L 13 AS 4524/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AS 825/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 4524/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufungen des Klägers gegen die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Konstanz vom 15. September 2011 und 11. Oktober 2011 werden zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch in beiden Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt zum Einen höhere Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende im Zeitraum vom 1. Februar bis 31. März 2009 in Höhe eines Bruttolohnes von 3061,60 EUR sowie die Nachzahlung von Stromkosten seit 2005 (unter I) und zum Anderen höhere Leistungen im Zeitraum vom 1. Oktober 2009 bis 31. März 2010 in Höhe eines Bruttolohnes von 3061,60 EUR, die Zahlung von 20,74 EUR Stromkosten, die Gewährung von Kraftfahrzeughilfe, die Verurteilung des Beklagten, ihn bei der Durchsetzung von arbeitsrechtlichen Ansprüchen zu unterstützen und ihm zu untersagen, ihn als Arbeitssuchenden zu bezeichnen (unter II).

Der 1954 geborene Kläger bezieht mit Unterbrechungen seit 1. Oktober 2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende (Bescheid der Agentur für Arbeit Ravensburg [AA] vom 20. September 2005 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 16. Februar 2006).

I.

Mit Schreiben vom 13. August 2008 beantragte der Kläger über den Juli 2008 hinaus die Weiterbewilligung der Leistungen. Mit Bescheid vom 18. August 2008 bewilligte die AA die Regelleistung -für die Kosten der Unterkunft war das Landratsamt Ravensburg zuständig- vorläufig in Höhe von 351 EUR monatlich vom 1. August 2008 bis 31. Januar 2009. Die mit Änderungsbescheid vom 10. September 2008 verfügte Anrechnung von Nebeneinkommen ab Oktober 2008 hob die AA wieder auf (Bescheid vom 6. Oktober 2008). Mit zwei Bescheiden vom 4. Dezember 2008 senkte die AA die Regelleistung des Kläger wegen Meldeversäumnissen am 20. und 27. Oktober 2008 um jeweils 35 EUR (10 %) für die Zeit vom 1. Januar bis 31. März 2009 ab. Die hiergegen am 10. Dezember 2008 eingelegten Widersprüche wies die Beklagte mit zwei Widerspruchsbescheiden vom 11. Dezember 2008 zurück.

Die mit Bescheid vom 27. Januar 2009 verfügte Entziehung der Leistungen ab 1. Februar 2009 nahm die AA wieder zurück und bewilligte mit Bescheid vom 6. Februar 2009 für die Zeit vom 1. Februar bis 31. März 2009 vorläufig Leistungen in Höhe von 281 EUR monatlich, welche sich aus dem Regelbedarf von 351 EUR abzüglich der verfügten Absenkungen wegen den Sanktionsbescheiden in Höhe von 70 EUR errechneten. Den hiergegen eingelegten Widerspruch vom 10. Februar 2009, mit dem der Kläger Erhöhung der Leistungen auf einen Bruttolohn von 3061 EUR, Nachzahlungen der Stromkosten in Höhe von 20,74 bzw. 33,26 EUR monatlich seit Leistungsbeginn (Oktober 2005) sowie Schadensersatz verlangte, wies die AA mit Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2009 zurück.

Gegen den Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2009 hat der Kläger am 3. März 2009 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, die Beklagte mache falsche Angaben, berücksichtige Schriftstücke nicht und lege das Recht falsch aus. Es gebe keine gerechtfertigten Sanktionen. Er begehre die Nachzahlung von Stromkosten in Höhe von 20,74 EUR bzw. 33,26 EUR pro Monat seit 2005. Er erwarte die Erhöhung seines monatlichen Schecks auf ein umgerechnetes Bruttoeinkommen von 3.061,60 EUR sowie den ersten Scheck über ausstehende Schadensersatzforderungen.

Die Beklagte hat mit Bescheid vom 16. August 2010 für Februar und März 2009 eine endgültige Bewilligung in Höhe von 281 EUR monatlich vorgenommen.

Mit Gerichtsbescheid vom 15. September 2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Zulässiger Streitgegenstand sei nur der Bescheid der Beklagten vom 6. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2009 in der Gestalt des Bescheides vom 16. Oktober (gemeint: August) 2010 und damit nur der Zeitraum Februar und März 2009; insoweit sei die Klage aber unbegründet. Der Regelsatz sei vom BVerfG nur für unvereinbar mit dem GG erklärt worden; eine vom BVerfG nicht angeordnete rückwirkende Regelung sei auch nicht erfolgt. Der Regelbedarf decke die Haushaltsenergie ab. Die Absenkung sei in Bestandskraft erwachsen.

II.

Auf den Weiterbewilligungsantrag des Klägers vom 1. September 2009 bewilligte die AA mit Bescheid vom 2. Oktober 2009 vorläufig für die Zeit vom 1. Oktober 2009 bis 31. März 2010 Regelleistungen in Höhe von 359 EUR monatlich. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch mit dem Begehren, ihm höhere Leistungen in Höhe des Bruttolohnes von 3061,60 EUR und Stromkosten in Höhe von 20,74 bzw 33,26 EUR zu gewähren. Mit Bescheid vom 6. November 2009 bewilligte die Beklagte für den genannten Zeitraum endgültig monatliche Regelleistungen in Höhe von 359 EUR. Mit Widerspruchsbescheid vom 10. November 2009 wies die Beklagte den Widerspruch hierauf zurück.

Der Kläger hat hiergegen am 11. Dezember 2009 Klage zum SG erhoben und begehrt über den im Widerspruch erhobenen Anspruch hinaus, dass die Beklagte ihn bei der Durchsetzung seiner arbeitsrechtlichen Ansprüche unterstützen müsse, ihn nicht als Arbeitssuchenden bezeichnen dürfe und Kraftfahrzeughilfe zu gewähren habe.

Mit Gerichtsbescheid vom 11. Oktober 2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klage auf Gewährung einer Kraftfahrzeughilfe sei mangels vorherigen Antrages bei der Behörde unzulässig. Im Übrigen sei die Klage unbegründet. Weder bestehe ein höherer Anspruch als der gesetzlich geregelte Regelbedarf noch auf Zahlung von Stromkosten oder ein Anspruch auf Förderung von Prozessen durch die Beklagte oder auf Unterlassen der Bezeichnung als Arbeitssuchender.

III.

Gegen den dem Kläger am 19. September 2011 zugestellten Gerichtsbescheid des SG vom 15. September 2011 hat der Kläger am 18. Oktober 2011 und gegen den dem Kläger am 13. Oktober 2011 zugestellten Gerichtsbescheid des SG vom 11. Oktober 2011 hat der Kläger am 18. Oktober 2011 Berufung eingelegt und vorgetragen, es gebe kein arbeitsgerichtlich bestätigtes Entlassungsschreiben bzw. Kündigung der Fa. Plümer. Die Lohnzahlungen aus geltendem Vollzeitarbeitsvertrag stünden aus. Er habe regelmäßig einen Antrag auf Gewährung von Kraftfahrzeughilfe im Weitergewährungsantrag gestellt.

Zum 1. Januar 2012 hat das JobCenter des Landkreises Ravensburg gem § 76 Abs. 3 SGB II im Wege der Funktionsnachfolge die Stellung des Beklagten übernommen.

Mit Beschluss des Senates vom 27. April 2012 wurden die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 15. September 2011 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 6. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2009 in der Gestalt des Bescheides vom 16. August 2010 zu verurteilen, ihm für die Monate Februar und März 2009 Arbeitslosengeld II in Höhe von 3061,60 EUR monatlich sowie für die Zeit ab 1. Oktober 2005 monatlich weitere 20,74 EUR an Stromkosten zu gewähren sowie

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 11. Oktober 2011 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung der Bescheide vom 2. Oktober 2010 und 6. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. November 2009 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1. Oktober 2009 bis 31. März 2010 Arbeitslosengeld II in Höhe von 3061,60 EUR monatlich sowie weitere 20,74 EUR Stromkosten und Kraftfahrzeughilfe zu gewähren, ihn bei der Durchsetzung von arbeitsrechtlichen Ansprüchen zu unterstützen und dem Beklagten zu untersagen, ihn als Arbeitssuchenden zu bezeichnen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.

Der Beklagte macht geltend, die Leistungshöhe sei korrekt. Die Sanktionen seien zu Recht verfügt worden; im Übrigen seien die diesbezüglichen Bescheide bestandskräftig. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufungen des Klägers sind statthaft (§§ 143, 144 SGG) und unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschrift (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden, damit insgesamt zulässig. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Klage richtet sich nunmehr gegen das Jobcenter Landkreis Ravensburg: Dieses ist im Wege der Funktionsnachfolge zum 1. Januar 2012 an die Stelle der AA getreten. Ein solcher Beteiligtenwechsel kraft Gesetzes stellt keine Klageänderung dar; vielmehr war das Rubrum von Amts wegen zu berichtigen (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 10. Auflage, § 99 SGG Rdnr. 6a). Der Beteiligtenwechsel führt dazu, dass der neue Beklagte in die Rechtsposition des bisherigen Beklagten eintritt. Das SG hat die Klagen zu Recht abgewiesen.

I.

Zulässiger Gegenstand des am 3. März 2009 anhängig gewordenen Klageverfahrens war zunächst der Bescheid vom 6. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides. vom 24. Februar 2009, der eine vorläufige Regelung über die Bewilligung der Regelleistung für Februar und März 2009 enthielt. Dieser Bescheid ist ersetzt worden durch den endgültigen Bescheid vom 16. August 2010 über den Zeitraum Februar und März 2009, weshalb nur noch dieser gem. § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens ist (vgl. Niesel/Brand, Kommentar zum SGB III, 5. Auflage, § 328 SGB III Rdnr. 31 m.w.N.). Nicht zulässiger Gegenstand des Klageverfahrens ist das Begehren, Leistungen wegen Stromkosten von 2005 bis 31. Januar 2009 zu erhalten, da dies nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheides ist.

Der Senat schließt sich den Entscheidungsgründen des mit der Berufung angefochtenen Gerichtsbescheides vom 15. September 2011 vollinhaltlich an, macht sich diese aufgrund eigener Überzeugungsbildung zu eigen und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG). Insbesondere hat das SG zutreffend entschieden, dass -wie hier- einem bestandskräftigen Absenkungsbescheid auch dann Tatbestandswirkung zukommt, wenn er eine Absenkung für eine Zeit verfügt, für die erst danach eine Bewilligung ergeht (vgl. Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, 2. Auflage, § 31 SGB II Rdnr. 57a; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13. September 2011, L 6 AS 1002/11 B ER, und vom 9. Juni 2008, L 7 B 140/08 AS; Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 26. April 2010, L 7 AS 212/10 B ER, alle veröffentlicht in Juris). Hier sind die Absenkungsbescheide vom 4. Dezember 2008 für den streitgegenständigen Zeitraum Februar und März 2009 bestandskräftig geworden und binden für den anschließenden Bewilligungsbescheid vom 6. Februar 2009.

II.

Zulässiger Gegenstand des am 11. Dezember 2009 anhängig gewordenen Klageverfahrens war der den Bescheid vom 2. Oktober 2009 ersetzende (§ 86 SGG; s.o.) endgültige Bescheid vom 6. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. November 2009, der eine Regelung der Regelleistung für die Zeit vom 1. Oktober 2009 bis 31. März 2010 enthält. Die Klage auf Gewährung höherer Leistungen für diese Zeit hat das SG mit zutreffenden Gründen als unbegründet abgewiesen; der Senat schließt sich den Entscheidungsgründen des mit der Berufung angefochtenen Gerichtsbescheides vom 11. Oktober 2011 insoweit vollinhaltlich an, macht sich diese Ausführungen aufgrund eigener Überzeugungsbildung zu eigen und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Statthafterweise hat der Kläger daneben auch eine reine Leistungsklage (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 54 SGG Rdnr. 37) erhoben, gerichtet darauf, dass es der Beklagte zu unterlassen hat, ihn als Arbeitssuchenden zu bezeichnen. Entgegen der Auffassung des SG fehlt es aber an einem Rechtsschutzbedürfnis für diese Leistungsklage. Die Stellung des Klägers würde durch das begehrte Urteil weder rechtlich noch wirtschaftlich verbessert werden (Meyer-Ladedwig/Keller/Leitherer, a.a.O., vor § 51 Rdnr. 16a m.w.N.). Die vom SGB II verwendete Formulierung "Arbeitssuchender" (z.B. § 1 SGB II) durch den Beklagten wäre selbst dann ohne jeglichen rechtlichen oder wirtschaftlichen Nachteil, wenn der Kläger noch in Arbeit stünde.

Die Klage auf "Unterstützung" seiner zivilgerichtlichen Ansprüche gegen einen -ehemaligen- Arbeitgeber ist ebenfalls nicht zulässig, da nicht konkret beantragt ist, was vom Beklagte verlangt wird. Die Verurteilung zu einer "Unterstützung" wäre mangels Konkretisierung auch nicht vollstreckbar. Daneben kann anhand des Antrages noch nicht einmal geprüft werden, ob es sich richtigerweise um eine (Anfechtungs- und) Verpflichtungsklage auf Erlass eines Verwaltungsaktes oder um eine Leistungsklage, gerichtet auf ein -anderes- Tun (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 54 SGG Rdnr. 37) handelt. Das SG hat im Übrigen zutreffend darauf hingewiesen, dass angesichts der Regelungen über die Gewährung von Prozesskostenhilfe als Sonderform der Sozialhilfe eine Förderung eines Arbeitsgerichtsprozesses gegen den ehemaligen Arbeitgeber durch den Beklagten von vornherein ausgeschlossen ist.

Die Klage auf Gewährung einer Kraftfahrzeughilfe ist unzulässig; es fehlt ein ablehnender Bescheid und ein diesbezüglicher Widerspruchsbescheid als Prozessvoraussetzung gem. § 78 SGG.

Nach alledem waren die Berufungen zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Hierbei war für den Senat im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens ausschlaggebend, dass der Beklagte keinen berechtigten Anlass zur Klageerhebung gegeben hat und die Rechtsverfolgung keinen Erfolg hat.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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