Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 2 AS 2294/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 3469/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 08. August 2011 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Beklagte wendet sich mit seiner Berufung gegen einen Gerichtsbescheid, mit dem er für die Zeit ab dem 04.05.2010 zu Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) an die Klägerin verurteilt worden ist.
Die am 11.03.1965 geborene Klägerin bezog bis zum 30.04.2010 Arbeitslosengeld. Sie beantragte am 26.04.2010 "zum 01.05.2010" bei dem Beklagten Arbeitslosengeld II. An Vermögenswerten verfügte sie zu diesem Zeitpunkt über ein Girokonto bei der Postbank mit einem Guthaben von EUR 296,06, ein Sparguthaben bei der Commerzbank (Kto. Nr. 0) von EUR 8.365,64, ein Bausparguthaben bei der Bausparkasse M. (Kto. Nr. 0) von aktuell EUR 1.187,98 und ein Sparguthaben bei der Postbank (Kto. Nr. 0) von EUR 32,05. Die Klägerin machte Angaben zu ihrer Wohnung und teilte mit, sie lebe darin mit ihrer 21-jährigen Tochter und ihrer 72 Jahre alten Mutter, die ihrerseits Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehe. Aus den von der Klägerin im weiteren Antragsverfahren vorgelegten Kontoauszügen der Commerzbank war ersichtlich, dass sie von den genannten EUR 8.365,64 am 03.05.2010 EUR 2.000,00 und am 04.05.2010 EUR 6.000,00 abhob, sodass das Konto noch ein Guthaben von EUR 365,64 aufwies. Ferner legte die Klägerin Unterlagen über ein aufgenommenes Darlehen zum Erwerb eines Pkw im Jahre 2008 vor, das zum 24.02.2010 noch mit EUR 7.547,51 valutierte. Es wurden auch Auszüge eines Girokontos der Tochter bei der Sparkasse Tübingen und Lohnabrechnungen der Tochter vorgelegt.
Mit Bescheid vom 02.06.2010 lehnte der Beklagte den Antrag "für die Zeit vom 01.05. bis 30.06.2010" ab. Die Klägerin sei nicht bedürftig. Sie verfüge über verwertbares Vermögen von EUR 9.585,06, das die Vermögensfreibeträge von EUR 7.500,00 übersteige. Mit weiterem Bescheid vom selben Tage bewilligte der Beklagte der Klägerin für Juli 2010 EUR 169,40 und für August bis Oktober 2010 monatlich EUR 651,76.
Die Klägerin erhob am 14.06.2010 Widerspruch. Sie teilte mit, ihr sei am 15.04.2010 eine Abfindung in Höhe von EUR 10.354,00 zugeflossen. Sie habe diese Abfindung verbraucht. So habe sie in Raten seit 2008 Schulden bei ihren früheren Vermietern und dazu gehörende Verfahrenskosten getilgt. Im Mai 2007 habe sie eine Mietkaution für ihre jetzige Wohnung stellen müssen. Im April 2008 habe sie einen selbstverschuldeten Unfall mit ihrem Auto erlitten und deswegen die restliche Finanzierungssumme von EUR 7.376,63 an die finanzierende Bank zahlen müssen. Außerdem habe sie ein neues Auto kaufen müssen. Sie habe im Mai 2007 einen Kredit über EUR 10.000,00 aufgenommen, den sie und ihre Tochter mit EUR 181,00 monatlich tilgten. Die Auszahlungen von EUR 2.000,00 und EUR 6.000,00 am 03. und 04.05.2010 von dem Konto bei der Commerzbank habe sie zur Tilgung von Schulden verwandt, die sie bei ihrem Schwiegersohn und ihrer besten Freundin gehabt habe. Sie gab die Namen von Schwiegersohn und Freundin an. Zu der damaligen Finanzierung ihres zerstörten Pkw legte sie Unterlagen vor.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16.06.2010 zurück. Von der Abfindung seien bei Antragstellung zum 01.05.2010 noch EUR 8.365,64 vorhanden gewesen. Selbst wenn es die vorgebliche Schuldentilgung bei Schwiegersohn und Freundin, die erstaunlicherweise genau dem Schonvermögen von EUR 7.500,00 entsprochen habe und für die es keine Belege geben, gegeben habe, sei dies rechtlich unerheblich. Die Klägerin habe über ihr Vermögen frei verfügen können. Es habe zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung gestanden.
Am 15.07.2010 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben (S 4 AS 2294/10).
Zugleich suchte sie dort um einstweiligen Rechtsschutz nach (S 2 AS 2295/10 ER). Nachdem sie - entsprechend dem Bescheid vom 02.06.2010 - ab dem 01.08.2010 volle Leistungen ohne Berücksichtigung von Vermögen erhielt, erklärte sie das Eilverfahren am 10.08.2010 für erledigt.
Im Klageverfahren hat die Klägerin vorgetragen, von der Abfindung seien bei Antragstellung noch EUR 8.365,64 vorhanden gewesen. Dem hätten Schulden von EUR 10.656,22 gegenüber gestanden, darunter EUR 7.547,51 für das Darlehen zum Erwerb eines Pkw und EUR 1.881,16 Überziehungskredit bei der Postbank. Damit sei das Schonvermögen von EUR 7.500,00 weit unterschritten. Später hat sie ergänzend vorgetragen, sie habe die Abfindung verbraucht. Sie habe auf einen Überziehungskredit bei der Postbank am 04.05.2010 EUR 1.500,00 und am 01.07.2010 weitere EUR 300,00 eingezahlt. Am 06.05.2010 habe sie ihrer Freundin die ihr am 14.05.2008 ein Darlehen über EUR 1.500,00 gewährt habe, eben diesen Betrag zurückgezahlt. In einem Erörterungstermin vor dem SG am 23.11.2010 hat sie ferner vorgetragen, ihr Schwiegersohn habe ihr 12.05.2008 EUR 5.000,00 und am 20.10.2008 weitere EUR 2.000,00 geliehen, hier¬auf habe sie am 03.05.2010 EUR 2.000,00 und am 04.05.2010 EUR 4.000,00 zurückbezahlt. Die Klägerin legte hierzu Quittungen der Freundin und des Schwiegersohnes, beide ausgestellt am 28.06.2010, vor, auf die wegen ihres Inhalts und ihres Druckbildes verwiesen wird.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Unter Verweis auf seine Schriftsätze im Eilverfahren hat er vorgetragen, die Klägerin erhalte seit Juli 2010 Leistungen nach dem SGB II. Es lägen keine Nachweise für die Schuldentilgung vor. Auch habe die Klägerin während des Verfahren zum Verbleib ihres Vermögens andere Angaben gemacht als nunmehr über ihre Bevollmächtigte im Gerichtsverfahren. Es liege in ihrer eigenen Verantwortung, wie sie ihr Schonvermögen nach Antragstellung verwende. Bei Antragstellung habe kein Leistungsanspruch bestanden.
Mit Gerichtsbescheid vom 02.08.2011 hat das SG den Bescheid des Beklagten vom 02.06.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.06.2010 aufgehoben und den Beklagten verurteilt, der Klägerin für die Zeit ab dem 04.05.2010 Leistungen nach dem SGB II zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, bei Antragstellung am 01.05.2010 habe die Klägerin über ein die Freibeträge übersteigendes Vermögen verfügt. Durch die von den jeweiligen Empfängern bestätigten Zahlungen am 03. und 04.05.2010 sei das Vermögen jedoch ab dem 04.05.2010 soweit vermindert gewesen, dass nur ein unter den Freibeträgen liegender Anteil vorhanden gewesen sei. Ab diesem Zeitpunkt sei die Klägerin hilfebedürftig gewesen. Hierbei könne offen bleiben, ob den Zahlungen an Freundin und Schwiegersohn tatsächlich zu berücksichtigende Darlehensverträge zu Grunde gelegen hätten, entscheidend sei allein, dass die Zahlungen tatsächlich geflossen seien.
Gegen diesen, ihm am 09.08.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Beklagte am 15.08.2011 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Er rügt die Beweiswürdigung durch das SG als fehlerhaft. Es sei nicht glaubhaft, dass die Klägerin das die Freibeträge übersteigende Vermögen verbraucht habe. Ihre Angaben dazu im Antrags-, im Eil- und im Klagverfahren seien unterschiedlich gewesen. Es seien lediglich Schuldbescheinigungen von geringem Beweiswert vorgelegt worden. Gegen den Vortrag der Klägerin sprächen auch die Zuwendungen, die sie seit Mai 2010 von ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn erhalten habe und die sich aus den bei den späteren Fortzahlungsanträgen vorgelegten Kontoauszügen ergäben. Konkret habe die Klägerin am 05.07.2010, 11.08.2010, 06.09.2010 und 10.01.2011 Zahlungen ihrer Tochter und am 14.01. und 14.02.2011 Zahlungen ihres Schwiegersohns erhalten. Ferner sei der behauptete Verbrauch des Schonvermögens auch nicht rechtserheblich. Ein Verbrauch anrechenbaren Vermögens nach Antragstellung führe nicht zur Hilfebedürftigkeit. Insoweit könne auf den Einkommensbegriff zurückgegriffen werden. Dass die Klägerin in der Zeit ohne Leistungen nicht hilfebedürftig gewesen sei, zeige sich auch daran, dass sie gegenüber dem Beklagten keine Notlage geltend gemacht und insbesondere nicht um Lebensmittelgutscheine nachgesucht habe.
Der Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 08. August 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Sie trägt vor, in dem sozialen Umfeld, dem sie und die Darlehensgeber angehörten, sei es nicht üblich, rechtlich korrekte Darlehensverträge schriftlich abzufassen. Die Widersprüche in ihren Angaben beruhten darauf, dass sie im Antrags- und Widerspruchsverfahren nicht anwaltlich vertreten gewesen sei. Erst ihre Prozessbevollmächtigte habe den Sachverhalt umfänglich ermittelt und Belege vorlegen lassen. Die Klägerin sei guten Glaubens gewesen, mit der Abfindung zunächst ihre Schulden zurückzahlen zu dürfen. Das Darlehen ihres Schwiegersohns habe sie dringend tilgen müssen, da dieser die Hochzeit mit ihrer Tochter im Oktober 2010 vorbereitet habe. Das Darlehen ihrer Freundin habe sie benötigt, um die Kosten aus dem Autounfall im Jahre 2008 zu decken. Die Zeit ohne Leistungen habe sie durch Aufnahme neuer Schulden überbrückt. Die vom Beklagten vorgetragenen Zahlungen ihrer Tochter und ihres Schwiegersohns habe sie als Darlehen erhalten, weil die Leistungen des Beklagten zur Bestreitung des Lebensunterhalts nicht ausgereicht hätten. Hierzu hat die Klägerin handschriftliche Bescheinigungen der Darlehensgeber vorgelegt. Ferner hat die Klägerin einen weiteren Kontoauszug der Commerzbank vorgelegt, aus dem sich ergibt, dass sie bereits am 21.04.2011 EUR 2.000,00 abgehoben hatte.
Der Berichterstatter des Senats hat die Klägerin persönlich angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung ihrer Tochter, der Zeugin S., ihres Schwiegersohns, des Zeugen S., und ihrer Freundin, der Zeugin M ...
Die Klägerin hat angegeben, die Abfindung, die sie im April 2010 erhalten habe, habe von ihrem früheren Arbeitgeber gestammt. Sie habe nach dem Totalschaden ihres damaligen Pkw den restlichen Finanzierungsbetrag von EUR 7.376,63 am 14.05.2008 an die finanzierende Bank zahlen müssen. Sie habe jenes Geld nicht aufbringen können. Die Zeugin M. habe ihr daraufhin EUR 1.500,00 geliehen. Es sei nicht konkret abgesprochen, wann und wie, aber beiden Beteiligten klar gewesen, dass das Geld zurückgezahlt werden müsse. Der Zeuge S. habe ihr - der Klägerin - wegen des zerstörten Autos EUR 5.000,00 gegeben. Woher der Zeuge jenes Geld genommen habe, wisse sie nicht. Auch mit ihm sei nicht konkret abgesprochen worden, wie das Geld zurückzuzahlen sei. Sie - die Klägerin - habe geglaubt, weiterhin erwerbstätig zu sein und das Geld einmal zurückzahlen zu können. Der Zeuge S. habe ihr später weitere EUR 2.000,00 geliehen. Dies habe mit den Kosten für den Haushalt und das neue Auto zusammengehangen. Nach Erhalt der Abfindung im April 2010 habe sie wie vorgetragen die Schulden bei der Zeugin M. und dem Zeugen S. getilgt. Auf Nachfrage zu den Quittungen der Zeugen hat die Klägerin angegeben, diese Quittungen habe ihre Tochter, die Zeugin S. erstellt, und der Zeugin M. und dem Zeugen S. später zur Unterschrift gegeben. Bei Rückgabe des Geldes habe sie - die Klägerin - keine Quittungen verlangt.
Die Zeugin M. hat bekundet, sie habe der Klägerin im Jahre 2008 EUR 1.500,00 geliehen, weil der Pkw der Klägerin einen Totalschaden gehabt habe und die Klägerin sehr traurig gewesen sei. Die Klägerin habe ihr regelmäßig zugesagt, zurückzuzahlen. Sie habe dann das Geld im Jahre 2010 zurückgezahlt. Es seien Scheine zu 50 und 100 Euro gewesen. Sie habe der Klägerin weder bei Rückgabe noch später eine Quittung erteilt. Auf Nachfrage zu der Quittung vom 28.06.2010 hat die Zeugin bekundet, sie habe damit nur bestätigt, dass sie der Klägerin 2008 Geld geliehen habe. Die Quittung hätten die Klägerin und sie - die Zeugin - gemeinsam auf einem Computer geschrieben und ausgedruckt. Die Tochter der Klägerin sei daran nicht beteiligt gewesen. Das Geld, das sie - die Zeugin - von der Klägerin zurückerhalten habe, habe sie nicht auf ein Konto eingezahlt, sondern im Haushalt verbraucht.
Der Zeuge S. hat angegeben, vor einigen Jahren sei etwas mit dem Auto der Klägerin gewesen, was genau, wisse er nicht, er habe damals danach auch nicht gefragt. Er habe der Klägerin damals das Geld gegeben, das sie benötigt habe, es seien EUR 7.000,00 gewesen. In der Folgezeit habe er ihr weitere, kleinere Beträge gegeben. Es könne zutreffen, dass er der Klägerin einmal EUR 5.000,00 und einmal EUR 2.000,00 gegeben habe. Es sei für ihn kein Problem gewesen, er habe gespart und zu Hause immer viel Geld. Es sei damals nicht darüber gesprochen worden, wann das Geld zurückgezahlt werden solle. Er habe auch nicht nachgefragt, er habe die wirtschaftliche Lage der Klägerin gekannt. Die Klägerin habe dann das Geld etwa nach zwei Jahren zurückgezahlt. Es könnten EUR 6.000,00 gewesen sein. Sie habe ihm die Rückzahlung angeboten, er selbst habe ihr gesagt, sie könne das Geld ruhig noch behalten. Er habe die EUR 6.000,00 auf einmal zurückerhalten. Er habe es in bar erhalten. Die Klägerin habe das Geld in großen Scheinen dabei gehabt. Es seien Scheine zu 500 Euro dabei gewesen. Es seien rote und auch gelbe Scheine dabei gewesen. Ohne Nachfrage hat der Zeuge spontan bekundet, er habe einmal EUR 4.000,00 und einmal EUR 2.000,00 erhalten. Schriftliches habe es nicht gegeben. Mit der Quittung vom 28.06.2010 habe er - der Zeuge - bestätigt, der Klägerin 2008 Geld geliehen zu haben. Wer das Schreiben aufgesetzt habe, könne er nicht sagen. Er habe am 02.10.2010 geheiratet. Die Kosten der Hochzeit hätten seine Eltern und die Klägerin unter sich ausgemacht; er habe nichts bezahlt. Es seien aber auch andere Kosten angefallen. Es könne sein, dass sein Vater etwas ungeduldig gewesen sei und er - der Zeuge - vielleicht einmal etwas angedeutet habe.
Die Zeugin S. hat bekundet, die Klägerin habe sie 2008 gebeten, den Zeugen S. zu fragen, ob dieser der Klägerin Geld geben könne. Die sei später auch geschehen. Warum die Klägerin dieses Geld benötigt habe, wisse sie nicht, vielleicht habe es mit Todesfällen bzw. Beerdigungen zusammengehangen. Auf Nachfrage hat die Zeugin mitgeteilt, es habe dort einen Unfall mit dem Auto gegeben. Die Klägerin habe dann mit ihrer Abfindung das Geld an den Zeugen S. zurückgegeben. Die Hochzeit sei teuer gewesen, aber von der Klägerin und den Eltern des Zeugen S. finanziert worden. Es seien aber weitere Kosten angefallen, so hätten sie und der Zeuge ein Haus gekauft und Renovierungskosten gehabt. Auf Vorhalt der Quittungen vom 28.06.2010 hat die Zeugen mitgeteilt, es könne sein, dass sie diese Schriftstücke schon einmal gesehen habe, sie selbst - die Zeugin - habe sie jedoch nicht geschrieben.
Wegen des weiteren Ergebnisses der Anhörung und der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung vom 05.10.2011 verwiesen.
Der Beklagte hat sich mit Schriftsatz vom 21.10.2011, die Klägerin unter dem 07.11.2011 mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung über die Berufung, nachdem sich beide Beteiligte mit diesem Verfahren einverstanden erklärt haben.
1. Die Berufung ist zulässig. Insbesondere war sie nicht nach § 105 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig. Der Beklagte ist aus dem angegriffenen Gerichtsbescheid um mehr als EUR 750,00 beschwert. Der Beklagte ist zur Gewährung von Arbeitslosengeld II ab dem 04.05.2010 verurteilt worden. Ausgehend von den EUR 651,76 monatlich, die der Klägerin ab August 2010 bewilligt worden waren, müsste der Beklagte für die 76 Tage des Streitzeitraums bis Ende Juli 2010 - abzüglich der für Juli bereits bewilligten EUR 169,40 - noch EUR 1.481,72 nachbewilligen.
2. Die Berufung ist auch begründet. Das SG hat der Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1, Abs. 4 SGG) für die Zeit ab dem 04.05.2010 zu Unrecht stattgegeben. Die Klägerin hatte auch ab diesem Zeitpunkt keinen Anspruch auf Leistungen nach §§ 19 ff. SGB II. Sie war durchgängig nicht hilfebedürftig im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 9 Abs. 1 SGB II.
a) Dass der Klägerin bei Antragstellung - wobei es unerheblich ist, ob hier auf den 26.04. oder den 01.05.2010 abgestellt wird - ein die Freibeträge übersteigendes und daher anrechenbares Vermögen zustand, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Als 45-jährige betrug ihr Grundfreibetrag nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II EUR 6.750,00; hinzu kam der Anschaffungsfreibetrag von EUR 750,00 nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB II. Dies waren zusammen EUR 7.500,00. Dem stand zumindest bis zum 03.05.2010 ein höheres Vermögen gegenüber. Allein das aus der Abfindung ihres früheren Arbeitgebers herrührende Guthaben auf dem Konto der Commerzbank, das jederzeit verfügbar war, betrug bis zum 03.05.2010 EUR 8.365,64.
b) Entgegen der Ansicht des Beklagten ist es allerdings für die Leistungsansprüche ab dem 04.05.2010 erheblich, ob die Klägerin zu diesem Zeitpunkt ihr Vermögen teilweise verbraucht hatte und das verbleibende Vermögen dann unterhalb der genannten Freibetragsgrenze lag. So wie im Rahmen von Verpflichtungs- und anderen Leistungsklagen das Gericht über die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (in einer Tatsacheninstanz) entscheidet, so hat eine Behörde ihrer Entscheidung über einen Leistungsantrag die Lage bei Erlass des Bescheids zu Grunde zu legen. Erst für die Zeit ab Erlass (bzw.) Wirksamkeit eines Bescheids sieht das Sozialverfahrensrecht mit den §§ 44 ff. Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) Regeln über eine spätere Abänderung, insbesondere eine Anpassung an veränderte Verhältnisse (§ 48 SGB X), vor. Aus der Existenz dieser Regeln folgt, dass Änderungen der Sach- oder Rechtslage zwischen Antragstellung und Entscheidung über den Antrag in dieser Entscheidung berücksichtigt werden müssen. Für einen speziellen Fall einer solchen Veränderung, nämlich die Veränderung des Wertes eines anrechenbaren Vermögens, enthält § 12 Abs. 4 SGB II eine solche Vorschrift. Nach Satz 2 dieser Norm ist zwar grundsätzlich der Zeitpunkt maßgebend, in dem der Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II gestellt wird. Diese Regel entspricht der konstitutiven Wirkung des Leistungsantrags nach § 37 Abs. 1 SGB II. Jedoch bestimmt § 12 Abs. 4 Satz 3 SGB II, dass wesentliche Änderungen des Verkehrswerts - und damit des Vermögens im Ganzen - zu berücksichtigen seien (vgl. hierzu Mecke, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 12 Rn. 98 f.; Radüge, in: JurisPK SGB II, 3. Aufl. 2012, § 12 Rn. 194). Dass insbesondere eine dem Antragsteller günstige Veränderung seiner Vermögensverhältnisse nach Antragstellung nicht unberücksichtigt bleiben darf, zeigt auch ein Vergleich mit der Konstellation, dass das Vermögen erst nach Bescheiderteilung, also nach der Ablehnung, vermindert wird. Hier kann der Antragsteller nach § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) sogar eine Abänderung des schon bestandskräftigen Bescheids verlangen, ggfs. nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X sogar rückwirkend. Es wäre nicht nachzuvollziehen, warum ein Antragsteller schlechter gestellt würde, wenn sich sein Vermögen sogar schon vor Bescheiderteilung vermindert hat (vgl. Mecke, a.a.O., Rn. 99). Es ist dann ggfs. zu bewilligen. Offen stehen dem Grundsicherungsträger dann allenfalls Sanktionsmöglichkeiten (§ 31 Abs. 4 Nr. 1 SGB II a.F.) oder Ersatzansprüche (§ 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II a.F.) wegen Verschleuderung bzw. treuwidriger Verminderung des eigenen Vermögens.
c) Der Senat ist jedoch nicht davon überzeugt, dass die Klägerin ihr Vermögen ab dem 04.05.2010 soweit vermindert hatte, das die Freibetragsgrenzen des § 12 Abs. 1 Nrn. 1 und 4 SGB II nicht mehr überschritten waren. Insoweit würdigt der Senat die tatsächliche Seite anders als das SG. Der Vortrag der Klägerin, sie habe die am 03. und 04.05.2010 abgehobenen EUR 8.000,00 zur Tilgung von Darlehensverbindlichkeiten verbraucht, hat sich nach Ausschöpfung aller relevanten Ermittlungsmöglichkeiten nicht bestätigen lassen. Es verbleiben erhebliche restliche Zweifel an diesem Vortrag. Die (materielle) Beweislast für ihr Vorbringen trägt aber die Klägerin, nachdem es um die Anspruchsvoraussetzung der Hilfebedürftigkeit geht.
Bereits nach ihrem eigenen Vortrag hat die Klägerin EUR 500,00 von den genannten EUR 8.000,00 auf ihr im Soll stehendes Girokonto eingezahlt. Dieser Vortrag überzeugt nicht, wenn man in Rechnung stellt, dass der Zeuge S. nach den Angaben der Klägerin und auch nach der von ihr vorgelegten Bescheinigung vom 28.06.2010 ein Darlehen über EUR 7.000,00 gegeben hatte, die Klägerin ihm aber im Mai 2010 nur EUR 6.000,00 zurückbezahlt haben will. Insbesondere wenn berücksichtigt wird, dass sich die Klägerin wegen der bevorstehenden Hochzeit unter Druck gesetzt gefühlt hat, Schulden bei ihrem Schwiegersohn zu tilgen, ist nicht ersichtlich, warum sie dem Zeugen nicht zumindest auch die verbleibenden EUR 500,00 zurückgezahlt hat.
Ferner konnte sich der Senat wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme nicht von der Richtigkeit des klägerischen Vortrags überzeugen. Die Zeugen haben zwar im Grundsatz übereinstimmend den Vortrag der Klägerin bestätigt, ihr im Jahre 2008 im Zusammenhang mit dem verunfallten Auto (einem BMW) Geld geliehen zu haben. Auch die genannten Beträge - EUR 1.500,00 von der Zeugen M., EUR 5.000,00 vom Zeugen S. und weitere etwa EUR 1.400,00 aus dem damals aufgelösten Bausparvertrag der Klägerin - stimmen in etwa mit der damaligen Restschuld gegenüber der finanzierenden Bank überein. Es mag daher davon ausgegangen werden, dass sich die Klägerin damals Geld geliehen hat. Die Angaben der Zeugen, untereinander, aber auch mit dem Vortrag der Klägerin, verglichen, waren aber zu widersprüchlich, als dass eine Rückzahlung dieser Beträge im Mai 2010 angenommen werden könnte. Insbesondere die Angaben zu den vorgelegten Quittungen vom 28.06.2010 überzeugen nicht. Dass die beiden Quittungen denselben Urheber haben, ergibt sich bereits aus ihrem Schriftbild und ihrer Wortwahl. Die Klägerin hat dies auch bestätigt. Sie hat allerdings angegeben, ihre Tochter, die Zeugin S., habe die Quittungen erstellt. Diesen Vortrag hat die Zeugin S. selbst nicht bestätigt, sondern bestritten. Die Zeugin M. hat demgegenüber angegeben, sie selbst und die Klägerin hätten zumindest die eine Quittung gemeinsam ausgedruckt. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Quittungen nicht zeitnah bei den vermeintlichen Rückzahlungen im Mai 2010, sondern mehr als sechs Wochen später erstellt worden sein sollen. Auch die Angaben der Zeugen zu den Stückelungen der Barzahlungen bei der behaupteten Darlehensrückzahlung konnten nicht überzeugen. Die Zeugin M. hat insoweit von 50- und 100-Euro-Scheinen gesprochen, der Zeuge S. von - ausschließlich - 200- und 500-Euro-Scheinen. Dies überzeugt nicht, nachdem beide Rückzahlungen aus der Abhebung der EUR 6.000,00 am 04.05.2010 stammen sollen.
Vor diesem Hintergrund sind auch die Zweifel nicht ausgeräumt, die deshalb bestehen, weil die Klägerin während der verschiedenen Verfahrensabschnitte unterschiedlich vorgetragen hat. Noch im Eil- und im Klageverfahren hatte sie zunächst nur die erhaltene Abfindung den vorhandenen Schulden gegenübergestellt und - rein rechtlich - mit einer Saldierung argumentiert. Die Rückzahlung an die Zeugin M. wurde dann mit Schriftsatz vom 28.07.2010, die Rückzahlung an den Zeugen S. sogar erstmals in dem Erörterungstermin vor dem SG am 23.11.2010 vorgetragen. Es trifft zwar zu, dass die Klägerin selbst bei ihrer Widerspruchseinlegung am 14.06.2010 die Zahlungen an die Zeugen bereits erwähnt hatte. Aber auch dort hatte sie in erster Linie auf andere Punkte verwiesen, um den Verbrauch der Abfindung zu erklären, unter anderem auf die Tilgung von Schulden bei ihrem früheren Vermieter und die Bedienung eines Kredits bei der Postbank.
Da der Senat hiernach bereits nicht davon überzeugt ist, dass die fragliche Abfindung tatsächlich aus der Verfügungsmacht der Klägerin ausgeschieden ist, kommt es nicht auf die Frage an, ob die vorgetragenen Rückzahlungspflichten gegenüber den Zeugen rechtlich wirksam waren, ob also die Zahlungen im Jahre 2008 tatsächlich auf Grund Darlehens oder aber auf Grund Schenkung oder unbenannter familienbedingter Zuwendung erfolgt waren.
d) Da dem Leistungsanspruch der Klägerin im Streitzeitraum schon anrechenbares Vermögen (§ 12 Abs. 1 SGB II) entgegenstand, ist ferner nicht zu entscheiden, ob die Zuwendung der EUR 500,00 am 02.07.2010 durch die Zeugin S. - die weiteren Zuwendungen der Tochter und des Schwiegersohns liegen außerhalb des Streitzeitraums dieses Verfahrens - als anrechenbares Einkommen nach § 11 Abs. 1 SGB II a.F. zumindest für den Monat Juli ebenfalls einem weiteren Leistungsanspruch entgegenstand.
3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
4. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Beklagte wendet sich mit seiner Berufung gegen einen Gerichtsbescheid, mit dem er für die Zeit ab dem 04.05.2010 zu Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) an die Klägerin verurteilt worden ist.
Die am 11.03.1965 geborene Klägerin bezog bis zum 30.04.2010 Arbeitslosengeld. Sie beantragte am 26.04.2010 "zum 01.05.2010" bei dem Beklagten Arbeitslosengeld II. An Vermögenswerten verfügte sie zu diesem Zeitpunkt über ein Girokonto bei der Postbank mit einem Guthaben von EUR 296,06, ein Sparguthaben bei der Commerzbank (Kto. Nr. 0) von EUR 8.365,64, ein Bausparguthaben bei der Bausparkasse M. (Kto. Nr. 0) von aktuell EUR 1.187,98 und ein Sparguthaben bei der Postbank (Kto. Nr. 0) von EUR 32,05. Die Klägerin machte Angaben zu ihrer Wohnung und teilte mit, sie lebe darin mit ihrer 21-jährigen Tochter und ihrer 72 Jahre alten Mutter, die ihrerseits Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehe. Aus den von der Klägerin im weiteren Antragsverfahren vorgelegten Kontoauszügen der Commerzbank war ersichtlich, dass sie von den genannten EUR 8.365,64 am 03.05.2010 EUR 2.000,00 und am 04.05.2010 EUR 6.000,00 abhob, sodass das Konto noch ein Guthaben von EUR 365,64 aufwies. Ferner legte die Klägerin Unterlagen über ein aufgenommenes Darlehen zum Erwerb eines Pkw im Jahre 2008 vor, das zum 24.02.2010 noch mit EUR 7.547,51 valutierte. Es wurden auch Auszüge eines Girokontos der Tochter bei der Sparkasse Tübingen und Lohnabrechnungen der Tochter vorgelegt.
Mit Bescheid vom 02.06.2010 lehnte der Beklagte den Antrag "für die Zeit vom 01.05. bis 30.06.2010" ab. Die Klägerin sei nicht bedürftig. Sie verfüge über verwertbares Vermögen von EUR 9.585,06, das die Vermögensfreibeträge von EUR 7.500,00 übersteige. Mit weiterem Bescheid vom selben Tage bewilligte der Beklagte der Klägerin für Juli 2010 EUR 169,40 und für August bis Oktober 2010 monatlich EUR 651,76.
Die Klägerin erhob am 14.06.2010 Widerspruch. Sie teilte mit, ihr sei am 15.04.2010 eine Abfindung in Höhe von EUR 10.354,00 zugeflossen. Sie habe diese Abfindung verbraucht. So habe sie in Raten seit 2008 Schulden bei ihren früheren Vermietern und dazu gehörende Verfahrenskosten getilgt. Im Mai 2007 habe sie eine Mietkaution für ihre jetzige Wohnung stellen müssen. Im April 2008 habe sie einen selbstverschuldeten Unfall mit ihrem Auto erlitten und deswegen die restliche Finanzierungssumme von EUR 7.376,63 an die finanzierende Bank zahlen müssen. Außerdem habe sie ein neues Auto kaufen müssen. Sie habe im Mai 2007 einen Kredit über EUR 10.000,00 aufgenommen, den sie und ihre Tochter mit EUR 181,00 monatlich tilgten. Die Auszahlungen von EUR 2.000,00 und EUR 6.000,00 am 03. und 04.05.2010 von dem Konto bei der Commerzbank habe sie zur Tilgung von Schulden verwandt, die sie bei ihrem Schwiegersohn und ihrer besten Freundin gehabt habe. Sie gab die Namen von Schwiegersohn und Freundin an. Zu der damaligen Finanzierung ihres zerstörten Pkw legte sie Unterlagen vor.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16.06.2010 zurück. Von der Abfindung seien bei Antragstellung zum 01.05.2010 noch EUR 8.365,64 vorhanden gewesen. Selbst wenn es die vorgebliche Schuldentilgung bei Schwiegersohn und Freundin, die erstaunlicherweise genau dem Schonvermögen von EUR 7.500,00 entsprochen habe und für die es keine Belege geben, gegeben habe, sei dies rechtlich unerheblich. Die Klägerin habe über ihr Vermögen frei verfügen können. Es habe zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung gestanden.
Am 15.07.2010 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben (S 4 AS 2294/10).
Zugleich suchte sie dort um einstweiligen Rechtsschutz nach (S 2 AS 2295/10 ER). Nachdem sie - entsprechend dem Bescheid vom 02.06.2010 - ab dem 01.08.2010 volle Leistungen ohne Berücksichtigung von Vermögen erhielt, erklärte sie das Eilverfahren am 10.08.2010 für erledigt.
Im Klageverfahren hat die Klägerin vorgetragen, von der Abfindung seien bei Antragstellung noch EUR 8.365,64 vorhanden gewesen. Dem hätten Schulden von EUR 10.656,22 gegenüber gestanden, darunter EUR 7.547,51 für das Darlehen zum Erwerb eines Pkw und EUR 1.881,16 Überziehungskredit bei der Postbank. Damit sei das Schonvermögen von EUR 7.500,00 weit unterschritten. Später hat sie ergänzend vorgetragen, sie habe die Abfindung verbraucht. Sie habe auf einen Überziehungskredit bei der Postbank am 04.05.2010 EUR 1.500,00 und am 01.07.2010 weitere EUR 300,00 eingezahlt. Am 06.05.2010 habe sie ihrer Freundin die ihr am 14.05.2008 ein Darlehen über EUR 1.500,00 gewährt habe, eben diesen Betrag zurückgezahlt. In einem Erörterungstermin vor dem SG am 23.11.2010 hat sie ferner vorgetragen, ihr Schwiegersohn habe ihr 12.05.2008 EUR 5.000,00 und am 20.10.2008 weitere EUR 2.000,00 geliehen, hier¬auf habe sie am 03.05.2010 EUR 2.000,00 und am 04.05.2010 EUR 4.000,00 zurückbezahlt. Die Klägerin legte hierzu Quittungen der Freundin und des Schwiegersohnes, beide ausgestellt am 28.06.2010, vor, auf die wegen ihres Inhalts und ihres Druckbildes verwiesen wird.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Unter Verweis auf seine Schriftsätze im Eilverfahren hat er vorgetragen, die Klägerin erhalte seit Juli 2010 Leistungen nach dem SGB II. Es lägen keine Nachweise für die Schuldentilgung vor. Auch habe die Klägerin während des Verfahren zum Verbleib ihres Vermögens andere Angaben gemacht als nunmehr über ihre Bevollmächtigte im Gerichtsverfahren. Es liege in ihrer eigenen Verantwortung, wie sie ihr Schonvermögen nach Antragstellung verwende. Bei Antragstellung habe kein Leistungsanspruch bestanden.
Mit Gerichtsbescheid vom 02.08.2011 hat das SG den Bescheid des Beklagten vom 02.06.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.06.2010 aufgehoben und den Beklagten verurteilt, der Klägerin für die Zeit ab dem 04.05.2010 Leistungen nach dem SGB II zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, bei Antragstellung am 01.05.2010 habe die Klägerin über ein die Freibeträge übersteigendes Vermögen verfügt. Durch die von den jeweiligen Empfängern bestätigten Zahlungen am 03. und 04.05.2010 sei das Vermögen jedoch ab dem 04.05.2010 soweit vermindert gewesen, dass nur ein unter den Freibeträgen liegender Anteil vorhanden gewesen sei. Ab diesem Zeitpunkt sei die Klägerin hilfebedürftig gewesen. Hierbei könne offen bleiben, ob den Zahlungen an Freundin und Schwiegersohn tatsächlich zu berücksichtigende Darlehensverträge zu Grunde gelegen hätten, entscheidend sei allein, dass die Zahlungen tatsächlich geflossen seien.
Gegen diesen, ihm am 09.08.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Beklagte am 15.08.2011 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Er rügt die Beweiswürdigung durch das SG als fehlerhaft. Es sei nicht glaubhaft, dass die Klägerin das die Freibeträge übersteigende Vermögen verbraucht habe. Ihre Angaben dazu im Antrags-, im Eil- und im Klagverfahren seien unterschiedlich gewesen. Es seien lediglich Schuldbescheinigungen von geringem Beweiswert vorgelegt worden. Gegen den Vortrag der Klägerin sprächen auch die Zuwendungen, die sie seit Mai 2010 von ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn erhalten habe und die sich aus den bei den späteren Fortzahlungsanträgen vorgelegten Kontoauszügen ergäben. Konkret habe die Klägerin am 05.07.2010, 11.08.2010, 06.09.2010 und 10.01.2011 Zahlungen ihrer Tochter und am 14.01. und 14.02.2011 Zahlungen ihres Schwiegersohns erhalten. Ferner sei der behauptete Verbrauch des Schonvermögens auch nicht rechtserheblich. Ein Verbrauch anrechenbaren Vermögens nach Antragstellung führe nicht zur Hilfebedürftigkeit. Insoweit könne auf den Einkommensbegriff zurückgegriffen werden. Dass die Klägerin in der Zeit ohne Leistungen nicht hilfebedürftig gewesen sei, zeige sich auch daran, dass sie gegenüber dem Beklagten keine Notlage geltend gemacht und insbesondere nicht um Lebensmittelgutscheine nachgesucht habe.
Der Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 08. August 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Sie trägt vor, in dem sozialen Umfeld, dem sie und die Darlehensgeber angehörten, sei es nicht üblich, rechtlich korrekte Darlehensverträge schriftlich abzufassen. Die Widersprüche in ihren Angaben beruhten darauf, dass sie im Antrags- und Widerspruchsverfahren nicht anwaltlich vertreten gewesen sei. Erst ihre Prozessbevollmächtigte habe den Sachverhalt umfänglich ermittelt und Belege vorlegen lassen. Die Klägerin sei guten Glaubens gewesen, mit der Abfindung zunächst ihre Schulden zurückzahlen zu dürfen. Das Darlehen ihres Schwiegersohns habe sie dringend tilgen müssen, da dieser die Hochzeit mit ihrer Tochter im Oktober 2010 vorbereitet habe. Das Darlehen ihrer Freundin habe sie benötigt, um die Kosten aus dem Autounfall im Jahre 2008 zu decken. Die Zeit ohne Leistungen habe sie durch Aufnahme neuer Schulden überbrückt. Die vom Beklagten vorgetragenen Zahlungen ihrer Tochter und ihres Schwiegersohns habe sie als Darlehen erhalten, weil die Leistungen des Beklagten zur Bestreitung des Lebensunterhalts nicht ausgereicht hätten. Hierzu hat die Klägerin handschriftliche Bescheinigungen der Darlehensgeber vorgelegt. Ferner hat die Klägerin einen weiteren Kontoauszug der Commerzbank vorgelegt, aus dem sich ergibt, dass sie bereits am 21.04.2011 EUR 2.000,00 abgehoben hatte.
Der Berichterstatter des Senats hat die Klägerin persönlich angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung ihrer Tochter, der Zeugin S., ihres Schwiegersohns, des Zeugen S., und ihrer Freundin, der Zeugin M ...
Die Klägerin hat angegeben, die Abfindung, die sie im April 2010 erhalten habe, habe von ihrem früheren Arbeitgeber gestammt. Sie habe nach dem Totalschaden ihres damaligen Pkw den restlichen Finanzierungsbetrag von EUR 7.376,63 am 14.05.2008 an die finanzierende Bank zahlen müssen. Sie habe jenes Geld nicht aufbringen können. Die Zeugin M. habe ihr daraufhin EUR 1.500,00 geliehen. Es sei nicht konkret abgesprochen, wann und wie, aber beiden Beteiligten klar gewesen, dass das Geld zurückgezahlt werden müsse. Der Zeuge S. habe ihr - der Klägerin - wegen des zerstörten Autos EUR 5.000,00 gegeben. Woher der Zeuge jenes Geld genommen habe, wisse sie nicht. Auch mit ihm sei nicht konkret abgesprochen worden, wie das Geld zurückzuzahlen sei. Sie - die Klägerin - habe geglaubt, weiterhin erwerbstätig zu sein und das Geld einmal zurückzahlen zu können. Der Zeuge S. habe ihr später weitere EUR 2.000,00 geliehen. Dies habe mit den Kosten für den Haushalt und das neue Auto zusammengehangen. Nach Erhalt der Abfindung im April 2010 habe sie wie vorgetragen die Schulden bei der Zeugin M. und dem Zeugen S. getilgt. Auf Nachfrage zu den Quittungen der Zeugen hat die Klägerin angegeben, diese Quittungen habe ihre Tochter, die Zeugin S. erstellt, und der Zeugin M. und dem Zeugen S. später zur Unterschrift gegeben. Bei Rückgabe des Geldes habe sie - die Klägerin - keine Quittungen verlangt.
Die Zeugin M. hat bekundet, sie habe der Klägerin im Jahre 2008 EUR 1.500,00 geliehen, weil der Pkw der Klägerin einen Totalschaden gehabt habe und die Klägerin sehr traurig gewesen sei. Die Klägerin habe ihr regelmäßig zugesagt, zurückzuzahlen. Sie habe dann das Geld im Jahre 2010 zurückgezahlt. Es seien Scheine zu 50 und 100 Euro gewesen. Sie habe der Klägerin weder bei Rückgabe noch später eine Quittung erteilt. Auf Nachfrage zu der Quittung vom 28.06.2010 hat die Zeugin bekundet, sie habe damit nur bestätigt, dass sie der Klägerin 2008 Geld geliehen habe. Die Quittung hätten die Klägerin und sie - die Zeugin - gemeinsam auf einem Computer geschrieben und ausgedruckt. Die Tochter der Klägerin sei daran nicht beteiligt gewesen. Das Geld, das sie - die Zeugin - von der Klägerin zurückerhalten habe, habe sie nicht auf ein Konto eingezahlt, sondern im Haushalt verbraucht.
Der Zeuge S. hat angegeben, vor einigen Jahren sei etwas mit dem Auto der Klägerin gewesen, was genau, wisse er nicht, er habe damals danach auch nicht gefragt. Er habe der Klägerin damals das Geld gegeben, das sie benötigt habe, es seien EUR 7.000,00 gewesen. In der Folgezeit habe er ihr weitere, kleinere Beträge gegeben. Es könne zutreffen, dass er der Klägerin einmal EUR 5.000,00 und einmal EUR 2.000,00 gegeben habe. Es sei für ihn kein Problem gewesen, er habe gespart und zu Hause immer viel Geld. Es sei damals nicht darüber gesprochen worden, wann das Geld zurückgezahlt werden solle. Er habe auch nicht nachgefragt, er habe die wirtschaftliche Lage der Klägerin gekannt. Die Klägerin habe dann das Geld etwa nach zwei Jahren zurückgezahlt. Es könnten EUR 6.000,00 gewesen sein. Sie habe ihm die Rückzahlung angeboten, er selbst habe ihr gesagt, sie könne das Geld ruhig noch behalten. Er habe die EUR 6.000,00 auf einmal zurückerhalten. Er habe es in bar erhalten. Die Klägerin habe das Geld in großen Scheinen dabei gehabt. Es seien Scheine zu 500 Euro dabei gewesen. Es seien rote und auch gelbe Scheine dabei gewesen. Ohne Nachfrage hat der Zeuge spontan bekundet, er habe einmal EUR 4.000,00 und einmal EUR 2.000,00 erhalten. Schriftliches habe es nicht gegeben. Mit der Quittung vom 28.06.2010 habe er - der Zeuge - bestätigt, der Klägerin 2008 Geld geliehen zu haben. Wer das Schreiben aufgesetzt habe, könne er nicht sagen. Er habe am 02.10.2010 geheiratet. Die Kosten der Hochzeit hätten seine Eltern und die Klägerin unter sich ausgemacht; er habe nichts bezahlt. Es seien aber auch andere Kosten angefallen. Es könne sein, dass sein Vater etwas ungeduldig gewesen sei und er - der Zeuge - vielleicht einmal etwas angedeutet habe.
Die Zeugin S. hat bekundet, die Klägerin habe sie 2008 gebeten, den Zeugen S. zu fragen, ob dieser der Klägerin Geld geben könne. Die sei später auch geschehen. Warum die Klägerin dieses Geld benötigt habe, wisse sie nicht, vielleicht habe es mit Todesfällen bzw. Beerdigungen zusammengehangen. Auf Nachfrage hat die Zeugin mitgeteilt, es habe dort einen Unfall mit dem Auto gegeben. Die Klägerin habe dann mit ihrer Abfindung das Geld an den Zeugen S. zurückgegeben. Die Hochzeit sei teuer gewesen, aber von der Klägerin und den Eltern des Zeugen S. finanziert worden. Es seien aber weitere Kosten angefallen, so hätten sie und der Zeuge ein Haus gekauft und Renovierungskosten gehabt. Auf Vorhalt der Quittungen vom 28.06.2010 hat die Zeugen mitgeteilt, es könne sein, dass sie diese Schriftstücke schon einmal gesehen habe, sie selbst - die Zeugin - habe sie jedoch nicht geschrieben.
Wegen des weiteren Ergebnisses der Anhörung und der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung vom 05.10.2011 verwiesen.
Der Beklagte hat sich mit Schriftsatz vom 21.10.2011, die Klägerin unter dem 07.11.2011 mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung über die Berufung, nachdem sich beide Beteiligte mit diesem Verfahren einverstanden erklärt haben.
1. Die Berufung ist zulässig. Insbesondere war sie nicht nach § 105 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig. Der Beklagte ist aus dem angegriffenen Gerichtsbescheid um mehr als EUR 750,00 beschwert. Der Beklagte ist zur Gewährung von Arbeitslosengeld II ab dem 04.05.2010 verurteilt worden. Ausgehend von den EUR 651,76 monatlich, die der Klägerin ab August 2010 bewilligt worden waren, müsste der Beklagte für die 76 Tage des Streitzeitraums bis Ende Juli 2010 - abzüglich der für Juli bereits bewilligten EUR 169,40 - noch EUR 1.481,72 nachbewilligen.
2. Die Berufung ist auch begründet. Das SG hat der Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1, Abs. 4 SGG) für die Zeit ab dem 04.05.2010 zu Unrecht stattgegeben. Die Klägerin hatte auch ab diesem Zeitpunkt keinen Anspruch auf Leistungen nach §§ 19 ff. SGB II. Sie war durchgängig nicht hilfebedürftig im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 9 Abs. 1 SGB II.
a) Dass der Klägerin bei Antragstellung - wobei es unerheblich ist, ob hier auf den 26.04. oder den 01.05.2010 abgestellt wird - ein die Freibeträge übersteigendes und daher anrechenbares Vermögen zustand, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Als 45-jährige betrug ihr Grundfreibetrag nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II EUR 6.750,00; hinzu kam der Anschaffungsfreibetrag von EUR 750,00 nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB II. Dies waren zusammen EUR 7.500,00. Dem stand zumindest bis zum 03.05.2010 ein höheres Vermögen gegenüber. Allein das aus der Abfindung ihres früheren Arbeitgebers herrührende Guthaben auf dem Konto der Commerzbank, das jederzeit verfügbar war, betrug bis zum 03.05.2010 EUR 8.365,64.
b) Entgegen der Ansicht des Beklagten ist es allerdings für die Leistungsansprüche ab dem 04.05.2010 erheblich, ob die Klägerin zu diesem Zeitpunkt ihr Vermögen teilweise verbraucht hatte und das verbleibende Vermögen dann unterhalb der genannten Freibetragsgrenze lag. So wie im Rahmen von Verpflichtungs- und anderen Leistungsklagen das Gericht über die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (in einer Tatsacheninstanz) entscheidet, so hat eine Behörde ihrer Entscheidung über einen Leistungsantrag die Lage bei Erlass des Bescheids zu Grunde zu legen. Erst für die Zeit ab Erlass (bzw.) Wirksamkeit eines Bescheids sieht das Sozialverfahrensrecht mit den §§ 44 ff. Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) Regeln über eine spätere Abänderung, insbesondere eine Anpassung an veränderte Verhältnisse (§ 48 SGB X), vor. Aus der Existenz dieser Regeln folgt, dass Änderungen der Sach- oder Rechtslage zwischen Antragstellung und Entscheidung über den Antrag in dieser Entscheidung berücksichtigt werden müssen. Für einen speziellen Fall einer solchen Veränderung, nämlich die Veränderung des Wertes eines anrechenbaren Vermögens, enthält § 12 Abs. 4 SGB II eine solche Vorschrift. Nach Satz 2 dieser Norm ist zwar grundsätzlich der Zeitpunkt maßgebend, in dem der Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II gestellt wird. Diese Regel entspricht der konstitutiven Wirkung des Leistungsantrags nach § 37 Abs. 1 SGB II. Jedoch bestimmt § 12 Abs. 4 Satz 3 SGB II, dass wesentliche Änderungen des Verkehrswerts - und damit des Vermögens im Ganzen - zu berücksichtigen seien (vgl. hierzu Mecke, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 12 Rn. 98 f.; Radüge, in: JurisPK SGB II, 3. Aufl. 2012, § 12 Rn. 194). Dass insbesondere eine dem Antragsteller günstige Veränderung seiner Vermögensverhältnisse nach Antragstellung nicht unberücksichtigt bleiben darf, zeigt auch ein Vergleich mit der Konstellation, dass das Vermögen erst nach Bescheiderteilung, also nach der Ablehnung, vermindert wird. Hier kann der Antragsteller nach § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) sogar eine Abänderung des schon bestandskräftigen Bescheids verlangen, ggfs. nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X sogar rückwirkend. Es wäre nicht nachzuvollziehen, warum ein Antragsteller schlechter gestellt würde, wenn sich sein Vermögen sogar schon vor Bescheiderteilung vermindert hat (vgl. Mecke, a.a.O., Rn. 99). Es ist dann ggfs. zu bewilligen. Offen stehen dem Grundsicherungsträger dann allenfalls Sanktionsmöglichkeiten (§ 31 Abs. 4 Nr. 1 SGB II a.F.) oder Ersatzansprüche (§ 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II a.F.) wegen Verschleuderung bzw. treuwidriger Verminderung des eigenen Vermögens.
c) Der Senat ist jedoch nicht davon überzeugt, dass die Klägerin ihr Vermögen ab dem 04.05.2010 soweit vermindert hatte, das die Freibetragsgrenzen des § 12 Abs. 1 Nrn. 1 und 4 SGB II nicht mehr überschritten waren. Insoweit würdigt der Senat die tatsächliche Seite anders als das SG. Der Vortrag der Klägerin, sie habe die am 03. und 04.05.2010 abgehobenen EUR 8.000,00 zur Tilgung von Darlehensverbindlichkeiten verbraucht, hat sich nach Ausschöpfung aller relevanten Ermittlungsmöglichkeiten nicht bestätigen lassen. Es verbleiben erhebliche restliche Zweifel an diesem Vortrag. Die (materielle) Beweislast für ihr Vorbringen trägt aber die Klägerin, nachdem es um die Anspruchsvoraussetzung der Hilfebedürftigkeit geht.
Bereits nach ihrem eigenen Vortrag hat die Klägerin EUR 500,00 von den genannten EUR 8.000,00 auf ihr im Soll stehendes Girokonto eingezahlt. Dieser Vortrag überzeugt nicht, wenn man in Rechnung stellt, dass der Zeuge S. nach den Angaben der Klägerin und auch nach der von ihr vorgelegten Bescheinigung vom 28.06.2010 ein Darlehen über EUR 7.000,00 gegeben hatte, die Klägerin ihm aber im Mai 2010 nur EUR 6.000,00 zurückbezahlt haben will. Insbesondere wenn berücksichtigt wird, dass sich die Klägerin wegen der bevorstehenden Hochzeit unter Druck gesetzt gefühlt hat, Schulden bei ihrem Schwiegersohn zu tilgen, ist nicht ersichtlich, warum sie dem Zeugen nicht zumindest auch die verbleibenden EUR 500,00 zurückgezahlt hat.
Ferner konnte sich der Senat wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme nicht von der Richtigkeit des klägerischen Vortrags überzeugen. Die Zeugen haben zwar im Grundsatz übereinstimmend den Vortrag der Klägerin bestätigt, ihr im Jahre 2008 im Zusammenhang mit dem verunfallten Auto (einem BMW) Geld geliehen zu haben. Auch die genannten Beträge - EUR 1.500,00 von der Zeugen M., EUR 5.000,00 vom Zeugen S. und weitere etwa EUR 1.400,00 aus dem damals aufgelösten Bausparvertrag der Klägerin - stimmen in etwa mit der damaligen Restschuld gegenüber der finanzierenden Bank überein. Es mag daher davon ausgegangen werden, dass sich die Klägerin damals Geld geliehen hat. Die Angaben der Zeugen, untereinander, aber auch mit dem Vortrag der Klägerin, verglichen, waren aber zu widersprüchlich, als dass eine Rückzahlung dieser Beträge im Mai 2010 angenommen werden könnte. Insbesondere die Angaben zu den vorgelegten Quittungen vom 28.06.2010 überzeugen nicht. Dass die beiden Quittungen denselben Urheber haben, ergibt sich bereits aus ihrem Schriftbild und ihrer Wortwahl. Die Klägerin hat dies auch bestätigt. Sie hat allerdings angegeben, ihre Tochter, die Zeugin S., habe die Quittungen erstellt. Diesen Vortrag hat die Zeugin S. selbst nicht bestätigt, sondern bestritten. Die Zeugin M. hat demgegenüber angegeben, sie selbst und die Klägerin hätten zumindest die eine Quittung gemeinsam ausgedruckt. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Quittungen nicht zeitnah bei den vermeintlichen Rückzahlungen im Mai 2010, sondern mehr als sechs Wochen später erstellt worden sein sollen. Auch die Angaben der Zeugen zu den Stückelungen der Barzahlungen bei der behaupteten Darlehensrückzahlung konnten nicht überzeugen. Die Zeugin M. hat insoweit von 50- und 100-Euro-Scheinen gesprochen, der Zeuge S. von - ausschließlich - 200- und 500-Euro-Scheinen. Dies überzeugt nicht, nachdem beide Rückzahlungen aus der Abhebung der EUR 6.000,00 am 04.05.2010 stammen sollen.
Vor diesem Hintergrund sind auch die Zweifel nicht ausgeräumt, die deshalb bestehen, weil die Klägerin während der verschiedenen Verfahrensabschnitte unterschiedlich vorgetragen hat. Noch im Eil- und im Klageverfahren hatte sie zunächst nur die erhaltene Abfindung den vorhandenen Schulden gegenübergestellt und - rein rechtlich - mit einer Saldierung argumentiert. Die Rückzahlung an die Zeugin M. wurde dann mit Schriftsatz vom 28.07.2010, die Rückzahlung an den Zeugen S. sogar erstmals in dem Erörterungstermin vor dem SG am 23.11.2010 vorgetragen. Es trifft zwar zu, dass die Klägerin selbst bei ihrer Widerspruchseinlegung am 14.06.2010 die Zahlungen an die Zeugen bereits erwähnt hatte. Aber auch dort hatte sie in erster Linie auf andere Punkte verwiesen, um den Verbrauch der Abfindung zu erklären, unter anderem auf die Tilgung von Schulden bei ihrem früheren Vermieter und die Bedienung eines Kredits bei der Postbank.
Da der Senat hiernach bereits nicht davon überzeugt ist, dass die fragliche Abfindung tatsächlich aus der Verfügungsmacht der Klägerin ausgeschieden ist, kommt es nicht auf die Frage an, ob die vorgetragenen Rückzahlungspflichten gegenüber den Zeugen rechtlich wirksam waren, ob also die Zahlungen im Jahre 2008 tatsächlich auf Grund Darlehens oder aber auf Grund Schenkung oder unbenannter familienbedingter Zuwendung erfolgt waren.
d) Da dem Leistungsanspruch der Klägerin im Streitzeitraum schon anrechenbares Vermögen (§ 12 Abs. 1 SGB II) entgegenstand, ist ferner nicht zu entscheiden, ob die Zuwendung der EUR 500,00 am 02.07.2010 durch die Zeugin S. - die weiteren Zuwendungen der Tochter und des Schwiegersohns liegen außerhalb des Streitzeitraums dieses Verfahrens - als anrechenbares Einkommen nach § 11 Abs. 1 SGB II a.F. zumindest für den Monat Juli ebenfalls einem weiteren Leistungsanspruch entgegenstand.
3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
4. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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