L 5 R 4890/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 3219/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 4890/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 07.10.2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf Rente wegen Erwerbsminderung.

Der im Jahr 1956 geborene Kläger hat keine Berufsausbildung abgeschossen. Er war zuletzt als Baggerfahrer versicherungspflichtig beschäftigt. Seit August 2009 ist er arbeitsunfähig krank bzw. arbeitslos.

In der Zeit vom 08.09.2009 bis 28.09.2009 befand sich der Kläger zur medizinischen Rehabilitation in der Klinik am H. in Bad W ... Im Entlassungsbericht vom 28.09.2009 wurden vor allem eine gebesserte Lumboischialgie rechts nach Bandscheibenvorfall, Omalgie links, AC-Gelenksarthrose links und ein rezidivierendes Cervicobrachialsyndrom diagnostiziert. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne der Kläger mit einigen qualitativen Einschränkungen noch sechs Stunden und mehr verrichten.

Nach einem weiteren Bandscheibenvorfall im November 2009 befand sich der Kläger nach einer Bandscheibenoperation in der Zeit vom 14.12.2009 bis 04.01.2010 zur Anschlussheilbehandlung in der Rehabilitationsklinik Bad W ... Im Entlassungsbericht wurden vor allem chronische Lumbalgien und rechtsseitige Lumboischialgien, eine erweiterte interlaminäre Fensterung L5/S 1 rechts, chronischer Nikotinabusus, ein Verdacht auf eine chronisch-obstruktive Lungenerkrankung und schmerzhaft eingeschränkte Beweglichkeit im linken Schultergelenk mit Verdacht auf Rotatorenmanschettendefekt festgestellt. Nach abgeschlossenem Heilungsverlauf könne der Kläger noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten sechs Stunden und mehr ausüben.

Am 16.04.2010 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Rentenantrag mit der Begründung, dass er sich wegen Bandscheibenvorfalls, Schulterproblemen und häufigen Kopfschmerzen für erwerbsgemindert halte.

Mit Bescheid vom 22.04.2010 lehnte die Beklagte unter Bezugnahme auf den Entlassungsbericht aus Bad W. den Rentenantrag ab, da der Kläger nicht erwerbsgemindert sei.

Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und legte zur Begründung eine sozialmedizinische Fallberatung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (Dr. B. vom 03.02.2010) vor, worin eine Empfehlung zur Rente ausgesprochen wurde, da ein Leistungsvermögen auch in absehbarer Zeit bei fortgeschrittener Polyarthrose nicht feststellbar gewesen sei.

Die Beklagte holte darauf ein ärztliches Gutachten beim Orthopäden Dr. B. ein. In seinem Gutachten vom 28.07.2010 diagnostizierte dieser chronische Lumbalgie rechts bei Zustand nach Bandscheibenoperation L5/S1, ein Impingementsyndrom beider Schultergelenke bei AC-Gelenksarthrose, Dupuytren’sche Kontraktur DV links, HWS-Syndrom bei degenerativen Veränderungen und einen beidseitigen Senkspreizfuß. Die bisherige Tätigkeit als Baggerfahrer könne der Kläger nicht mehr ausüben. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten seien dem Kläger aber mit einigen qualitativen Leistungseinschränkungen noch sechs Stunden und mehr zumutbar.

Mit Widerspruchsbescheid vom 09.12.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Am 17.12.2010 erhob der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Konstanz. Er führte an, dass er erhebliche Wirbelsäulenprobleme habe, sein Schultergelenk Arthrose aufweise und er unter einer dupuytren schen Kontraktur sowie starkem Bluthochdruck leide.

Das Sozialgericht befragte die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Die Allgemeinmedizinerin Dr. G. schloss sich dabei den Befunden und der Leistungseinschätzung aus dem Verwaltungsgutachten von Dr. B. an. Der Orthopäde Dr. E. teilte unter dem 07.02.2011 mit, dass er sich im Großen und Ganzen ebenfalls der Leistungseinschätzung aus dem Verwaltungsgutachten anschließe. Die Arbeitsschwere würde er allerdings nur als leicht einstufen. Bezüglich Arbeitshaltung und Arbeitsorganisation bestehe völlige Übereinstimmung. Aufgrund der Coxarthrose sei das Leistungsbild aber noch bzgl. häufigen Besteigens von Leitern und Gerüsten oder bei Fahrzeugen und Maschinen eingeschränkt.

Auf Antrag des Kläger nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) holte das Sozialgericht in der Folge noch ein orthopädisch-unfallchirurgisches Gutachten bei Dr. F. ein. Im Gutachten vom 17.08.2011 diagnostizierte der Gutachter, gestützt auf die Untersuchung des Klägers am 16.06.2011, ein Lumbalsyndrom bei ausgeprägter Osteochondrose, Beweglichkeitseinschränkungen beider Schultern bei leichter AC-Gelenksarthrose, eine Funktionseinschränkung und erhebliche Kraftminderung in der rechten Hand bei Zustand nach infizierter Kreissägenverletzung, Kraftverminderung in der linken Hand, Belastungsschmerzen und leichte Bewegungseinschränkungen im linken OSG, ein rezidivierendes Cervicalsyndrom, arterielle Hypertonie, Cephalgien, ein Verdacht auf COPD bei Nikotinabusus sowie Übergewicht. Dem Kläger seien nur noch leichte Tätigkeiten ohne Heben, Tragen und Bewegen von Lasten, überwiegend im Sitzen, ohne häufiges Arbeiten in gebückter oder gebeugter Körperhaltung, ohne Zwangshaltungen, ohne häufiges Treppensteigen, Steigen auf Leitern und Gerüsten, ohne Feinarbeiten der Hände, oder Arbeiten, die die uneingeschränkte Grobkraft der Hände erforderten, ohne Arbeiten an gefährdenden und laufenden Maschinen, ohne Arbeiten über Schulterhöhe, in Kopfzwangshaltungen, ohne häufige Arbeit in kalten, feucht-nassen Arbeitsbereichen oder Räumen mit Einwirkung von Staub, Gasen oder Dämpfen sowie ohne Arbeiten mit höheren geistigen Anforderungen vollschichtig möglich. Die Gesundheitsstörungen seien nicht dergestalt, dass eine leichte Tätigkeit quantitativ eingeschränkt wäre. Die Wegefähigkeit sei ebenfalls nicht eingeschränkt.

Das Sozialgericht wies die Klage durch Gerichtsbescheid vom 07.10.2011 ab. Der Kläger sei nicht erwerbsgemindert im Sinne des § 43 SGB VI. Er leide nach dem Gerichtsgutachten von Dr. F. vor allem unter Schmerzen der Lendenwirbelsäule mit erheblicher Bewegungseinschränkung, Beweglichkeitseinschränkungen beider Schultergelenke, Funktionseinschränkung und erheblicher Kraftverminderung der rechten Hand sowie Kraftverminderung der linken Hand. Eine rentenrelevante quantitative, d.h. zeitliche Einschränkung für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt lasse sich daraus nicht ableiten. Der Kläger könne zumindest noch leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig verrichten. Das Heben, Tragen und Bewegen von Lasten, häufiges Arbeiten in gebückter oder gebeugter Körperhaltung, Zwangshaltungen, häufiges Treppensteigen, Steigen auf Leitern und Gerüsten, Feinarbeiten der Hände, oder Arbeiten, die die uneingeschränkte Grobkraft der Hände erforderten, Arbeiten an gefährdenden und laufenden Maschinen, Arbeiten über Schulterhöhe, in Kopfzwangshaltungen, häufige Arbeit in kalten, feucht-nassen Arbeitsbereichen oder Räumen mit Einwirkung von Staub, Gasen oder Dämpfen sowie Arbeiten mit höheren geistigen Anforderungen seien zu vermeiden. Da weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliege, brauche eine bestimmte Verweisungstätigkeit nicht bezeichnet zu werden (vgl. BSGE 80, 24). Dr. F. sei in seinem Gutachten den Beschwerden des Klägers sorgfältig nachgegangen. Seine Ausführungen seien schlüssig, widerspruchsfrei und nachvollziehbar. Er habe Funktionsprüfungen und Beweglichkeitsmessungen der Wirbelsäule und der Extremitäten vorgenommen, den Kläger anatomisch genau inspiziert und vermessen sowie aktuelle Röntgenbilder herangezogen. Die Leistungsbeurteilung stimme mit der aus dem Verwaltungsgutachten von Dr. B. und den Reha-Entlassungsberichten aus Bad W. und Bad W. überein. Die befragten behandelnden Ärzte hätten ebenfalls keine zeitliche Leistungsminderung beim Kläger gesehen. Dem entspreche, dass orthopädischen Befunden in aller Regel bereits durch Einhaltung qualitativer Einschränkungen Rechnung getragen werden könne. Der Kläger sei nicht berufsunfähig i.S.v. § 240 Abs. 1 SGB VI. Ausgangspunkt für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit sei der bisherige Beruf, den der Versicherte ausgeübt habe. Der Kläger habe zuletzt als angelernter Baggerfahrer gearbeitet. Insoweit sei von einer breiten Verweisbarkeit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt auszugehen. Berufsschutz komme bei dem Kläger daher nicht in Betracht.

Gegen diesen seinem Prozessbevollmächtigten am 11.10.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 09.11.2011 Berufung eingelegt. Er hat vorgetragen, nach der Untersuchung durch Dr. F. am 13.04.2011 hätten noch weitere Operationen stattgefunden. Die ohnehin schon eingeschränkte rechte Hand sei zwischenzeitlich völlig steif, es könne nur noch mühsam der Zeigefinger bewegt werde. Ein Greifen sei nicht mehr möglich. Der Kläger hat eine ärztliche Bescheinigung von Prof. Dr. K. vom 14.11.2011 vorgelegt, wonach eine dauerhafte Einschränkung der Handfunktion rechtsseitig bestehe. Eine Verbesserung sei nicht mehr zu erwarten.

Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 07.10.2011 und den Bescheid der Beklagten vom 22.04.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.12.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 16.04.2010 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung, bzw. Berufsunfähigkeit zu bewilligen.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Dr. B. vom sozialmedizinischen Dienst der Beklagten hat am 05.12.2011 Stellung genommen und ausgeführt, Prof. Dr. K. nenne einen knappen klinischen Untersuchungsbefund der rechten Hand. Soweit vergleichbar mit den Ausführungen im Gutachten von Dr. F. ergebe sich keine gravierende Änderung. Eine Abweichung hinsichtlich der Leistungseinschätzung im Vergleich zum Gutachten von Dr. F. lasse sich damit mit den aktuell vorgelegten Berichten nicht begründen. Operationsberichte oder Krankenhausberichte aus der Zeit nach der Begutachtung durch Dr. F. vom 16.06.2011 seien nicht vorgelegt worden.

Der Kläger hat noch einen Notfallbrief der O. vom 15.04.2011 sowie ein OP-Protokoll vom 15.04.2011 und einen Operationsbericht vom 17.05.2011 vorgelegt, woraus sich die operative Versorgung einer Strecksehnenläsion an drei Fingern der rechten Hand nach einer Sägenverletzung ergibt. Weitere Behandlungen hätten mit Ausnahme der Untersuchung bei Prof. Dr. K. danach nicht mehr stattgefunden.

Hierzu hat Dr. B. erneut am 01.02.2012 Stellung genommen und darauf hingewiesen, dass die Operationen an der rechten Hand am 15.04.2011 und am 13.05.2011 und damit vor der Begutachtung durch Dr. F. stattgefunden hätten. Eine Abweichung von der bisherigen Einschätzung des Leistungsvermögens ergebe sich somit nicht.

Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 28.03.2012 und vom 11.04.2012 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

Die gemäß §§ 143, 144, 151 SGG statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, ihm Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren. Er hat darauf keinen Anspruch.

Das Sozialgericht hat in seinem Gerichtsbescheid zutreffend dargelegt, nach welchen Rechtsvorschriften (§§ 43, 240 SGB VI) das Rentenbegehren des Klägers zu beurteilen ist, und weshalb ihm Rente nicht zusteht. Der Kläger kann Berufsunfähigkeitsrente nach § 240 SGB VI schon deshalb nicht in Anspruch nehmen, weil ihm als angelerntem Baggerfahrer Berufsschutz nicht zusteht. Eine Erwerbsminderung liegt bei ihm nicht vor (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Der Senat nimmt auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Er teilt die Auffassung des Sozialgerichts, dass der Kläger noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes (unter qualitativen Einschränkungen) mindestens sechs Stunden arbeitstäglich verrichten kann.

Im Hinblick auf den Vortrag im Berufungsverfahren ist lediglich ergänzend noch auszuführen, dass sich aus den vom Kläger vorgelegten Operationsberichten und der ärztlichen Stellungnahme von Prof. Dr. K. vom 14.11.2011 nicht anderes ergibt. Der vom Sozialgericht auf Antrag des Klägers beauftragte Gutachter Dr. F. hat die Kreissägenverletzung des Klägers bei seiner am 16.06.2011 durchgeführten Untersuchung gewürdigt und die daraus resultierende Funktionseinschränkung der rechten Hand in Form einer Kraftminderung bei seiner Leistungseinschätzung berücksichtigt. Weitere Behandlungen in der Folgezeit haben nach den eigenen Angaben des Klägers nicht mehr stattgefunden. Prof. Dr. K. beschreibt in seiner Stellungnahme vom 14.11.2011 keinen von dem Gutachten von Dr. F. abweichenden Befund und gibt daher weder Anlass für eine Abweichung von der Leistungseinschätzung durch Dr. F. noch zu weiteren Ermittlungen im Berufungsverfahren. Dr. F. hat in seinem Gutachten bei der Beschreibung qualitativer Leistungseinschränkungen den Verletzungsfolgen an der rechten Hand Rechnung getragen und Feinarbeiten der Hände sowie Arbeiten, die eine uneingeschränkte Grobkraft der Hände erfordern, ebenso ausgeschlossen wie Arbeiten an laufenden Maschinen mit Gefährdungspotential. Darüber hinausgehende Leistungseinschränkungen in zeitlicher Hinsicht aufgrund der Funktionseinschränkungen der Hände hat er nicht festgestellt.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, die Berufung des Klägers bleibt erfolglos.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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