L 3 AL 2480/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AL 5476/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 2480/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16. Mai 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen ein Übersendungsschreiben der Beklagten.

Der am 18.01.1975 geborene Kläger stand mit Unterbrechungen im langjährigen Bezug von Leistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Er führte und führt deswegen vor dem Sozialgericht Karlsruhe (SG) und dem Landessozialgericht Baden-Württemberg zahlreiche Rechtsstreitigkeiten gegen die Beklagte.

Mit einem Schreiben vom 30.08.2010 übersandte die Beklagte dem Kläger einen Bescheid vom 27.08.2010 und führte hierzu aus, dieser werde nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand der Verfahren - S 11 AL 2039/09 -, - S 11 AL 4197/09 - und - S 11 AL 4467/09 -.

Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch, mit dem er geltend machte, der dem Schreiben vom 30.08.2010 beigefügte Bescheid sei ihm bislang nicht zugestellt worden, er sei ein neuer eigenständiger Streitgegenstand und werde daher nicht Gegenstand der von der Beklagten benannten Verfahren. Mit Widerspruchsbescheid vom 22.12.2010 verwarf die Beklagte den Widerspruch als unzulässig. Mit dem Schreiben vom 30.08.2010 würden, so die Beklagte, Rechte des Klägers weder begründet, entzogen oder festgestellt, so dass es nicht als ein, mit einem Widerspruch anfechtbarer Verwaltungsakt zu qualifizieren sei.

Am 27.12.2010 hat der Kläger Klage zum SG erhoben, zu deren Begründung er auf sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren verwiesen hat.

Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten und hat hierzu auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen. Ergänzend hat sie vorgebracht, über den vom Kläger gegen den Bescheid vom 27.08.2010 erhobenen Widerspruch habe sie mittlerweile entschieden.

Nach Anhörung der Beteiligten (gerichtliches Schreiben vom 16.03.2011, dem Kläger am 01.04.2011 zugestellt) hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 16.05.2011 abgewiesen. Zu Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, das Befangenheitsgesuch des Klägers, das dieser während des Verfahrens am 26.04.2011 gestellt habe, hindere es nicht daran, in der Sache zu entscheiden, da es offensichtlich rechtsmissbräuchlich sei. Der Antrag ziele einzig darauf ab, den Kammervorsitzenden vom vorliegenden Verfahren auszuschließen, um die Bearbeitung des Verfahrens durch einen anderen Richter zu erreichen. Dem Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht sei nicht zu entsprechen, da dieser gleichfalls als grob rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren sei. Der Antrag, das Schreiben vom 30.08.2010 aufzuheben sei bereits unzulässig, da die vom Kläger erhobene Anfechtungsklage nur gegen Verwaltungsakte zulässig sei. Das Schreiben der Beklagten vom 30.08.2010 sei jedoch kein Verwaltungsakt i. S. d. § 31 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), da hierdurch Rechte des Klägers nicht begründet, entzogen oder festgestellt worden seien. Zur Recht habe die Beklagte daher den Widerspruch des Klägers als unzulässig verworfen. Der Feststellungsantrag sei gleichfalls unzulässig, da die abstrakte Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verhaltens der Beklagten nicht möglich sei. Schließlich sei auch der Untätigkeitsantrag unzulässig, da die Beklagte über den Widerspruch des Klägers entschieden habe. Der Antrag, der Beklagten die Kosten des Klägers des Widerspruchsverfahrens aufzuerlegen sei nicht erfolgreich, da der Widerspruch des Klägers erfolglos geblieben sei.

Gegen den am 21.05.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 03.06.2011 Berufung eingelegt. Zu deren Begründung bringt er vor, das SG habe unzulässigerweise selbst über seinen Befangenheitsantrag entschieden, er sei nicht nach § 105 SGG angehört worden, ihm seien die beantragten Aktenkopien verweigert worden. Auch sei ihm eine Fahrkarte zur Wahrnehmung des Verhandlungstermins verweigert worden. In der Sache verbleibe es beim Inhalt des Widerspruchs und der Klage. Seit dem 13.09.2011 befindet sich der Kläger in Untersuchungshaft.

Der Kläger beantragt (zweckdienlich gefasst),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16. Mai 2011 und das Schreiben der Beklagten vom 30. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Dezember 2010 aufzuheben, festzustellen, dass das Verhalten der Beklagten rechtswidrig war, die Beklagte zu verurteilen, den von ihm erhobenen Widerspruch förmlich zu verbescheiden und ihm die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu erstatten,

Die Beklagte hat sich im Berufungsverfahren nicht geäußert.

Der Senat hat dem Kläger die Möglichkeit eröffnet, Einsicht in die Verfahrens- und Verwaltungsakten zu nehmen, indem er die Akten in die Justizvollzugsanstalt S. übersandt hat. Der Kläger hat hiervon am 17.04.2012 Gebrauch gemacht. Unter dem 02.05.2012 hat der Senat, auf einen Antrag des Klägers hin, ein Vorführungsersuchen an die Justizvollzugsanstalt S. gerichtet.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz, die bei der Beklagten für den streitgegenständlichen Vorgang geführte Verwaltungsakte, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 16.05.2012 wurden, sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 16.05.2012 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte Berufung (§ 143 Abs. 1 SGG) wurde form- und fristgerecht eingelegt (vgl. § 151 Abs. 1 SGG); sie ist zulässig. Die Berufung ist jedoch unbegründet.

Der Senat konnte über die Berufung entscheiden, obschon der sich in Untersuchungshaft befindliche Kläger zu der mündlichen Verhandlung am 16.05.2012 nicht erschienen ist (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 21.09.2011 - L 3 AL 2514/10 -, Urteil vom 19.10.2011 - L 3 AL 3913/11 -; Beschlüsse des BSG vom 12.03.2012 in den vom Kläger dort betriebenen Verfahren - B 11 AL 43/11 BH - und - B 11 AL 44/11 BH -). Soweit der Kläger beantragt hat, ihn zur mündlichen Verhandlung vorzuführen, hat der Senat dem entsprochen und unter dem 02.05.2012 ein Vorführungsersuchen an die Justizvollzugsanstalt S. gerichtet. Wenn sich der Kläger, dessen persönliches Erscheinen nicht angeordnet war, nunmehr kurzzeitig - am Sitzungstag - weigert, sich ausführen zu lassen, ist er wie jeder andere Prozessbeteiligte zu behandeln, dem das Erscheinen zur mündlichen Verhandlung freigestellt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 21.06.1983 - 4 RJ 3/83 - veröffentlicht in juris); der Senat ist nicht daran gehindert ist, in der Sache zu entscheiden.

Der Senat war nicht verpflichtet, dem Kläger, wie von ihm beantragt, eine Kopie der Verfahrens- und Verwaltungsakte zu fertigen und zur Verfügung zu stellen. Der Antrag ist, da der Kläger eine Kopie der gesamten Akte begehrt hat, ohne ihn auf konkrete Aktenteile zu begrenzen, rechtsmissbräuchlich (Beschluss des erkennenden Senats vom 29.06.2011 - L 3 AL 1928/11 B -; Urteile des erkennenden Senats vom 21.09.2011, - L 3 AL 2514/10 -, - L 3 AL 2521/10 -, - L 3 AL 2641/10 -). Der Senat hat dem Kläger, seinem Hilfsantrag entsprechend, die Möglichkeit eröffnet, Einsicht in die Verfahrens- und Verwaltungsakten zu nehmen, in dem er die Akten in die Justizvollzugsanstalt Stuttgart übersandt hat. Der Kläger hat hiervon Gebrauch gemacht. Soweit der Kläger mit der Berufung sein inhaltliches Begehren weiterverfolgt, ist die Berufung unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Senat weist die Berufung aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheides zurück und sieht von einer (weiteren) Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Im Übrigen leidet das erstinstanzliche Verfahren nicht unter den klägerseits angeführten Verfahrensmängeln. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist verfahrensfehlerfrei zustande gekommen. Das SG war nicht verpflichtet, dem Kläger Kopien der Akten zu übersenden, da der Kläger seinen Antrag nicht auf einzelne Aktenbestandteile konkretisiert hat (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 29.06.2011 - L 3 AL 1928/11 B – veröffentlicht in juris). Auch ist ein wesentlicher Verfahrensmangel nicht dadurch begründet, dass das SG selbst - im Rahmen des angefochtenen Gerichtsbescheides - über den Befangenheitsantrag des Klägers vom 26.04.2011 entschieden hat. Das Befangenheitsgesuch hat ein Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens nicht erfordert; es wurde offensichtlich nur zu Zweck gestellt, den Vorsitzenden aus dem Verfahren zu drängen. Über das offensichtlich unzulässige Befangenheitsgesuch konnte das SG daher selbst, ohne dass es eines - isolierten - förmlichen Beschlusses hierüber bedurft hätte, entscheiden. Auch wurde der Kläger zur in Aussicht genommenen Entscheidung im Wege eines Gerichtsbescheides ordnungsgemäß angehört. Das Hinweisschreiben vom 16.03.2011 wurde dem Kläger durch Niederlegung in seinen Briefkasten am 01.04.2011 zugestellt. Wenn der Kläger von Schriftstücken, die in seinen Brief eingeworfen werden, keine Kenntnis nimmt, liegt dies in seinem Verantwortungsbereich. Der Einwand, ihm sei eine Fahrkarte zum Termin verweigert worden und die Entscheidung sei mangels ordentlicher mündlicher Verhandlung unbeachtlich geht ins Leere, da das SG im Wege eines Gerichtsbescheides, d.h. ohne die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, entschieden hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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