Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AL 416/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 39/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 24. November 2011 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Verbescheidung eines Widerspruchs und die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verhaltens der Beklagten im Hinblick auf die Ablehnung des von ihm für die Zeit vom 01. - 21.11.2010 beantragten Urlaubs.
Der am 18.01.1975 geborene Kläger, der sich seit dem 13.09.2011 in Untersuchungshaft befindet, stand mit Unterbrechungen im langjährigen Bezug von Leistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Er führte und führt deswegen vor dem Sozialgericht Karlsruhe (SG) und dem Landessozialgericht Baden-Württemberg zahlreiche Rechtsstreitigkeiten gegen die Beklagte.
Mit Bescheid vom 29.10.2010 lehnte die Beklagte einen Antrag des Klägers auf Bewilligung von Urlaub für die Zeit vom 01. - 21.11.2010 ab. Hiergegen erhob der Kläger am 03.11.2010 Widerspruch. Mit Schreiben vom 25.01.2011 informierte die Beklagte den Kläger darüber, dass das Widerspruchsverfahren eingestellt werde, da von dem Bescheid vom 29.10.2010 keine belastende Wirkung mehr ausgehe.
Am 27.01.2011 hat der Kläger Klage zum SG erhoben, zu deren Begründung er vorgebracht hat, die Beklagte sei verpflichtet, über den von ihm erhobenen Widerspruch zu entscheiden.
Die Beklagte ist der Klage unter Verweis auf ihr Schreiben vom 25.01.2011 entgegen getreten.
Nach Anhörung der Beteiligten (gerichtliches Schreiben vom 25.03.2011, dem Kläger am 01.04.2011 zugestellt) hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 24.11.2011 abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, das Befangenheitsgesuche des Klägers, die dieser während des Verfahrens am 26.04.2011 und am 30.08.2011 gestellt habe, es nicht daran hinderten, in der Sache zu entscheiden, da sie offensichtlich rechtsmissbräuchlich seien. Die Anträge zielten einzig darauf ab, den Kammervorsitzenden vom vorliegenden Verfahren auszuschließen, um die Bearbeitung des Verfahrens durch einen anderen Richter zu erreichen. Dem Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht sei nicht zu entsprechen, da dieser gleichfalls als grob rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren sei. Inhaltlich führe die Klage für den Kläger nicht zum Erfolg. Die Beklagte habe das Widerspruchsverfahren zu Recht eingestellt, da sich das Begehren des Klägers, die Bewilligung von Urlaub für den Zeitraum vom 01. - 21.11.2010, durch Zeitablauf erledigt habe. Auch den weiteren Anträgen des Klägers, die Beklagte zu verurteilen, die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu erstatten, festzustellen, dass das Verhalten der Beklagten rechtswidrig war, die Beklagte zu verurteilen, den Widerspruch vom 03.11.2010 zu verbescheiden, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet war, den beantragten Urlaub zu bewilligen, die Beklagte zu verurteilen, ihm alle Kosten und Nachteile, die aus ihrem rechtswidrigem Verhalten entstanden sind, zu ersetzen und (hilfsweise) eine sachdienliche Regelung von Seiten des Gerichts zu erlassen, sei nicht zu entsprechen.
Gegen den am 01.12.2011 gegenüber einem empfangsermächtigten Vertreter der Justizvollzugsanstalt Stuttgart zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 03.01.2012 Berufung eingelegt, mit der er seine Anträge vollumfänglich weiterverfolgt. Er bringt er vor, ihm sei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Er habe als Untersuchungshäftling keinen Einfluss auf die Postlaufzeiten. Üblicherweise gehe Post von Untersuchungsgefangenen auf dem Postweg zum Haftrichter und werde von dort freigegeben. Seine Post sei von der Justizvollzugsanstalt wegen fehlender Frankierung aufgehalten und erst auf seine Beschwerde hin auf dem Dienstweg befördert worden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 24. November 2011 aufzuheben und das Schreiben der Beklagten vom 25. Januar 2011 aufzuheben, die Beklagte zu verurteilen, die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu erstatten, festzustellen, dass das Verhalten der Beklagten rechtswidrig war, die Beklagte zu verurteilen, den Widerspruch vom 03. November 2010 zu verbescheiden, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet war, den beantragten Urlaub zu bewilligen, die Beklagte zu verurteilen, ihm alle Kosten und Nachteile, die aus ihrem rechtswidrigem Verhalten entstanden sind, zu ersetzen und hilfsweise eine sachdienliche Regelung von Seiten des Gerichts zu erlassen.
Die Beklagte hat sich im Berufungsverfahren nicht geäußert.
Der Senat hat bei der Justizvollzugsanstalt S. eine Auskunft zur Abwicklung des Briefverkehr der dort Inhaftierten eingeholt. Hr. E., Leiter der Briefüberwachung, hat hierzu unter dem 13.03.2012 mitgeteilt, dass eingehende Schreiben von Gerichten, die mit Zustellungsurkunde zugestellt werden, i.d.R. am selben Tag, an dem sie in der Anstalt zugehen, an die Gefangenen weitergeleitet würden. Schreiben von Gefangenen an Gerichte könnten anlässlich der Frühstücksausgabe von Montag bis Freitag in der Justizvollzugsanstalt abgegeben werden. Sie würden durch die Anstalt noch am selben Tag an das Gericht oder in den Postlauf weitergeleitet. Eine Kontrolle der Gefangenenpost an Gerichte erfolge nicht.
Der Senat hat dem Kläger die Möglichkeit eröffnet, Einsicht in die Verfahrens- und Verwaltungsakten zu nehmen, indem er die Akten in die Justizvollzugsanstalt S. übersandt hat. Der Kläger hat hiervon am 17.04.2012 Gebrauch gemacht. Unter dem 02.05.2012 hat der Senat, auf einen Antrag des Klägers hin, ein Vorführungsersuchen an die Justizvollzugsanstalt S. gerichtet.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz, die bei der Beklagten für den streitgegenständlichen Vorgang geführte Verwaltungsakte, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 16.05.2012 wurden, sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 16.05.2012 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung führt für den Kläger nicht zum Erfolg.
Der Senat konnte über die Berufung entscheiden, obschon der sich in Untersuchungshaft befindliche Kläger zu der mündlichen Verhandlung am 16.05.2012 nicht erschienen ist (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 21.09.2011 - L 3 AL 2514/10 -, Urteil vom 19.10.2011 - L 3 AL 3913/11 -; Beschlüsse des BSG vom 12.03.2012 in den vom Kläger dort betriebenen Verfahren - B 11 AL 43/11 BH - und - B 11 AL 44/11 BH -). Soweit der Kläger beantragt hat, ihn zur mündlichen Verhandlung vorzuführen, hat der Senat dem entsprochen und unter dem 02.05.2012 ein Vorführungsersuchen an die Justizvollzugsanstalt Stuttgart gerichtet. Wenn sich der Kläger, dessen persönliches Erscheinen nicht angeordnet war, nunmehr kurzzeitig - am Sitzungstag - weigert, sich ausführen zu lassen, ist er wie jeder andere Prozessbeteiligte zu behandeln, dem das Erscheinen zur mündlichen Verhandlung freigestellt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 21.06.1983 - 4 RJ 3/83 - veröffentlicht in juris); der Senat ist nicht daran gehindert ist, in der Sache zu entscheiden.
Der Senat war nicht verpflichtet, dem Kläger, wie von ihm beantragt, eine Kopie der Verfahrens- und Verwaltungsakte zu fertigen und zur Verfügung zu stellen. Der Antrag ist, da der Kläger eine Kopie der gesamten Akte begehrt hat, ohne ihn auf konkrete Aktenteile zu begrenzen, rechtsmissbräuchlich (Beschluss des erkennenden Senats vom 29.06.2011 - L 3 AL 1928/11 B -; Urteile des erkennenden Senats vom 21.09.2011, - L 3 AL 2514/10 -, - L 3 AL 2521/10 -, - L 3 AL 2641/10 -). Der Senat hat dem Kläger, seinem Hilfsantrag entsprechend, die Möglichkeit eröffnet, Einsicht in die Verfahrens- und Verwaltungsakten zu nehmen, in dem er die Akten in die Justizvollzugsanstalt Stuttgart Stammheim übersandt hat. Der Kläger hat hiervon Gebrauch gemacht.
Die Berufung des Klägers wurde verspätet eingelegt; sie ist als unzulässig zu verwerfen.
Gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Landessozialgericht - bzw. nach § 151 Abs. 2 Satz 1 SGG bei dem Sozialgericht - einzulegen.
Gemäß § 64 Abs.1 SGG beginnt der Lauf einer Frist grundsätzlich mit dem Tage nach der Zustellung der angefochtenen Entscheidung. Dies ist der in gesetzlicher Form zu bewirkende und zu beurkundende Akt, durch den dem Adressaten Gelegenheit zur Kenntnisnahme eines Schriftstücks verschafft wird. Zugestellt wird im sozialgerichtlichen Verfahren nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO, vgl. § 63 Abs. 2 SGG). Die Zustellung an einen Straf- oder Untersuchungsgefangenen kann, wie vorliegend geschehen, durch Aushändigung des zuzustellenden Schriftstücks an den Leiter der Justizvollzugsanstalt oder einen zur Entgegennahme befugten Vollzugsbediensteten im Wege einer Ersatzzustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 3 ZPO bewirkt werden (Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.06.2001 - 11 S 2290/00 - veröffentlicht in juris). Eine derartige Ersatzzustellung setzt nicht voraus, dass der Postzusteller den Adressaten nicht in der Justizvollzugsanstalt angetroffen hat. Ausweislich der aktenkundigen Postzustellungsurkunde wurde der Gerichtsbescheid des SG dem Bediensteten der Justizvollzugsanstalt am 01.12.2011 übergeben. Nach der schriftlichen Auskunft des Leiters der Briefüberwachung der Justizvollzugsanstalt S., Hr. E., vom 13.03.2012, an der zu zweifeln der Senat keinerlei Veranlassung sieht, wurden und werden Schriftstücke am jeweiligen Tag an die dortigen Insassen, so auch den Kläger, ausgehändigt. Anhaltspunkte dafür, dass dies im Falle des angefochtenen Gerichtsbescheides vom 22.11.2011 nicht so erfolgt ist, bestehen, da insb. der Kläger keinen abweichenden Zeitpunkt der Übergabe des Gerichtsbescheides an ihn benannt hat, nicht.
Mithin wurde dem Kläger der Gerichtsbescheid des SG, der eine vollständige und ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung i.S.d. § 66 Abs. 1 SGG beinhaltet hat, zur Überzeugung des Senats ordnungsgemäß am 01.12.2011 zugestellt. Die einmonatige Berufungsfrist begann mithin gemäß § 64 Abs. 1 SGG am Folgetag, dem 02.12.2011 zu laufen. Sie endete, da der 01.01.2012 ein Sonn- und Feiertag war, gem. §§ 64 Abs. 2, Abs. 3 SGG mit Ablauf des 02.01.2012, einem Montag. Der Kläger hat die Berufung am 03.01.2012, d.h. einen Tag nach Ablauf der Berufungsfrist beim SG eingelegt. Die Berufung ist mithin verfristet eingelegt worden.
Dem Kläger ist auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Gemäß § 67 Abs. 1 SGG ist jemanden, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Mithin ist nur im Fall einer unverschuldeten Fristversäumnis Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Dies setzt voraus, dass der Beteiligte diejenige Sorgfalt angewandt hat, die ein gewissenhaft Prozessführender nach den gesamten Umständen nach allgemeiner Verkehrsanschauung vernünftigerweise zugemutet werden kann (BSG, Urteil vom 31.03.1993 - 13 RJ 9/92 -; Urteil vom 27.05.2008 - B 2 U 5/07 R - m.w.N. jew. veröffentlicht in juris). Der Kläger hat zur Überzeugung des Senats die Berufungsfrist schuldhaft versäumt. Das Vorbringen des Klägers, zu Beginn seiner Haftzeit sei seine Post an Gerichte zensiert worden, sie sei wegen fehlender Frankierung angehalten und erst nach einer Beschwerde seinerseits per Dienstpost weitergeleitet worden, ist nicht geeignet, den Vorwurf der verschuldeten Fristversäumnis zu beseitigen. Der bloße Umstand, dass sich der Kläger in Untersuchungshaft befindet, ist kein Entschuldigungsgrund für die Versäumung einer Frist. Untersuchungsgefangene haben gemäß § 16 Abs. 1 des Zweiten Buches des Gesetzbuches über den Justizvollzug in Baden-Württemberg vom 10.11.2009 (GBl. 2009, 545) das Recht, unbeschränkt Schreiben abzusenden und zu empfangen. Der Kläger war also unter normalen Umständen nicht gehindert, rechtzeitig das Rechtsmittel einzulegen. Nur unter besonderen - hier nicht vorgetragenen und auch nicht ersichtlichen - Umständen, etwa der vom Beteiligten nicht zu vertretenden Unterbindung der Außenkontakte durch die Anstaltsleitung, könnte die Inhaftierung dazu führen, dass er ohne Verschulden verhindert ist, eine Frist einzuhalten (so ausdrücklich BSG, Beschluss vom 15.03.1995 - 13 BJ 17/95 – veröffentlicht in juris). Nach der schriftlichen Stellungnahme von Hr. E. unterliegen Schreiben von Inhaftierten an Gerichte keiner Kontrolle, mithin treten, anders als der Kläger vorbringt, keine unverschuldeten Verzögerungen ein. Auch hätte ein gewissenhaft Prozessführender seine Post, die an Gericht geht, die nicht in Haft- oder Strafsachen tätig sind, im Hinblick auf den regulären Postweg, ausreichend frankiert. Ein etwaiges Vertrauen darauf, dass seitens der Justizvollzugsanstalt eine für den Kläger kostenfreie Übersendung an alle Gericht (auch ausländische, die der Kläger gerichtsbekannterweise gleichfalls im Wege der Dienstpost anschreiben wollte), Behörden oder sonstige Institutionen gewährleistet wird, ist nicht geschützt; ein ggf. bestehender Irrtum des Klägers hierüber war jedenfalls nicht unverschuldet.
Mithin ist eine unverschuldete Fristversäumnis nicht glaubhaft gemacht, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht zu gewähren.
Die Berufung ist daher zu verwerfen.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Berufung auch unbegründet ist. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Beklagte hat das Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 29.10.2010 zu Recht eingestellt, da sich das Begehren des Klägers durch Zeitablauf i.S.d. § 39 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) erledigt hatte. Kosten des Widerspruchsverfahrens waren von der Beklagten nicht zu erstatten, da der Widerspruch des Klägers erfolglos geblieben ist (vgl. § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Eine Verpflichtung, den Widerspruch förmlich zu bescheiden, bestand für die Beklagte nicht. Die Feststellungsanträge waren in Ermangelung eines entsprechenden Feststellungs- bzw. Fortsetzungsfeststellungsinteresses unzulässig. Gleiches gilt für den Antrag, einen finanziellen Ausgleich zu gewähren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Verbescheidung eines Widerspruchs und die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verhaltens der Beklagten im Hinblick auf die Ablehnung des von ihm für die Zeit vom 01. - 21.11.2010 beantragten Urlaubs.
Der am 18.01.1975 geborene Kläger, der sich seit dem 13.09.2011 in Untersuchungshaft befindet, stand mit Unterbrechungen im langjährigen Bezug von Leistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Er führte und führt deswegen vor dem Sozialgericht Karlsruhe (SG) und dem Landessozialgericht Baden-Württemberg zahlreiche Rechtsstreitigkeiten gegen die Beklagte.
Mit Bescheid vom 29.10.2010 lehnte die Beklagte einen Antrag des Klägers auf Bewilligung von Urlaub für die Zeit vom 01. - 21.11.2010 ab. Hiergegen erhob der Kläger am 03.11.2010 Widerspruch. Mit Schreiben vom 25.01.2011 informierte die Beklagte den Kläger darüber, dass das Widerspruchsverfahren eingestellt werde, da von dem Bescheid vom 29.10.2010 keine belastende Wirkung mehr ausgehe.
Am 27.01.2011 hat der Kläger Klage zum SG erhoben, zu deren Begründung er vorgebracht hat, die Beklagte sei verpflichtet, über den von ihm erhobenen Widerspruch zu entscheiden.
Die Beklagte ist der Klage unter Verweis auf ihr Schreiben vom 25.01.2011 entgegen getreten.
Nach Anhörung der Beteiligten (gerichtliches Schreiben vom 25.03.2011, dem Kläger am 01.04.2011 zugestellt) hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 24.11.2011 abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, das Befangenheitsgesuche des Klägers, die dieser während des Verfahrens am 26.04.2011 und am 30.08.2011 gestellt habe, es nicht daran hinderten, in der Sache zu entscheiden, da sie offensichtlich rechtsmissbräuchlich seien. Die Anträge zielten einzig darauf ab, den Kammervorsitzenden vom vorliegenden Verfahren auszuschließen, um die Bearbeitung des Verfahrens durch einen anderen Richter zu erreichen. Dem Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht sei nicht zu entsprechen, da dieser gleichfalls als grob rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren sei. Inhaltlich führe die Klage für den Kläger nicht zum Erfolg. Die Beklagte habe das Widerspruchsverfahren zu Recht eingestellt, da sich das Begehren des Klägers, die Bewilligung von Urlaub für den Zeitraum vom 01. - 21.11.2010, durch Zeitablauf erledigt habe. Auch den weiteren Anträgen des Klägers, die Beklagte zu verurteilen, die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu erstatten, festzustellen, dass das Verhalten der Beklagten rechtswidrig war, die Beklagte zu verurteilen, den Widerspruch vom 03.11.2010 zu verbescheiden, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet war, den beantragten Urlaub zu bewilligen, die Beklagte zu verurteilen, ihm alle Kosten und Nachteile, die aus ihrem rechtswidrigem Verhalten entstanden sind, zu ersetzen und (hilfsweise) eine sachdienliche Regelung von Seiten des Gerichts zu erlassen, sei nicht zu entsprechen.
Gegen den am 01.12.2011 gegenüber einem empfangsermächtigten Vertreter der Justizvollzugsanstalt Stuttgart zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 03.01.2012 Berufung eingelegt, mit der er seine Anträge vollumfänglich weiterverfolgt. Er bringt er vor, ihm sei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Er habe als Untersuchungshäftling keinen Einfluss auf die Postlaufzeiten. Üblicherweise gehe Post von Untersuchungsgefangenen auf dem Postweg zum Haftrichter und werde von dort freigegeben. Seine Post sei von der Justizvollzugsanstalt wegen fehlender Frankierung aufgehalten und erst auf seine Beschwerde hin auf dem Dienstweg befördert worden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 24. November 2011 aufzuheben und das Schreiben der Beklagten vom 25. Januar 2011 aufzuheben, die Beklagte zu verurteilen, die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu erstatten, festzustellen, dass das Verhalten der Beklagten rechtswidrig war, die Beklagte zu verurteilen, den Widerspruch vom 03. November 2010 zu verbescheiden, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet war, den beantragten Urlaub zu bewilligen, die Beklagte zu verurteilen, ihm alle Kosten und Nachteile, die aus ihrem rechtswidrigem Verhalten entstanden sind, zu ersetzen und hilfsweise eine sachdienliche Regelung von Seiten des Gerichts zu erlassen.
Die Beklagte hat sich im Berufungsverfahren nicht geäußert.
Der Senat hat bei der Justizvollzugsanstalt S. eine Auskunft zur Abwicklung des Briefverkehr der dort Inhaftierten eingeholt. Hr. E., Leiter der Briefüberwachung, hat hierzu unter dem 13.03.2012 mitgeteilt, dass eingehende Schreiben von Gerichten, die mit Zustellungsurkunde zugestellt werden, i.d.R. am selben Tag, an dem sie in der Anstalt zugehen, an die Gefangenen weitergeleitet würden. Schreiben von Gefangenen an Gerichte könnten anlässlich der Frühstücksausgabe von Montag bis Freitag in der Justizvollzugsanstalt abgegeben werden. Sie würden durch die Anstalt noch am selben Tag an das Gericht oder in den Postlauf weitergeleitet. Eine Kontrolle der Gefangenenpost an Gerichte erfolge nicht.
Der Senat hat dem Kläger die Möglichkeit eröffnet, Einsicht in die Verfahrens- und Verwaltungsakten zu nehmen, indem er die Akten in die Justizvollzugsanstalt S. übersandt hat. Der Kläger hat hiervon am 17.04.2012 Gebrauch gemacht. Unter dem 02.05.2012 hat der Senat, auf einen Antrag des Klägers hin, ein Vorführungsersuchen an die Justizvollzugsanstalt S. gerichtet.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz, die bei der Beklagten für den streitgegenständlichen Vorgang geführte Verwaltungsakte, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 16.05.2012 wurden, sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 16.05.2012 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung führt für den Kläger nicht zum Erfolg.
Der Senat konnte über die Berufung entscheiden, obschon der sich in Untersuchungshaft befindliche Kläger zu der mündlichen Verhandlung am 16.05.2012 nicht erschienen ist (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 21.09.2011 - L 3 AL 2514/10 -, Urteil vom 19.10.2011 - L 3 AL 3913/11 -; Beschlüsse des BSG vom 12.03.2012 in den vom Kläger dort betriebenen Verfahren - B 11 AL 43/11 BH - und - B 11 AL 44/11 BH -). Soweit der Kläger beantragt hat, ihn zur mündlichen Verhandlung vorzuführen, hat der Senat dem entsprochen und unter dem 02.05.2012 ein Vorführungsersuchen an die Justizvollzugsanstalt Stuttgart gerichtet. Wenn sich der Kläger, dessen persönliches Erscheinen nicht angeordnet war, nunmehr kurzzeitig - am Sitzungstag - weigert, sich ausführen zu lassen, ist er wie jeder andere Prozessbeteiligte zu behandeln, dem das Erscheinen zur mündlichen Verhandlung freigestellt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 21.06.1983 - 4 RJ 3/83 - veröffentlicht in juris); der Senat ist nicht daran gehindert ist, in der Sache zu entscheiden.
Der Senat war nicht verpflichtet, dem Kläger, wie von ihm beantragt, eine Kopie der Verfahrens- und Verwaltungsakte zu fertigen und zur Verfügung zu stellen. Der Antrag ist, da der Kläger eine Kopie der gesamten Akte begehrt hat, ohne ihn auf konkrete Aktenteile zu begrenzen, rechtsmissbräuchlich (Beschluss des erkennenden Senats vom 29.06.2011 - L 3 AL 1928/11 B -; Urteile des erkennenden Senats vom 21.09.2011, - L 3 AL 2514/10 -, - L 3 AL 2521/10 -, - L 3 AL 2641/10 -). Der Senat hat dem Kläger, seinem Hilfsantrag entsprechend, die Möglichkeit eröffnet, Einsicht in die Verfahrens- und Verwaltungsakten zu nehmen, in dem er die Akten in die Justizvollzugsanstalt Stuttgart Stammheim übersandt hat. Der Kläger hat hiervon Gebrauch gemacht.
Die Berufung des Klägers wurde verspätet eingelegt; sie ist als unzulässig zu verwerfen.
Gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Landessozialgericht - bzw. nach § 151 Abs. 2 Satz 1 SGG bei dem Sozialgericht - einzulegen.
Gemäß § 64 Abs.1 SGG beginnt der Lauf einer Frist grundsätzlich mit dem Tage nach der Zustellung der angefochtenen Entscheidung. Dies ist der in gesetzlicher Form zu bewirkende und zu beurkundende Akt, durch den dem Adressaten Gelegenheit zur Kenntnisnahme eines Schriftstücks verschafft wird. Zugestellt wird im sozialgerichtlichen Verfahren nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO, vgl. § 63 Abs. 2 SGG). Die Zustellung an einen Straf- oder Untersuchungsgefangenen kann, wie vorliegend geschehen, durch Aushändigung des zuzustellenden Schriftstücks an den Leiter der Justizvollzugsanstalt oder einen zur Entgegennahme befugten Vollzugsbediensteten im Wege einer Ersatzzustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 3 ZPO bewirkt werden (Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.06.2001 - 11 S 2290/00 - veröffentlicht in juris). Eine derartige Ersatzzustellung setzt nicht voraus, dass der Postzusteller den Adressaten nicht in der Justizvollzugsanstalt angetroffen hat. Ausweislich der aktenkundigen Postzustellungsurkunde wurde der Gerichtsbescheid des SG dem Bediensteten der Justizvollzugsanstalt am 01.12.2011 übergeben. Nach der schriftlichen Auskunft des Leiters der Briefüberwachung der Justizvollzugsanstalt S., Hr. E., vom 13.03.2012, an der zu zweifeln der Senat keinerlei Veranlassung sieht, wurden und werden Schriftstücke am jeweiligen Tag an die dortigen Insassen, so auch den Kläger, ausgehändigt. Anhaltspunkte dafür, dass dies im Falle des angefochtenen Gerichtsbescheides vom 22.11.2011 nicht so erfolgt ist, bestehen, da insb. der Kläger keinen abweichenden Zeitpunkt der Übergabe des Gerichtsbescheides an ihn benannt hat, nicht.
Mithin wurde dem Kläger der Gerichtsbescheid des SG, der eine vollständige und ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung i.S.d. § 66 Abs. 1 SGG beinhaltet hat, zur Überzeugung des Senats ordnungsgemäß am 01.12.2011 zugestellt. Die einmonatige Berufungsfrist begann mithin gemäß § 64 Abs. 1 SGG am Folgetag, dem 02.12.2011 zu laufen. Sie endete, da der 01.01.2012 ein Sonn- und Feiertag war, gem. §§ 64 Abs. 2, Abs. 3 SGG mit Ablauf des 02.01.2012, einem Montag. Der Kläger hat die Berufung am 03.01.2012, d.h. einen Tag nach Ablauf der Berufungsfrist beim SG eingelegt. Die Berufung ist mithin verfristet eingelegt worden.
Dem Kläger ist auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Gemäß § 67 Abs. 1 SGG ist jemanden, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Mithin ist nur im Fall einer unverschuldeten Fristversäumnis Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Dies setzt voraus, dass der Beteiligte diejenige Sorgfalt angewandt hat, die ein gewissenhaft Prozessführender nach den gesamten Umständen nach allgemeiner Verkehrsanschauung vernünftigerweise zugemutet werden kann (BSG, Urteil vom 31.03.1993 - 13 RJ 9/92 -; Urteil vom 27.05.2008 - B 2 U 5/07 R - m.w.N. jew. veröffentlicht in juris). Der Kläger hat zur Überzeugung des Senats die Berufungsfrist schuldhaft versäumt. Das Vorbringen des Klägers, zu Beginn seiner Haftzeit sei seine Post an Gerichte zensiert worden, sie sei wegen fehlender Frankierung angehalten und erst nach einer Beschwerde seinerseits per Dienstpost weitergeleitet worden, ist nicht geeignet, den Vorwurf der verschuldeten Fristversäumnis zu beseitigen. Der bloße Umstand, dass sich der Kläger in Untersuchungshaft befindet, ist kein Entschuldigungsgrund für die Versäumung einer Frist. Untersuchungsgefangene haben gemäß § 16 Abs. 1 des Zweiten Buches des Gesetzbuches über den Justizvollzug in Baden-Württemberg vom 10.11.2009 (GBl. 2009, 545) das Recht, unbeschränkt Schreiben abzusenden und zu empfangen. Der Kläger war also unter normalen Umständen nicht gehindert, rechtzeitig das Rechtsmittel einzulegen. Nur unter besonderen - hier nicht vorgetragenen und auch nicht ersichtlichen - Umständen, etwa der vom Beteiligten nicht zu vertretenden Unterbindung der Außenkontakte durch die Anstaltsleitung, könnte die Inhaftierung dazu führen, dass er ohne Verschulden verhindert ist, eine Frist einzuhalten (so ausdrücklich BSG, Beschluss vom 15.03.1995 - 13 BJ 17/95 – veröffentlicht in juris). Nach der schriftlichen Stellungnahme von Hr. E. unterliegen Schreiben von Inhaftierten an Gerichte keiner Kontrolle, mithin treten, anders als der Kläger vorbringt, keine unverschuldeten Verzögerungen ein. Auch hätte ein gewissenhaft Prozessführender seine Post, die an Gericht geht, die nicht in Haft- oder Strafsachen tätig sind, im Hinblick auf den regulären Postweg, ausreichend frankiert. Ein etwaiges Vertrauen darauf, dass seitens der Justizvollzugsanstalt eine für den Kläger kostenfreie Übersendung an alle Gericht (auch ausländische, die der Kläger gerichtsbekannterweise gleichfalls im Wege der Dienstpost anschreiben wollte), Behörden oder sonstige Institutionen gewährleistet wird, ist nicht geschützt; ein ggf. bestehender Irrtum des Klägers hierüber war jedenfalls nicht unverschuldet.
Mithin ist eine unverschuldete Fristversäumnis nicht glaubhaft gemacht, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht zu gewähren.
Die Berufung ist daher zu verwerfen.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Berufung auch unbegründet ist. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Beklagte hat das Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 29.10.2010 zu Recht eingestellt, da sich das Begehren des Klägers durch Zeitablauf i.S.d. § 39 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) erledigt hatte. Kosten des Widerspruchsverfahrens waren von der Beklagten nicht zu erstatten, da der Widerspruch des Klägers erfolglos geblieben ist (vgl. § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Eine Verpflichtung, den Widerspruch förmlich zu bescheiden, bestand für die Beklagte nicht. Die Feststellungsanträge waren in Ermangelung eines entsprechenden Feststellungs- bzw. Fortsetzungsfeststellungsinteresses unzulässig. Gleiches gilt für den Antrag, einen finanziellen Ausgleich zu gewähren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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