Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 25 R 8564/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 618/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. Januar 2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Der im Jahr 1953 geborene Kläger hat nach seinen Angaben in der T. fünf Jahre die Schule besucht und danach im Tier- und Gemüsehandel seines Vaters mitgeholfen. Im Jahr 1977 kam er erstmals in die Bundesrepublik Deutschland und war nach seinen Angaben und ausweislich des Versicherungsverlaufs vom 30.9.1999 von Dezember 1978 bis August 1981 mit Unterbrechungen versicherungspflichtig als Arbeiter beschäftigt. Nach seiner Rückkehr in die T. war er nach seinen Angaben vier Jahre als Geschäftsführer bei seinem Vater tätig. Im Oktober 1986 kehrte er in die Bundesrepublik zurück und war – abgesehen von Zeiten der Arbeitslosigkeit – nach seinen Angaben zwei Jahre als LKW-Fahrer auf dem Großmarkt beschäftigt. Von August 1998 bis April 2004, der Insolvenz, betrieb der Kläger als Selbstständiger einen Obst- und Gemüsehandel und war bei der Beklagten freiwillig versichert. Seit Dezember 2005 bezieht er Arbeitslosengeld (Alg) II.
Rentenanträge des Klägers vom 23.8.2005 und 27.4.2007 hatten keinen Erfolg (Bescheid vom 30.8.2005 und Verfügung vom 11.5.2007).
Am 26.2.2009 und 16.6.2009 beantragte der Kläger erneut die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte ließ den Kläger auf nervenärztlichem Gebiet untersuchen. Der Neurologe und Psychiater Dr. S. stellte beim Kläger im Gutachten vom 2.4.2009 eine mittelgradig ausgeprägte depressive Symptomatik bei längerfristiger Anpassungsstörung fest. Er gelangte zum Ergebnis, der Kläger sei in seiner Belastbarkeit eingeschränkt. Er könne leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne besonderen Zeitdruck, ohne Nachtschicht, ohne überdurchschnittliche Anforderungen an die Konzentration, die Umstellungsfähigkeit und das Reaktionsvermögen noch mindestens sechs Stunden pro Tag verrichten. Allerdings erscheine der Kläger hierzu nicht motiviert und dürfte auch Schwierigkeiten haben, einen Arbeitsplatz zu finden.
Mit Bescheid vom 25.6.2009 lehnte die Beklagte die Gewährung von Rente ab, weil weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung und auch keine Berufsunfähigkeit vorliege. Den Widerspruch wies die Beklagte nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme mit Widerspruchsbescheid vom 5.11.2009 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 17.12.2009 Klage zum Sozialgericht (SG) Stuttgart erhoben, mit der er die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung begehrt hat.
Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen gehört und Gutachten auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet eingeholt.
Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. Ö. hat unter dem 4.2.2010 mitgeteilt, der Kläger leide seit längerer Zeit unter einer depressiven Episode sowie einer unstabilen arteriellen Hypertonie. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne Heben und Tragen von Lasten über 10 kg und ohne Schichtarbeit könne der Kläger vier bis sechs Stunden täglich verrichten. Der psychische Zustand sollte vom behandelnden Psychiater beurteilt werden.
Der Neurologe und Psychiater Dr. L. hat unter dem 13.7.2010 erklärt, er behandle den Kläger seit dem 25.7.2005. Damals habe eine schwere Depression vorgelegen. Auch in der Folgezeit sei der Kläger chronisch depressiv gewesen. Seit Aufnahme der Behandlung sei der Kläger arbeitsunfähig; das Leistungsvermögen liege unter zwei Stunden täglich.
Der Arzt für Anästhesie und spezielle Schmerztherapie K. hat in der am 29.9.2010 beim SG eingegangen Zeugenaussage angegeben, der Kläger stehe seit August 2001 in seiner schmerztherapeutischen Behandlung; sein Leistungsvermögen liege unter drei Stunden täglich.
Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. F. hat im Gutachten vom 10.2.2011 beim Kläger eine sonstige anders nicht näher bezeichnete affektive Störung (ICD-10 F38.8) diagnostiziert. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne der Kläger noch leichte körperliche Tätigkeiten ohne Zeitdruck und ohne hohe Verantwortung unter drei Stunden täglich verrichten. Die Wegefähigkeit sei wahrscheinlich eingeschränkt.
Nach Einwendungen des Neurologen und Psychiaters B. in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 16.3.2011 hat Dr. F. in der ergänzenden Stellungnahme vom 7.5.2011 an seiner Beurteilung festgehalten.
Das SG hat daraufhin Dr. B., Arzt für Neurologie und Psychiatrie sowie Chefarzt der R.-Klinik, mit der Begutachtung des Klägers beauftragt. Dieser hat beim Kläger aufgrund einer stationären Begutachtung vom 24. bis 26.10.2011 sowie unter Einschaltung eines t. sprechenden Psychologen im Gutachten vom 25.11.2011 eine undifferenzierte Somatisierungsstörung (ICD-10 F45.1) bei nicht näher bezeichneter andauernder Persönlichkeitsveränderung (ICD-10 F62.9) diagnostiziert. Er hat ausgeführt, aufgrund der vorliegenden neurotischen Fehlhaltung sei der Kläger zwar leistungseingeschränkt. Diese Leistungseinschränkung beruhe jedoch zu einem großen Teil auf motivationalen Defiziten, die jedoch bei Konfrontation mit entsprechenden Rahmenbedingungen und einer ressourcen- und resilienzorientierten therapeutischen Behandlung zu durchbrechen wären. Unter zumutbarer Willensanstrengung könne der Kläger leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten, die klar strukturiert seien, ohne Nachtschicht, ohne besonderen Zeitdruck, ohne überdurchschnittliche Anforderungen an die Konzentration, das Umstellungsvermögen und das Redaktionstempo noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Tätigkeiten, die ein erhöhtes Gefährdungspotenzial für den Kläger sowie für andere enthielten, wie das Fahren von Fahrzeugen oder das Bedienen von Maschinen mit Gefährdungspotenzial, sollten unterbleiben. Die Wegefähigkeit sei nicht signifikant eingeschränkt. Der Kläger könne 500 m in 15 bis 18 Minuten problemlos zurücklegen. Die Benutzung öffentlicher oder privater Verkehrsmittel stelle keine gesundheitliche Beeinträchtigung dar.
Mit Urteil vom 19.1.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe zu Recht die Gewährung einer Rente abgelehnt. Nach Durchführung der medizinischen Ermittlungen im Klageverfahren lasse sich eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens nicht feststellen. Im Vordergrund stünden beim Kläger Beschwerden auf psychiatrischem Gebiet. Des Weiteren leide der Kläger unter Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Gebiet sowie unter einer arteriellen Hypertonie. Trotz dieser Gesundheitsstörungen sei der Kläger nicht gehindert, unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen täglich wenigstens sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig zu sein. Das Gericht stütze sich hierbei auf die Leistungseinschätzung des gerichtlichen Sachverständigen Dr. B. Auch Dr. S. sei zu dieser Leistungsbeurteilung gelangt. Der Leistungseinschätzung der behandelnden Ärzte Dr. L. und Dr. K. sowie des Sachverständigen Dr. F. habe sich das SG nicht anzuschließen vermocht. Die Wegefähigkeit des Klägers sei nicht eingeschränkt, wie Dr. B. schlüssig und nachvollziehbar dargelegt habe. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, da er als Arbeiter und Fahrer auf dem Großmarkt als ungelernter Arbeiter einzustufen und somit auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar sei. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.
Gegen das am 9.2.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13.2.2012 Berufung eingelegt und vorgetragen, er leide unter zahlreichen Gesundheitsstörungen, insbesondere auf orthopädischem sowie neurologisch-psychiatrischem Gebiet. Die Schmerzen und Depressionen führten dazu, dass er am Gesellschafts- und Kulturleben nicht mehr teilnehmen und auch nicht mehr als drei Stunden täglich arbeiten könne. Die Gehstrecke am Stück sei auf knapp 500 m begrenzt, weswegen die Wegefähigkeit nicht mehr gegeben sei. Autofahren sei schmerzbedingt kaum mehr möglich. Allenfalls an guten Tagen könne er kürzere Strecken innerorts bewältigen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. Januar 2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. Juni 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erwidert, aus der Berufungsbegründung ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte, die eine Änderung ihres bisherigen Standpunktes zuließen.
Mit Verfügung vom 12.4.2012 hat die Berichterstatterin darauf hingewiesen, dass der Sachverhalt geklärt und eine Entscheidung durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beabsichtigt sei.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.
Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das LSG - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Mit Schreiben vom 12.4.2012 hat der Senat die Beteiligten auch auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier vom Kläger beanspruchte Rente wegen voller und teilweiser Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit- §§ 43, 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) - dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht besteht, weil der Kläger noch wenigstens sechs Stunden täglich leistungsfähig und auch nicht berufsunfähig ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren an, sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück.
Ergänzend ist lediglich auszuführen, dass auch der Senat nicht festzustellen vermag, dass das Leistungsvermögen des Klägers für körperlich leichte Tätigkeiten ohne besonderen Zeitdruck, ohne Nachtschicht sowie ohne besondere (überdurchschnittliche) Anforderungen an die Konzentration, das Umstellungs- und Reaktionsvermögen auf unter sechs Stunden täglich herabgesunken ist. Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat insbesondere aufgrund des Gutachtens von Dr. B. vom 25.11.2011, dessen Beurteilung auf einer dreitägigen stationären Untersuchung und Beobachtung des Klägers sowie psychologischen Tests unter Einschaltung eines t. sprechenden Psychologen beruht. Durch dieses Gutachten wurde im Wesentlichen die Beurteilung der Ärzte der L. vom 12.7.2005 bestätigt, die schon damals aufgrund ihrer Feststellungen während des Heilverfahrens des Klägers vom 14.6. bis 12.7.2005 zum Ergebnis gelangt waren, dass der Kläger aus gesundheitlichen Gründen nicht gehindert sei, körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten täglich mindestens sechs Stunden zu verrichten. Zu dieser Einschätzung ist ebenfalls der Neurologe und Psychiater Dr. S. im Gutachten vom 2.4.2009 gelangt.
Der abweichenden Beurteilung des Sachverständigen Dr. F. vermag sich der Senat – ebenso wie das SG – nicht anzuschließen, da seit dem Heilverfahren aus dem Januar 2005 keine wesentliche Verschlechterung im Gesundheitszustand des Klägers feststellbar ist und Dr. F. nicht hinreichend berücksichtigt hat, dass angesichts der vom Kläger geschilderten Aktivitäten die vom ihm geschilderten Beschwerden und Einschränkungen kritisch zu hinterfragen waren. So zeigte sich während der stationären Begutachtung eine starke Diskrepanz zwischen den geklagten Beschwerden und deren Ausgestaltung einerseits und der realen Repräsentation und des Erlebens auf Station und im Umgang mit t. Mitpatienten andererseits. Ein Vermeidungsverhalten, ein sozialer Rückzug und eine Isolation, wovon der Kläger immer wieder berichtet hatte, waren nicht feststellbar. Vielmehr konnte sich der Kläger gut auf soziale Kontakte, insbesondere zu den t. sprechenden Patienten, einlassen und nahm in der t. Patientengruppe aktiv an sozialen Aktivitäten teil. Die geklagten Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen konnten weder im klinischen Alltag beobachtet noch testpsychologische bestätigt werden. Das während der Untersuchungssituation vorherrschende langsame, schwerfällige Gangbild konnte im Stationsalltag ebenfalls nicht beobachtet werden; hier war dem Kläger das Gehen problemlos möglich. Angesichts dessen überzeugt den Senat die Beurteilung von Dr. B., dass das Leistungsvermögen des Klägers aufgrund der neurotischen Fehlhaltung zwar eingeschränkt ist, aber zu einem großen Teil auf Motivationsdefiziten beruht und bei einer zumutbaren Willensanstrengung dem Kläger körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten sechs Stunden täglich möglich sind.
Gravierende Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Gebiet, die die Wegefähigkeit des Klägers erheblich einschränken könnten, sind nicht ersichtlich. Vielmehr konnte sich der Kläger – wie oben dargelegt – auf Station problemlos bewegen, wie aus dem Gutachten von Dr. B. zu entnehmen ist. Hierfür spricht auch, dass der Kläger vormittags ca. eine halbe Stunde mit seiner Ehefrau spazieren geht bzw. sich eine Stunde im Park aufhält, wie sich aus den Angaben der Ehefrau gegenüber Dr. F. ergibt.
Zu Recht hat das SG auch die Voraussetzungen für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit verneint. Der bisherige Beruf des Klägers im Sinne von § 240 Abs. 2 S. 2 SGB VI ist nicht seine zuletzt ausgeübte selbstständige Tätigkeit als Betreiber eines Obst- und Gemüsehandels, für die er freiwillige Beiträge entrichtet hat, sondern seine versicherungspflichtigen Tätigkeiten als ungelernter Arbeiter bzw. LKW-Fahrer auf einem Großmarkt (vergl. BSG SozR 3-2200 § 1246 RVO Nr. 34; BVerfG SozR 2200 § 1246 RVO Nrn. 28 und 156). Als ungelernter bzw. allenfalls angelernter Arbeiter ist der Kläger auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar. Auch liegen keine ungewöhnlichen Leistungseinschränkungen oder eine besondere Leistungsbehinderung vor und insbesondere keine Einschränkung der Wegefähigkeit, wie schon das SG zutreffend ausgeführt hat.
Nach alledem waren das angefochtene Urteil und die angefochtenen Bescheide der Beklagten nicht zu beanstanden. Die Berufung des Klägers musste deswegen zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Der im Jahr 1953 geborene Kläger hat nach seinen Angaben in der T. fünf Jahre die Schule besucht und danach im Tier- und Gemüsehandel seines Vaters mitgeholfen. Im Jahr 1977 kam er erstmals in die Bundesrepublik Deutschland und war nach seinen Angaben und ausweislich des Versicherungsverlaufs vom 30.9.1999 von Dezember 1978 bis August 1981 mit Unterbrechungen versicherungspflichtig als Arbeiter beschäftigt. Nach seiner Rückkehr in die T. war er nach seinen Angaben vier Jahre als Geschäftsführer bei seinem Vater tätig. Im Oktober 1986 kehrte er in die Bundesrepublik zurück und war – abgesehen von Zeiten der Arbeitslosigkeit – nach seinen Angaben zwei Jahre als LKW-Fahrer auf dem Großmarkt beschäftigt. Von August 1998 bis April 2004, der Insolvenz, betrieb der Kläger als Selbstständiger einen Obst- und Gemüsehandel und war bei der Beklagten freiwillig versichert. Seit Dezember 2005 bezieht er Arbeitslosengeld (Alg) II.
Rentenanträge des Klägers vom 23.8.2005 und 27.4.2007 hatten keinen Erfolg (Bescheid vom 30.8.2005 und Verfügung vom 11.5.2007).
Am 26.2.2009 und 16.6.2009 beantragte der Kläger erneut die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte ließ den Kläger auf nervenärztlichem Gebiet untersuchen. Der Neurologe und Psychiater Dr. S. stellte beim Kläger im Gutachten vom 2.4.2009 eine mittelgradig ausgeprägte depressive Symptomatik bei längerfristiger Anpassungsstörung fest. Er gelangte zum Ergebnis, der Kläger sei in seiner Belastbarkeit eingeschränkt. Er könne leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne besonderen Zeitdruck, ohne Nachtschicht, ohne überdurchschnittliche Anforderungen an die Konzentration, die Umstellungsfähigkeit und das Reaktionsvermögen noch mindestens sechs Stunden pro Tag verrichten. Allerdings erscheine der Kläger hierzu nicht motiviert und dürfte auch Schwierigkeiten haben, einen Arbeitsplatz zu finden.
Mit Bescheid vom 25.6.2009 lehnte die Beklagte die Gewährung von Rente ab, weil weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung und auch keine Berufsunfähigkeit vorliege. Den Widerspruch wies die Beklagte nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme mit Widerspruchsbescheid vom 5.11.2009 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 17.12.2009 Klage zum Sozialgericht (SG) Stuttgart erhoben, mit der er die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung begehrt hat.
Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen gehört und Gutachten auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet eingeholt.
Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. Ö. hat unter dem 4.2.2010 mitgeteilt, der Kläger leide seit längerer Zeit unter einer depressiven Episode sowie einer unstabilen arteriellen Hypertonie. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne Heben und Tragen von Lasten über 10 kg und ohne Schichtarbeit könne der Kläger vier bis sechs Stunden täglich verrichten. Der psychische Zustand sollte vom behandelnden Psychiater beurteilt werden.
Der Neurologe und Psychiater Dr. L. hat unter dem 13.7.2010 erklärt, er behandle den Kläger seit dem 25.7.2005. Damals habe eine schwere Depression vorgelegen. Auch in der Folgezeit sei der Kläger chronisch depressiv gewesen. Seit Aufnahme der Behandlung sei der Kläger arbeitsunfähig; das Leistungsvermögen liege unter zwei Stunden täglich.
Der Arzt für Anästhesie und spezielle Schmerztherapie K. hat in der am 29.9.2010 beim SG eingegangen Zeugenaussage angegeben, der Kläger stehe seit August 2001 in seiner schmerztherapeutischen Behandlung; sein Leistungsvermögen liege unter drei Stunden täglich.
Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. F. hat im Gutachten vom 10.2.2011 beim Kläger eine sonstige anders nicht näher bezeichnete affektive Störung (ICD-10 F38.8) diagnostiziert. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne der Kläger noch leichte körperliche Tätigkeiten ohne Zeitdruck und ohne hohe Verantwortung unter drei Stunden täglich verrichten. Die Wegefähigkeit sei wahrscheinlich eingeschränkt.
Nach Einwendungen des Neurologen und Psychiaters B. in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 16.3.2011 hat Dr. F. in der ergänzenden Stellungnahme vom 7.5.2011 an seiner Beurteilung festgehalten.
Das SG hat daraufhin Dr. B., Arzt für Neurologie und Psychiatrie sowie Chefarzt der R.-Klinik, mit der Begutachtung des Klägers beauftragt. Dieser hat beim Kläger aufgrund einer stationären Begutachtung vom 24. bis 26.10.2011 sowie unter Einschaltung eines t. sprechenden Psychologen im Gutachten vom 25.11.2011 eine undifferenzierte Somatisierungsstörung (ICD-10 F45.1) bei nicht näher bezeichneter andauernder Persönlichkeitsveränderung (ICD-10 F62.9) diagnostiziert. Er hat ausgeführt, aufgrund der vorliegenden neurotischen Fehlhaltung sei der Kläger zwar leistungseingeschränkt. Diese Leistungseinschränkung beruhe jedoch zu einem großen Teil auf motivationalen Defiziten, die jedoch bei Konfrontation mit entsprechenden Rahmenbedingungen und einer ressourcen- und resilienzorientierten therapeutischen Behandlung zu durchbrechen wären. Unter zumutbarer Willensanstrengung könne der Kläger leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten, die klar strukturiert seien, ohne Nachtschicht, ohne besonderen Zeitdruck, ohne überdurchschnittliche Anforderungen an die Konzentration, das Umstellungsvermögen und das Redaktionstempo noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Tätigkeiten, die ein erhöhtes Gefährdungspotenzial für den Kläger sowie für andere enthielten, wie das Fahren von Fahrzeugen oder das Bedienen von Maschinen mit Gefährdungspotenzial, sollten unterbleiben. Die Wegefähigkeit sei nicht signifikant eingeschränkt. Der Kläger könne 500 m in 15 bis 18 Minuten problemlos zurücklegen. Die Benutzung öffentlicher oder privater Verkehrsmittel stelle keine gesundheitliche Beeinträchtigung dar.
Mit Urteil vom 19.1.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe zu Recht die Gewährung einer Rente abgelehnt. Nach Durchführung der medizinischen Ermittlungen im Klageverfahren lasse sich eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens nicht feststellen. Im Vordergrund stünden beim Kläger Beschwerden auf psychiatrischem Gebiet. Des Weiteren leide der Kläger unter Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Gebiet sowie unter einer arteriellen Hypertonie. Trotz dieser Gesundheitsstörungen sei der Kläger nicht gehindert, unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen täglich wenigstens sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig zu sein. Das Gericht stütze sich hierbei auf die Leistungseinschätzung des gerichtlichen Sachverständigen Dr. B. Auch Dr. S. sei zu dieser Leistungsbeurteilung gelangt. Der Leistungseinschätzung der behandelnden Ärzte Dr. L. und Dr. K. sowie des Sachverständigen Dr. F. habe sich das SG nicht anzuschließen vermocht. Die Wegefähigkeit des Klägers sei nicht eingeschränkt, wie Dr. B. schlüssig und nachvollziehbar dargelegt habe. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, da er als Arbeiter und Fahrer auf dem Großmarkt als ungelernter Arbeiter einzustufen und somit auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar sei. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.
Gegen das am 9.2.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13.2.2012 Berufung eingelegt und vorgetragen, er leide unter zahlreichen Gesundheitsstörungen, insbesondere auf orthopädischem sowie neurologisch-psychiatrischem Gebiet. Die Schmerzen und Depressionen führten dazu, dass er am Gesellschafts- und Kulturleben nicht mehr teilnehmen und auch nicht mehr als drei Stunden täglich arbeiten könne. Die Gehstrecke am Stück sei auf knapp 500 m begrenzt, weswegen die Wegefähigkeit nicht mehr gegeben sei. Autofahren sei schmerzbedingt kaum mehr möglich. Allenfalls an guten Tagen könne er kürzere Strecken innerorts bewältigen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. Januar 2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. Juni 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erwidert, aus der Berufungsbegründung ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte, die eine Änderung ihres bisherigen Standpunktes zuließen.
Mit Verfügung vom 12.4.2012 hat die Berichterstatterin darauf hingewiesen, dass der Sachverhalt geklärt und eine Entscheidung durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beabsichtigt sei.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.
Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das LSG - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Mit Schreiben vom 12.4.2012 hat der Senat die Beteiligten auch auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier vom Kläger beanspruchte Rente wegen voller und teilweiser Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit- §§ 43, 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) - dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht besteht, weil der Kläger noch wenigstens sechs Stunden täglich leistungsfähig und auch nicht berufsunfähig ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren an, sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück.
Ergänzend ist lediglich auszuführen, dass auch der Senat nicht festzustellen vermag, dass das Leistungsvermögen des Klägers für körperlich leichte Tätigkeiten ohne besonderen Zeitdruck, ohne Nachtschicht sowie ohne besondere (überdurchschnittliche) Anforderungen an die Konzentration, das Umstellungs- und Reaktionsvermögen auf unter sechs Stunden täglich herabgesunken ist. Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat insbesondere aufgrund des Gutachtens von Dr. B. vom 25.11.2011, dessen Beurteilung auf einer dreitägigen stationären Untersuchung und Beobachtung des Klägers sowie psychologischen Tests unter Einschaltung eines t. sprechenden Psychologen beruht. Durch dieses Gutachten wurde im Wesentlichen die Beurteilung der Ärzte der L. vom 12.7.2005 bestätigt, die schon damals aufgrund ihrer Feststellungen während des Heilverfahrens des Klägers vom 14.6. bis 12.7.2005 zum Ergebnis gelangt waren, dass der Kläger aus gesundheitlichen Gründen nicht gehindert sei, körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten täglich mindestens sechs Stunden zu verrichten. Zu dieser Einschätzung ist ebenfalls der Neurologe und Psychiater Dr. S. im Gutachten vom 2.4.2009 gelangt.
Der abweichenden Beurteilung des Sachverständigen Dr. F. vermag sich der Senat – ebenso wie das SG – nicht anzuschließen, da seit dem Heilverfahren aus dem Januar 2005 keine wesentliche Verschlechterung im Gesundheitszustand des Klägers feststellbar ist und Dr. F. nicht hinreichend berücksichtigt hat, dass angesichts der vom Kläger geschilderten Aktivitäten die vom ihm geschilderten Beschwerden und Einschränkungen kritisch zu hinterfragen waren. So zeigte sich während der stationären Begutachtung eine starke Diskrepanz zwischen den geklagten Beschwerden und deren Ausgestaltung einerseits und der realen Repräsentation und des Erlebens auf Station und im Umgang mit t. Mitpatienten andererseits. Ein Vermeidungsverhalten, ein sozialer Rückzug und eine Isolation, wovon der Kläger immer wieder berichtet hatte, waren nicht feststellbar. Vielmehr konnte sich der Kläger gut auf soziale Kontakte, insbesondere zu den t. sprechenden Patienten, einlassen und nahm in der t. Patientengruppe aktiv an sozialen Aktivitäten teil. Die geklagten Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen konnten weder im klinischen Alltag beobachtet noch testpsychologische bestätigt werden. Das während der Untersuchungssituation vorherrschende langsame, schwerfällige Gangbild konnte im Stationsalltag ebenfalls nicht beobachtet werden; hier war dem Kläger das Gehen problemlos möglich. Angesichts dessen überzeugt den Senat die Beurteilung von Dr. B., dass das Leistungsvermögen des Klägers aufgrund der neurotischen Fehlhaltung zwar eingeschränkt ist, aber zu einem großen Teil auf Motivationsdefiziten beruht und bei einer zumutbaren Willensanstrengung dem Kläger körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten sechs Stunden täglich möglich sind.
Gravierende Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Gebiet, die die Wegefähigkeit des Klägers erheblich einschränken könnten, sind nicht ersichtlich. Vielmehr konnte sich der Kläger – wie oben dargelegt – auf Station problemlos bewegen, wie aus dem Gutachten von Dr. B. zu entnehmen ist. Hierfür spricht auch, dass der Kläger vormittags ca. eine halbe Stunde mit seiner Ehefrau spazieren geht bzw. sich eine Stunde im Park aufhält, wie sich aus den Angaben der Ehefrau gegenüber Dr. F. ergibt.
Zu Recht hat das SG auch die Voraussetzungen für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit verneint. Der bisherige Beruf des Klägers im Sinne von § 240 Abs. 2 S. 2 SGB VI ist nicht seine zuletzt ausgeübte selbstständige Tätigkeit als Betreiber eines Obst- und Gemüsehandels, für die er freiwillige Beiträge entrichtet hat, sondern seine versicherungspflichtigen Tätigkeiten als ungelernter Arbeiter bzw. LKW-Fahrer auf einem Großmarkt (vergl. BSG SozR 3-2200 § 1246 RVO Nr. 34; BVerfG SozR 2200 § 1246 RVO Nrn. 28 und 156). Als ungelernter bzw. allenfalls angelernter Arbeiter ist der Kläger auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar. Auch liegen keine ungewöhnlichen Leistungseinschränkungen oder eine besondere Leistungsbehinderung vor und insbesondere keine Einschränkung der Wegefähigkeit, wie schon das SG zutreffend ausgeführt hat.
Nach alledem waren das angefochtene Urteil und die angefochtenen Bescheide der Beklagten nicht zu beanstanden. Die Berufung des Klägers musste deswegen zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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