L 12 AS 899/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AS 2787/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 899/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 30. Januar 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Klägers sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch des Klägers auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung für die Zeit seit 1. Januar 2005 streitig.

Der Kläger bezieht seit Januar 2005 Leistungen nach dem SGB II vom Beklagten. In Verfahren vor dem Sozialgericht Heilbronn (SG) machte er jeweils einen höheren Anspruch auf Leistungen unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen krankheitsbedingt kostenaufwändiger Ernährung geltend. Nach Verbindung der Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen S 11 AS 3628/09 schloss der anwaltlich vertretene Kläger in einem Erörterungstermin der 11. Kammer des SG am 17. Mai 2011 einen Vergleich mit dem Beklagten, der lautet: 1. Die Beteiligten sind sich einig, dass hinsichtlich des Zeitraums Januar 2005 bis zum - aus Altersgründen - voraussichtlichen Ablauf des Leistungsbezugs beim Beklagten im Mai 2012 ein Mehrbedarf nach § 21 Abs. 5 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von insgesamt 250 EUR besteht. 2. Die Beteiligten sind sich einig, dass ein weitergehender Anspruch auf die Gewährung eines Mehrbedarfs auch nach anderen Vorschriften des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) nicht besteht. 3. Damit erklären die Beteiligten den Rechtsstreit S 11 AS 3628/09 für erledigt. 4. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Mit Bescheid vom 23. Mai 2011 bewilligte der Beklagte zur Erfüllung des gerichtlichen Vergleichs dem Kläger einen Mehrbedarf gemäß § 21 Abs. 5 SGB II einmalig in Höhe von 250 Euro. Gleichzeitig änderte der Beklagte die mit Bewilligungsbescheid vom 18. November 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 26. März 2011 erfolgte Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Bewilligungsabschnitt vom 1. Dezember 2010 bis 31. Mai 2011) mit Änderungsbescheid vom 23. Mai 2011 dahingehend ab, dass im Mai 2011 der Betrag von 250 Euro für kostenaufwändige Ernährung zusätzlich berücksichtigt wurde. Darüber hinaus enthielt der Änderungsbescheid eine Erhöhung der Leistungen für Unterkunft und Heizung im Zeitraum vom Januar bis Mai 2011 um je 9 Euro infolge Neuberechnung ohne Abzug für die Warmwasserbereitung.

Mit weiterem Bescheid vom 23. Mai 2011 wurden dem Kläger laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom 1. Juni 2011 bis 30. November 2011 in Höhe von monatlich 859 Euro (364 Euro Regelbedarf und 495 Euro Kosten für Unterkunft und Heizung) weiter bewilligt. Ein ernährungsbedingter Mehrbedarf wurde dabei nicht berücksichtigt.

Den Widerspruch des Klägers gegen die Bewilligung des Betrages von 250 Euro mit Bescheid und Änderungsbescheid vom 23. Mai 2011 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 2011 (W 860/11) zurück. Aufgrund des gerichtlichen Vergleichs vom 17. Mai 2011, in welchem der Kläger anwaltlich vertreten war, sei dem Kläger für den Zeitraum Januar 2005 bis Mai 2012 ein ernährungsbedingter Mehrbedarf bewilligt und die ursprüngliche Bewilligung dahingehend geändert worden, dass die Leistung im Monat Mai 2011 um diesen Betrag erhöht worden. Ein Widerspruch, welcher sich lediglich gegen die Umsetzung eines gerichtlichen Vergleichs richte, sei weder statthaft noch zulässig, daher müsse der Widerspruch erfolglos bleiben.

Den Widerspruch des Klägers gegen den weiteren Bescheid vom 23. Mai 2011 bezüglich der Gewährung von Leistungen für Juni bis November 2011 ohne Berücksichtigung eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs wies der Beklagte ebenfalls mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 2011 (W 859/11) zurück. Im gerichtlichen Vergleich habe sich der Beklagte verpflichtet, dem Kläger einen Mehrbedarf Ernährung für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Mai 2012 zu gewähren, obwohl dieser zum damaligen Zeitpunkt in keinster Weise nachgewiesen gewesen sei. Dies sei nicht zuletzt wegen mangelnder Mitwirkung des Klägers erfolgt. Nach Nr. 2 des Vergleichs seien sich die Beteiligten darüber einig gewesen, dass in dieser Zeit, d.h. auch im streitgegenständlichen Zeitraum kein Mehrbedarf nach § 21 Abs. 5 SGB II bestehe. Daher müsse der Widerspruch erfolglos bleiben.

Sowohl gegen den Ausführungsbescheid und den Änderungsbescheid vom 23. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2011 als auch den Weiterbewilligungsbescheid vom 23. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2011 hat der Kläger am 1. August 2011 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Er hat sich gegen den am 17. Mai 2011 geschlossenen Vergleich gewandt und weiterhin vorrangig einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung für die Zeit ab dem 1. Januar 2005 geltend gemacht, den er mit monatlich 61 Euro beziffert hat. Zur Begründung hat er vorgetragen, verbotene Pestizidbelastungen bei Discounter-Obst und -Gemüse und kanzerogen wirkende Farb- und Konservierungsstoffe der Discounter-Konserven führten bei psychosozial Erkrankten, immungeschwächten und älteren, alleinlebenden Sozialhilfebeziehern bei alternativlosem Langzeitverbrauch aus Not u.a. zu Krebs und vorzeitigem Tod.

Die zunächst unter den Aktenzeichen S 9 AS 2787/11 und S 9 AS 2788/11 getrennt geführten Verfahren hat das SG mit Beschluss vom 8. November zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Der Kläger wurde mit Schreiben vom gleichen Tag hierüber informiert und darauf hingewiesen, dass das SG die Klagen im Hinblick auf die Bestandskraft des Vergleichs vor der 11. Kammer vom 17.Mai 2011 als unbegründet erachte und beabsichtige, den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Der Kläger erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu. Seine gegen den Verbindungsbeschluss erhobene Beschwerde zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg (L 2 AS 5446/11) führte der Kläger nicht fort.

Mit Gerichtsbescheid vom 24. Januar 2012 hat das SG die Klagen abgewiesen. Die beiden verbundenen Klagen seien als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklagen zulässig, aber unbegründet. Dem Kläger stehe, abgesehen von dem im Vergleich vereinbarten, kein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung zu. Dies ergebe sich unmittelbar aus dem zwischen den Beteiligten Vereinbarten, denn beide seien sich einig gewesen, dass im hier streitigen Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 10. November 2011 kein über 250 Euro hinausgehender weiterer Mehrbedarf bestehe. An diesen Vergleich sei der Kläger gebunden. Die Bestandskraft des Vergleichs hindere den Kläger daher, in den vorliegenden Verfahren erneut Mehrbedarf für den gleichen Zeitraum geltend zu machen. Der Vergleich verhindere auch eine erneute Überprüfung des Sachverhalts nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch. Die Kammer habe auch keine Anhaltspunkte, an der Wirksamkeit des Vergleichs zu zweifeln. Weder ein Hintergehen noch eine "Vergewaltigung" habe der Kläger näher nahegelegt. Insbesondere habe der Kläger den Vergleich nicht (wirksam) angefochten und das ursprüngliche Verfahren fortgesetzt. Der Kläger habe diesen Weg jedoch nicht gewählt und stattdessen gegen die ausführenden Bescheide Widerspruch und Klage erhoben. Die Klagen seien wegen der Bestandskraft des Vergleichs abzuweisen.

Hiergegen richtet sich die am 29. Februar 2012 eingelegte Berufung des Klägers. Zur Begründung trägt er vor, die Ausführungen im Gerichtsbescheid seien falsch, wahrheitswidrig und verletzten die Rechtsgewährleistungsgarantie sowie seinen Anspruch auf rechtliches Gehör. Sein Anspruch auf den gesetzlichen Richter sei verletzt, denn er habe die im Verfahren tätige Vorsitzende bereits in einem früheren Verfahren im Jahre 2007 wegen Befangenheit abgelehnt. Der Gerichtsbescheid sowie die Verbindung der beiden Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung sei aufzuheben. Durch die 11. Kammer des Sozialgerichts Heilbronn seien mehrere, jahrelang verschleppte Verfahren ohne sachlichen Zusammenhang verbunden worden. Der über die verbundenen Verfahren geschlossene Vergleich vom 17. Mai 2011 sei aufzuheben, da er durch Rechtsbeugung und "seelische Vergewaltigung" durch den Vorsitzenden der 11. Kammer im Termin und gleichzeitigen "Parteiverrat" des ihm im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts zustande gekommen sei. Sämtliche Entscheidungen, welche die 11. Kammer des SG unter dem aktuellen Vorsitzenden in vorhergehenden Verfahren getroffen habe, seien aufzuheben. Das Berufungsverfahren sei aufgrund dessen Vorbefassung an den 2. Senat zu verweisen. Im übrigen habe die Sprungrevision zum Bundessozialgericht und die Vorlage an das Bundesverfassungsgericht zu erfolgen. Der Kläger legt diverse Unterlagen vor, hierzu wird insbesondere auf Bl. 2-44 und 91-94 der Akte Bezug genommen. Darunter befindet sich eine ärztliche Bescheinigung des Dr. S. vom 15. September 2006 im Formular des Beklagten zur Feststellung eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs darüber, dass der Kläger an keiner der im Formular aufgeführten 18 Erkrankungen, aber an einer Osteoporose leide, was eine kalziumreiche Kost erfordere. Die Verordnung einer solchen Kost sei nicht erfolgt.

Rein informatorisch teilt der Kläger über die Poststelle des LSG unter Bezugnahme auf Korrespondenz mit der Präsidentin des LSG sowie das abgeschlossene Beschwerdeverfahren vor dem 2. Senat des LSG mit, dass er eine Gegenvorstellung sowie eine konkludente Anhörungsrüge gegen den Vergleich vom 17. Mai 2011 erhoben habe.

Mit Änderungsbescheid vom 24. April 2012 erhöhte der Beklagte die dem Kläger für seine Kosten der Unterkunft bewilligten Leistungen für die Zeit vom 1. Juni 2011 bis 30. November 2011 um 5 Euro auf insgesamt 500 Euro.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Heilbronn vom 30. Januar 2012 und Abänderung der Bescheide vom 23. Mai 2011 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 26. Juni 2011 (gemeint 29. Juni 2011) zu verpflichten, ihm für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Mai 2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung zu gewähren. Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid und im angegriffenen Gerichtsbescheid.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 27. April 2012 verpflichtete sich der Beklagte, für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis 30. November 2011 über den Regelbedarf neu zu entscheiden, sofern sich durch verfassungsgerichtliche Rechtsprechung oder Gesetzgebung hierzu eine Änderung ergibt, ohne Berufung auf Ausschluss- oder Verjährungsfristen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte aus beiden Rechtszügen, der beigezogenen Akte des SG Heilbronn S 11 AS 3628/09 und der Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 30. Januar 2012 eingelegte Berufung ist statthaft (§ 143 SGG) und damit zulässig. Sie ist aber unbegründet.

Nach der Geschäftsverteilung des Präsidiums ist für das vorliegende Verfahren der erkennende Senat zuständig, eine Verweisung des Verfahrens an den 2. Senat kommt daher entgegen dem Begehren des Klägers nicht in Betracht.

Streitgegenstand sind die Bescheide des Beklagten vom 23. Mai 2011 (Ausführungsbescheid, Änderungsbescheid und Weiterbewilligung) in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 29. Juni 2011 sowie der Gerichtsbescheid des SG vom 30. Januar 2012. Weitere Entscheidungen des SG sind nicht Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens, auch wenn der Kläger sich in seinem Vortrag pauschal gegen sämtliche Entscheidungen der 11. Kammer des Sozialgerichts Heilbronn unter dem aktuellen Vorsitzenden wendet. Insoweit liegt kein zulässiges Rechtsmittel vor. Dass und ggf. welche Entscheidungen der 11. Kammer des Sozialgerichts Heilbronn in welcher Besetzung mit welchem Beklagten gegenüber dem Kläger ergangen sind und unter welchen Gesichtspunkten der Kläger dadurch beschwert sein soll, ist nicht ersichtlich. Insbesondere in den unter dem Aktenzeichen S 11 AS 3628/09 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Verfahren des Klägers ist eine Entscheidung des SG gerade nicht ergangen, sondern der gerichtliche Vergleich vom 17. Mai 2011 geschlossen worden. Damit geht der Vortrag des Klägers insoweit ins Leere.

Auch soweit sich der Kläger gegen die Verbindung der getrennt erhobenen Klagen durch Beschluss des SG vom 8. November 2011 wendet, vermag er nicht durchzudringen. Eine Entscheidung zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung kann ergehen, wenn mehrere Rechtsstreite bei demselben Gericht in gleicher Instanz anhängig sind und die Ansprüche, die den Gegenstand dieser Rechtsstreitigkeiten bilden, in Zusammenhang stehen oder von vornherein in einer Klage hätten geltend gemacht werden können. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die beiden beim SG parallel anhängig gemachten Klagen S 9 AS 2788/11 und S 9 AS 2787/11 betreffen jeweils die Frage eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung des Klägers. Die Entscheidung über eine Verbindung steht im Ermessen des Gerichts. Ermessensfehler des SG sind nicht ersichtlich.

1. Der Ausführungsbescheid vom 23. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2011 und die Abweisung der hiergegen gerichteten Klage sind im Ergebnis nicht zu beanstanden. Es handelt sich dabei um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Satz 1 Zehntes Sozialgesetzbuch (SGB X). Dies ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Eine Regelung liegt vor, wenn die Behörde eine potentiell verbindliche Rechtsfolge gesetzt hat, das heißt, durch die Maßnahme ohne weiteren Umsetzungsakt Rechte begründet, geändert, aufgehoben oder verbindlich festgestellt hat oder die Begründung, Änderung, Aufhebung oder verbindliche Feststellung solcher Rechte abgelehnt hat (Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 04.10.1995 - 7 KlAr 1/93 - BSGE 75, 97, 107; Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 31 Rn. 24). Daran fehlt es bei Bescheiden, die lediglich in Ausführung eines Anerkenntnisses oder eines Vergleiches ergehen. Diese Ausführungsbescheide wiederholen grundsätzlich nur die Regelung, die die Behörde bereits durch das Anerkenntnis oder das dem Vergleich zugrunde liegende Regelungsangebot getroffen hat (BSG, Urteil vom 06.05.2010 - B 13 R 16/09 R, Rn. 30 bei Juris; s.a. Engelmann a.a.O., Rn. 30). Ausnahmsweise hat das BSG einem Ausführungsbescheid allerdings Regelungswirkung beigemessen, wenn er in Ausführung eines Urteils ergeht, das für die Höhe und die Dauer des Leistungsanspruchs zu unbestimmt ist und daher noch einer Konkretisierung durch eine Regelung bedarf (Urteil vom 02.07.1997 - 9 RV 21/95; Beschluss vom 18.09.2003 - B 9 V 82/02 B). Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Ausführungsbescheid vom 23. Mai 2011 insoweit Verwaltungsakt, als er die Regelung trifft, den vergleichsweise zuerkannten Einmalbetrag für kostenaufwändige Ernährung im Mai 2011 zusätzlich auszuzahlen. Im Übrigen trifft dieser Bescheid keine Regelung. Denn bereits im Vergleich vom 17. Mai 2011 ist geregelt, dass dem Kläger für die Zeit ab Januar 2005 bis Mai 2012 einmalig einen Betrag von 250 Euro als ernährungsbedingter Mehrbedarf zusteht. Einer weiteren Konkretisierung bedurfte es im Ausführungsbescheid insoweit nicht und der Beklagte ist auch nicht von diesem Vergleich abgewichen.

Die Regelung des Ausführungsbescheides, den Einmalbetrag im Mai 2011 auszuzahlen, ist nicht zu beanstanden. Der Vergleich nennt einen Gesamtbetrag und enthält keine anderslautende Bestimmung zum Auszahlungszeitpunkt oder -raum. Gründe, die gegen die Auszahlung der Vergleichssumme insgesamt in diesem Monat sprechen, sind weder ersichtlich noch vom Kläger vorgetragen. Dass der Vergleichsbetrag nicht ggf. in Teilbeträgen dem gesamten Zeitraum zugeordnet wird, der vom Vergleich nach dessen Inhalt erfasst wird, ist keine Regelung, die erst der Ausführungsbescheid trifft, sondern bereits im Vergleich selbst dadurch bestimmt, dass lediglich eine Gesamtsumme für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 31. Mai 2012 genannt ist. Das Vorbringen des Klägers richtet sich auch nicht gegen die Bestimmung des Mai 2011 als Auszahlungsmonat für den vereinbarten Betrag von 250 Euro, sondern gegen den Vergleich insgesamt mit dem Ziel, abweichend von der darin getroffenen Vereinbarung rückwirkend für die Zeit ab Januar 2005 höhere Leistungen unter Berücksichtigung eines höheren Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung zu erhalten. Dies ist aber vorliegend kein zulässiger Streitgegenstand. Soweit der Kläger die Unwirksamkeit des Vergleichs geltend macht und das Begehren aus den mit dem Vergleich für erledigt erklärten verbundenen Verfahren weiterverfolgt, käme - wie schon vom SG ausgeführt - ausschließlich das Begehren auf Fortführung des Verfahrens S 11 AS 3628/09 vor dem SG in Betracht, das ggf. zur Fortführung des Verfahren oder aber der Feststellung der Beendigung durch den Vergleich vom 17. Mai 2011 führen könnte. Dies kann aber nicht im vorliegenden, gesondert erhobenen Verfahren erreicht werden. Ein gesondertes Verfahren über die Wirksamkeit des Vergleichs ist nicht zulässig (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 101 Rn. 17; BSGE 7, 279,281). Denn wenn ein Prozessvergleich nichtig ist, hat er nicht zur Beendigung des ursprünglichen Verfahrens geführt, so dass anderweitige Rechtshängigkeit besteht.

2. Ebenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden ist die Abweisung der Klage gegen den Änderungsbescheid vom 23. Mai 2011. Die hiergegen gerichtete Klage war bereits unzulässig. Ein Änderungsbescheid, d.h. ein Verwaltungsakt, der einen anderen Verwaltungsakt ändert oder berichtigt, kann mit der Anfechtungsklage, falls der erste Verwaltungsakt bindend ist, nur insoweit angegriffen werden als die Änderung reicht. Im Übrigen ist die Klage unzulässig. Der Änderungsbescheid vom 23. Mai 2011 ist ein Bescheid in diesem Sinne, er ist Verwaltungsakt und ändert einen bindenden anderen Verwaltungsakt, die bestandskräftige und damit bindende Bewilligung von laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts durch Bescheid vom 18. November 2010 in der Fassung des (ersten) Änderungsbescheid vom 26. März 2011. Mit dem (zweiten) Änderungsbescheids vom 23. Mai 2011 trifft die Behörde einerseits insoweit eine Regelung als sie die Auszahlung des vergleichsweise vereinbarten und mit gesondertem Ausführungsbescheid bewilligten Einmalbetrages von 250 Euro dem Monat Mai 2011 zuordnet und dementsprechend die für diesen Monat bereits bestandskräftige Bewilligung entsprechend erhöht. Andererseits enthält der Änderungsbescheid als weitere Änderungen gegenüber der bestandskräftigen Bewilligung für die Zeiträume Januar bis Mai 2011 eine Erhöhung der zuerkannten Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung um 9 Euro monatlich. Damit sind alle Regelungen im Änderungsbescheid vom 23. Mai 2011, die die bestandskräftige Bewilligung durch Bescheid vom 18. November 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 26. März 2011 abändern, für den Kläger günstig und belasten ihn nicht. Es besteht kein Rechtschutzbedürfnis für eine Klage gegen diese Begünstigungen.

3. Auch soweit sich der Kläger gegen den Weiterbewilligungsbescheid vom 23. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides 29. Juni 2011 wendet, hat die Berufung keinen Erfolg. In der Sache macht der Kläger höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1. Juni 2011 bis 30. November 2011 geltend. Die Gewährung eines Mehrbedarfs kann nicht zulässigerweise zum isolierten Streitgegenstand eines gerichtlichen Verfahrens bestimmt werden, denn die Regelungen über die laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (mit Ausnahme der Kosten der Unterkunft und Heizung, siehe hierzu noch unten) lassen sich nicht in rechtlich zulässiger Weise in weitere Streitgegenstände aufspalten (BSG, Urteil vom 26. Mai 2011 - B 14 AS 146/10 R - m. w. N., Juris). Dem Kläger steht aber ein Anspruch auf höhere Leistungen für die Zeit vom 1. Juni 2011 bis 30. November 2011 nicht zu. Ein Anspruch ergibt sich weder unter dem Gesichtspunkt eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs noch unter anderen Gesichtspunkten.

a. Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II haben gemäß § 7 Abs. 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig sind, hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger. Streitig ist vorliegend allein, in welcher Höhe ihm Leistungen zustehen.

Die Höhe des Bedarfs des Klägers im Zeitraum vom 1. Juni 2011 bis 30. November 2011 berechnet sich aus dem ihm zustehenden Regelbedarf in Höhe von 364 Euro. Ein höherer Anspruch besteht nicht. Der Beklagte hat dem Kläger den ihm als erwerbsfähigen Leistungsberechtigten gesetzlich zustehenden Betrag (§§ 19 Abs. 1 S. 1, 20 Abs. 2 S. 1 SGB II in der mit Wirkung zum 1. Januar 2011 durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderungen des Zweiten und Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011 [BGBl. I, S. 453 ff.] eingeführten Fassung) gewährt. Der Senat ist der Auffassung, dass die aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09) durch den Gesetzgeber mit Wirkung zum 1. Januar 2011 vorgenommene Neuregelung der existenzsichernden Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (Urteile des Senats vom 10. Juni 2011 - L 12 AS 1077/11 - und vom 21. Oktober 2011 - L 12 AS 3445/11-). Sollte sich durch verfassungsgerichtliche Rechtsprechung oder Gesetzgebung hierzu eine Änderung ergeben, hat sich der Beklagte bereits im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 27. April 2012 verpflichtet, für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis 30. November 2011 über den Regelbedarf neu zu entscheiden ohne Berufung auf Ausschluss- oder Verjährungsfristen.

Ein Mehrbedarf ist weder nach § 21 Abs. 5 SGB II noch aus anderen Gründen gegeben.

Nach § 21 Abs. 5 SGB II in der ab 1. April 2011 geltenden Fassung wird bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt. Zur Frage höherer Leistungen wegen eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs haben sich die Beteiligten bereits im Vergleich vor dem SG am 17. Mai 2011 darauf geeinigt, dass im Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 31. Mai 2012 kein über den bereits geleisteten Betrag von 250 Euro hinausgehender Bedarf des Klägers besteht, dies betrifft auch den vorliegend streitigen Zeitraum. Die Bestandskraft des Vergleichs steht einer erneuten Geltendmachung dieser Frage für den gleichen Zeitraum in einem gesonderten Verfahren entgegen, wie schon das SG zutreffend ausgeführt hat.

Unabhängig davon besteht beim Kläger kein Bedarf aufgrund krankheitsbedingter kostenaufwändiger Ernährung. Es sind keine Gesichtspunkte ersichtlich, die einen solchen Bedarf begründen. Ärztlich bestätigt ist lediglich hinsichtlich einer Osteoporose des Klägers eine besondere Kostform. Diese erfordert nach der Bescheinigung des Dr. S. vom 15. September 2006, die der Kläger wie bereits zuvor auch mit seiner Berufung vorgelegt hat, eine kalziumreiche Kost. Diesem Erfordernis kann nach Auffassung des Senats im Rahmen der Vollkost, die aus dem für Ernährung vorgesehenen Anteil des Regelsatzes finanziert werden kann (vgl. Senatsurteil vom 23. Oktober 2009 - L 12 AS 4179/08 - m.w.N.) ausreichend Rechnung getragen werden. Weitere sich auf die Ernährung auswirkende Erkrankungen des Klägers hat Dr. S. nicht festgestellt. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Bescheinigung des Dr. S., auf die der Kläger sich selbst stützt, unvollständig ist oder sich seither für die Kosten der Ernährung relevante Änderungen im Gesundheitszustand des Klägers ergeben haben, insbesondere hat der Kläger keine solchen substantiiert vorgebracht.

Anhaltspunkte für Mehrbedarfe aus sonstigen Gründen sind ebenfalls nicht ersichtlich.

b. Ein Anspruch auf höhere Leistungen ergibt sich für den Kläger auch nicht im Hinblick auf die Kosten für Unterkunft und Heizung. Der Kläger hat bereits seinen Widerspruch als "Teilwiderspruch" bezeichnet, ebenso seinen Klageantrag und sein Klagevorbringen sowie das Berufungsvorbringen ausdrücklich auf den Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung und damit auf den Regelbedarf und etwaige Mehrbedarfe insgesamt beschränkt (§ 123 SGG). Ob eine solche Beschränkung des Streitgegenstandes unter Zugrundelegung einer Abtrennbarkeit mehrerer Verfügungen im Rahmen der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts auch nach den durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch erfolgten Änderungen der §§ 19, 20 und 22 SGB II zulässig ist, kann vorliegend dahinstehen. Denn der Beklagte hat jedenfalls für den einzigen Zeitraum, der mit zulässiger Klage angegriffen ist (1. Juni 2011 bis 30. November 2011), die tatsächlich vom Kläger zu leistenden Kosten für Unterkunft und Heizung in voller Höhe bewilligt (Änderungsbescheid vom 24. April 2012).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision sind nicht erfüllt.
Rechtskraft
Aus
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