Weg dem Unfallversicherungsschutz unterstellt (vgl allgemein: BSGE 8, 48, 49 ff; BSGE 39, 180, 181 = SozR 2200 § 548 Nr. 7; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 3 sowie Brackmann/Krasney, SGB VII, § 8 RdNr 88, 100; Versicherungsschutz bejaht: BSG Urteil vom 25. März 1964 - 2 RU 123/61 -, BG 1964, 373: Weg in einem Restaurant zur Wiederaufnahme der versicherten Tätigkeit; BSGE 50, 100 = SozR 2200 § 548 Nr. 50: Wege nach einem längeren Gaststättenaufenthalt; BSG Urteil vom 26. April 1990 - 2 RU 54/89 -: Erkunden der örtlichen Verhältnisse eines Tagungshotels; verneint: BSG SozR 2200 § 548 Nr 95, Saunabesuch; BSG SozR 2200 § 539 Nr 110: Spaziergang). Der sehr weit gehende Versicherungsschutz bei Dienstreisen findet seine Begründung in der Erwägung, dass der durch die versicherte Tätigkeit bedingte Aufenthalt in einer fremden Stadt auch außerhalb der Arbeitszeit nicht in demselben Maße von rein eigenwirtschaftlichen Belangen beeinflusst ist, wie derjenige am Wohnort (vgl. BSGE 8, 48, 57; SozR 3-2200 § 548 Nr. 3) und dass der Versicherte sich aufgrund der versicherten Tätigkeit in einer fremden Umgebung aufhält und damit gegebenenfalls gefahrbringenden Umständen ausgesetzt ist, die in ihrer besonderen Eigenart dem Versicherten während seines normalen Verweilens an seinem Wohnort nicht begegnet wären (BSGE 39, 180 = SozR 2200 § 548 Nr. 7; SozR 3-2200 § 539 Nr. 17).

Abweichend hiervon war das Verhalten des Klägers im Zeitpunkt des Überfalls nicht durch Besonderheiten der auswärtigen Beschäftigung bedingt. Er lag zusammen mit seiner Frau im Bett und schlief. Besonderheiten der auswärtigen Tätigkeit haben ihn nicht zu einem anderen Verhalten gezwungen als im Inland.

Ist der Kläger daher keiner versicherten Tätigkeit im Zeitpunkt des Überfalls nachgegangen, käme Versicherungsschutz nur dann in Betracht, wenn allein infolge des Aufenthalts im Ausland mit den damit eventuell zusammenhängenden Gefahren eine Erweiterung des Versicherungsschutzes geboten wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die zu Dienstreisen ergangene Rechtsprechung des BSG kann nicht dergestalt auf eine – auf längere Dauer angelegte – Auslandsbeschäftigung übertragen werden, dass die besondere Gefahrenlage, in der man sich durch den Aufenthalt an einem fremden Ort begibt, als quasi fortdauernd bewertet wird. Der Kläger und seine Frau lebten im Zeitpunkt des Überfalls bereits rund ein Jahr in Malaysia. Sie waren mit den örtlichen Verhältnissen vertraut. Sie hatten ihren ständigen Wohnsitz dort und nicht in Deutschland. Diese Umstände stehen der Übertragung der Rechtsprechung zu Dienstreisen auf längerdauernde Auslandsaufenthalte mit Wohnsitznahme dort entgegen. Eine andere Bewertung würde zudem dazu führen, dass abweichend vom Schiffen, auf denen ein umfassender Versicherungsschutz besteht (vgl. § 10 SGB VII), ein umfassender Versicherungsschutz für jedwede Betätigung – auch an sich unversicherte - angenommen werden müsste, wenn sich der Versicherte nur in ein Land begibt, das per se als "gefährlicher" gilt als die Bundesrepublik. Es würde also ein "Betriebsbann" für den gesamten Aufenthalt im Ausland bejaht werden müssen, was eine unzulässige Ausweitung des Versicherungsschutzes darstellen würde (vgl. zuletzt zusammenfassend BSG Urteil vom 26. Oktober 2004 – B 2 U 24/03 R = BSGE 93, 279). Verrichtet also ein Versicherter im Ausland eine Tätigkeit, die per se eigenwirtschaftlich ist und rechtfertigen nicht Besonderheiten des auswärtigen Aufenthalts eine erweiternde Beurteilung, scheidet – wie hier – Versicherungsschutz aus. Versicherungsschutz für ein "typisches Entsenderisiko", wie Dr. H. in der vom Kläger vorgelegten Stellungnahme meint, gibt es ohne Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse im Zeitpunkt des Unglücks nicht.

Versicherungsschutz könnte für den Überfall daher nur dann bejaht werden, wenn die Beweggründe des Angreifers in Umständen zu suchen sind, die in Verbindung mit der versicherten Tätigkeit des Klägers zu sehen sind. Ist dies nicht der Fall, fehlt es grundsätzlich an dem erforderlichen inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit (st. Rspr. BSG, zusammenfassend BSG vom 26. Juni 2001 – B 2 U 25/00 R = SozR 3-2200 § 548 Nr. 42).

Ein betriebsbezogenes Tatmotiv ist nicht zur Überzeugung des Senats nachgewiesen, auch wenn der Kläger davon ausgeht, dass der Überfall durch seine Tätigkeit als Leiter der Deutschen Schule bedingt war. Die Täter des Überfalls wurden nicht gefasst. Für die Annahme, die Täter könnten aufgrund der Schulleitertätigkeit den Überfall begangen haben, spricht zwar einerseits, dass sie die Schulschlüssel und die Schultasche des Klägers gestohlen haben und gezielt – nach Auskundschaftung durch das Dienstmädchen – die Schulschlüssel an ihrem Versteck auch gesucht hatten. Dagegen spricht allerdings, dass trotz der Entwendung der Schulschlüssel auch in den zwei Tagen nach dem Überfall, als die Schlösser an der Schule noch nicht ausgetauscht waren, kein Versuch unternommen worden war, in die Schule einzudringen und mit dem den Tätern verfügbaren Tresorschlüssel den Schultresor zu öffnen, obwohl dort nach Angaben des Klägers in der Ferienzeit durchaus erhebliche Wertgegenstände der Beschäftigten lagerten. Diese Annahme wird durch die vom Kläger vorgelegte Stellungnahme des Herrn A. bestätigt, dessen gestohlene Betriebsschlüssel noch in der gleichen Nacht verwendet worden waren, um in das Unternehmen einzudringen und 60 PCs zu stehlen. Dagegen steht auch nicht der Vortrag, zuletzt im Schriftsatz vom 26. April 2012, dass am Sonntag, also knapp zwei Tage nach dem Überfall, der Code für die Chipkarte der Schule geändert worden sei, ohne die (auch mit Schulschlüssel) ein Betreten der Schule nicht möglich sei. Unabhängig davon, dass mit diesem Vortrag das Vorbringen, wonach die Täter mit dem Schulschlüssel in die Schule hätten eindringen wollen, um aus dem Tresor Bargeld zu entwenden, unplausibel wird, weil sie offenbar zum Betreten der Schule noch einen Code für die Chipkarte benötigt hätten, bleibt es dabei, dass die Täter jedenfalls in den eineinhalb bis zwei Tagen, die nach dem Überfall (Freitag auf Samstag) bis zum Austausch von Code/Schlüsselanlage verblieben, die ihnen offenstehende Möglichkeit eines Eindringens in die Schule nicht genutzt haben.

Gegen die Annahme eines Überfalls aus Motiven, die mit der versicherten Tätigkeit des Klägers zusammenhängen, spricht des Weiteren, dass Niemandem bekannt war, ob und wenn ja in welcher Höhe er Schulgelder in seinem privaten Tresor verwahrt hatte, wohingegen seine Ehefrau am Vortag des Überfalls auf der Bank für den privaten Gebrauch Geld abgeholt hatte und dies dem Dienstmädchen auch bekannt war. Soweit im Schriftsatz vom 26. April 2012 unter Berufung auf das Zeugnis der Ehefrau des Klägers bestritten wird, dass das Dienstmädchen davon Kenntnis hatte, wird darauf hingewiesen, dass die Ehefrau des Klägers in ihrer Vernehmung vor dem SG genau diese Angaben gemacht hat.

Des Weiteren spricht gegen ein derartiges Tatmotiv der Umstand, dass sich der Überfall am ersten Ferientag ereignete. Wenn der Kläger ausführt, dass die Täter davon ausgegangen sein müssten, dass er die Löhne der Mitarbeiter der Schule bei sich bar zu Hause aufbewahrt habe, um diese dann auszuzahlen, passt dies nicht mit dem Umstand zusammen, dass der Überfall am ersten Ferientag stattfand. Zu diesem Zeitpunkt mussten die Täter vielmehr davon ausgehen (sollten sie sich derartige Gedanken überhaupt gemacht haben), dass das Geld bereits ausgezahlt ist, da die Mitarbeiter in Urlaub sind und es sich zudem auch nicht um das Monatsende gehandelt hat. Weder für noch gegen ein betriebsbezogenes Tatmotiv spricht der Umstand, dass die Täter nur Geld und Schlüssel, nicht aber andere Wertgegenstände mitgenommen haben. Der Senat hat keine Kenntnis darüber, ob derartige Gegenstände in Malaysia durch Hehler leicht oder schwer zu verkaufen sind oder wie Beschaffungskriminalität in Malaysia ausgestaltet ist. Dies kann aber auch offen bleiben, da es nicht entscheidungserheblich ist. Denn die Täter haben nach den Angaben des Klägers den Überfall offensichtlich abgebrochen, als sie ein Geräusch von Außen gehört hatten und daraufhin die Flucht angetreten. Sie haben den Überfall glücklicherweise nicht beenden können, so dass letztendlich auch nicht mit Sicherheit gesagt werden kann, was sie mitgenommen hätten, wenn ihnen mehr Zeit für ihre Tat zur Verfügung gestanden hätte. Insoweit vermögen auch die vom Kläger vorgelegten Schreiben ihm bekannter Europäer, die in Malaysia wohnen und aufgrund des Umstands, dass nur die Schultasche und die Schulschlüssel (sowie Bargeld) gestohlen worden waren, darauf schlossen, dass es sich nicht um eine "normale" Beschaffungskriminalität handelt, keine abweichende Beurteilung rechtfertigen. Dies gilt insbesondere für die Stellungnahme des Herrn S., der u.a. auch davon ausging, dass der Überfall vor Ferienbeginn stattgefunden hatte.

Aber auch dann, wenn ein betriebsbezogenes Tatmotiv nicht festgestellt werden kann, kann ein innerer Zusammenhang auch bei einem aus rein persönlichen Gründen stattgefundenen Überfall gegeben sein, wenn die besonderen Umstände, unter denen die versicherte Tätigkeit ausgeübt wird, oder die Verhältnisse am Arbeitsplatz den Überfall erst möglich gemacht haben (BSGE 78, 65, 67 = SozR 3-2200 § 548 Nr. 28). Voraussetzung für eine solche, zur Bejahung des inneren Zusammenhangs trotz nicht betriebsbezogenen Tatmotivs des Angreifers führende besondere Fallgestaltung ist jedoch das Vorliegen von versicherter Tätigkeit zum Zeitpunkt des Überfalls oder jedenfalls unmittelbar davor (BSG Urteil vom 19. Dezember 2000 – B 2 U 37/99 R = SozR 3-2200 § 548 Nr. 41). Daran fehlt es hier – wie oben dargestellt – jedoch. Soweit der Bevollmächtigte des Klägers ausführt, dass aufgrund des Verwahrens des Schulschlüssels im Haus des Klägers von einer versicherten Tätigkeit auszugehen ist, teilt der Senat diese Rechtsauffassung nicht.

Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 5 SGB VII ist eine versicherte Tätigkeit auch das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgerätes oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

Verwahren im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 5 SGB VII ist daher das Unterbringen des Arbeitsgerätes am Arbeitsplatz oder an einem anderen Ort. Anders als im Rahmen des zivilrechtlichen Dauerschuldverhältnisses der Verwahrung nach §§ 688 ff des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) beschränkt sich diese Verwahrungshandlung auf den einmaligen Akt der Unterbringung des Arbeitsgerätes an einem bestimmten Ort oder deren Beendigung ("Entwahrung" als Gegenstück der Verwahrung). Die mit dieser Verwahrung unmittelbar zusammenhängenden Wege und Handlungen sowohl an dem Arbeitsplatz als auch an einer anderen Stelle sind, soweit sie mit der Verwahrung einen einheitlichen Lebensvorgang darstellen, ein Teil des Verwahrens (so schon BSG vom 29. Juni 1972 - 2 RU 95/71 - SozR Nr. 1 zu § 549 RVO - Weg zum Herausholen - Entwahrung - eines in diesem Fall als Arbeitsgerät zu bewertenden Pkws aus einer Garage; BSG vom 6. Mai 2003 - B 2 U 33/02 R - Handy-Fall). Wege hingegen, die keinen derartigen einheitlichen Lebensvorgang mit dem Verwahren darstellen, sondern schlicht mit dem Arbeitsgerät zurückgelegt werden, sind begrifflich nicht als "Verwahren" zu bezeichnen, sondern können das "Befördern" eines Arbeitsgeräts darstellen.

Der Kläger hatte im Zeitpunkt des Überfalls den Schulschlüssel nicht bei sich getragen, um diesen an einem sicheren Ort zu deponieren, sondern ihn bereits an der dafür vorgesehenen Stelle hinterlegt. Unabhängig von der Frage, ob der Schulschlüssel überhaupt als Arbeitsgerät im Sinne der Norm angesehen werden kann, genügt es für die Annahme von Versicherungsschutz jedenfalls nicht, wenn ein Arbeitsgerät einfach nur mit sich geführt oder zu Hause aufbewahrt wird. Dem Kläger ist zuzustimmen, dass er auch zu Hause für den Schulschlüssel verantwortlich war und daher auch während des Nachtschlafs – allerdings nur unter zivilrechtlicher Betrachtung – die Verwahrung fortsetzte. Für die Beurteilung im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung ist jedoch, wie das BSG aaO ausführte und dem sich der Senat anschließt, eine abweichende Beurteilung erforderlich, die allein auf die Verwahrungs- oder Entwahrungshandlung abstellt. Der Überfall geschah jedoch nicht im zeitlichen Zusammenhang damit.

Eine rechtliche Grundlage dafür, allein aufgrund der Entsendung des Klägers in ein Land mit ggf. höherer Kriminalitätsrate als in der Bundesrepublik einen umfassenden Versicherungsschutz für jede Betätigung im Ausland anzunehmen, gibt es nicht. Zudem war auch nach den Auskünften des Auswärtigen Amtes, die der Senat zur Vervollständigung der Ermittlungen beigezogen hat, keine besondere Gefährdungslage gegeben. Allein der Umstand, dass – tatsächlich oder vermeintlich – wohlhabende Ausländer vermehrt der Gefahr von Diebstählen und Einbrüchen ausgesetzt sind, vermag eine derart umfassende Absicherung gegen alle Gefahren im Rahmen der Entsendung nicht zu begründen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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