L 4 R 4851/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 2686/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 4851/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 20. September 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt höhere Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab 01. Oktober 2009. Er wendet sich gegen die verbleibende Minderung seiner Altersrente wegen Versorgungsausgleichs über den Sterbemonat der geschiedenen Ehefrau hinaus.

Der am 1945 geborene Kläger, Dipl.-Betriebswirt mit Fachhochschulabschluss, war von 1974 bis zum 30. Juni 2005 als Hochschuldozent der zuletzt so firmierenden S.-Gruppe in H. beschäftigt. Vom 04. August 2005 bis 29. Februar 2008 bezog er Arbeitslosengeld.

Der Kläger war von Juni 1987 bis Juni 1995 (gerichtlich festgestellte Ehezeit) mit der am 1945 geborenen I. S. verheiratet. Die Ehe wurde durch Urteil des Amtsgerichts M. vom 10. Januar 1996 - 2B F 21/95 -, rechtskräftig zum 27. Februar 1996 geschieden. Das Amtsgericht Familiengericht - M. übertrug u.a. monatliche Rentenanwartschaft des Klägers in Höhe von DM 920,83, bezogen auf den 30. Juni 1995, dies entspricht 20,0180 Entgeltpunkten, auf das Versicherungskonto der Ehefrau bei der (heutigen) Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg. Die geschiedene Ehefrau bezog ab 01. Juni 2005 Altersrente für schwerbehinderte Menschen unter Anrechnung der im Versorgungsausgleich übertragenen Entgeltpunkte. Sie ist am 18. September 2009 verstorben. Die Altersrente wurde bis zum Ende des Sterbemonats gezahlt.

Der Kläger beantragte am 05. Oktober 2007, als seine Eigenschaft als Schwerbehinderter noch nicht festgestellt war, Altersrente nach Arbeitslosigkeit oder Altersteilzeitarbeit für die Zeit ab 01. März 2008. Die Beklagte bewilligte diese Rente durch Bescheid vom 19. Dezember 2007. Am 25. September 2008 beantragte der Kläger Rücknahme dieses Bescheids und Bewilligung der günstigeren Rente wegen voller Erwerbsminderung. Dies lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 10. Oktober 2008 ab. Während des hiergegen eingeleiteten Widerspruchsverfahrens wurde durch Bescheid des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis - Versorgungsamt - vom 17. Februar 2009 die Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers rückwirkend ab 24. Februar 2006 festgestellt. Der Kläger erweiterte daraufhin seinen Antrag dahin, Altersrente für schwerbehinderte Menschen bewilligt zu erhalten. Durch Widerspruchsbescheid vom 03. Juni 2009 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch bezüglich beider begehrter günstigerer Rentenarten zurück. Im anschließenden Klageverfahren verpflichtete das Sozialgericht Mannheim (SG - S 4 R 2186/09) durch Urteil vom 15. Januar 2010 die Beklagte, den Bescheid vom 19. Dezember 2007 dahingehend zurückzunehmen, dass ab 01. März 2008 Altersrente für schwerbehinderte Menschen bewilligt werde. Die Beklagte führte dieses Urteil durch Bescheid vom 08. März 2010 aus und bewilligte ab 01. März 2008 Altersrente für schwerbehinderte Menschen (Bruttobetrag Mai 2010 EUR 1.279,52). Die Beklagte minderte diese Altersrente – wie die bereits zuvor gezahlte Altersrente wegen Arbeitslosigkeit – um die im Versorgungsausgleich übertragenen Entgeltpunkte.

Nach dem Tod der geschiedenen Ehefrau hatte der Kläger im Oktober 2009 Rückübertragung der Ansprüche aus dem Versorgungsausgleich beantragt. Die Beklagte holte die Auskunft der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg vom 11. November 2009 ein, die geschiedene Ehefrau habe vom 01. Juni 2005 bis 30. September 2009 Altersrente aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht bezogen und somit länger als 36 Monate Leistungen aus dem Versorgungsausgleich erhalten. Durch Bescheid vom 25. November 2009 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab. Gemäß § 37 des Gesetzes über den Versorgungsausgleich (VersAusglG) werde nach dem Tod des Ausgleichsberechtigten die aufgrund des Versorgungsausgleichs an sich zu mindernde Rente einer ausgleichspflichtigen Person ungemindert geleistet, wenn u.a. die ausgleichsberechtigte Person die Versorgung aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht nicht länger als 36 Monate bezogen habe. Die geschiedene Ehefrau habe jedoch Rente aus diesem Anrecht länger als 36 Monate bezogen, sodass eine Zahlung der ungeminderten Rente abgelehnt werden müsse.

Der Kläger erhob Widerspruch. Der Versorgungsausgleich gründe sich ausschließlich auf die früheren sozialen und wirtschaftlichen Beziehungen der Eheleute und nicht auf ein irgendwie geartetes Rechtsverhältnis gegenüber der Rentenversicherung. Letztere könne deswegen aus dem Versorgungsausgleich keine eigenen Ansprüche herleiten. Nutznießer der Aktion dürfe allein der begünstigte Ehepartner sein und es wäre für den Todesfall des Begünstigten absolut neu, wenn ein Verstorbener noch Ansprüche irgendwelcher Form hätte. Mehrausgaben entstünden der Rentenversicherung nicht. Die Entgeltpunkte, die nach dem Todesfall der Ehefrau von dieser nicht mehr beansprucht werden könnten, seien sein Eigentum und müssten an ihn wieder zurückfallen. Es könne nicht angehen, dass er gewissermaßen enteignet werde. Die erarbeiteten Entgeltpunkte seien durch die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes (GG) geschützt. Die Beschränkung auf die Höchstdauer von 36 Monaten könne nicht rechtens sein. Hierfür könne es wohl kaum sachlich überzeugende Argumente geben.

Die Widerspruchsstelle der Beklagten erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 28. Juni 2010. Nach § 37 VersAusglG könne die Rentenleistung nur ungemindert geleistet werden, wenn die ausgleichsberechtigte Person verstorben sei und die Versorgung aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht nicht länger als 36 Monate bezogen habe. Der Rentenversicherungsträger sei gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an Recht und Gesetz gebunden.

Mit der am 26. Juli 2010 zum SG erhobenen Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Wesentliches Element der Altersversorgung sei, durch die Entrichtung von Beiträgen während eines langen Berufslebens die Grundlagen für den Bezug einer angemessenen Rente zu schaffen. Erworbene Rentenansprüche müssten als grundsätzlich absolut geschütztes Eigentum des Beitragszahlers angesehen werden. Er verbleibe dabei, dass die Rentenversicherung nicht auch nach dem Tod des geschiedenen Ehegatten eigene Ansprüche aus dem Versorgungsausgleich herleiten könne. Die Bescheide der Beklagten verstießen gegen die Grundrechte des Art. 3 GG (Gleichheitssatz), Art. 6 GG (Schutz von Ehe und Familie) und Art. 14 GG (Recht auf Eigentum) sowie Art. 17 und 18 der Europäischen Konvention der Menschenrechte. Ebenso sei der Grundsatz von Treu und Glauben sowie das Sozialstaatsprinzip nach Art. 20 GG verletzt. Bei Unterhaltspflicht mit regelmäßigen Zahlungen an den geschiedenen Ehegatten entfielen diese Zahlungen mit dem Tod des Begünstigten. Es sei unverständlich, wie dies im jetzigen Fall des Versorgungsausgleichs anders gelten solle. Insbesondere indem die Ehefrau wegen der Kindererziehung nur eine geringe Rente habe erwerben können, sei der im Versorgungsausgleich überlassene Anteil entsprechend hoch gewesen. Auch dies verstoße gegen Art. 6 GG, den besonderen Schutz der Ehe und Familie. Er habe seine Rente durch eine langjährige Beitragszahlung erworben. Es sei für ihn selbstverständlich gewesen, nach der Scheidung als Unterhalt im Alter seiner geschiedenen Ehefrau einen Teil seiner Rente zu überlassen. Dass dieser überlassene Anteil jetzt auf eine "staatliche Stelle" übergegangen sein solle, verstoße gegen den Eigentumsschutz des GG und sei "modernes Raubrittertum". Es sei weiterhin nicht erkennbar, in welcher Weise die Rückübertragung der Entgeltpunkte Nachteile für die Versichertengemeinschaft haben sollte. Dies könne an einem Zahlenmodell vorgerechnet werden. Mit dem Tod des Berechtigten müsse der Versorgungsausgleich erledigt sein. Es dürfe nicht sein, dass er, wie es das Bundessozialgericht (BSG) im Urteil vom 12. Dezember 2006 (B 13 R 33/06 R, SozR 4-5795 § 4 Nr. 3) formuliert habe, ein "Opfer" erbringen müsse. Ein finanzieller Ausgleich etwa durch eine Lebensversicherung könne regelmäßig privat nicht mehr aufgebracht werden. Es sei auch nochmals dabei zu verbleiben, dass die Begrenzung auf 36 Monate des Rentenbezugs willkürlich sei.

Die Beklagte trat der Klage unter Hinweis auf die von ihr zu beachtende Rechtslage entgegen.

Durch Gerichtsbescheid vom 20. September 2010 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung legte es im Wesentlichen dar, die Voraussetzungen des § 37 VersAusglG seien nicht erfüllt, weil die geschiedene Ehefrau Altersrente länger als 36 Monate bezogen habe. Verfassungsrechtliche Bedenken bestünden gegen die Regelung des § 37 VersAusglG nicht. § 37 VersAusglG habe die bisherige Regelung des § 4 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG), die das Bundesverfassungsgericht (BVerfG; Urteil vom 05. Juli 1989 - 1 BvL 11/87, 1 BvR 1053/87 und 556/88 - = BVerfGE 80, 287 ff. = SozR 5795 § 4 Nr. 8) und das BSG als verfassungsgemäß angesehen hätten, in Einzelheiten modifiziert. Die Rückübertragung sei die Ausnahme und nicht, wie vom Kläger vorgetragen, der Regelfall. Auch die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten normiere insoweit keinen weitergehenden Schutz.

Gegen diesen Gerichtsbescheid hat der Kläger am 14. Oktober 2010 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Zur Begründung zitiert er wiederum die von ihm für verletzt erachteten Bestimmungen des GG. Gegebenenfalls sei das Verfahren auszusetzen und die Sache dem BVerfG oder dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vorzulegen. Es sei zwar richtig, dass die übertragenen Entgeltpunkte ab Scheidung der Ehe auf dem Rentenkonto der Ehefrau organisatorisch geführt würden, diese seien und blieben jedoch seine erarbeiteten Entgeltpunkte. Mit dem Tod des Berechtigten müsse der Versorgungsausgleich beendet und dessen Zweck erfüllt sein. Die Rentenkasse schlucke sonst die Entgeltpunkte des Ausgleichspflichtigen, die ihr nicht zustünden. Es liege in der Verantwortung des Gesetzgebers, verlässliches, übersichtliches und verständliches Recht zu schaffen. In seinem Fall entsprächen die 20,0180 übertragenen Entgeltpunkte etwa 43 Prozent seiner eigenen Bruttorente sowie ca. 30 Prozent der gesamten Entgeltpunkte. Es sei nochmals zu betonen, dass durch die Zeiten der Kindererziehung eine zusätzliche diskriminierende Wirkung eintrete. Es sei auch nochmals zu erinnern, dass die Unterhaltspflicht selbstverständlich mit dem Tod des geschiedenen Ehegatten ende. Der Versorgungsausgleich sei eingeführt worden, damit im Scheidungsfall der Unterhalt im Alter, in der Regel der unterhaltsberechtigten Ehefrau, sichergestellt sei. Die Übertragung im Versorgungsausgleich müsse als lediglich buchhalterischer Vorgang gesehen werden, der problemlos wieder zurückübertragen werden könne. Bei seiner statistischen Lebenserwartung ergebe sich eine Kürzungsgesamtsumme von über EUR 86.000,00. Es sei nicht hinzunehmen, dass mit einer "Härteregelung" durch das Stichtagsprinzip wieder neue Härten geschaffen würden. Es sei letztlich nochmals dabei zu verbleiben, dass durch eine Rückübertragung für die Rentenversicherung keine messbaren Verluste entstehen würden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 20. September 2010 aufzuheben und unter Aufhebung des Bescheids vom 25. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Juni 2010 die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 01. Oktober 2009 Altersrente ohne Minderung durch die im Wege des Versorgungsausgleichs übertragenen Anwartschaften in Höhe von 20,0180 Entgeltpunkten zu zahlen, hilfsweise den Rechtsstreit nach Art. 100 GG auszusetzen und den Rechtsstreit dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen mit der Frage, ob § 37 VersAusglG gegen Art. 3, 14, 19 und 20 GG verstößt, weiter hilfsweise den Rechtsstreit auszusetzen und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vorzulegen mit der Frage, ob § 37 VersAusglG gegen Art. 17 und 20 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verstößt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und verweist auf die von ihr anzuwendende geltende Rechtslage. Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers würden nicht geteilt.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers, über welche der Senat im Einverständnis der Beteiligten nach § 153 Abs. 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, kann in der Sache keinen Erfolg haben. Das SG hat im angefochtenen Gerichtsbescheid vom 20. September 2010 zutreffend entschieden, dass die Beklagte im streitgegenständlichen Bescheid vom 25. November 2009 (Widerspruchsbescheid vom 28. Juni 2010) eine Aufstockung der Rente des Klägers auf den vollen Betrag nach Ablauf des Sterbemonats der geschiedenen Ehefrau (September 2009) zu Recht ablehnen durfte.

Der Monatsbetrag der Rente ergibt sich nach § 64 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) u.a. aus den Entgeltpunkten. Bei den Entgeltpunkten sind u.a. auch Zuschläge oder Abschläge aus einem durchgeführten Versorgungsausgleich zu berücksichtigen (§§ 66 Abs. 1 Nr. 3, 76 Abs. 1 SGB VI). Die Übertragung von Rentenanwartschaften zu Lasten von Versicherten führt zu einem Abschlag an Entgeltpunkten (§ 76 Abs. 3 SGB VI). Anlässlich der Ehescheidung durch Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Mannheim vom 10. Januar 1996 ist der mit der Reform des Scheidungsrechts zum 01. Juli 1977 eingeführte öffentlich-rechtliche Versorgungsausgleich durchgeführt worden. Dieser fand damals in der Form der Übertragung von Rentenanwartschaften (Splitting) nach den seinerzeitigen Bestimmungen des § 1587b Abs. 1 i.V.m. § 1587a Abs. 2 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) statt. Der Jahresbetrag der Rente bemaß sich beim Ausgleichsberechtigten (hier der Ehefrau) nach dem Betrag, der sich aus den erworbenen Werteinheiten gemäß den Berechnungsvorschriften des § 1304a Abs. 4 Reichsversicherungsordnung (RVO), § 83a Abs. 4 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) oder § 96 Abs. 4 Reichsknappschaftsgesetz (RKG) ergab. Entsprechend wurde der Jahresbetrag der Rente beim Ausgleichsverpflichteten (hier dem Kläger) vermindert. Die Rechtmäßigkeit des damaligen Verfahrens ist hier nicht zu überprüfen. Insoweit sind auch Einwendungen nicht erhoben worden.

Diese Minderung ist nach dem Tod der ausgleichsberechtigten geschiedenen Ehefrau nicht rückgängig zu machen. Denn die Voraussetzungen des § 37 VersAusglG sind nicht gegeben. Das VersAusglG vom 03. April 2009 (BGBl. I S. 700) ist im Wesentlichen mit Wirkung zum 01. September 2009 in Kraft getreten, war also zum Zeitpunkt des Todes der geschiedenen Ehefrau anzuwenden. Abs. 1 der Vorschrift lautet: Ist die ausgleichsberechtigte Person gestorben, so wird ein Anrecht der ausgleichspflichtigen Person auf Antrag nicht länger aufgrund des Versorgungsausgleichs gekürzt (Satz 1). Beiträge, die zur Abwendung der Kürzung oder zur Begründung von Anrechten zugunsten der ausgleichsberechtigten Person gezahlt wurden, sind unter Anrechnung der gewährten Leistungen an die ausgleichspflichtige Person zurückzuzahlen (Satz 2). Der hier entscheidungserhebliche Abs. 2 lautet: Die Anpassung nach Abs. 1 findet nur statt, wenn die ausgleichsberechtigte Person die Versorgung aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht nicht länger als 36 Monate bezogen hat.

Letztere Bestimmung ist hier anzuwenden, weil die geschiedene Ehefrau des Klägers Rente von Juni 2005 bis September 2009, also für insgesamt 52 Monate bezogen hat. Die Höchstdauer eines Rentenbezugs des Ausgleichsberechtigten von 36 Monaten (drei Jahren) stellt eine Vergünstigung gegenüber der Vorgängervorschrift des § 4 Abs. 2 VAHRG vom 21. Februar 1983 (BGBl. I S.105) dar, wo noch eine Zwei-Jahres-Frist enthalten war, wobei sich die Vergünstigung beim Kläger ersichtlich nicht auswirkt.

Die zitierte Zwei-Jahres-Frist ist Gegenstand zahlreicher gerichtlicher Entscheidungen gewesen. Sie ist vom BSG als mit der Verfassung im Einklang beurteilt worden (vgl. etwa BSG, Urteil vom 11. Februar 1988 - 4/11a RA 30/87 = SozR 5795 § 4 Nr. 4, vom 20. September 1988 - 5/4a RJ 45/87 - BSGE 64, 75 = SozR 5795 § 4 Nr. 6, vom 22. November 1988 - 5/4a RJ 65/87; zuletzt Beschluss vom 20. Juli 2011 - B 5 R 4/11 BH - Orientierungssatz in Juris). Diese Auffassung ist vom BVerfG im Urteil des 1. Senats vom 05. Juli 1989 - 1 BvL 11/87, 1 BvR 1053/87 und 556/88 - (BVerfGE 80, 287 ff. = SozR 5795 § 4 Nr. 8) bestätigt worden. Danach verletzt die Norm (damals § 4 Abs. 2 VAHRG) nicht das eigentumsähnliche Recht der Rentenanwartschaften aus Art. 14 Abs.1 Satz 1 GG. Der Gesetzgeber war zwar nach früherer Grundsatzentscheidung des BVerfG (Urteil vom 28. Februar 1980 - 1 BvL 17/77 u.a. - = BVerfGE 53, 257) gehalten, eine Härteregelung zu schaffen und bei deren Ausgestaltung die Härtelage des Vorversterbens des Berechtigten vor dem Ausgleichsverpflichteten grundsätzlich zu berücksichtigen. Im Übrigen lag es aber in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, die Grenzen für die Rückabwicklung des Versorgungsausgleichs zu ziehen und damit die Gruppe derjenigen Ausgleichsverpflichteten zu bestimmen, die bei Vorversterben des Ausgleichsberechtigten einen Anspruch auf die ungekürzte Versorgung zurückgewinnen sollten. Es liegt im Wesen einer Versicherung, nur den Versicherungsschutz als solchen zu gewähren, also die Möglichkeit, bei Eintritt des versicherten Risikos Leistungen zu erhalten. Grundsätzlich ist unerheblich, ob ein Versicherungsfall eintritt und die zugesagte Leistung auslöst. Es liegt auch im Wesen der Versicherung, dass, wenn es in einem Fall zu keiner oder nur zu einer geringen Leistung kommt, dies in einem anderen Fall ausgeglichen wird, in welchem überdurchschnittlich lang Leistungen zu erbringen sind. Andernfalls wären gleichheitswidrige Ergebnisse innerhalb der Versichertengemeinschaft zu befürchten, die vermieden werden müssen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09. Oktober 1985 - 1 BvL 7/83 - = BVerfGE 71, 1, 15; Urteil vom 05. Juli 1989 a.a.O.). Die Härteregelung des § 4 Abs. 2 VAHRG (jetzt § 37 Abs. 2 VersAusglG) stellt im Sinne der dargelegten Versicherungsprinzipien ohnehin bereits eine Vergünstigung für geschiedene Eheleute dar, sodass es nicht als unzumutbar angesehen werden kann, dass ein Rückausgleich nur unter den engen Voraussetzungen der Zwei- bzw. jetzt Drei-Jahres-Frist erfolgt (BVerfG, Urteil vom 05. Juli 1989 a.a.O.). Die Regelung ist mit derjenigen von Stichtagen zu vergleichen. Der Gesetzgeber ist durch den Gleichheitssatz nicht daran gehindert, zur Regelung von Lebenssachverhalten Stichtage einzuführen, obwohl dies unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt (BVerfG, Urteil vom 05. Juli 1989 a.a.O. m.w.N.). Es ist zu prüfen, ob der Gesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum in sachgerechter Weise genutzt, ob er die in Betracht kommenden Faktoren hinreichend gewürdigt hat und ob sich die gefundene Lösung im Hinblick auf den gegebenen Sachverhalt und das System der Gesamtregelung durch sachliche Gründe rechtfertigen lässt oder als willkürlich erscheint. Einer Prüfung an diesen Kriterien hält - so das BVerfG - die hier streitige Begrenzung der Rentenbezugsdauer des Ausgleichsberechtigten stand. Die Auffassung des Gesetzgebers, eine nachträgliche Anpassung sei nur gerechtfertigt, wenn der Ausgleichsberechtigte noch keine oder nur geringe Leistungen aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht bezogen habe (Bundestags-Drucksache 16/10144, S. 76), ist sachgerecht. Im Versorgungsausgleich übertragene Rentenanwartschaften verbleiben grundsätzlich bei dem ausgleichsberechtigten Ehegatten. Nach Durchführung des Versorgungsausgleichs bestehen zwei selbständige Versicherungsverhältnisse, so dass die rentenrechtlichen Schicksale der geschiedenen Ehegatten grundsätzlich unabhängig voneinander zu sehen sind. Daraus folgt, dass der Versicherungsverlauf des Ausgleichsverpflichteten regelmäßig nicht von dem des Ausgleichsberechtigten beeinflusst werden kann (BVerfG, Urteil vom 05. Juli 1989 a.a.O.). Die Rechtfertigung des Versorgungsausgleichs entfällt nur dann, wenn einerseits beim Verpflichteten eine spürbare Kürzung der Rentenansprüche erfolgt, ohne dass sich andererseits der Erwerb eines selbständigen Versicherungsschutzes angemessen für den Berechtigten auswirkt (BVerfG, Urteil vom 28. Februar 1980 - 1 BvL 17/77 u.a. -). Dementsprechend ist § 37 Abs. 2 VersAusglG - wie § 4 Abs. 2 VAHRG - eine Sonderregelung zur Vermeidung unbilliger Härten und damit nur eine Ausnahmevorschrift, so dass es daher nicht als unzumutbar angesehen werden kann, dass ein "Rückausgleich" nur unter engen Voraussetzungen erfolgt (BVerfG, Urteil vom 05. Juli 1989 a.a.O.). Eine unbillige Härte kann damit nur dann gegeben sein, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte nur relativ geringe Leistungen aus den übertragenen Rentenanwartschaften erhalten hat (vgl. BVerfG, Urteil vom 28. Februar 1980 - 1 BvL 17/77 u.a. -).

Da der Senat der Rechtsprechung des BVerfG folgend keine verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der Vorschrift des § 37 Abs. 2 VersAusglG hat, scheidet eine Vorlage an das BVerfG nach Art. 100 GG aus. Aus den genannten Gründen liegt auch kein Verstoß gegen Art. 17 (Eigentumsrecht) und Art. 20 (Gleichheit vor dem Gesetz) der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vor. Für eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gibt es im Übrigen keine Rechtsgrundlage.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG.

Zur Zulassung der Revision bestand aus den dargelegten Gründen ebenfalls kein Anlass.
Rechtskraft
Aus
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