L 13 AS 831/12 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AS 1140/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 831/12 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 4. Januar 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde ist statthaft, da ein Ausschlusstatbestand des § 172 Abs. 3 SGG nicht einschlägig ist und der Wert des Beschwerdegegenstandes 750 EUR nicht übersteigen muss (der Senat hält an seiner Rechtsprechung hierzu fest, vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 12. August 2011, L 13 AS 1830/11 B). Sie ist auch im Übrigen zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat zu Recht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Ist - wie in den Tatsacheninstanzen der Sozialgerichtsbarkeit - eine Vertretung durch Rechtsanwälte nicht vorgeschrieben, wird auf Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt beigeordnet, wenn diese Vertretung erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs. 2 ZPO). Bei der Prüfung der Erfolgsaussicht ist zu berücksichtigen, dass die Anwendung des § 114 ZPO dem aus Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz abzuleitenden verfassungsrechtlichen Gebot entsprechen soll, die Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes weitgehend anzugleichen. Daher dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden. Maßgebend für die Beurteilung der Erfolgsaussicht ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife des PKH-Gesuchs (Beschluss des erkennenden Senats vom 27. Februar 2009 - L 13 AS 4995/08 PKH-B; vgl. dazu auch BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2003 - 1 BvR 1152/02 - beide veröffentlicht in Juris).

Bei der Prüfung der Erfolgsaussicht ist zu prüfen, welchen Anspruch die anwaltlich vertretenen Kläger geltend machen. Zunächst hatte der Bevollmächtigte der Kläger beantragt die Beklagte zu verurteilen, den Klägern unter Aufhebung der Bescheide vom 26. Oktober 2010 und 24. Mai 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. April 2011 "höhere Leistungen nach dem SGB II" zu gewähren. In der Begründung der Klage stellte der Bevollmächtigte der Kläger darauf ab, die Kläger erhielten monatlich 43,77 EUR Leistungen für Unterkunft und Heizung zu wenig, ferner habe der Beklagte die Rundungsvorschrift des § 41 Abs. 2 SGB II nicht beachtet, weshalb die Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Monat Dezember 2010 auf 500,-EUR, statt der bewilligten 499,77 EUR aufzurunden seien. Nachdem das SG in dem angefochtenen Beschluss darauf hingewiesen hat, dass die Kläger die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in vollem Umfange erstattet erhalten und ein weitergehender Anspruch nicht bestehe, hat der Bevollmächtigte in seiner Beschwerde lediglich eingewandt, die hinreichende Erfolgsaussicht seit deshalb zu bejahen, weil der monatliche Zahlbetrag gemäß § 41 Abs. 2 SGB II auf den vollen Eurobetrag "abzurunden" (gemeint wohl aufzurunden) sei. Streitgegenstand ist daher lediglich die Frage, ob für den Bewilligungsmonat Dezember 2010 den Klägern Leistungen in Höhe von insgesamt 0,23 EUR noch zu bewilligen sind. Das SG hat in dem angefochtenen Beschluss ausführlich die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage dargelegt, ob § 41 Abs. 2 SGB II in der bis zum 31. März 2011 geltenden Fassung auch bezüglich Leistungen der Unterkunft und Heizung anwendbar ist. Eine hinreichende Aussicht auf Erfolg könnte daher unter den oben genannten Voraussetzungen nicht verneint werden. Bezüglich der ursprünglich geltend gemachten monatlichen Beträge von monatlich 43,77 EUR hat das SG im Übrigen zutreffend die hinreichende Erfolgsaussicht verneint, weil die Kläger die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung erstattet erhalten.

Es fehlt vorliegend indes für den noch bestehenden Streitgegenstand an der Erforderlichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts. Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 121 Abs. 2 Alt. 1 ZPO ist dem Unbemittelten auf seinen Antrag ein Rechtsanwalt dann beizuordnen, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint. Die Erforderlichkeit im Sinne des § 121 Abs. 2 ZPO beurteilt sich dabei nach dem Umfang und der Schwierigkeit der Sache sowie nach der Fähigkeit des Beteiligten, sich mündlich und schriftlich auszudrücken; entscheidend ist, ob ein Bemittelter in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte (BVerfG vom 24. März 2011 - 1 BvR 1737/10 - Juris Rdnr. 16). Davon ist regelmäßig dann auszugehen, wenn im Kenntnisstand und in den Fähigkeiten der Beteiligten ein deutliches Ungleichgewicht besteht (BVerfG a.a.O.). Bewertungsmaßstab für die Frage der Beiordnung eines Rechtsanwalts ist demnach vornehmlich, ob die besonderen persönlichen Verhältnisse dazu führen, dass der Grundsatz der Waffengleichheit zwischen den Beteiligten verletzt ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass im sozialgerichtlichen Verfahren dem Kläger rechtskundige und prozesserfahrene Vertreter einer Behörde gegenüberstehen; in einem solchen Fall wird ein vernünftiger Rechtsuchender regelmäßig einen Rechtsanwalt einschalten, wenn er nicht ausnahmsweise selbst über ausreichende Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt. Auch der Umstand, dass das sozialgerichtliche Verfahren dem Amtsermittlungsgrundsatz (vgl. § 103 SGG) unterliegt, rechtfertigt dabei nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts keine andere Beurteilung, da die Aufklärungs- und Beratungspflicht eines Rechtsanwalts über die Reichweite der Amtsermittlungspflicht des Richters hinausgeht (BVerfG a.a.O.).

Nach der zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. März 2011 dürfte damit im sozialgerichtlichen Verfahren, in welchem sich in der Regel Naturparteien gegenüber einer Behörde wehren, regelmäßig die Erforderlichkeit einer Beiordnung eines Rechtsanwalts gegeben sein. Der Senat hält aber daran fest, dass im Einzelfall ein Missverhältnis von Streitwert und Kostenrisiko für die nach § 121 Abs. 2 Alt. 1 ZPO gebotene Beurteilung heranzuziehen ist. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sieht der erkennende Senat allerdings nur dann Raum für eine Berücksichtigung des erstrebten wirtschaftlichen Erfolgs, wenn dieser in einem krassen Missverhältnis zum Kostenrisiko steht. Er schließt sich damit der Entscheidung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 28. Juni 2011 an, das hierzu wie folgt ausgeführt hat (vgl. Beschluss vom 28. Juni 2011 - L 13 AS 43/11 - juris Rdnr. 3):

"Der Senat geht auch weiterhin davon aus, dass ein Bemittelter in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen nicht in Fällen beauftragen würde, in denen sein wirtschaftliches Risiko - unter Berücksichtigung der aus Sicht der Beteiligten regelmäßig gegebenen Unsicherheit in Bezug auf den Ausgang gerichtlicher Rechtsstreitigkeiten - außer Verhältnis zu dem erstrebten wirtschaftlichen Erfolg steht. Dies gilt auch vor dem Hintergrund der prozessualen Waffengleichheit; denn auch der Bemittelte steht vor dem Sozialgericht, in gleicher Weise wie der Unbemittelte, regelmäßig rechtskundigen und prozesserfahrenen Vertretern einer Behörde gegenüber. Der Grundsatz, dass ein vernünftiger Rechtssuchender bei Bestehen eines derartigen Ungleichgewichts regelmäßig einen Rechtsanwalt einschalten wird (BVerfG, a. a. O., juris Rn. 18), findet seine Grenze jedenfalls in Fällen der vorliegenden Art, in denen einem erstrebten wirtschaftlichen Vorteil in der Größenordnung von insgesamt ca. 13,00 EUR ein unverhältnismäßiges Kostenrisiko bei Beauftragung eines Rechtsanwalts gegenübersteht; so hat der Prozessbevollmächtigte in der ersten Instanz - allerdings standen auf Klägerseite seinerzeit noch vier Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft als Auftraggeber - eine Vergütung i. H. von 646,17 EUR incl. Umsatzsteuer erhalten. Dass ein vernünftig handelnder, bemittelter Auftraggeber dieses außer Verhältnis stehende Kostenrisiko zur Herstellung von Waffengleichheit regelmäßig eingehen würde - ohne dass Anwaltszwang besteht und ohne dass er dem Risiko eines Kostenerstattungsanspruchs der Gegenseite oder dem Risiko einer Verpflichtung zur Zahlung von Gerichtsgebühren ausgesetzt ist, dies zudem vor dem Hintergrund, dass das Gericht im sozialgerichtlichen Verfahren von Amts wegen verpflichtet ist, alle ihm günstigen Umstände ohne Rücksicht auf seinen Vortrag zu berücksichtigen - meint der Senat auch weiterhin nicht."

Wo die Grenze zu einem krassen Missverhältnis exakt zu ziehen ist, kann offenbleiben. Jedenfalls bei dem hier streitgegenständlichen Betrag von insgesamt 0,23 EUR für Leistungen der Unterkunft und Heizung ist ein solch krasses Missverhältnis gegeben: zur Überzeugung des Senats würde ein bemittelter Kläger bei einer vernunftgeleiteten Abwägung des Streitwerts mit dem Kostenrisiko angesichts der jedenfalls nicht eindeutigen Erfolgsaussichten von der Beauftragung eines Rechtsanwalts Abstand nehmen. Er würde das Verfahren selbst betreiben und die hier allein streitige Rechtsfrage durch das Sozialgericht klären lassen. In der Versagung von PKH kann in einem solchen Fall mitnichten eine Verletzung der in Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG verbürgten Rechtsschutzgleichheit gesehen werden; vielmehr würde es eine von Verfassung wegen nicht gebotene Bevorzugung des Unbemittelten gegenüber einem Bemittelten darstellen, wenn man ersteren mit Hilfe der PKH imstande setzen würde, einen Rechtsanwalt unter Außerachtlassung naheliegendster wirtschaftlicher Erwägungen zu beauftragen (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen vom 15. Februar 2008 - L 13 B 40/07 AS - juris Rdnr. 7; LSG Berlin-Brandenburg vom 19. Mai 2008 - L 10 B 184/08 AS PKH - juris Rdnr. 4).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO.

Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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