L 13 AL 5537/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 14 AL 5458/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AL 5537/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 26. Juli 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt Leistungen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung für die Teilnahme an der Weiterbildungsmaßnahme "Certified Application Spezialist.NET/C" ab 26. Oktober 2009.

Der 1963 geborene Kläger ist Dipl.-Ingenieur der Elektrotechnik und war in der Vergangenheit überwiegend in der Softwareentwicklung im Rahmen häufig wechselnder Arbeitsverhältnisse tätig (13 verschiedene Arbeitgeber seit 1999), zuletzt vom 1. November 2008 bis zum 31. Oktober 2009 in einem befristeten Arbeitsverhältnis mit der G. B. Software AG. Er meldete sich am 23. Juli 2009 arbeitsuchend und am 30. Oktober 2009 mit Wirkung zum Folgetag arbeitslos. Bereits in einem Beratungsgespräch bei der Beklagten am 10. August 2009 brachte der Kläger seinen Wunsch für eine Fortbildung im Bereich Java oder C zum Ausdruck. Unter dem 30. August 2009 beantragte der Kläger dann förmlich einen Bildungsgutschein für die Weiterbildung zum "Certified Application Spezialist.NET/C" bei der L. und Gr. AG.

Mit Bescheid vom 2. September 2009 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, durch eine Teilnahme an der begehrten Weiterbildung werde die Integrationswahrscheinlichkeit nicht in ausreichendem Maße gesteigert. Es seien nicht fehlende Kenntnisse, die eine Integration des Klägers in den Arbeitsmarkt erschwerten, sondern der "perforierte" Lebenslauf, der für die potentiellen Arbeitgeber ein Hemmnis darstelle. Eine weitere sechsmonatige Abstinenz vom Arbeitsmarkt würde eine weitere Perforierung bewirken. Darüber hinaus sei der Arbeitsmarkt für Softwareentwickler in Karlsruhe mit aktuell 20 offenen Stellen und im Bundesgebiet gut. Der Kläger besitze hierfür ausreichende Kenntnisse.

In seinem am 5. Oktober 2009 eingelegten Widerspruch trug der Kläger vor, bei ihm bestünden Defizite bezüglich der aktuellen (Computer-)Sprachen und Werkzeuge. Durch eine Qualifizierung in aktuellen Hochsprachen und Werkzeugen werde ganz entscheidend zu einer gefestigten Position im ersten Arbeitsmarkt beigetragen. Dadurch würde er für Arbeitgeber interessant werden. Umgekehrt führe das Fehlen von Kenntnissen aktueller Technologien zur vorzeitigen Entlassung weil er dem Arbeitgeber die erforderlichen Fähigkeiten nicht liefern könne. Um eine langfristige Einstellung zu erreichen, gelte es dem Arbeitgeber genau dieses Spektrum zu bieten, welches dieser für die Umsetzung der Projekte mit aktuellen Technologiehintergrund erwarte. Ab dem 26. Oktober 2009 nahm der Kläger auf eigene Rechnung an dem beantragten sechsmonatigen Vollzeit-Lehrgang teil und beglich die Lehrgangskosten in Höhe von 9.029,90 EUR.

Mit Widerspruchsbescheid vom 3. November 2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nicht fehlende Kenntnisse des Klägers, sondern vielmehr sein perforierter Lebenslauf würden bei Arbeitslosigkeit eine Integration erschweren Der Lebenslauf des Klägers sei geprägt von häufigen Arbeitsplatzwechseln. Die Arbeitsverhältnisse hätten oft nur wenige Monate bestanden. Eine weitere Qualifizierung beseitige diese Hemmnisse nicht, sondern würde durch die erneute sechsmonatige Abstinenz vom Arbeitsmarkt zu der Perforierung beitragen. Der Kläger habe seit 2006 bereits an vier geförderten Weiterbildungen mit einer Gesamtdauer von über sieben Monaten teilgenommen. Dass er dennoch den Einstieg in eine dauerhafte Beschäftigung nicht geschafft habe, sei ein Hinweis darauf, dass das Qualifikationsniveau nicht sein Haupthemmnis sei. Eine Vielzahl freier Stellen sei vorhanden. Der Mitteleinsatz müsse gegenüber der Versichertengemeinschaft vertretbar sein. Dies sei bei 10.000 EUR Lehrgangskosten und einer geringen Integrationswahrscheinlichkeit nicht der Fall.

Mit seiner am 3. Dezember 2009 erhobenen Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Die von ihm bereits begonnene Weiterbildung sei notwendig, um ihn wieder beruflich einzugliedern. Er sei hinsichtlich der IT-Berufe, die sonst Informatiker ausübten, als Quereinsteiger zu qualifizieren. Seine vertieften Kenntnisse lägen hauptsächlich im Bereich der Hochsprachen C und C++. Die in der IT-Branche seit Jahrzehnten etablierten Softwareprodukte seien in diesen traditionellen Programmiersprachen geschrieben. Hierfür besitze der Kläger auch ausreichende Kenntnisse. Die vom heutigen Markt geforderten Lösungen würden indes zunehmend Funktionen bedingen, die in den neuen Sprachen wie Java und C geschrieben würden. Es liege als Konsequenz aus dieser Entwicklung auf der Hand, dass für neu zu besetzende Positionen zwar noch die vertiefte Kenntnis der traditionellen Hochsprachen, aber in weit stärkerem Maße zunehmend Experten-Kenntnis in den jungen Hochsprachen vorausgesetzt werde. Daher werde die Qualifizierung in den aktuellen Hochsprachen und Werkzeugen ganz entscheidend die Eingliederungschancen des Klägers in den ersten Arbeitsmarkt verbessern. Auch die Beklagte sehe ja zwischenzeitlich die Notwendigkeit einer beruflichen Weiterqualifizierung des Klägers. So habe sie im Schreiben vom 19. April 2010 an den Kläger die Notwendigkeit einer beruflichen Qualifizierung festgestellt. Die Ablehnung wegen der "Perforation des Lebenslaufs" stelle eine auf sachfremden Erwägungen beruhende Benachteiligung derjenigen Arbeitnehmer dar, die, aus welchen Gründen auch immer, keinen gradlinigen Lebenslauf aufweisen könnten. Auch sei festzustellen, dass die Beklagte bislang dem Kläger keine einzige passende freie Stelle angeboten habe. Wie sich aus der Leistungsakte der Beklagten ergebe, weise das Bewerberprofil des Klägers bei der Beklagten bereits die Kenntnisse auf, die er erst durch den Kurs erwerbe. Dass hierdurch bei einem Suchlauf falsche Ergebnisse erzeugt würden, liege auf der Hand. Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten. Zur Begründung hat sie ausgeführt, sie habe dem Kläger mehrmals Vermittlungsvorschläge übersandt. Die Grundlage für die Stellensuchläufe habe der Kläger selbst gelegt, da er eigenverantwortlich die Kenntnisse in sein Profil eingetragen habe. Mit den vorhandenen Kenntnissen seien auch verwandte Tätigkeiten im IT-Support, Vertrieb etc. möglich. Auch die Ausweitung des Suchradius (derzeit 15 km Umkreis um Karlsruhe) würde die Chancen erhöhen. Es bestehe kein Kausalzusammenhang zwischen der Fortbildung und einer vertretbaren Verbesserung der Integrationswahrscheinlichkeit. Bei einem schon immer ziemlich guten allgemeinen Arbeitsmarkt weise der perforierte Lebenslauf des Klägers darauf hin, dass bei ihm andere Probleme im Vordergrund stehen würden. So hätten auch frühere Fortbildungen durch die Beklagte ebenfalls nicht zu einer längerfristigen Beschäftigung geführt. Auch sei der Kläger nach Ende der von ihm begehrten Weiterbildung leider immer noch arbeitslos. Die Tatsache, dass dem Kläger am 19. April 2010 ein Bildungsgutschein für die Maßnahme FuTex bewilligt worden sei, ändere nichts an der Einschätzung der Beklagten, da es sich hierbei um ein Pilotprojekt von politischem Interesse handele. Weil Entscheidungsträger der Wirtschaft ihre massive Unterstützung zugesagt hätten, seien für diese Maßnahme auch Teilnehmer berücksichtigt worden, die sonst nicht hätten berücksichtigt werden können.

Mit Urteil aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26. Juli 2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe die Förderung zu Recht mit der Begründung abgelehnt, dass die Weiterbildung nicht notwendig gewesen sei, um den gerade arbeitslos gewordenen Kläger beruflich wieder einzugliedern. Diese Frage bedürfe einer Prognoseentscheidung der Beklagten; es müsse zu erwarten sein, dass die Eingliederungschancen nach Abschluss der Maßnahme erheblich verbessert seien und die begründete Aussicht bestehe, dass dem Kläger infolge der Maßnahme ein angemessener Dauerarbeitsplatz verschafft werden könne. Dabei stehe dem Leistungsträger ein Beurteilungsspielraum zu. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe sei die von der Beklagten vorgenommene Prognoseentscheidung nicht zu beanstanden. Die Beklagte habe davon ausgehen können, dass die wesentlichen Vermittlungshemmnisse bei der Eingliederung des Klägers nicht in seinen fehlenden Kenntnissen, sondern in seinem lückenhaften Lebenslauf durch häufige Arbeitsplatzwechsel zu sehen seien. Ebenso stelle es sachgerechte Erwägungen der Beklagten dar, wenn diese zum maßgeblichen Zeitpunkt davon ausgegangen sei, dass aufgrund der guten Arbeitsmarktlage der Kläger in absehbarer Zeit in eine dauerhafte Beschäftigung zu vermitteln sei. Die Notwendigkeit einer Weiterbildung sei auch nicht dadurch belegt, dass die Beklagte dem Kläger schließlich unter dem 19. April 2010 die Förderung einer Weiterbildung zugesagt und damit letztlich die Notwendigkeit einer beruflichen Qualifizierung festgestellt habe. Die prognostische Einschätzung der Förderungsnotwendigkeit stelle sich in aller Regel nach Ablauf eines halben Jahres, in dem es nicht zu einer Arbeitsaufnahme gekommen ist, deutlich anders dar.

Gegen das seiner früheren Bevollmächtigten am 3. November 2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 1. Dezember 2011 Berufung direkt beim SG eingelegt. Eine Begründung dieser ist nicht erfolgt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 26. Juli 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 2. September 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. November 2009 zu verurteilen, seine Teilnahme an der Weiterbildungsmaßnahme "Certified Application Spezialist.NET/C" bei der L. und Gr. AG in Karlsruhe ab dem 26. Oktober 2009 durch Übernahme der Weiterbildungskosten zu fördern,

hilfsweise

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 2. September 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. November 2009 zu verurteilen, über seinen Antrag vom 30. August 2009 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten (2 Bände), die Klageakte des SG sowie auf die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.

II.

Der Senat konnte die Berufung durch Beschluss der Berufsrichter und ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), denn er hält die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Anhörung der Beteiligten hat keine Gesichtspunkte ergeben, die Anlass geben könnten, von dieser Verfahrensform abzuweichen.

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschrift (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Der Senat schließt sich den Entscheidungsgründen des mit der Berufung angefochtenen Urteils des SG vom 26. Juli 2011 an, macht sich diese aufgrund eigener Überzeugungsbildung vollinhaltlich zu eigen und sieht daher von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend sind noch folgende Ausführungen veranlasst: In Fällen, in denen die Weiterbildungsmaßnahme - wie vorliegend - noch vor Erlass des Widerspruchsbescheids begonnen wird, ist als Beurteilungszeitpunkt regelmäßig auf den Erlass des Widerspruchsbescheids abzustellen (vgl. Bundessozialgericht [BSG] vom 3. Juli 2003 - B 7 AL 66/02 R = SozR 3-4100 § 36 Nr. 1 - Juris Rdnr. 25; BSG vom 11. Mai 2000 - B 7 AL 18/99 R = SozR 3-4100 § 36 Nr. 5 - Juris Rdnr. 19). Das SG hat zutreffend festgestellt, dass keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich sind, wonach die Beklagte zu diesem Zeitpunkt mit ihrer Einschätzung die Grenzen des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums bei der Prognose¬ent-scheidung überschritten hätte. Ihre Prognose, der Kläger könne einerseits zeitnah in ein dauerhaftes Beschäftigungsverhältnis vermittelt werden und die wesentlichen Vermittlungshemmnisse lägen andererseits nicht in seinen fehlenden Fachkenntnissen, begegnet - jedenfalls auf den Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids bezogen - keinen Bedenken. Die begehrte Weiterbildungsmaßnahme ist daher von der Beklagten im Rahmen der vorgenommenen Prognose¬entscheidung zu Recht als nicht notwendig im Sinne des § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) bewertet worden. Die dem Erlass des Widerspruchsbescheids nachfolgende Entwick¬lung wiederum bleibt - wie ausgeführt - ohne Einfluss auf die Rechtmäßigkeit der Prognose¬ent¬scheidung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Hierbei war für den Senat im Rahmen des eingeräumten Ermessens ausschlaggebend, dass der Beklagte keinen berechtigten Anlass zur Klageerhebung gegeben hat und die Rechtsverfolgung keinen Erfolg hat.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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