Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 5 R 679/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 2407/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 13. April 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der am 1975 in Heilbronn geborene Kläger absolvierte von 1992 bis 1995 erfolgreich eine Ausbildung zum Industriekaufmann. Von 1995 bis 1998 war der Kläger arbeitslos, teilweise (in der Zeit vom 26. September 1995 bis 24. Juni 1996 sowie vom 24. Januar 1997 bis 30. Januar 1998) bei Bezug von Arbeitslosengeld I. Bis 1999 verrichtete er sodann eine selbstständige Tätigkeit im Groß- und Einzelhandel mit elektronischen Geräten im In- und Ausland. Von November 1999 bis März 2000 war er als gewerblicher Leiharbeitnehmer, anschließend bis Juli 2000 als Bürofachkraft sowie von Juli 2000 bis September 2003 als Personaldisponent versicherungspflichtig beschäftigt. In den Monaten Oktober bis Dezember 2003 bezog der Kläger Arbeitslosengeld I. Seit April 2004 ist der Kläger erneut selbstständig erwerbstätig; er betreibt zusammen mit seiner Ehefrau eine Zeitarbeitsfirma.
Am 26. Oktober 2007 stellte der Kläger bei der Beklagten Antrag auf Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Er gab an, sich seit Juni 2003 aufgrund einer Erkrankung an Multipler Sklerose (MS) für erwerbsgemindert zu halten. Die Beklagte holte medizinische Unterlagen über den Kläger, insbesondere den Bericht des Prof. Dr. H. der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums H. vom 21. Juli 2003 über eine stationäre Behandlung des Klägers vom 25. Juni bis 06. Juli 2003, den Bericht des Prof. Dr. K. der Neurologischen Klinik des Klinikums P. vom 11. Mai 2007 über einen stationären Aufenthalt des Klägers dort vom 03. bis 09. Mai 2007 sowie den Entlassungsbericht des Prof. Dr. M. der Fachklinik für Neurologie D. GmbH vom 04. Juli 2007 über einen stationären Aufenthalt des Klägers dort vom 31. Mai bis 10. Juni 2007 ein. Prof. Dr. H. diagnostizierte eine Encephalomyelitis disseminata (MS), eine akute Laringitis, Fieber mit Schüttelfrost, eine spastische Paraparese, eine Gangstörung, eine Ataxie, eine Facialisparese sowie eine Blasenentleerungsstörung. In der Anamnese ist angegeben, der Kläger habe am 25. Juni 2003 eine Verschlechterung der seit drei bis vier Monaten bestehenden Gangunsicherheit hin bis zu einer fast nicht mehr selbstständ möglichen Fortbewegung verspürt. Vor ca. einem Jahr seien vorübergehende (einige Monate bestehende) Sensibilitätsstörungen im linken Arm aufgetreten. Während dieser Zeit habe er auch ein elektrisches Gefühl entlang der Wirbelsäule bei der Kopf- und Rumpfbeugung bemerkt. Auch habe er während des vergangenen Jahres einige Monate lang bei Anstrengung ein Zittern in den Füßen festgestellt. Seit ca. zwei bis drei Monaten sei die Blasenentleerung gestört. Wegen dieser Symptome habe er sich neurologisch untersuchen lassen, wobei der Verdacht auf eine Entzündung des Nervensystems geäußert worden sei. Weitere Untersuchungen seien aus zeitlich-privaten Gründen nicht durchgeführt worden. In seiner Beurteilung führte Prof. Dr. H. aus, im Untersuchungsbefund bei Aufnahme seien Störungen der Okkulomotorik, eine geringgradige faciale Parese, geringgradige distale Armparese links sowie ein spastisch-ataktisches Gangbild aufgefallen. Der klinisch-anamnestische Verdacht einer entzündlichen ZNS-Erkrankung habe sich aufgrund typischer MRT-Veränderungen (Nachweis nichtaktiver Entzündungsherde supra-/infratentoriell und spinal), des Liquor-Befundes mit einer lymphozytären Pleozytose und intratikalen LG-G-Produktion sowie ergänzend elektrophysiologischen Zusatzuntersuchungen bestätigen lassen. Da die Verschlechterung der Symptome im Rahmen eines Infektes aufgetreten sei, sei zunächst eine suffiziente Infektbehandlung über insgesamt neun Tage bis zur Normalisierung der klinischen und laborchemischen Entzündungszeichen durchgeführt worden. Darunter sei es auch zu einer Besserung der neurologischen Symptomatik, vor allem der Gangunsicherheit, gekommen. Der Kläger habe im Anschluss noch über fünf Tage jeweils 500 mg Urbason intravenös erhalten, was zu einer fast vollständigen Rückbildung der neurologischen Symptome geführt habe. Prof. Dr. K. führte aus, beim Kläger bestehe seit 2003 eine MS. Zunächst habe ein schubförmiger Verlauf bestanden, wahrscheinlich seit einem Jahr bestehe ein gemischter Verlauf bei zunehmender Gang- und Sprechstörung. Besonders seit vier Monaten sei eine deutliche Befundverschlechterung gegeben. Der Kläger schätze seine Gehstrecke selbst auf zurzeit 400 Meter. Er benutze keine Hilfsmittel. Der Kläger sei wegen einer kontinuierlichen Verschlechterung der Gehfähigkeit und des Sprechens seit einigen Monaten bei bekannter MS stationär aufgenommen worden. Neurologisch bestehe im Wesentlichen eine linksbetonte Tetraparese, eine Dysmetrie in den Zeigeversuchen links, eine schwere spastisch-ataktische Gangstörung sowie eine Dyastrie. Am 09. Mai 2007 habe der Kläger plötzlich auf eine rasche Entlassung gedrängt und habe sich in den kommenden ein bis zwei Wochen überlegen wollen, ob er sich einer neuen medikamentösen Therapie unterziehen wolle. Prof. Dr. M. gab an, der Kläger habe von zwei- bis dreimal jährlich auftretenden Schüben berichtet, deren Symptomatik sich bisher auf Cortison-Pulstherapie bis auf ein Pelzigkeitsgefühl der linken Hand zurückgebildet habe. Jetzt habe sich seit einigen Monaten das Laufen und Sprechen merklich verschlechtert, so sei das Gehen zunehmend unsicher, das Sprechen undeutlicher und abgehackt. Vor drei Wochen sei bereits eine stationäre Abklärung im Krankenhaus P. erfolgt. Danach sei eine Besserung des Laufens und Sprechens eingetreten. Klinisch-neurologisch habe eine cerebeläre Symptomatik mit Ataxie und ataktischer Dysatrophonie im Vordergrund der Beschwerden gestanden. Aufgrund der Schubfrequenz und der aktuellen deutlichen klinischen Verschlechterung sei eine Eskalationstherapie zu empfehlen.
Die Beklagte ließ diese Unterlagen sozialmedizinisch auswerten. Dr. S. vom Sozialmedizinischen Dienst der Beklagten gelangte in seiner Stellungnahme vom 28. November 2007 zu der Auffassung, zum beantragten Leistungsfall im Juni 2003 hätten noch keine quantitativen Leistungsminderungen bestanden. Mit Bescheid vom 04. Dezember 2007 lehnte die Beklagte daraufhin den Rentenantrag ab. Im maßgeblichen Zeitraum vom 26. Oktober 2002 bis 25. Oktober 2007 seien nur ein Jahr und drei Kalendermonate mit entsprechenden Beiträgen belegt. Die geltend gemachte Erwerbsminderung im Juni 2003 habe aufgrund der eingeholten ärztlichen Unterlagen nicht bestätigt werden können.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Es bestehe bereits seit 2003 eine MS-Erkrankung, die sich im Laufe der Jahre immer weiter verschlechtert habe. Aufgrund dieser Erkrankung sei ihm im Jahr 2003 gekündigt worden, und er habe sich notgedrungen mit seiner Ehefrau selbstständig machen müssen, weil er kein Arbeitsverhältnis mehr habe eingehen können. Auch die selbstständige Tätigkeit habe er nicht länger als zwei Stunden täglich ausüben können, manche Tage habe er gar nicht arbeiten können. Selbst zwei Stunden lang könne er auch nur mit Pause arbeiten. Er habe aufgrund seiner Erkrankung große Schwierigkeiten beim Reden und Gehen und sei sehr eingeschränkt. Er fahre nur noch kurze Strecken mit dem Auto, wenn er unbedingt müsse. Er halte sich bereits seit 2003 für erwerbsgemindert.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 2008 wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Zumindest 2003 seien dem Kläger aufgrund des Entlassungsberichts über die vom 25. Juni 2003 bis 06. Juli 2003 durchgeführte stationäre Behandlung im Universitätsklinikum H. noch leichte bis mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne häufiges Klettern oder Steigen und ohne Gefährdung durch Kälte, Hitze und Nässe mindestens sechs Stunden täglich zumutbar gewesen. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen wären nur erfüllt, wenn Erwerbsminderung spätestens am 31. Januar 2006 eingetreten wäre. Hierfür ergäben sich jedoch keine Anhaltspunkte. Im maßgeblichen Zeitraum vom 26. Oktober 2002 bis 25. Oktober 2007 seien lediglich 15 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen vorhanden. Ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung bestehe somit nicht.
Am 03. März 2008 erhob der Kläger zum Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage. Er sei nicht mehr in der Lage, eine auch nur leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig verrichten zu können. Entgegen der Darstellung der Beklagten seien neben den medizinischen auch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt. Die Erwerbsminderung sei spätestens am 31. Januar 2006 eingetreten. Er sei an multipler Sklerose erkrankt. Die Diagnose sei erstmals nach stationärer Behandlung im Universitätsklinikum H. in der Zeit vom 25. Juni bis 06. Juli 2003 gestellt worden. Mit Ablauf des September 2003 sei er als angestellter Personaldisponent arbeitslos geworden, da die Erkrankung zu einer Einschränkung seiner Leistungsfähigkeit geführt habe. Aufgrund weiterer Krankheitsschübe habe das Leistungsvermögen in der Folgezeit weiter abgenommen. Aus diesem Grunde habe auch seine Ehefrau ihre Vollzeitbeschäftigung als angestellte Bautechnikerin zu Beginn des Jahres 2005 aufgegeben und danach vollschichtig in der gemeinsamen Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) mitgearbeitet. Zu diesem Zeitpunkt sei er im Durchschnitt keine drei Stunden mehr täglich für die gemeinsame GbR tätig gewesen. Der ihn behandelnde Neurologe Dr. F. könne bestätigen, dass er spätestens ab dem Jahr 2005 nicht mehr in der Lage gewesen sei, eine auch nur leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens drei Stunden täglich zu verrichten. Der Kläger legte insoweit das ärztliche Attest des Dr. F. vom 18. August 2006 vor. Darin ist ausgeführt, dass beim Kläger eine relativ hohe Schubfrequenz (zuletzt Juli 2006) und zudem Unverträglichkeit auf die first-line Therapieoptionen bestehe. Entsprechend seien mittlerweile doch erhebliche Defizite manifest aufgetreten, allen voran eine deutliche Fatigue-Symptomatik (rasche Erschöpfbarkeit und reduzierte Leistungsfähigkeit mit Konzentrationsstörungen), Gangataxie sowie eine sensomotorische Halbseitensymptomatik links. Aus diesen dauerhaft einzuschätzenden Defiziten heraus sei der Kläger als nur noch für maximal zwei Stunden täglich belastbar einzustufen.
Die Beklagte trat dem Klagevorbringen entgegen.
Das SG vernahm Dr. F. insgesamt dreimal als sachverständigen Zeugen. In seiner Auskunft vom 31. Dezember 2008 gab dieser an, er habe den Kläger erstmals am 05. September 2005 und zuletzt am 11. September 2007 wegen bekannter MS-Erkrankung behandelt. Es bestehe eine schubförmige Enzephalomyelitis disseminata, in deren Rahmen zuletzt eine leichte ataktische Gangstörung bestanden habe. Die berufliche Leistungsfähigkeit sei aktuell schwierig beurteilbar, da sich der Kläger bei ihm fast eineinhalb Jahre nicht mehr vorgestellt, insgesamt offensichtlich auch stark wechselnde Arztbindungen gehabt und insbesondere paramedizinische Heilversuche unternommen habe. In seiner Auskunft vom 20. Februar 2010 gab Dr. F. an, nach längerer Zeit habe der Kläger wieder ab 12. Februar 2009 in Behandlung gestanden. In der Verlaufsanamnese bis zum 17. November 2009 sei die Gehfähigkeit seit dem Urlaub im Juli 2009 deutlich schlechter geworden. Leider sehe er beim Kläger zunehmend keine Arbeitsfähigkeit mehr, insbesondere sei auch einer Berentung unbedingt in vollem Umfang zuzuraten. Die Gehfähigkeit sei zudem so massiv geschädigt, dass die - bislang noch nicht anerkannten - Merkmale aG voll erfüllt seien. In der Auskunft vom 12. April 2010 berichtete Dr. F. ausführlicher von den Vorstellungen des Klägers bei ihm in den Jahren 2005 und 2006. Zur Erstvorstellung am 05. September 2005 berichtete Dr. F. im neurologischen Befund von einer links-beinbetonten spastisch-ataktischen Tetrasymptomatik; zu einer Prophylaxetherapie sei der Kläger aufgrund von Nebenwirkungen damals nicht motivierbar gewesen. Zur Vorstellung des Klägers am 04. Oktober 2005 gab Dr. F. an, der Kläger habe anamnestisch von aktuell aufgetretenen Doppelbildern, auch mit Gangstörungen berichtet. Seit etwa zwei Wochen gehe es schon nicht gut. Seit zwei Wochen gehe er wackliger, nicht gerichtet ataktisch. Im neurologischen Befund sei aktuell keine sichere Diplopie nachweisbar gewesen, der Romberg- und der Tandem-Romberg-Versuch seien ungerichtet unsicher. Am 28. November 2005 habe der Kläger von pelzigen Füßen links, teils rechts seit etwa zweieinhalb Wochen berichtet. Am 06. Dezember 2005 habe der Kläger angegeben, es gehe immer noch nicht so gut, er habe immer noch in den Beinen Beschwerden in Form von Taubheit. Am 05. Januar 2006 habe der Kläger davon berichtet, dass die Beine besser als vormals seien bei doch noch residual leichter Pelzigkeit unter der Fußsohle. In letzter Zeit habe er sich beim Laufen vermehrt konzentrieren müssen, um nicht zu schwanken. Er habe nur noch drei Stunden gearbeitet. Über die Vorstellung des Klägers am 03. Februar 2006 berichtete Dr. F. anamnestisch von Schilderungen deutlicher Gangunsicherheit, die Sprache sei verwaschener, er stottere beim Reden, werde angesprochen, ob er denn müde sei oder nicht reden wolle. Über die Vorstellung des Klägers am 17. Mai 2006 gab Dr. F. an, im neurologischen Befund habe sich das Gangbild deutlich ataktischer und massiv unsicher gezeigt. Insgesamt sei eine Berentung des Klägers seines Erachtens unausweichlich, auch retrospektiv ab 2005/2006.
Bereits nach Einholung der ersten sachverständigen Zeugenauskunft bei Dr. F. erstattete der Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin Ma. über den Kläger das nervenfachärztliche Gutachten vom 26. April 2009. Der Sachverständige berichtete aufgrund einer Untersuchung des Klägers drei Tage zuvor von einer MS-Erkrankung mit ausgeprägter Gang- und Standataxie, leicht ausgeprägter Ataxie und Bewegungsverlangsamung im linken Arm, leichten Sehstörungen und einer Dysartrie. Der Kläger könne damit eine körperlich leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten, dies allerdings nur mit erheblichen Einschränkungen. Auch würde dies eine sehr hohe Motivation voraussetzen. Dem Kläger seien nur noch weit überwiegend sitzende Tätigkeiten zumutbar. Dabei seien keine hohen Anforderungen an die Feinmotorik und die Beidhändigkeit zu stellen. Tätigkeiten unter hohem Zeitdruck seien nicht mehr zumutbar, ebenso wenig Tätigkeiten, die sehr hohe Anforderungen an die Konzentration und die Daueraufmerksamkeit stellten. Nicht mehr zumutbar seien auch das Transportieren von Lasten sowie Tätigkeiten auf Leitern, Gerüsten oder sonst auch nur mit deutlichen Anforderungen an die Stand- und Gangsicherheit, auch kein häufiges Treppengehen. Schichtarbeit sei nicht zumutbar. Diese qualitativen Leistungseinschränkungen hätten mit Sicherheit bereits am 31. Januar 2006 vorgelegen. Die Wegefähigkeit des Klägers sei derzeit relevant eingeschränkt, noch im Jahr 2007 sei jedoch nach der Aktenlage die Wegefähigkeit gegeben gewesen. Der Sachverständige fügte seinem Gutachten weitere medizinische Unterlagen über den Kläger, insbesondere den Entlassbericht des Prof. Dr. M. vom 18. Dezember 2007 über einen stationären Aufenthalt des Klägers am 13. und 14. Dezember 2007 bei, der anamnestisch von einer freien Gehstrecke bis zu einem Kilometer je nach Tagesform berichtete, sowie Untersuchungsberichte des Universitätsklinikums H. über Wiedervorstellungen des Klägers dort am 29. Juli und 11. November 2003 sowie am 25. Februar und 14. April 2004.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 11. Oktober 2009 gab der Sachverständige Ma. an, soweit nach den angegebenen Freizeitbeschäftigungen beurteilbar, sollte mit üblichen fünf Minuten-Pausen nach 55 Minuten und einer Mittagspause von 30 Minuten eine mindestens sechsstündige Tätigkeit ohne Gefährdung der Gesundheit zu leisten sein. Allerdings sei die Konkurrenzfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt wegen der offensichtlichen Behinderung offenkundig. Die Neurologische Klinik des Universitätsklinikums H. habe 2003 über eine fast vollständige Rückbildung der neurologischen Symptome berichtet. Am 25. Februar 2004 sei es während der Fastenzeit einmalig für einen Tag zu einer Verschlechterung des Gangbildes gekommen. Im Befund hätten sich keine Veränderungen zur Voruntersuchung ergeben. Die Neurologische Klinik im Klinikum P. habe anlässlich eines stationären Aufenthalts des Klägers dort im Mai 2007 über einen Verdacht auf sekundär chronische Progredienz berichtet sowie davon, dass seit einigen Monaten das Laufen und Sprechen merklich verschlechtert, nämlich das Gehen zunehmend unsicher, das Sprechen undeutlicher und abgehackt sei. Die Fachklinik für Neurologie D. habe 2007 von keiner motorischen Funktionseinschränkung bei Barthel-Index von 100 Punkten berichtet. Unter Berücksichtigung der ausführlichen Klinikberichte sei davon auszugehen, dass der derzeitige Zustand zumindest seit Mai 2007 bestehe, möglicherweise seit Januar 2007, dies sei jedoch fraglich. Lege man das Attest von Dr. F. zugrunde, habe die Einschränkung des Leistungsvermögens bereits im Jahr 2006 vorgelegen, spätestens seit dem 18. August 2006. Allerdings sei insoweit zu berücksichtigen, dass die vorhandenen Klinikberichte nicht darauf ausgerichtet gewesen seien, sozialmedizinisch Stellung zu nehmen, und Dr. F. sich in seiner Stellungnahme an das SG nicht festgelegt habe. Überdies ergäben sich auch sonst bei der Erwerbsbiographie des Klägers auch vor der Erkrankung Lücken. Es blieben damit zum Zeitpunkt des Beginns der Minderung des Leistungsvermögens viele Fragen offen. Ein sicheres Datum könne nicht genannt werden.
Mit Urteil vom 13. April 2011 wies das SG die Klage ab. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens könne das Vorliegen einer Erwerbsminderung vor dem 01. Februar 2006 nicht festgestellt werden. Der Eintritt des Leistungsfalls sei als anspruchsbegründende Tatsache nachzuweisen und gehe im Falle der nicht Beweisbarkeit zu Lasten des Versicherten. Der Sachverständige Ma. sei in seinem Gutachten vom 26. April 2009 zu dem Ergebnis gekommen, dass mit Sicherheit bereits am 31. Januar 2006 die in dem Gutachten genannten qualitativen Leistungseinschränkungen vorgelegen hätten, jedoch zu diesem Zeitpunkt kein auf unter sechs Stunden täglich herabgesunkenes quantitatives Leistungsvermögen und noch keine Einschränkung der Wegefähigkeit nachgewiesen seien. Diese Einschätzung sei schlüssig und überzeugend. Das Attest des Dr. F. vom 18. August 2006, der dem Kläger Belastbarkeit nur für maximal zwei Stunden täglich bescheinigt habe, sei erst nach dem vorliegend maßgeblichen Stichtag des 31. Januar 2006 erstellt worden. Zwar bestätige die sachverständige Zeugenaussage des Dr. F. vom 12. April 2010 die Einschätzung des Sachverständigen Ma., wonach bereits Anfang des Jahres 2006 qualitative Leistungseinschränkungen bestanden hätten. Anhand der Anamneseerhebungen von Dr. F. sei jedoch nicht nachvollziehbar, weshalb bereits zu diesem Zeitpunkt ein Leistungsvermögen von täglich unter sechs Stunden vorgelegen haben solle. Infolgedessen scheitere der Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung schon daran, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien.
Gegen dieses ihm am 01. Juni 2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 10. Juni 2011 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Er hat zur Begründung zunächst die Ausführungen im Klageverfahren wiederholt. Ergänzend hat er eingewandt, der Sachverständige Ma. habe über die gesundheitliche Situation im Januar 2006 keine eigenen Feststellungen treffen können. Demgegenüber weise das Attest des Dr. F. vom 18. August 2006 eine Leistungsfähigkeit mit nur noch maximal zwei Stunden täglich aus. Er habe sich bereits seit 05. September 2005 in ärztlicher Behandlung bei Dr. F. befunden. In der schriftlichen Aussage als sachverständiger Zeuge vom 12. April 2010 habe dieser eine erhebliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit ab 2005 festgestellt. Das SG habe überdies mit keinem Wort die ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Ma. vom 11. Oktober 2009 berücksichtigt. Dabei habe der Sachverständige eingeräumt, dass unter Berücksichtigung des Attests von Dr. F. das Leistungsvermögen bereits 2006, und zwar spätestens seit dem 18. August 2006, eingeschränkt gewesen sei. Die weiteren Ausführungen des Sachverständigen in der Stellungnahme vom 11. Oktober 2006 ließen letztlich die Frage des Beginns der Erwerbsunfähigkeit offen. Dem SG könne deshalb nicht gefolgt werden, wenn es ausführe, dass Dr. Ma. schlüssig und überzeugend dargelegt habe, vor dem 31. Januar 2006 habe eine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens nicht vorgelegen. Überdies habe das SG den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt. Der Sachverständige Ma. habe den Tagesablauf unzutreffend wiedergegeben. Die insoweit benannte Zeugin, die Ehefrau des Klägers, habe das SG nicht vernommen. Es werde nochmals die Vernehmung seiner Ehefrau als Zeugin beantragt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 13. April 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 04. Dezember 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Februar 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung ab dem 26. Oktober 2007 zu gewähren, hilfsweise, seine Ehefrau als Zeugin zu seiner fehlenden Gehfähigkeit im Januar 2006 zu vernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil des SG für zutreffend. Sie hat den Versicherungsverlauf vom 11. Juli 2011 vorgelegt.
Die Berichterstatterin hat das Verfahren in der nichtöffentlichen Sitzung vom 24. Oktober 2011 mit den Beteiligten erörtert. Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten in beiden Instanzenzügen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden hat, ist zulässig, aber unbegründet. Mit dem angefochtenen Urteil vom 13. April 2011 hat das SG zu Recht die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 04. Dezember 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Februar 2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat ab 26. Oktober 2006 (so ausdrücklich trotz der für ihn günstigeren Regelung des § 99 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI - beantragt) keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI.
Versicherte haben gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Art. 1 Nr. 12 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voraussetzung ist, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Ausgehend davon kann der Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht beanspruchen. Nach dem von der Beklagten vorgelegten Versicherungsverlauf vom 11. Juli 2011 lagen beim Kläger die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen im Sinne des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI letztmalig am 31. Januar 2006 vor. Danach wurde der letzte Pflichtbeitrag für den Kläger im Dezember 2003 entrichtet. Bei einem Leistungsfall am 31. Januar 2006 liefe der maßgebliche Fünfjahreszeitraum vom 31. Januar 2001 bis 30. Januar 2006. In diesem Zeitraum sind 36 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt, nämlich die Monate Januar 2001 bis Dezember 2003. Zeiten, die den genannten maßgeblichen Fünfjahreszeitraum verlängern, sind nicht vorhanden. Davon, dass spätestens im Januar 2006 eine (wenigstens teilweise) Erwerbsminderung beim Kläger eingetreten war, vermochte sich der Senat indes nicht zu überzeugen. Weder war zu dem Zeitpunkt eine auf unter sechs Stunden täglich herabgesunkene Belastbarkeit in leichten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes (dazu 1.) noch eine Aufhebung der Wegefähigkeit (dazu 2.) nachgewiesen.
1. Der Senat vermochte sich nicht davon zu überzeugen, dass beim Kläger ein auf unter sechs Stunden täglich herabgesunkenes Leistungsvermögen spätestens am 31. Januar 2006 eingetreten war. Er folgt darin dem Sachverständigen Ma., der in seinem Gutachten vom 26. April 2009, ergänzt um die Stellungnahme vom 11. Oktober 2009 zu der Auffassung gelangt ist, dass der Kläger leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes auch zum Zeitpunkt der Begutachtung noch verrichten konnte. Umso mehr gilt dies - bei durch sämtliche medizinischen Berichte bestätigtem progredientem Verlauf der Erkrankung - für den Stichtag des 31. Januar 2006.
Der Kläger leidet ausweislich sämtlicher über ihn bei den Akten befindlicher Arztberichte an einer MS-Erkrankung, die bei ihm erstmals im Jahr 2003 diagnostiziert worden war. Aufgrund dieser Erkrankung ergeben sich zur Überzeugung des Senats erhebliche qualitative Leistungseinschränkungen. Der Kläger leidet infolge seiner Erkrankung an ausgeprägter Gang- und Standataxie, leicht ausgeprägter Ataxie und Bewegungsverlangsamung im linken Arm, leichten Sehstörungen und Dysarthrie. Vor diesem Hintergrund hat der Sachverständige Ma. für den Senat überzeugend mittelschwere und schwerere Tätigkeiten, die auf Leitern, Gerüsten verrichtet werden, das Tragen von Lasten erfordern oder auch sonst nur mit deutlichen Anforderungen an die Stand- und Gangsicherheit oder mit häufigem Treppengehen verbunden sind, ausgeschlossen. Auch Tätigkeiten mit hohen Anforderungen an die Feinmotorik und die Beidhändigkeit kann der Kläger zumutbar nicht mehr verrichten. Der Sachverständige hat überdies eine etwas erhöhte Erschöpflichkeit festgestellt. Er hat daher für den Senat nachvollziehbar daher auch Tätigkeiten mit sehr hohen Anforderungen an das Konzentrationsvermögen und die Daueraufmerksamkeit ausgeschlossen. Ebenso vermochte der Senat dem Sachverständigen darin zu folgen, dass dem Kläger - bei allgemein durch die entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems herabgesetzter Stressbelastbarkeit - auch keine Schichtarbeit mehr zumutbar ist. Der Senat geht mit dem Sachverständigen Ma. auch davon aus, dass diese qualitativen Leistungseinschränkungen jedenfalls zum Stichtag des 31. Januar 2006 schon vorgelegen haben. Bereits im Jahr 2003 war erstmals von Gangataxie und Sprachstörungen berichtet worden. Dies ergibt sich insbesondere aus der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. F. vom 12. April 2010, welcher sich schon in den Jahren 2005 und 2006 Einschränkungen dieser Art entnehmen lassen. Auch wenn diese Einschränkungen seinerzeit das mittlerweile vorliegende Ausmaß bei weitem noch nicht erreicht hatten, waren dem Kläger schon Anfang 2006 Tätigkeiten mit Anforderungen in diesen Bereichen nicht mehr zumutbar.
Die beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen, die zu den beschriebenen qualitativen Leistungseinschränkungen führen, bedingten indes nach den für den Senat überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Ma. zum Zeitpunkt der Begutachtung im April 2009 noch keine Einschränkungen des Leistungsvermögens in quantitativer Hinsicht. Der Kläger war zu dem Zeitpunkt noch in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten vorwiegend im Sitzen in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Erst recht gilt dies für den Stichtag des 31. Januar 2006.
Relevanter Befund im Zusammenhang mit der Beurteilung eines auch quantitativ herabgesetzten Leistungsvermögens ist aus Sicht des Senats wesentlich die leichte Einschränkung des Konzentrationsvermögens. Der Sachverständige Ma. hat insoweit jedoch überzeugend herausgearbeitet, dass sich im Rahmen der Begutachtung am 23. April 2009 eine eindeutige kognitive Beeinträchtigung beim Kläger nicht feststellen ließ. Im psychischen Befund des Gutachtens vom 26. April 2009 ist beschrieben, dass Merkfähigkeit, Konzentrationsfähigkeit und Antrieb nicht vermindert und das Auffassungsvermögen nicht erschwert waren. Vom Anamnesegespräch her ergaben sich dem Sachverständigen daher keine Anhaltspunkte für neurokognitive Defizite. Es bestand auch kein Hinweis für ein hirnorganisches Psychosyndrom. Als einzige in diesem Zusammenhang relevante Feststellung wird vom Sachverständigen lediglich beschrieben, dass der Kläger manchmal während der Untersuchung etwas erschöpft gewirkt habe. Allerdings war eine Zunahme der zeitweisen Müdigkeit im Verlauf der Begutachtung nicht feststellbar. Insgesamt ergibt sich damit jedoch nicht das Bild einer auch in leichten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes herabgesetzten Ausdauerfähigkeit. Der Senat hält vielmehr die Einschätzung des Sachverständigen für überzeugend, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Begutachtung leichte Tätigkeiten ohne hohe Anforderungen an das Konzentrationsvermögen noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten konnte. Dies gilt zum Einen mit Blick auf den vom Kläger geschilderten Tagesablauf. Der Kläger kocht, trainiert am Heimtrainer, fährt mit dem PKW zum Einkaufen und folgt über mehrere Stunden am Tag Talkshows; überdies spielt er gerne Online-Poker, mit Besuch auch Backgammon, außerdem liest er am PC Sportberichte nach. Auch fuhr er damals nach wie vor PKW und hielt sich selbst noch für in der Lage, dies auch über längere Strecken zu tun. Das alles lässt auf ein deutlich eingeschränktes Durchhaltevermögen in leichten konzentrativen Tätigkeiten nicht schließen. Dies gilt aber insbesondere auch mit Blick darauf, dass der Sachverständige ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass es in den letzten Jahren nach der Beschreibung der Kernspinbefunde beim Kläger auch zu einem erheblichen Hirnsubstanzverlust gekommen ist, was sicherlich auf eine Verlangsamung auch im Denken schließen lasse. Gerade in Auseinandersetzung mit diesem organischen Befund war der Sachverständige für einen möglichen Konzentrationsverlust besonders sensibilisiert. Gleichwohl ist er auf der Grundlage seiner davon abweichenden eigenen Beobachtungen und Feststellungen innerhalb der Begutachtungssituation für den Senat überzeugend zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich insoweit um eher diskrete Defizite handelte, die bei den meisten Berufstätigkeiten nur eine geringe Relevanz haben.
Der Senat vermag auch den Einwand des Klägers, der Sachverständige habe als Vergleichsmaßstab allein seine spezifische Tätigkeit in Selbständigkeit im Blick gehabt, für den allgemeinen Arbeitsmarkt indes eine entsprechende Schlussfolgerung nicht gezogen, nicht nachzuvollziehen. Der Sachverständige Ma. hat seine Einschätzung vielmehr gerade ausdrücklich auf leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes bezogen, und zwar sowohl in seinem Gutachten vom 26. April 2009 als auch seiner ergänzenden Stellungnahme vom 11. Oktober 2009. Soweit er hierzu ausgeführt hat, der Erhalt einer solchen Stelle des allgemeinen Arbeitsmarktes setze eine hohe Motivation des Klägers voraus, hat er keine leistungsrelevanten, sondern vielmehr arbeitsmarktbezogene Erwägungen angestellt. Er hat zu bedenken gegeben, dass der Kläger aufgrund seiner offenkundig zutage tretenden Erkrankung besondere Schwierigkeiten haben werde, eine Beschäftigung zu finden und daher einem Arbeitgeber eine deutlich hohe Motivation zeigen müsse. Das Risiko, einen leidensgerechten Arbeitsplatz zu finden, ist indes kein grundsätzlich von der Rentenversicherung zu tragendes, soweit nicht spezifische Leistungseinschränkungen gegeben sind (was jedoch vorliegend nicht der Fall ist, dazu noch ausführlich unter 2.). Dieses Risiko steht der Einschätzung des Sachverständigen von einer beim Kläger noch weitgehend erhaltenen Ausdauerfähigkeit daher nicht entgegen. Auch der Einwand des Klägers, dass er nicht einmal mehr seine selbständige Tätigkeit über mehr als drei Stunden täglich habe verrichten können, verfängt nach Auffassung des Senats nicht. Die selbständige Tätigkeit des Klägers besteht und bestand schon damals in der Führung eines kleinen Unternehmens der Personaldienstleistungen. Der Kläger hat hierzu gegenüber dem Sachverständigen angegeben, dass er selbst dieses Geschäft noch immer besser kenne als seine Ehefrau und daher die schwierigeren Aufgaben er übernehme. Dies spricht dafür, dass die Tätigkeiten des Klägers für sein Unternehmen ein gehobenes Konzentrationsniveau erfordern. Dass der Kläger diese Art von Tätigkeiten - nach eigener Einschätzung - nur noch begrenzt verrichten konnte, vermag die Beurteilung des Sachverständigen Ma. hinsichtlich leichter konzentrativer Tätigkeiten daher nicht zu erschüttern. Im Übrigen hat der Sachverständige ihn selbst hinsichtlich dieser Tätigkeit noch für hinreichend konzentrationsfähig erachtet.
Der Senat folgt dem Sachverständigen im Übrigen auch darin, dass sich anhand der weiteren Gesundheitsstörungen eine quantitative Leistungseinschränkung nicht begründen lässt. Der Sachverständige hat darauf hingewiesen, dass weder das Sprechen noch das Schreiben deutlich beeinträchtigt waren. Der Kläger war während der gesamten Begutachtung gut verständlich, und auch die eingeholten Schreibübungen ergaben keine relevanten Einschränkungen. Den darüber hinaus bestehenden koordinativen Einschränkungen im Beinbereich wird eine überwiegend sitzende Tätigkeit hinreichend gerecht; zusätzliche quantitativ relevante Einschränkungen lassen sich auch insoweit nicht begründen.
Gelangt der Sachverständige daher insgesamt schlüssig und nachvollziehbar zu der Auffassung, dass die Erkrankung des Klägers ihn an einer mindestens sechststündigen täglichen Erwerbstätigkeit jedenfalls zum Zeitpunkt der Begutachtung im April 2009 nicht hinderte, so gilt dies nach Auffassung des Senats erst recht für den Stichtag des 31. Januar 2006. Sowohl anhand der Entlassungsberichte aus den Jahren 2007 als auch der sachverständigen Zeugenauskünfte des Dr. F. ergibt sich, dass der Krankheitsverlauf beim Kläger über die Jahre hinweg zu einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes geführt hat. So berichtet etwa Prof. Dr. M. im Entlassungsbericht vom 04. Juli 2007 von einer relevanten klinischen Verschlechterung gegenüber den Vorbefunden; Dr. F. formuliert in seiner Auskunft vom 20. Februar 2010 deutlich, dass ein chronisch progredienter, überlagert schubförmiger Verlauf zu bestätigen sei. Den Einwand des Klägers, dass der Sachverständige zu seinem Gesundheitszustand im Jahr 2006 nichts Verbindliches habe feststellen können, weil er den Kläger seinerzeit gar nicht gekannt habe, trifft daher zwar zu und wird auch durch den Sachverständigen insoweit nicht in Abrede gestellt. Jedoch spricht dies bei nachweislich progredientem Krankheitsverlauf eher gegen als für das damalige Vorliegen eines quantitativ herabgesetzten Leistungsvermögens.
Schließlich wird die Leistungseinschätzung des Sachverständigen Ma. auch nicht durch das vom Kläger vorgelegte Attest vom 18. August 2006 erschüttert. Abgesehen davon, dass dieses Attest mehr als ein halbes Jahr nach dem Stichtag des 31. Januar 2006 erstellt wurde und folglich eine hinreichende Überzeugung von einem schon seinerzeit auf unter sechs Stunden herabgesunkenen Leistungsvermögen ohnehin kaum begründbar wäre, steht die geäußerte Leistungseinschätzung von einem auf maximal zwei Stunden herabgesetztem Leistungsvermögen im Widerspruch schon zu der vom Senat eingeholten sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. F. vom 12. April 2010. Danach hatte der Kläger am 05. Januar 2006 angegeben, in der (aus Sicht des Senats konzentrativ eher anspruchsvollen) Tätigkeit in seiner eigenen Firma noch drei, nicht nur zwei Stunden erwerbstätig zu sein. Überdies wird anhand dieser Arztauskunft deutlich, dass festgestellte Konzentrationsschwächen im Zusammenhang mit der seinerzeit verabreichten Medikation standen, also bei Aussetzen der Medikation sofort nachließen. Ausweislich des Entlassungsberichts des Prof. Dr. M. vom 17. Dezember 2007 wurde diese Medikation jedoch im Folgenden nicht fortgeführt. Berücksichtigt man zudem, dass dieses Attest seinerzeit im Zusammenhang mit der Geltendmachung eines Anspruchs aus einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung auf Wunsch des Klägers erstellt wurde, lässt sich anhand seiner Aussagen ein zum Stichtag des 31. Januar 2006 auf unter sechs Stunden herabgemindertes Ausdauervermögen des Klägers in leichten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht ableiten.
2. Bei folglich weiterhin erhaltener Erwerbsfähigkeit war der Arbeitsmarkt für Kläger bis zum hier maßgeblichen Stichtag des 31. Januar 2006 aber auch nicht aus anderen Gründen verschlossen. Der Senat vermochte sich insbesondere nicht davon zu überzeugen, dass es ihm schon spätestens Ende Januar 2006 an der erforderlichen Wegefähigkeit fehlte.
Neben der zeitlich ausreichenden Einsetzbarkeit eines Versicherten am Arbeitsplatz gehört zur Erwerbsfähigkeit zwar auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen. Das BSG hat dieses Vermögen nur dann für gegeben erachtet, wenn es dem Versicherten möglich ist, Entfernungen von über 500 Metern zu Fuß zurückzulegen, weil davon auszugehen ist, dass derartige Wegstrecken üblicherweise erforderlich sind, um Arbeitsstellen oder Haltestellen eines öffentlichen Verkehrsmittels zu erreichen (vgl. BSG, Urteil vom 13. Juli 1988 - 5/4a RJ 57/87 - SozR 2200 § 1247 Nr. 53). Wegefähigkeit setzt darüber hinausgehend jedoch auch voraus, dass solche Wege auch in noch zumutbarer Zeit bewältigt werden können (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991 - 13/5 RJ 73/90 - SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10). Der Bereich des Zumutbaren wird nach Einschätzung des BSG dann verlassen, wenn der Gehbehinderte für 500 Meter mehr als das Doppelte dieser Zeit, also etwa 20 Minuten, benötigt (vgl. BSG, a.a.O.; zum Ganzen siehe auch zuletzt BSG, Urteil vom 12. Dezember 2011 - B 13 R 79/11 R - in juris).
Anhand dieses Maßstabs lässt sich für den Kläger eine Einschränkung der Wegefähigkeit bis spätestens zum 31. Januar 2006 nicht herleiten. Das Gericht folgt insoweit der Einschätzung des Sachverständigen Ma. in seinem Gutachten vom 26. April 2009, dass die in den Akten vorhandenen Klinikberichte deutlich gegen eine schon damals rentenrelevant eingeschränkte Gehstrecke sprechen, jedenfalls aber der Nachweis einer schon seinerzeit eingeschränkten Wegefähigkeit nicht erbracht ist. Ausweislich des Klinikberichts des Prof. Dr. H. vom 21. Juli 2003 wurde der Kläger aus der dortigen stationären Behandlung mit fast vollständiger Rückbildung der neurologischen Symptome entlassen. Im Bericht zur ersten Verlaufskontrolle des Universitätsklinikums H. vom 29. Juli 2003 ist ausgeführt, dass keine neuen Symptome aufgetreten und die Gehstrecke unbegrenzt sei. Im Rahmen der Begutachtung durch den Sachverständigen Ma. hat der Kläger angegeben, in der Folgezeit sogar noch gejoggt zu sein. In der Zwischenzeit war der Kläger nur ambulant bei Dr. F. in Behandlung. Erst im Jahr 2007 erfolgten drei neue stationäre Aufenthalte. Im Bericht des Prof. Dr. Ka. vom 11. Mai 2007 wird unter "Aufnahmegrund/Anamnese" geschildert, dass seit wahrscheinlich einem Jahr ein gemischter Verlauf mit zunehmender Gangstörung bestehe; in der Epikrise wird von schwerer spastisch-ataktischer Gangstörung berichtet. Bei Entlassung wird das Gangbild als etwas gebessert geschildert. Prof. Dr. M. stellt als Hauptdiagnose in seinem Bericht vom 04. Juli 2007 nach stationärem Aufenthalt des Klägers eine MS-Erkrankung mit einem EDSS-Score von 4.0 fest. Nach der EDSS-Skala (expanded disability status scale) bedeutet der Score 4.0 eine Gehfähigkeit ohne Hilfe und Rast für mindestens 500 m und Aktivität des Patienten während ca. zwölf Stunden pro Tag trotz relativ schwerer Behinderung. In der Anamnese des Berichts vom 04. Juli 2007 ist ausgeführt, dass bislang zwei- bis dreimal jährlich Schübe aufgetreten seien, deren Symptomatik sich bisher auf Cortison-Pulstherapie zurückgebildet habe; jetzt habe sich seit einigen Monaten das Laufen aber merklich verschlechtert. Im Entlassungsbericht des Prof. Dr. M. vom 18. Dezember 2007 ist angegeben, dass der Kläger von einer weiteren leichten Verschlechterung des Gehvermögens berichtet habe. Die freie Gehstrecke betrage je nach Tagesform bis zu einem Kilometer; der Kläger leide vor allem morgens an deutlicher Extremitätenataxie, die bei zunehmender Bewegung und Mobilisation jedoch nachlasse. Der EDSS-Score wird von Prof. Dr. M. nach wie vor mit 4.0 angegeben. Angesichts dieser über den Kläger vorhandenen Arztberichte folgt der Senat der Schlussfolgerung des Sachverständigen Ma. darin, dass von einer ersten merklichen Verschlechterung der Gehfähigkeit nach den jeweils übereinstimmenden Schilderungen des Klägers erst in den letzten Monaten vor der erneuten stationären Aufnahme im Mai 2007 auszugehen ist, diese jedoch selbst für das Jahr 2007 noch keine rentenrelevante Einschränkung der Wegefähigkeit ergab, nachdem sowohl der Kläger selbst noch von hinreichend langen freien Gehstrecken berichtet hat als auch Prof. Dr. M. mithilfe des EDSS-Scores eine entsprechende freie Gehstrecke von noch 500m beschrieben hat. Erst mit dem Zeitpunkt der Untersuchung des Klägers am 23. April 2009 vermochte der Sachverständige Ma. eindeutig die Aufhebung der Wegefähigkeit zu bestätigen. Insgesamt geht daher der Senat mit dem Sachverständigen Ma. davon aus, dass eine rentenrelevanten Verschlechterung der Gehfähigkeit wohl erst nach Ende 2007 aufgetreten, möglicherweise auch schon - mit Blick auf die Angaben des Klägers im Jahr 2007 von einer seit einigen Monaten erfolgten Verschlimmerung - seit Januar 2007 (so der Sachverständige Ma. in der ergänzenden Stellungnahme vom 11. Oktober 2009), soweit man das Attest des Dr. F. vom 18. August 2006 zugrunde, auch schon dann, dass aber ein sicheres Datum für den Wegfall der Wegefähigkeit anhand der Akten schon zum 31. Januar 2006 insoweit nicht eindeutig benannt werden kann. Mit Blick darauf ist nach Auffassung des Senats der Wegfall der Wegefähigkeit schon bis zum 31. Januar 2006, also zeitlich noch deutlich zuvor, bei insgesamt progredientem Verlauf nicht erwiesen.
Anderes ergibt sich auch nicht aus den sachverständigen Zeugenauskünften des Dr. F ... Diese sind in sich schon uneinheitlich. In seiner ersten sachverständigen Zeugenauskunft vom 31. Dezember 2008 hat Dr. F. angegeben, der Kläger sei bei ihm nur bis zum September 2007 in Behandlung gewesen; damals habe eine leichte ataktische Gangstörung bestanden. In seiner weiteren Auskunft vom 12. April 2010 berichtet Dr. F. von den jeweils im Einzelnen insbesondere anamnestisch erhobenen Befunden. Zum Untersuchungsdatum am 04. Oktobers 2005 habe der Kläger angegeben, das Gehen sei seit zwei Wochen wackeliger; am 05. Januar 2006 habe der Kläger davon berichtet, dass die Beine jetzt besser seien, er sich aber in letzter Zeit beim Laufen vermehrt konzentrieren müsse, um nicht zu schwanken; am 03. Februar 2006 habe er von Problemen mit dem Medikament Rebif berichtet, welches zu deutlicher Gangunsicherheit führe, wobei die Beschwerden nachließen, wenn er die Medikation weglasse. Ein neurologischer Befund wird nur zum Untersuchungstermin des 17. Mai 2006 berichtet. Danach hätten ein deutlich ataktisches Gangbild und massive Unsicherheit bestanden. Diese Angabe steht im Widerspruch zur Erstauskunft vom 31. Dezember 2008, wonach nur eine leichte Gangstörung vorgelegen habe. Im Übrigen lässt sich anhand dieser Angaben auch nicht erkennen, inwieweit die geschilderten Störungen den Kläger an der Bewältigung von Wegstrecken gehindert haben. Dass der Kläger schon früh nach Diagnosestellung auch Einschränkungen im Gehvermögen hatte, wird auch durch den Sachverständigen Ma. nicht in Abrede gestellt. Allerdings ergibt sich daraus nicht ohne Weiteres auch eine Einschränkung der Wegefähigkeit. Die Angaben des Klägers während der Klinikaufenthalte im Jahr 2007 und die insoweit diagnostische Einschätzung des Prof. Dr. M. von einem EDSS-Score von 4.0 lassen eher darauf schließen, dass von einer rentenrelevanten Einschränkung selbst im Jahr 2007 noch nicht ausgegangen werden konnte.
Weitere Ermittlungen waren von Amts wegen nicht durchzuführen, nachdem das Vorhandensein zusätzlicher medizinischer Unterlagen aus der fraglichen Zeit um den 31. Januar 2006 herum nicht ersichtlich ist. Zu einer Vernehmung der Ehefrau des Klägers zur Frage des Gehvermögens des Klägers im Jahr 2006 hat der Senat sich nicht veranlasst gesehen, nachdem die Frage der Wegefähigkeit im Ergebnis eine medizinisch zu beantwortende Frage ist, über die die Ehefrau des Klägers keine Auskunft geben kann. Ihre Auskunft kann nur eigene Beobachtungen wiedergeben, ohne zur Ermittlung des tatsächlich möglichen Gehvermögens beizutragen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der am 1975 in Heilbronn geborene Kläger absolvierte von 1992 bis 1995 erfolgreich eine Ausbildung zum Industriekaufmann. Von 1995 bis 1998 war der Kläger arbeitslos, teilweise (in der Zeit vom 26. September 1995 bis 24. Juni 1996 sowie vom 24. Januar 1997 bis 30. Januar 1998) bei Bezug von Arbeitslosengeld I. Bis 1999 verrichtete er sodann eine selbstständige Tätigkeit im Groß- und Einzelhandel mit elektronischen Geräten im In- und Ausland. Von November 1999 bis März 2000 war er als gewerblicher Leiharbeitnehmer, anschließend bis Juli 2000 als Bürofachkraft sowie von Juli 2000 bis September 2003 als Personaldisponent versicherungspflichtig beschäftigt. In den Monaten Oktober bis Dezember 2003 bezog der Kläger Arbeitslosengeld I. Seit April 2004 ist der Kläger erneut selbstständig erwerbstätig; er betreibt zusammen mit seiner Ehefrau eine Zeitarbeitsfirma.
Am 26. Oktober 2007 stellte der Kläger bei der Beklagten Antrag auf Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Er gab an, sich seit Juni 2003 aufgrund einer Erkrankung an Multipler Sklerose (MS) für erwerbsgemindert zu halten. Die Beklagte holte medizinische Unterlagen über den Kläger, insbesondere den Bericht des Prof. Dr. H. der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums H. vom 21. Juli 2003 über eine stationäre Behandlung des Klägers vom 25. Juni bis 06. Juli 2003, den Bericht des Prof. Dr. K. der Neurologischen Klinik des Klinikums P. vom 11. Mai 2007 über einen stationären Aufenthalt des Klägers dort vom 03. bis 09. Mai 2007 sowie den Entlassungsbericht des Prof. Dr. M. der Fachklinik für Neurologie D. GmbH vom 04. Juli 2007 über einen stationären Aufenthalt des Klägers dort vom 31. Mai bis 10. Juni 2007 ein. Prof. Dr. H. diagnostizierte eine Encephalomyelitis disseminata (MS), eine akute Laringitis, Fieber mit Schüttelfrost, eine spastische Paraparese, eine Gangstörung, eine Ataxie, eine Facialisparese sowie eine Blasenentleerungsstörung. In der Anamnese ist angegeben, der Kläger habe am 25. Juni 2003 eine Verschlechterung der seit drei bis vier Monaten bestehenden Gangunsicherheit hin bis zu einer fast nicht mehr selbstständ möglichen Fortbewegung verspürt. Vor ca. einem Jahr seien vorübergehende (einige Monate bestehende) Sensibilitätsstörungen im linken Arm aufgetreten. Während dieser Zeit habe er auch ein elektrisches Gefühl entlang der Wirbelsäule bei der Kopf- und Rumpfbeugung bemerkt. Auch habe er während des vergangenen Jahres einige Monate lang bei Anstrengung ein Zittern in den Füßen festgestellt. Seit ca. zwei bis drei Monaten sei die Blasenentleerung gestört. Wegen dieser Symptome habe er sich neurologisch untersuchen lassen, wobei der Verdacht auf eine Entzündung des Nervensystems geäußert worden sei. Weitere Untersuchungen seien aus zeitlich-privaten Gründen nicht durchgeführt worden. In seiner Beurteilung führte Prof. Dr. H. aus, im Untersuchungsbefund bei Aufnahme seien Störungen der Okkulomotorik, eine geringgradige faciale Parese, geringgradige distale Armparese links sowie ein spastisch-ataktisches Gangbild aufgefallen. Der klinisch-anamnestische Verdacht einer entzündlichen ZNS-Erkrankung habe sich aufgrund typischer MRT-Veränderungen (Nachweis nichtaktiver Entzündungsherde supra-/infratentoriell und spinal), des Liquor-Befundes mit einer lymphozytären Pleozytose und intratikalen LG-G-Produktion sowie ergänzend elektrophysiologischen Zusatzuntersuchungen bestätigen lassen. Da die Verschlechterung der Symptome im Rahmen eines Infektes aufgetreten sei, sei zunächst eine suffiziente Infektbehandlung über insgesamt neun Tage bis zur Normalisierung der klinischen und laborchemischen Entzündungszeichen durchgeführt worden. Darunter sei es auch zu einer Besserung der neurologischen Symptomatik, vor allem der Gangunsicherheit, gekommen. Der Kläger habe im Anschluss noch über fünf Tage jeweils 500 mg Urbason intravenös erhalten, was zu einer fast vollständigen Rückbildung der neurologischen Symptome geführt habe. Prof. Dr. K. führte aus, beim Kläger bestehe seit 2003 eine MS. Zunächst habe ein schubförmiger Verlauf bestanden, wahrscheinlich seit einem Jahr bestehe ein gemischter Verlauf bei zunehmender Gang- und Sprechstörung. Besonders seit vier Monaten sei eine deutliche Befundverschlechterung gegeben. Der Kläger schätze seine Gehstrecke selbst auf zurzeit 400 Meter. Er benutze keine Hilfsmittel. Der Kläger sei wegen einer kontinuierlichen Verschlechterung der Gehfähigkeit und des Sprechens seit einigen Monaten bei bekannter MS stationär aufgenommen worden. Neurologisch bestehe im Wesentlichen eine linksbetonte Tetraparese, eine Dysmetrie in den Zeigeversuchen links, eine schwere spastisch-ataktische Gangstörung sowie eine Dyastrie. Am 09. Mai 2007 habe der Kläger plötzlich auf eine rasche Entlassung gedrängt und habe sich in den kommenden ein bis zwei Wochen überlegen wollen, ob er sich einer neuen medikamentösen Therapie unterziehen wolle. Prof. Dr. M. gab an, der Kläger habe von zwei- bis dreimal jährlich auftretenden Schüben berichtet, deren Symptomatik sich bisher auf Cortison-Pulstherapie bis auf ein Pelzigkeitsgefühl der linken Hand zurückgebildet habe. Jetzt habe sich seit einigen Monaten das Laufen und Sprechen merklich verschlechtert, so sei das Gehen zunehmend unsicher, das Sprechen undeutlicher und abgehackt. Vor drei Wochen sei bereits eine stationäre Abklärung im Krankenhaus P. erfolgt. Danach sei eine Besserung des Laufens und Sprechens eingetreten. Klinisch-neurologisch habe eine cerebeläre Symptomatik mit Ataxie und ataktischer Dysatrophonie im Vordergrund der Beschwerden gestanden. Aufgrund der Schubfrequenz und der aktuellen deutlichen klinischen Verschlechterung sei eine Eskalationstherapie zu empfehlen.
Die Beklagte ließ diese Unterlagen sozialmedizinisch auswerten. Dr. S. vom Sozialmedizinischen Dienst der Beklagten gelangte in seiner Stellungnahme vom 28. November 2007 zu der Auffassung, zum beantragten Leistungsfall im Juni 2003 hätten noch keine quantitativen Leistungsminderungen bestanden. Mit Bescheid vom 04. Dezember 2007 lehnte die Beklagte daraufhin den Rentenantrag ab. Im maßgeblichen Zeitraum vom 26. Oktober 2002 bis 25. Oktober 2007 seien nur ein Jahr und drei Kalendermonate mit entsprechenden Beiträgen belegt. Die geltend gemachte Erwerbsminderung im Juni 2003 habe aufgrund der eingeholten ärztlichen Unterlagen nicht bestätigt werden können.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Es bestehe bereits seit 2003 eine MS-Erkrankung, die sich im Laufe der Jahre immer weiter verschlechtert habe. Aufgrund dieser Erkrankung sei ihm im Jahr 2003 gekündigt worden, und er habe sich notgedrungen mit seiner Ehefrau selbstständig machen müssen, weil er kein Arbeitsverhältnis mehr habe eingehen können. Auch die selbstständige Tätigkeit habe er nicht länger als zwei Stunden täglich ausüben können, manche Tage habe er gar nicht arbeiten können. Selbst zwei Stunden lang könne er auch nur mit Pause arbeiten. Er habe aufgrund seiner Erkrankung große Schwierigkeiten beim Reden und Gehen und sei sehr eingeschränkt. Er fahre nur noch kurze Strecken mit dem Auto, wenn er unbedingt müsse. Er halte sich bereits seit 2003 für erwerbsgemindert.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 2008 wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Zumindest 2003 seien dem Kläger aufgrund des Entlassungsberichts über die vom 25. Juni 2003 bis 06. Juli 2003 durchgeführte stationäre Behandlung im Universitätsklinikum H. noch leichte bis mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne häufiges Klettern oder Steigen und ohne Gefährdung durch Kälte, Hitze und Nässe mindestens sechs Stunden täglich zumutbar gewesen. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen wären nur erfüllt, wenn Erwerbsminderung spätestens am 31. Januar 2006 eingetreten wäre. Hierfür ergäben sich jedoch keine Anhaltspunkte. Im maßgeblichen Zeitraum vom 26. Oktober 2002 bis 25. Oktober 2007 seien lediglich 15 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen vorhanden. Ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung bestehe somit nicht.
Am 03. März 2008 erhob der Kläger zum Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage. Er sei nicht mehr in der Lage, eine auch nur leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig verrichten zu können. Entgegen der Darstellung der Beklagten seien neben den medizinischen auch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt. Die Erwerbsminderung sei spätestens am 31. Januar 2006 eingetreten. Er sei an multipler Sklerose erkrankt. Die Diagnose sei erstmals nach stationärer Behandlung im Universitätsklinikum H. in der Zeit vom 25. Juni bis 06. Juli 2003 gestellt worden. Mit Ablauf des September 2003 sei er als angestellter Personaldisponent arbeitslos geworden, da die Erkrankung zu einer Einschränkung seiner Leistungsfähigkeit geführt habe. Aufgrund weiterer Krankheitsschübe habe das Leistungsvermögen in der Folgezeit weiter abgenommen. Aus diesem Grunde habe auch seine Ehefrau ihre Vollzeitbeschäftigung als angestellte Bautechnikerin zu Beginn des Jahres 2005 aufgegeben und danach vollschichtig in der gemeinsamen Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) mitgearbeitet. Zu diesem Zeitpunkt sei er im Durchschnitt keine drei Stunden mehr täglich für die gemeinsame GbR tätig gewesen. Der ihn behandelnde Neurologe Dr. F. könne bestätigen, dass er spätestens ab dem Jahr 2005 nicht mehr in der Lage gewesen sei, eine auch nur leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens drei Stunden täglich zu verrichten. Der Kläger legte insoweit das ärztliche Attest des Dr. F. vom 18. August 2006 vor. Darin ist ausgeführt, dass beim Kläger eine relativ hohe Schubfrequenz (zuletzt Juli 2006) und zudem Unverträglichkeit auf die first-line Therapieoptionen bestehe. Entsprechend seien mittlerweile doch erhebliche Defizite manifest aufgetreten, allen voran eine deutliche Fatigue-Symptomatik (rasche Erschöpfbarkeit und reduzierte Leistungsfähigkeit mit Konzentrationsstörungen), Gangataxie sowie eine sensomotorische Halbseitensymptomatik links. Aus diesen dauerhaft einzuschätzenden Defiziten heraus sei der Kläger als nur noch für maximal zwei Stunden täglich belastbar einzustufen.
Die Beklagte trat dem Klagevorbringen entgegen.
Das SG vernahm Dr. F. insgesamt dreimal als sachverständigen Zeugen. In seiner Auskunft vom 31. Dezember 2008 gab dieser an, er habe den Kläger erstmals am 05. September 2005 und zuletzt am 11. September 2007 wegen bekannter MS-Erkrankung behandelt. Es bestehe eine schubförmige Enzephalomyelitis disseminata, in deren Rahmen zuletzt eine leichte ataktische Gangstörung bestanden habe. Die berufliche Leistungsfähigkeit sei aktuell schwierig beurteilbar, da sich der Kläger bei ihm fast eineinhalb Jahre nicht mehr vorgestellt, insgesamt offensichtlich auch stark wechselnde Arztbindungen gehabt und insbesondere paramedizinische Heilversuche unternommen habe. In seiner Auskunft vom 20. Februar 2010 gab Dr. F. an, nach längerer Zeit habe der Kläger wieder ab 12. Februar 2009 in Behandlung gestanden. In der Verlaufsanamnese bis zum 17. November 2009 sei die Gehfähigkeit seit dem Urlaub im Juli 2009 deutlich schlechter geworden. Leider sehe er beim Kläger zunehmend keine Arbeitsfähigkeit mehr, insbesondere sei auch einer Berentung unbedingt in vollem Umfang zuzuraten. Die Gehfähigkeit sei zudem so massiv geschädigt, dass die - bislang noch nicht anerkannten - Merkmale aG voll erfüllt seien. In der Auskunft vom 12. April 2010 berichtete Dr. F. ausführlicher von den Vorstellungen des Klägers bei ihm in den Jahren 2005 und 2006. Zur Erstvorstellung am 05. September 2005 berichtete Dr. F. im neurologischen Befund von einer links-beinbetonten spastisch-ataktischen Tetrasymptomatik; zu einer Prophylaxetherapie sei der Kläger aufgrund von Nebenwirkungen damals nicht motivierbar gewesen. Zur Vorstellung des Klägers am 04. Oktober 2005 gab Dr. F. an, der Kläger habe anamnestisch von aktuell aufgetretenen Doppelbildern, auch mit Gangstörungen berichtet. Seit etwa zwei Wochen gehe es schon nicht gut. Seit zwei Wochen gehe er wackliger, nicht gerichtet ataktisch. Im neurologischen Befund sei aktuell keine sichere Diplopie nachweisbar gewesen, der Romberg- und der Tandem-Romberg-Versuch seien ungerichtet unsicher. Am 28. November 2005 habe der Kläger von pelzigen Füßen links, teils rechts seit etwa zweieinhalb Wochen berichtet. Am 06. Dezember 2005 habe der Kläger angegeben, es gehe immer noch nicht so gut, er habe immer noch in den Beinen Beschwerden in Form von Taubheit. Am 05. Januar 2006 habe der Kläger davon berichtet, dass die Beine besser als vormals seien bei doch noch residual leichter Pelzigkeit unter der Fußsohle. In letzter Zeit habe er sich beim Laufen vermehrt konzentrieren müssen, um nicht zu schwanken. Er habe nur noch drei Stunden gearbeitet. Über die Vorstellung des Klägers am 03. Februar 2006 berichtete Dr. F. anamnestisch von Schilderungen deutlicher Gangunsicherheit, die Sprache sei verwaschener, er stottere beim Reden, werde angesprochen, ob er denn müde sei oder nicht reden wolle. Über die Vorstellung des Klägers am 17. Mai 2006 gab Dr. F. an, im neurologischen Befund habe sich das Gangbild deutlich ataktischer und massiv unsicher gezeigt. Insgesamt sei eine Berentung des Klägers seines Erachtens unausweichlich, auch retrospektiv ab 2005/2006.
Bereits nach Einholung der ersten sachverständigen Zeugenauskunft bei Dr. F. erstattete der Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin Ma. über den Kläger das nervenfachärztliche Gutachten vom 26. April 2009. Der Sachverständige berichtete aufgrund einer Untersuchung des Klägers drei Tage zuvor von einer MS-Erkrankung mit ausgeprägter Gang- und Standataxie, leicht ausgeprägter Ataxie und Bewegungsverlangsamung im linken Arm, leichten Sehstörungen und einer Dysartrie. Der Kläger könne damit eine körperlich leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten, dies allerdings nur mit erheblichen Einschränkungen. Auch würde dies eine sehr hohe Motivation voraussetzen. Dem Kläger seien nur noch weit überwiegend sitzende Tätigkeiten zumutbar. Dabei seien keine hohen Anforderungen an die Feinmotorik und die Beidhändigkeit zu stellen. Tätigkeiten unter hohem Zeitdruck seien nicht mehr zumutbar, ebenso wenig Tätigkeiten, die sehr hohe Anforderungen an die Konzentration und die Daueraufmerksamkeit stellten. Nicht mehr zumutbar seien auch das Transportieren von Lasten sowie Tätigkeiten auf Leitern, Gerüsten oder sonst auch nur mit deutlichen Anforderungen an die Stand- und Gangsicherheit, auch kein häufiges Treppengehen. Schichtarbeit sei nicht zumutbar. Diese qualitativen Leistungseinschränkungen hätten mit Sicherheit bereits am 31. Januar 2006 vorgelegen. Die Wegefähigkeit des Klägers sei derzeit relevant eingeschränkt, noch im Jahr 2007 sei jedoch nach der Aktenlage die Wegefähigkeit gegeben gewesen. Der Sachverständige fügte seinem Gutachten weitere medizinische Unterlagen über den Kläger, insbesondere den Entlassbericht des Prof. Dr. M. vom 18. Dezember 2007 über einen stationären Aufenthalt des Klägers am 13. und 14. Dezember 2007 bei, der anamnestisch von einer freien Gehstrecke bis zu einem Kilometer je nach Tagesform berichtete, sowie Untersuchungsberichte des Universitätsklinikums H. über Wiedervorstellungen des Klägers dort am 29. Juli und 11. November 2003 sowie am 25. Februar und 14. April 2004.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 11. Oktober 2009 gab der Sachverständige Ma. an, soweit nach den angegebenen Freizeitbeschäftigungen beurteilbar, sollte mit üblichen fünf Minuten-Pausen nach 55 Minuten und einer Mittagspause von 30 Minuten eine mindestens sechsstündige Tätigkeit ohne Gefährdung der Gesundheit zu leisten sein. Allerdings sei die Konkurrenzfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt wegen der offensichtlichen Behinderung offenkundig. Die Neurologische Klinik des Universitätsklinikums H. habe 2003 über eine fast vollständige Rückbildung der neurologischen Symptome berichtet. Am 25. Februar 2004 sei es während der Fastenzeit einmalig für einen Tag zu einer Verschlechterung des Gangbildes gekommen. Im Befund hätten sich keine Veränderungen zur Voruntersuchung ergeben. Die Neurologische Klinik im Klinikum P. habe anlässlich eines stationären Aufenthalts des Klägers dort im Mai 2007 über einen Verdacht auf sekundär chronische Progredienz berichtet sowie davon, dass seit einigen Monaten das Laufen und Sprechen merklich verschlechtert, nämlich das Gehen zunehmend unsicher, das Sprechen undeutlicher und abgehackt sei. Die Fachklinik für Neurologie D. habe 2007 von keiner motorischen Funktionseinschränkung bei Barthel-Index von 100 Punkten berichtet. Unter Berücksichtigung der ausführlichen Klinikberichte sei davon auszugehen, dass der derzeitige Zustand zumindest seit Mai 2007 bestehe, möglicherweise seit Januar 2007, dies sei jedoch fraglich. Lege man das Attest von Dr. F. zugrunde, habe die Einschränkung des Leistungsvermögens bereits im Jahr 2006 vorgelegen, spätestens seit dem 18. August 2006. Allerdings sei insoweit zu berücksichtigen, dass die vorhandenen Klinikberichte nicht darauf ausgerichtet gewesen seien, sozialmedizinisch Stellung zu nehmen, und Dr. F. sich in seiner Stellungnahme an das SG nicht festgelegt habe. Überdies ergäben sich auch sonst bei der Erwerbsbiographie des Klägers auch vor der Erkrankung Lücken. Es blieben damit zum Zeitpunkt des Beginns der Minderung des Leistungsvermögens viele Fragen offen. Ein sicheres Datum könne nicht genannt werden.
Mit Urteil vom 13. April 2011 wies das SG die Klage ab. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens könne das Vorliegen einer Erwerbsminderung vor dem 01. Februar 2006 nicht festgestellt werden. Der Eintritt des Leistungsfalls sei als anspruchsbegründende Tatsache nachzuweisen und gehe im Falle der nicht Beweisbarkeit zu Lasten des Versicherten. Der Sachverständige Ma. sei in seinem Gutachten vom 26. April 2009 zu dem Ergebnis gekommen, dass mit Sicherheit bereits am 31. Januar 2006 die in dem Gutachten genannten qualitativen Leistungseinschränkungen vorgelegen hätten, jedoch zu diesem Zeitpunkt kein auf unter sechs Stunden täglich herabgesunkenes quantitatives Leistungsvermögen und noch keine Einschränkung der Wegefähigkeit nachgewiesen seien. Diese Einschätzung sei schlüssig und überzeugend. Das Attest des Dr. F. vom 18. August 2006, der dem Kläger Belastbarkeit nur für maximal zwei Stunden täglich bescheinigt habe, sei erst nach dem vorliegend maßgeblichen Stichtag des 31. Januar 2006 erstellt worden. Zwar bestätige die sachverständige Zeugenaussage des Dr. F. vom 12. April 2010 die Einschätzung des Sachverständigen Ma., wonach bereits Anfang des Jahres 2006 qualitative Leistungseinschränkungen bestanden hätten. Anhand der Anamneseerhebungen von Dr. F. sei jedoch nicht nachvollziehbar, weshalb bereits zu diesem Zeitpunkt ein Leistungsvermögen von täglich unter sechs Stunden vorgelegen haben solle. Infolgedessen scheitere der Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung schon daran, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien.
Gegen dieses ihm am 01. Juni 2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 10. Juni 2011 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Er hat zur Begründung zunächst die Ausführungen im Klageverfahren wiederholt. Ergänzend hat er eingewandt, der Sachverständige Ma. habe über die gesundheitliche Situation im Januar 2006 keine eigenen Feststellungen treffen können. Demgegenüber weise das Attest des Dr. F. vom 18. August 2006 eine Leistungsfähigkeit mit nur noch maximal zwei Stunden täglich aus. Er habe sich bereits seit 05. September 2005 in ärztlicher Behandlung bei Dr. F. befunden. In der schriftlichen Aussage als sachverständiger Zeuge vom 12. April 2010 habe dieser eine erhebliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit ab 2005 festgestellt. Das SG habe überdies mit keinem Wort die ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Ma. vom 11. Oktober 2009 berücksichtigt. Dabei habe der Sachverständige eingeräumt, dass unter Berücksichtigung des Attests von Dr. F. das Leistungsvermögen bereits 2006, und zwar spätestens seit dem 18. August 2006, eingeschränkt gewesen sei. Die weiteren Ausführungen des Sachverständigen in der Stellungnahme vom 11. Oktober 2006 ließen letztlich die Frage des Beginns der Erwerbsunfähigkeit offen. Dem SG könne deshalb nicht gefolgt werden, wenn es ausführe, dass Dr. Ma. schlüssig und überzeugend dargelegt habe, vor dem 31. Januar 2006 habe eine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens nicht vorgelegen. Überdies habe das SG den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt. Der Sachverständige Ma. habe den Tagesablauf unzutreffend wiedergegeben. Die insoweit benannte Zeugin, die Ehefrau des Klägers, habe das SG nicht vernommen. Es werde nochmals die Vernehmung seiner Ehefrau als Zeugin beantragt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 13. April 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 04. Dezember 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Februar 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung ab dem 26. Oktober 2007 zu gewähren, hilfsweise, seine Ehefrau als Zeugin zu seiner fehlenden Gehfähigkeit im Januar 2006 zu vernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil des SG für zutreffend. Sie hat den Versicherungsverlauf vom 11. Juli 2011 vorgelegt.
Die Berichterstatterin hat das Verfahren in der nichtöffentlichen Sitzung vom 24. Oktober 2011 mit den Beteiligten erörtert. Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten in beiden Instanzenzügen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden hat, ist zulässig, aber unbegründet. Mit dem angefochtenen Urteil vom 13. April 2011 hat das SG zu Recht die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 04. Dezember 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Februar 2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat ab 26. Oktober 2006 (so ausdrücklich trotz der für ihn günstigeren Regelung des § 99 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI - beantragt) keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI.
Versicherte haben gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Art. 1 Nr. 12 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voraussetzung ist, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Ausgehend davon kann der Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht beanspruchen. Nach dem von der Beklagten vorgelegten Versicherungsverlauf vom 11. Juli 2011 lagen beim Kläger die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen im Sinne des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI letztmalig am 31. Januar 2006 vor. Danach wurde der letzte Pflichtbeitrag für den Kläger im Dezember 2003 entrichtet. Bei einem Leistungsfall am 31. Januar 2006 liefe der maßgebliche Fünfjahreszeitraum vom 31. Januar 2001 bis 30. Januar 2006. In diesem Zeitraum sind 36 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt, nämlich die Monate Januar 2001 bis Dezember 2003. Zeiten, die den genannten maßgeblichen Fünfjahreszeitraum verlängern, sind nicht vorhanden. Davon, dass spätestens im Januar 2006 eine (wenigstens teilweise) Erwerbsminderung beim Kläger eingetreten war, vermochte sich der Senat indes nicht zu überzeugen. Weder war zu dem Zeitpunkt eine auf unter sechs Stunden täglich herabgesunkene Belastbarkeit in leichten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes (dazu 1.) noch eine Aufhebung der Wegefähigkeit (dazu 2.) nachgewiesen.
1. Der Senat vermochte sich nicht davon zu überzeugen, dass beim Kläger ein auf unter sechs Stunden täglich herabgesunkenes Leistungsvermögen spätestens am 31. Januar 2006 eingetreten war. Er folgt darin dem Sachverständigen Ma., der in seinem Gutachten vom 26. April 2009, ergänzt um die Stellungnahme vom 11. Oktober 2009 zu der Auffassung gelangt ist, dass der Kläger leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes auch zum Zeitpunkt der Begutachtung noch verrichten konnte. Umso mehr gilt dies - bei durch sämtliche medizinischen Berichte bestätigtem progredientem Verlauf der Erkrankung - für den Stichtag des 31. Januar 2006.
Der Kläger leidet ausweislich sämtlicher über ihn bei den Akten befindlicher Arztberichte an einer MS-Erkrankung, die bei ihm erstmals im Jahr 2003 diagnostiziert worden war. Aufgrund dieser Erkrankung ergeben sich zur Überzeugung des Senats erhebliche qualitative Leistungseinschränkungen. Der Kläger leidet infolge seiner Erkrankung an ausgeprägter Gang- und Standataxie, leicht ausgeprägter Ataxie und Bewegungsverlangsamung im linken Arm, leichten Sehstörungen und Dysarthrie. Vor diesem Hintergrund hat der Sachverständige Ma. für den Senat überzeugend mittelschwere und schwerere Tätigkeiten, die auf Leitern, Gerüsten verrichtet werden, das Tragen von Lasten erfordern oder auch sonst nur mit deutlichen Anforderungen an die Stand- und Gangsicherheit oder mit häufigem Treppengehen verbunden sind, ausgeschlossen. Auch Tätigkeiten mit hohen Anforderungen an die Feinmotorik und die Beidhändigkeit kann der Kläger zumutbar nicht mehr verrichten. Der Sachverständige hat überdies eine etwas erhöhte Erschöpflichkeit festgestellt. Er hat daher für den Senat nachvollziehbar daher auch Tätigkeiten mit sehr hohen Anforderungen an das Konzentrationsvermögen und die Daueraufmerksamkeit ausgeschlossen. Ebenso vermochte der Senat dem Sachverständigen darin zu folgen, dass dem Kläger - bei allgemein durch die entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems herabgesetzter Stressbelastbarkeit - auch keine Schichtarbeit mehr zumutbar ist. Der Senat geht mit dem Sachverständigen Ma. auch davon aus, dass diese qualitativen Leistungseinschränkungen jedenfalls zum Stichtag des 31. Januar 2006 schon vorgelegen haben. Bereits im Jahr 2003 war erstmals von Gangataxie und Sprachstörungen berichtet worden. Dies ergibt sich insbesondere aus der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. F. vom 12. April 2010, welcher sich schon in den Jahren 2005 und 2006 Einschränkungen dieser Art entnehmen lassen. Auch wenn diese Einschränkungen seinerzeit das mittlerweile vorliegende Ausmaß bei weitem noch nicht erreicht hatten, waren dem Kläger schon Anfang 2006 Tätigkeiten mit Anforderungen in diesen Bereichen nicht mehr zumutbar.
Die beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen, die zu den beschriebenen qualitativen Leistungseinschränkungen führen, bedingten indes nach den für den Senat überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Ma. zum Zeitpunkt der Begutachtung im April 2009 noch keine Einschränkungen des Leistungsvermögens in quantitativer Hinsicht. Der Kläger war zu dem Zeitpunkt noch in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten vorwiegend im Sitzen in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Erst recht gilt dies für den Stichtag des 31. Januar 2006.
Relevanter Befund im Zusammenhang mit der Beurteilung eines auch quantitativ herabgesetzten Leistungsvermögens ist aus Sicht des Senats wesentlich die leichte Einschränkung des Konzentrationsvermögens. Der Sachverständige Ma. hat insoweit jedoch überzeugend herausgearbeitet, dass sich im Rahmen der Begutachtung am 23. April 2009 eine eindeutige kognitive Beeinträchtigung beim Kläger nicht feststellen ließ. Im psychischen Befund des Gutachtens vom 26. April 2009 ist beschrieben, dass Merkfähigkeit, Konzentrationsfähigkeit und Antrieb nicht vermindert und das Auffassungsvermögen nicht erschwert waren. Vom Anamnesegespräch her ergaben sich dem Sachverständigen daher keine Anhaltspunkte für neurokognitive Defizite. Es bestand auch kein Hinweis für ein hirnorganisches Psychosyndrom. Als einzige in diesem Zusammenhang relevante Feststellung wird vom Sachverständigen lediglich beschrieben, dass der Kläger manchmal während der Untersuchung etwas erschöpft gewirkt habe. Allerdings war eine Zunahme der zeitweisen Müdigkeit im Verlauf der Begutachtung nicht feststellbar. Insgesamt ergibt sich damit jedoch nicht das Bild einer auch in leichten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes herabgesetzten Ausdauerfähigkeit. Der Senat hält vielmehr die Einschätzung des Sachverständigen für überzeugend, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Begutachtung leichte Tätigkeiten ohne hohe Anforderungen an das Konzentrationsvermögen noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten konnte. Dies gilt zum Einen mit Blick auf den vom Kläger geschilderten Tagesablauf. Der Kläger kocht, trainiert am Heimtrainer, fährt mit dem PKW zum Einkaufen und folgt über mehrere Stunden am Tag Talkshows; überdies spielt er gerne Online-Poker, mit Besuch auch Backgammon, außerdem liest er am PC Sportberichte nach. Auch fuhr er damals nach wie vor PKW und hielt sich selbst noch für in der Lage, dies auch über längere Strecken zu tun. Das alles lässt auf ein deutlich eingeschränktes Durchhaltevermögen in leichten konzentrativen Tätigkeiten nicht schließen. Dies gilt aber insbesondere auch mit Blick darauf, dass der Sachverständige ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass es in den letzten Jahren nach der Beschreibung der Kernspinbefunde beim Kläger auch zu einem erheblichen Hirnsubstanzverlust gekommen ist, was sicherlich auf eine Verlangsamung auch im Denken schließen lasse. Gerade in Auseinandersetzung mit diesem organischen Befund war der Sachverständige für einen möglichen Konzentrationsverlust besonders sensibilisiert. Gleichwohl ist er auf der Grundlage seiner davon abweichenden eigenen Beobachtungen und Feststellungen innerhalb der Begutachtungssituation für den Senat überzeugend zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich insoweit um eher diskrete Defizite handelte, die bei den meisten Berufstätigkeiten nur eine geringe Relevanz haben.
Der Senat vermag auch den Einwand des Klägers, der Sachverständige habe als Vergleichsmaßstab allein seine spezifische Tätigkeit in Selbständigkeit im Blick gehabt, für den allgemeinen Arbeitsmarkt indes eine entsprechende Schlussfolgerung nicht gezogen, nicht nachzuvollziehen. Der Sachverständige Ma. hat seine Einschätzung vielmehr gerade ausdrücklich auf leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes bezogen, und zwar sowohl in seinem Gutachten vom 26. April 2009 als auch seiner ergänzenden Stellungnahme vom 11. Oktober 2009. Soweit er hierzu ausgeführt hat, der Erhalt einer solchen Stelle des allgemeinen Arbeitsmarktes setze eine hohe Motivation des Klägers voraus, hat er keine leistungsrelevanten, sondern vielmehr arbeitsmarktbezogene Erwägungen angestellt. Er hat zu bedenken gegeben, dass der Kläger aufgrund seiner offenkundig zutage tretenden Erkrankung besondere Schwierigkeiten haben werde, eine Beschäftigung zu finden und daher einem Arbeitgeber eine deutlich hohe Motivation zeigen müsse. Das Risiko, einen leidensgerechten Arbeitsplatz zu finden, ist indes kein grundsätzlich von der Rentenversicherung zu tragendes, soweit nicht spezifische Leistungseinschränkungen gegeben sind (was jedoch vorliegend nicht der Fall ist, dazu noch ausführlich unter 2.). Dieses Risiko steht der Einschätzung des Sachverständigen von einer beim Kläger noch weitgehend erhaltenen Ausdauerfähigkeit daher nicht entgegen. Auch der Einwand des Klägers, dass er nicht einmal mehr seine selbständige Tätigkeit über mehr als drei Stunden täglich habe verrichten können, verfängt nach Auffassung des Senats nicht. Die selbständige Tätigkeit des Klägers besteht und bestand schon damals in der Führung eines kleinen Unternehmens der Personaldienstleistungen. Der Kläger hat hierzu gegenüber dem Sachverständigen angegeben, dass er selbst dieses Geschäft noch immer besser kenne als seine Ehefrau und daher die schwierigeren Aufgaben er übernehme. Dies spricht dafür, dass die Tätigkeiten des Klägers für sein Unternehmen ein gehobenes Konzentrationsniveau erfordern. Dass der Kläger diese Art von Tätigkeiten - nach eigener Einschätzung - nur noch begrenzt verrichten konnte, vermag die Beurteilung des Sachverständigen Ma. hinsichtlich leichter konzentrativer Tätigkeiten daher nicht zu erschüttern. Im Übrigen hat der Sachverständige ihn selbst hinsichtlich dieser Tätigkeit noch für hinreichend konzentrationsfähig erachtet.
Der Senat folgt dem Sachverständigen im Übrigen auch darin, dass sich anhand der weiteren Gesundheitsstörungen eine quantitative Leistungseinschränkung nicht begründen lässt. Der Sachverständige hat darauf hingewiesen, dass weder das Sprechen noch das Schreiben deutlich beeinträchtigt waren. Der Kläger war während der gesamten Begutachtung gut verständlich, und auch die eingeholten Schreibübungen ergaben keine relevanten Einschränkungen. Den darüber hinaus bestehenden koordinativen Einschränkungen im Beinbereich wird eine überwiegend sitzende Tätigkeit hinreichend gerecht; zusätzliche quantitativ relevante Einschränkungen lassen sich auch insoweit nicht begründen.
Gelangt der Sachverständige daher insgesamt schlüssig und nachvollziehbar zu der Auffassung, dass die Erkrankung des Klägers ihn an einer mindestens sechststündigen täglichen Erwerbstätigkeit jedenfalls zum Zeitpunkt der Begutachtung im April 2009 nicht hinderte, so gilt dies nach Auffassung des Senats erst recht für den Stichtag des 31. Januar 2006. Sowohl anhand der Entlassungsberichte aus den Jahren 2007 als auch der sachverständigen Zeugenauskünfte des Dr. F. ergibt sich, dass der Krankheitsverlauf beim Kläger über die Jahre hinweg zu einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes geführt hat. So berichtet etwa Prof. Dr. M. im Entlassungsbericht vom 04. Juli 2007 von einer relevanten klinischen Verschlechterung gegenüber den Vorbefunden; Dr. F. formuliert in seiner Auskunft vom 20. Februar 2010 deutlich, dass ein chronisch progredienter, überlagert schubförmiger Verlauf zu bestätigen sei. Den Einwand des Klägers, dass der Sachverständige zu seinem Gesundheitszustand im Jahr 2006 nichts Verbindliches habe feststellen können, weil er den Kläger seinerzeit gar nicht gekannt habe, trifft daher zwar zu und wird auch durch den Sachverständigen insoweit nicht in Abrede gestellt. Jedoch spricht dies bei nachweislich progredientem Krankheitsverlauf eher gegen als für das damalige Vorliegen eines quantitativ herabgesetzten Leistungsvermögens.
Schließlich wird die Leistungseinschätzung des Sachverständigen Ma. auch nicht durch das vom Kläger vorgelegte Attest vom 18. August 2006 erschüttert. Abgesehen davon, dass dieses Attest mehr als ein halbes Jahr nach dem Stichtag des 31. Januar 2006 erstellt wurde und folglich eine hinreichende Überzeugung von einem schon seinerzeit auf unter sechs Stunden herabgesunkenen Leistungsvermögen ohnehin kaum begründbar wäre, steht die geäußerte Leistungseinschätzung von einem auf maximal zwei Stunden herabgesetztem Leistungsvermögen im Widerspruch schon zu der vom Senat eingeholten sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. F. vom 12. April 2010. Danach hatte der Kläger am 05. Januar 2006 angegeben, in der (aus Sicht des Senats konzentrativ eher anspruchsvollen) Tätigkeit in seiner eigenen Firma noch drei, nicht nur zwei Stunden erwerbstätig zu sein. Überdies wird anhand dieser Arztauskunft deutlich, dass festgestellte Konzentrationsschwächen im Zusammenhang mit der seinerzeit verabreichten Medikation standen, also bei Aussetzen der Medikation sofort nachließen. Ausweislich des Entlassungsberichts des Prof. Dr. M. vom 17. Dezember 2007 wurde diese Medikation jedoch im Folgenden nicht fortgeführt. Berücksichtigt man zudem, dass dieses Attest seinerzeit im Zusammenhang mit der Geltendmachung eines Anspruchs aus einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung auf Wunsch des Klägers erstellt wurde, lässt sich anhand seiner Aussagen ein zum Stichtag des 31. Januar 2006 auf unter sechs Stunden herabgemindertes Ausdauervermögen des Klägers in leichten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht ableiten.
2. Bei folglich weiterhin erhaltener Erwerbsfähigkeit war der Arbeitsmarkt für Kläger bis zum hier maßgeblichen Stichtag des 31. Januar 2006 aber auch nicht aus anderen Gründen verschlossen. Der Senat vermochte sich insbesondere nicht davon zu überzeugen, dass es ihm schon spätestens Ende Januar 2006 an der erforderlichen Wegefähigkeit fehlte.
Neben der zeitlich ausreichenden Einsetzbarkeit eines Versicherten am Arbeitsplatz gehört zur Erwerbsfähigkeit zwar auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen. Das BSG hat dieses Vermögen nur dann für gegeben erachtet, wenn es dem Versicherten möglich ist, Entfernungen von über 500 Metern zu Fuß zurückzulegen, weil davon auszugehen ist, dass derartige Wegstrecken üblicherweise erforderlich sind, um Arbeitsstellen oder Haltestellen eines öffentlichen Verkehrsmittels zu erreichen (vgl. BSG, Urteil vom 13. Juli 1988 - 5/4a RJ 57/87 - SozR 2200 § 1247 Nr. 53). Wegefähigkeit setzt darüber hinausgehend jedoch auch voraus, dass solche Wege auch in noch zumutbarer Zeit bewältigt werden können (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991 - 13/5 RJ 73/90 - SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10). Der Bereich des Zumutbaren wird nach Einschätzung des BSG dann verlassen, wenn der Gehbehinderte für 500 Meter mehr als das Doppelte dieser Zeit, also etwa 20 Minuten, benötigt (vgl. BSG, a.a.O.; zum Ganzen siehe auch zuletzt BSG, Urteil vom 12. Dezember 2011 - B 13 R 79/11 R - in juris).
Anhand dieses Maßstabs lässt sich für den Kläger eine Einschränkung der Wegefähigkeit bis spätestens zum 31. Januar 2006 nicht herleiten. Das Gericht folgt insoweit der Einschätzung des Sachverständigen Ma. in seinem Gutachten vom 26. April 2009, dass die in den Akten vorhandenen Klinikberichte deutlich gegen eine schon damals rentenrelevant eingeschränkte Gehstrecke sprechen, jedenfalls aber der Nachweis einer schon seinerzeit eingeschränkten Wegefähigkeit nicht erbracht ist. Ausweislich des Klinikberichts des Prof. Dr. H. vom 21. Juli 2003 wurde der Kläger aus der dortigen stationären Behandlung mit fast vollständiger Rückbildung der neurologischen Symptome entlassen. Im Bericht zur ersten Verlaufskontrolle des Universitätsklinikums H. vom 29. Juli 2003 ist ausgeführt, dass keine neuen Symptome aufgetreten und die Gehstrecke unbegrenzt sei. Im Rahmen der Begutachtung durch den Sachverständigen Ma. hat der Kläger angegeben, in der Folgezeit sogar noch gejoggt zu sein. In der Zwischenzeit war der Kläger nur ambulant bei Dr. F. in Behandlung. Erst im Jahr 2007 erfolgten drei neue stationäre Aufenthalte. Im Bericht des Prof. Dr. Ka. vom 11. Mai 2007 wird unter "Aufnahmegrund/Anamnese" geschildert, dass seit wahrscheinlich einem Jahr ein gemischter Verlauf mit zunehmender Gangstörung bestehe; in der Epikrise wird von schwerer spastisch-ataktischer Gangstörung berichtet. Bei Entlassung wird das Gangbild als etwas gebessert geschildert. Prof. Dr. M. stellt als Hauptdiagnose in seinem Bericht vom 04. Juli 2007 nach stationärem Aufenthalt des Klägers eine MS-Erkrankung mit einem EDSS-Score von 4.0 fest. Nach der EDSS-Skala (expanded disability status scale) bedeutet der Score 4.0 eine Gehfähigkeit ohne Hilfe und Rast für mindestens 500 m und Aktivität des Patienten während ca. zwölf Stunden pro Tag trotz relativ schwerer Behinderung. In der Anamnese des Berichts vom 04. Juli 2007 ist ausgeführt, dass bislang zwei- bis dreimal jährlich Schübe aufgetreten seien, deren Symptomatik sich bisher auf Cortison-Pulstherapie zurückgebildet habe; jetzt habe sich seit einigen Monaten das Laufen aber merklich verschlechtert. Im Entlassungsbericht des Prof. Dr. M. vom 18. Dezember 2007 ist angegeben, dass der Kläger von einer weiteren leichten Verschlechterung des Gehvermögens berichtet habe. Die freie Gehstrecke betrage je nach Tagesform bis zu einem Kilometer; der Kläger leide vor allem morgens an deutlicher Extremitätenataxie, die bei zunehmender Bewegung und Mobilisation jedoch nachlasse. Der EDSS-Score wird von Prof. Dr. M. nach wie vor mit 4.0 angegeben. Angesichts dieser über den Kläger vorhandenen Arztberichte folgt der Senat der Schlussfolgerung des Sachverständigen Ma. darin, dass von einer ersten merklichen Verschlechterung der Gehfähigkeit nach den jeweils übereinstimmenden Schilderungen des Klägers erst in den letzten Monaten vor der erneuten stationären Aufnahme im Mai 2007 auszugehen ist, diese jedoch selbst für das Jahr 2007 noch keine rentenrelevante Einschränkung der Wegefähigkeit ergab, nachdem sowohl der Kläger selbst noch von hinreichend langen freien Gehstrecken berichtet hat als auch Prof. Dr. M. mithilfe des EDSS-Scores eine entsprechende freie Gehstrecke von noch 500m beschrieben hat. Erst mit dem Zeitpunkt der Untersuchung des Klägers am 23. April 2009 vermochte der Sachverständige Ma. eindeutig die Aufhebung der Wegefähigkeit zu bestätigen. Insgesamt geht daher der Senat mit dem Sachverständigen Ma. davon aus, dass eine rentenrelevanten Verschlechterung der Gehfähigkeit wohl erst nach Ende 2007 aufgetreten, möglicherweise auch schon - mit Blick auf die Angaben des Klägers im Jahr 2007 von einer seit einigen Monaten erfolgten Verschlimmerung - seit Januar 2007 (so der Sachverständige Ma. in der ergänzenden Stellungnahme vom 11. Oktober 2009), soweit man das Attest des Dr. F. vom 18. August 2006 zugrunde, auch schon dann, dass aber ein sicheres Datum für den Wegfall der Wegefähigkeit anhand der Akten schon zum 31. Januar 2006 insoweit nicht eindeutig benannt werden kann. Mit Blick darauf ist nach Auffassung des Senats der Wegfall der Wegefähigkeit schon bis zum 31. Januar 2006, also zeitlich noch deutlich zuvor, bei insgesamt progredientem Verlauf nicht erwiesen.
Anderes ergibt sich auch nicht aus den sachverständigen Zeugenauskünften des Dr. F ... Diese sind in sich schon uneinheitlich. In seiner ersten sachverständigen Zeugenauskunft vom 31. Dezember 2008 hat Dr. F. angegeben, der Kläger sei bei ihm nur bis zum September 2007 in Behandlung gewesen; damals habe eine leichte ataktische Gangstörung bestanden. In seiner weiteren Auskunft vom 12. April 2010 berichtet Dr. F. von den jeweils im Einzelnen insbesondere anamnestisch erhobenen Befunden. Zum Untersuchungsdatum am 04. Oktobers 2005 habe der Kläger angegeben, das Gehen sei seit zwei Wochen wackeliger; am 05. Januar 2006 habe der Kläger davon berichtet, dass die Beine jetzt besser seien, er sich aber in letzter Zeit beim Laufen vermehrt konzentrieren müsse, um nicht zu schwanken; am 03. Februar 2006 habe er von Problemen mit dem Medikament Rebif berichtet, welches zu deutlicher Gangunsicherheit führe, wobei die Beschwerden nachließen, wenn er die Medikation weglasse. Ein neurologischer Befund wird nur zum Untersuchungstermin des 17. Mai 2006 berichtet. Danach hätten ein deutlich ataktisches Gangbild und massive Unsicherheit bestanden. Diese Angabe steht im Widerspruch zur Erstauskunft vom 31. Dezember 2008, wonach nur eine leichte Gangstörung vorgelegen habe. Im Übrigen lässt sich anhand dieser Angaben auch nicht erkennen, inwieweit die geschilderten Störungen den Kläger an der Bewältigung von Wegstrecken gehindert haben. Dass der Kläger schon früh nach Diagnosestellung auch Einschränkungen im Gehvermögen hatte, wird auch durch den Sachverständigen Ma. nicht in Abrede gestellt. Allerdings ergibt sich daraus nicht ohne Weiteres auch eine Einschränkung der Wegefähigkeit. Die Angaben des Klägers während der Klinikaufenthalte im Jahr 2007 und die insoweit diagnostische Einschätzung des Prof. Dr. M. von einem EDSS-Score von 4.0 lassen eher darauf schließen, dass von einer rentenrelevanten Einschränkung selbst im Jahr 2007 noch nicht ausgegangen werden konnte.
Weitere Ermittlungen waren von Amts wegen nicht durchzuführen, nachdem das Vorhandensein zusätzlicher medizinischer Unterlagen aus der fraglichen Zeit um den 31. Januar 2006 herum nicht ersichtlich ist. Zu einer Vernehmung der Ehefrau des Klägers zur Frage des Gehvermögens des Klägers im Jahr 2006 hat der Senat sich nicht veranlasst gesehen, nachdem die Frage der Wegefähigkeit im Ergebnis eine medizinisch zu beantwortende Frage ist, über die die Ehefrau des Klägers keine Auskunft geben kann. Ihre Auskunft kann nur eigene Beobachtungen wiedergeben, ohne zur Ermittlung des tatsächlich möglichen Gehvermögens beizutragen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
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