L 9 R 620/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 4160/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 620/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 9. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1953 geborene Klägerin hat keine Lehre absolviert. Nach ihren Angaben hat sie ein Jahr lang eine kaufmännische Berufsfachschule besucht und war fünf Jahre als Bürofachkraft beschäftigt. Nachdem sie sich von 1975 bis 1990 der Haushaltsführung und Kindererziehung gewidmet hatte, war sie von 1991 bis 1997 vier Stunden täglich als Bürohilfskraft tätig. Danach hatte sie lediglich kürzere Arbeitsverhältnisse mit einer täglichen Arbeitszeit von vier Stunden inne. Zuletzt war sie ab August 2005 bis zu ihrer Arbeitsunfähigkeit ab 21.5.2007 als Verkäuferin und kaufmännische Hilfskraft in einem Matratzengeschäft 20 bis 25 Stunden pro Woche beschäftigt. Danach bezog sie ab 20.1.2008 Krankengeld und Arbeitslosengeld. Im Jahr 2009 absolvierte sie eine Weiterbildung für die Betreuung von Demenzkranken und war ab 1.2.2010 als Pflegehelferin 23 Stunden pro Woche beschäftigt.

Vom 19.3.2008 bis 23.4.2008 befand sich die Klägerin zu einem Heilverfahren in der Ziegelfeld-Klinik St. B ... Die dortigen Ärzte stellten bei der Klägerin im Entlassungsbericht vom 24.4.2008 folgende Diagnosen: 1. Bipolare affektive Störung, gegenwärtig mittelgradige depressive Episode 2. Halswirbelsäulen (HWS)- und Lendenwirbelsäulen (LWS)-Syndrom 3. Rezidivierende Polyarthralgie 4. Hypercholesterinämie 5. Hypertriglyceridämie. Sie führten aus, aus psychotherapeutischer Sicht habe die Klägerin bei der Entlassung trotz partieller Besserung der Depression einen psychisch nicht ausreichend belastbaren und leistungsfähigen Eindruck gemacht und sei arbeitsunfähig entlassen worden. Unter ambulanter Weiterbehandlung sei eine weitere Besserung der depressiven Symptomatik und Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit zu erwarten. Als kaufmännische Angestellte könne die Klägerin täglich sechs Stunden und mehr arbeiten sowie leichte überwiegend sitzende Tätigkeiten sechs Stunden und mehr verrichten. Zu vermeiden seien Arbeiten mit besonderen Anforderungen an die geistige/psychische Belastbarkeit, mit Nachtschicht, mit Heben und Tragen schwerer Lasten, mit Zwangshaltungen der Wirbelsäule, unter stark schwankenden Temperaturen, in Nässe, Zugluft, mit Erschütterungen und Vibrationen sowie mit erhöhter Unfallgefahr.

Am 27.5.2008 beantragte die Klägerin die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Nach Einholung einer ärztlichen Stellungnahme bei Dr. M. vom 11.6.2008, die den Entlassungsbericht der Ziegelfeld-Klinik auswertete, lehnte die Beklagte die Gewährung von Rente mit Bescheid vom 12.6.2008 ab, weil weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung und auch keine Berufsunfähigkeit vorliege.

Hiergegen legte die Klägerin am 2.7.2008 Widerspruch ein. Die Beklagte holte daraufhin Gutachten auf orthopädisch-chirurgischem und neurologisch-psychiatrischem Gebiet ein.

Der Arzt für Chirurgie und Sozialmedizin Dr. G. stellte bei der Klägerin im Gutachten vom 4.9.2008 gering- bis mäßiggradige Wirbelsäulen-Veränderungen mit Funktionseinschränkung bei Fehlhaltung und Wirbelgleiten L5/S1 (Meyerding I) ohne Spondylolyse und eine beginnende Omarthrose und Rotatorenmanschettendegeneration des rechten Schultergelenks mit endgradiger Funktionseinschränkung fest. Er gelangte zum Ergebnis, als Arbeiterin und Bürohilfskraft sei die Klägerin weiterhin täglich sechs Stunden und mehr einsetzbar. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne Heben und Tragen von Lasten über 15 kg, ohne langes Stehen und häufiges Bücken sowie Knien und Hocken und ohne lange Überkopfarbeiten könne die Klägerin täglich sechs Stunden und mehr verrichten.

Der Neurologe und Psychiater Dr. S. stellte bei der Klägerin eine langfristig zurückreichende ängstlich-depressive Symptomatik mit Somatisierungen und depressive Persönlichkeitszüge mit dependenten Anteilen fest. Die aktuelle Situation, durch die es zu erneuten ausgeprägteren Depressionen mit Ängsten und Rückzugstendenzen gekommen sei, mache die Beschwerden der Klägerin zwar nachvollziehbar; eine so gravierende depressive Störung, dass die Erwerbsfähigkeit entscheidend beeinträchtigt wäre, sei jedoch auch in der jetzigen Situation nicht zu verzeichnen. Mit einer Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit sei vielmehr unter Therapie, gegebenenfalls auch im stationären Rahmen, in absehbarer Zeit zu rechnen. Derzeit bestehe noch Arbeitsunfähigkeit. Die Klägerin sei unter Mitberücksichtigung der Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Gebiet in der Lage, als kaufmännische Angestellte (nicht unmittelbar im Verkauf) sechs Stunden täglich zu arbeiten und leichte bis mittelschwere Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen sechs Stunden und mehr zu verrichten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13.11.2008 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch der Klägerin zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 26.11.2008 Klage zum Sozialgericht (SG) Ulm erhoben, mit der sie die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung weiter verfolgt.

Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen gehört und Gutachten auf nervenärztlichem Gebiet eingeholt.

Der Neurologe und Psychiater Dr. S. hat am 18.5.2009 erklärt, die Klägerin habe von September 1994 bis März 1996 eine tiefenpsychologisch-fundierte Psychotherapie gemacht. Von Februar 2000 bis März 2003 bzw. von September 2004 bis März 2005 habe er die Klägerin erneut behandelt. Seit 25.6.2007 erfolgten nunmehr wieder regelmäßige nervenärztliche Konsultationen. Bei der Klägerin liege seit Mitte der 90-iger Jahre eine depressive Symptomatik vor, die sich seit Juni 2007 verstärkt habe. Hinzu komme ein chronisches Schmerzsyndrom im Bereich der Wirbelsäule. Möglicherweise stehe die Verstärkung der Beschwerden im Zusammenhang mit einer Kündigung im Frühjahr 2007. Nach seiner Einschätzung sei die Klägerin aufgrund der depressiven Symptomatik lediglich noch in der Lage, höchstens drei Stunden täglich leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten.

Die Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. F. hat am 9.6.2009 mitgeteilt, bei der Klägerin lägen schwere depressive Episoden mit Antriebslosigkeit und Somatisierungsstörung im Bereich der Wirbelsäule vor. Zudem leide sie unter diversen Knochen- und Gelenkschmerzen. Eine laborchemische Blutanalyse habe keinen Hinweis auf eine rheumatologische Erkrankung ergeben. Die Klägerin sei nicht in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Nach ihren eigenen Angaben habe die Klägerin nie länger als vier Stunden täglich gearbeitet, da sie aufgrund ihrer psychischen Belastung zu einer längeren Tätigkeit nicht in der Lage sei.

Der Internist und Kardiologe Dr. M. hat am 22.6.2007 angegeben, bei der Klägerin lägen eine Mitralklappeninsuffizienz Schweregrad I bei Prolaps des posterioren Mitralsegels, eine ventrikuläre Extrasystolie, eine supraventrikuläre Extrasystolie sowie ein Schulter-Arm-Syn-drom vor. Leichte Tätigkeiten ohne besonderen Zeitdruck, ohne Treppensteigen und ohne schweres Heben und Tragen könne die Klägerin bei ausreichenden Pausen sechs Stunden am Tag verrichten.

Der Orthopäde Dr. Z. hat unter dem 7.7.2009 ausgeführt, die Klägerin leide vor allem unter einer Spondylolisthesis L5/S1 Meyerding I. Er habe die Klägerin zum Schmerztherapeuten Dr. N. überwiesen, der die Klägerin mit Psychopharmaka behandelt habe, da er die Beschwerden auf psychische Ursachen zurückgeführt habe. Damit sei die Klägerin nicht einverstanden gewesen und habe die Behandlung am 18.12.2008 abgebrochen. Aufgrund der lang anhaltenden Beschwerden gehe er davon aus, dass die Klägerin nicht mehr in der Lage sei, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten.

Die Neurologin und Psychiaterin Dr. A. hat bei der Klägerin im Gutachten vom 7.12.2009 einen unauffälligen neurologischen Befund erhoben sowie ausgeführt, in psychopathologischer Hinsicht sei die Klägerin wach und orientiert gewesen. Das formale und inhaltliche Denken sei ungestört und die mnestischen Funktionen seien intakt gewesen. Es habe sich kein Anhalt für Störungen von Aufmerksamkeit, Konzentration, Merkfähigkeit und Gedächtnis gefunden. Die Stimmungslage sei wechselnd gewesen, je nach Gesprächsinhalt teilweise subdepressiv ohne Affektlabilität, teilweise ausgeglichen mit nur leicht eingeschränkter Resonanz. Zeitweise habe die Unzufriedenheit gegenüber der Herabgestimmtheit überwogen. Bei der Klägerin lägen eine chronifizierte depressive Störung im Sinne einer Dysthymie und eine somatoforme Schmerzstörung vor. Möglicherweise hätten in der Vergangenheit auch zusätzlich depressive Episoden bestanden. Es bestehe einerseits eine ängstlich-dependente Persönlichkeitsstruktur, andererseits sei die Klägerin durchaus in der Lage, sich zu wehren, wie der 15-seitige Beschwerdebrief über das letzte Heilverfahren zeige. Eine tiefergehende Verstimmung bestehe bei der Klägerin nicht. Eine zeitliche Leistungseinschränkung lasse sich nicht begründen. Die Klägerin sei noch in der Lage, körperlich leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Zu vermeiden seien Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit, das Umstellungs- und Anpassungsvermögen, unter ungünstigen klimatischen Bedingungen sowie mit Zeitdruck und Nachtschicht.

Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG den Neurologen und Psychiater sowie Diplompädagogen Dr. S. mit der Begutachtung der Klägerin beauftragt. Dieser hat bei ihr im Gutachten vom 16.3.2010 eine somatoforme Schmerzstörung bei psychischen und somatischen Ursachen, eine anhaltende ängstlich-neurotische Depression, den schädlichen Gebrauch von Sedativa und ein Karpaltunnelsyndrom beidseits festgestellt. Er hat ausgeführt, der neurologische Befund sei normal und die Klägerin bei der Untersuchung bewusstseinsklar, zeitlich, örtlich, situativ und zur Person orientiert gewesen. In der Stimmung sei sie indifferent und nicht depressiv gewesen. Der affektive Rapport sei leichtgradig nivelliert und die Klägerin ruhig und entspannt gewesen. Es habe eine Neigung zur Dramatisierung sowie eine Diskrepanz zwischen "wahnsinnigen Beschwerden" und fehlender affektiver Beteiligung bestanden. Aufmerksamkeit und Konzentration seien unauffällig gewesen. Auch bei der testpsychologischen Untersuchung habe eine Diskrepanz vorgelegen und sich der Verdacht auf Aggravation ergeben. Wegen der komplexen psychischen Problematik, der somatoformen Schmerzstörung sowie der anhaltenden ängstlich-depressiven Störung, sei das Umstellungs- und Anpassungsvermögen gemindert. Eine Überwachung und Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge, wie auch Tätigkeiten unter Zeitdruck und mit Nachtschichten, könnten nicht durchgeführt werden. Aufgrund der degenerativen Wirbelsäulenveränderungen wie auch der somatoformen Schmerzstörung könnten Arbeiten mit schwerem Heben und Tragen sowie in anhaltenden Zwangshaltungen nicht erledigt werden. Leichte, kurzfristig auch mittelschwere, körperliche Arbeiten mit den genannten Einschränkungen könne die Klägerin zwischen drei und unter sechs Stunden täglich verrichten. Auch betreuende Arbeiten, wie z.B. in einem Alters- und Pflegeheim, könnten erledigt werden. Verantwortungsvolle Arbeiten, wie z.B. Medikamente richten, seien hiervon ausgenommen. Seit 1.2.2010 arbeite die Klägerin auch wieder zu 60 %. Sie habe nicht darüber geklagt, dass sie diese Tätigkeit nicht bewältigen könne. Von den Vorgutachten weiche er ab, weil diese die Schwere, und insbesondere die Chronifizierung und Therapieresistenz, der Erkrankungen nicht hinreichend gewürdigt hätten.

Nach Einwendungen von Dr. J. in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 17.5.2010 hat Dr. S. in der ergänzenden Stellungnahme vom 6.9.2010 ausgeführt, entscheidend für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit von drei bis unter sechs Stunden sei die somatoforme Schmerzstörung.

Mit Urteil vom 9.12.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung. Sie sei noch in der Lage, eine leichte bis mittelschwere Tätigkeit mit qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Das SG stütze seine Überzeugung auf das überzeugende und schlüssige Gutachten von Dr. A. sowie das im Verwaltungsverfahren eingeholte urkundlich verwertbare Gutachten von Dr. S. und schließe sich deren Leistungsbeurteilung an. Dieser Beurteilung entspreche auch die Leistungseinschätzung der behandelnden Ärzte der Ziegelfeldklinik. Nicht gefolgt werden könne der Leistungseinschätzung des nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens von Dr. S ... Soweit er davon ausgehe, aufgrund der Chronifizierung und Verfestigung der Gesundheitsstörungen seien die Arbeiten nur noch zwischen drei und sechs Stunden täglich möglich, überzeuge dies das SG nicht. Die Chronifizierung und Verfestigung der Gesundheitsstörungen betreffe nicht das quantitative Leistungsvermögen, sondern die Frage einer möglichen Besserung. Der Leistungsbeurteilung des Dr. S. könne nicht gefolgt werden, da er diese mit der depressiven Gesundheitsstörung begründe, die aber nach den eingeholten Gutachten allenfalls in leichtgradiger Ausprägung vorliege. Auf orthopädischem Fachgebiet lägen keine Gesundheitsstörungen vor, die eine rentenrechtlich relevante quantitative Leistungseinschränkung begründen könnten. Insoweit stütze sich das SG auf das überzeugende und schlüssige Gutachten von Dr. Gollwitzer. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Sie habe keinen Beruf erlernt und daher aufgrund ihrer Tätigkeit als kaufmännische Hilfskraft allenfalls als angelernte Angestellte einzuordnen. Sie müsse sich auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisen lassen. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen das am 27.1.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 11.2.2011 Berufung eingelegt und vorgetragen, sie sei der Auffassung, dass bei ihr die Voraussetzungen für die beantragte Rente vorliegen. Sie gehe nach wie vor davon aus, dass ihre behandelnden Ärzte Dr. S., Dr. F. und Dr. Z. sowie der Sachverständige Dr. S. ihr Leistungsvermögen zutreffend eingeschätzt haben. Sie weise darauf hin, dass ihre derzeitige Arbeitsleistung von 23 Stunden in der Woche ihr absolutes Leistungslimit darstelle. Nach der täglichen Arbeitszeit müsse sie regelmäßig lange Ruhepausen einlegen, um dieses Pensum überhaupt bewältigen zu können. Darüber hinaus bestehe bei ihr eine völlige Antriebslosigkeit mit einem sehr eingeschränkten Leistungs- und Durchhaltevermögen. Dr. S. begründe seine Leistungseinschätzung auch nicht – wie das SG meine – mit der Chronifizierung der bei ihr vorliegenden Gesundheitsstörungen, sondern führe aus, dass aufgrund der psychischen und psychosomatischen Funktionsstörungen keine vollschichtige Erwerbsfähigkeit mehr bestehe und Arbeiten nur noch zwischen drei und unter sechs Stunden täglich verrichtet werden könnten. Aus dem Gutachten von Dr. S. ergebe sich auch ein deutlicher sozialer Rückzug. Das SG hätte daher der Leistungseinschätzung von Dr. S. und der behandelnden Ärzte folgen und ihr die beantragte Rente zu sprechen müssen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 9. Dezember 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. Juni 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. November 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 1. Mai 2008 einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert unter Vorlage einer beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. Jöst vom 7.9.2011, aus der Berufungsbegründung sowie dem Schreiben der Klägerin ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte, die eine Änderung ihres bisherigen Standpunktes zuließen.

Die Klägerin hat eine nervenärztliche Bescheinigung von Dr. S. vom 2.2.2012 sowie ein ärztliches Attest des Orthopäden Dr. Z. vom 28.2.2012 nebst Befundbericht und Arztbriefen vorgelegt. Die Beklagte hat dazu eine beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. J. vom 27.3.2012 vorgelegt.

Mit Verfügung vom 20.7.2011, wiederholt am 18.1.2012 und 3.4.2012, hat die Berichterstatterin auf die Absicht, durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG zu entscheiden, hingewiesen.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das LSG - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Mit Schreiben vom 20.7.2011 sowie 18.1. und 3.4.2012 hat der Senat die Beteiligten auch auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier von der Klägerin beanspruchte Rente wegen voller und teilweiser Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit- §§ 43, 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) - dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung oder teilweiser Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht besteht, weil die Klägerin noch wenigstens sechs Stunden täglich leistungsfähig und nicht berufsunfähig ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren sowie der im Berufungsverfahren vorgelegten ärztlichen Unterlagen uneingeschränkt an, sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück.

Ergänzend ist auszuführen, dass sich neue medizinische Gesichtspunkte im Berufungsverfahren nicht ergeben haben. Vielmehr hat Dr. S. in seiner nervenärztlichen Bescheinigung vom 2.2.2012 seine schon früher vertretene Auffassung, die Klägerin könne lediglich drei Stunden täglich einer Erwerbstätigkeit nachgehen, wiederholt. Diese Beurteilung war jedoch weder von Dr. A. im Gutachten vom 7.12.2009 noch von Dr. Seiler, der ein drei- bis unter sechsstündiges Leistungsvermögen annahm, bestätigt worden. Unerheblich ist auch, ob die Klägerin durch ihre täglich vier- bis fünfstündige Tätigkeit als Betreuerin von Demenzkranken, die psychisch belastend ist, überfordert ist. Denn dies bedeutet nicht, dass die Klägerin körperlich leichte und nervlich nicht belastende Tätigkeiten nicht mehr täglich mindestens sechs Stunden ausüben kann, wie Dr. Jöst zu Recht in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 27.3.2012 dargelegt hat.

Ein wesentlich neuer Sachverhalt ergibt sich auch nicht aus den im Berufungsverfahren vorgelegten Unterlagen des Orthopäden Dr. Z ... Die Wirbelsäulenbeschwerden und die Spon-dylolisthesis L5/S1 wurden schon im Gutachten von Dr. Gollwitzer mitberücksichtigt. Darüber hinaus haben auch Dr. A. und Dr. S. das Schmerzsyndrom bei der Klägerin in ihre Beurteilung mit einbezogen. Die im September 2011 und im Januar 2012 diagnostizierte Sehnenansatzreizung des rechten Ellenbogengelenks ist einer Behandlung zugänglich und führt zu keinen quantitativen Leistungseinschränkungen auf Dauer.

Zu Recht hat das SG auch entschieden, dass der Klägerin keine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zusteht. Eine über zweijährige Lehre hat die Klägerin nicht absolviert und auch keine über ein- bis zweijährige Ausbildung gemacht. Als angelernte Verkäuferin und kaufmännische Hilfskraft ist die Klägerin als Angelernte des unteren Bereichs (Anlernzeit drei Monate bis ein Jahr) einzustufen und auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes breit verweisbar.

Nach alledem war das angefochtene Urteil des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung der Klägerin musste deswegen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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