Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 3 SO 1095/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 SO 5679/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 16. November 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von dem Beklagten Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe, SGB XII).
Der 1953 geborene und Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitssuchende, SGB II) beziehende Kläger beantragte am 8.12.2008 bei dem Beklagten "Hilfe zum Lebensunterhalt" nachdem das für die Leistungsgewährung nach dem SGB II zuständige Jobcenter Landkreis K. mit Bescheid vom 1.12.2008 den Wegfall des Arbeitslosengeldes II (Alg II) für den Zeitraum vom 1.1. bis 31.3.2009 aufgrund einer Sanktion nach § 31 SGB II a.F. festgestellt hatte.
Der Kläger teilte dem Beklagten mit, die Alg II-Bewilligung laufe Ende Dezember 2008 aus und machte u.a. geltend, er sei nicht mehr erwerbsfähig, weil er vom Jobcenter so schikaniert werde, dass er inzwischen psychisch demoralisiert sei. Aufgrund der Sanktionen habe er ständig Erkältungen, ohne zum Arzt gehen zu können.
Mit Bescheid vom 12.12.2008 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Erwerbsfähige Personen, die dem Grunde nach anspruchsberechtigt nach dem SGB II seien, könnten keine Leistungen nach dem Dritten oder Vierten Kapitel des SGB XII erhalten. Der Kläger solle dringend beim Jobcenter einen Antrag auf ergänzende Sachleistungen stellen, insbesondere zur Aufrechterhaltung des Krankenversicherungsschutzes. Den hiergegen am 14.1.2009 eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6.3.2009 - zugestellt am 13.3.2009 – zurück. Für eine Erwerbsunfähigkeit des Klägers bestünden keine Anhaltspunkte, so dass ein Ersuchen gemäß § 45 SGB XII nicht durchzuführen sei.
Hiergegen hat der Kläger am 14.4.2009 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben und zur Begründung u.a. vorgebracht, die Verweigerung von Leistungen nach dem SGB II wegen Sanktionen sei verfassungswidrig. Die verhängten Sanktionen hätten seine Erwerbsunfähigkeit bewirkt. Der Beklagte habe sich mit der medizinischen Frage seiner Erwerbsfähigkeit nicht befasst und keine Ermittlungen angestellt.
Zwischenzeitlich hat auf Antrag des Klägers das Landessozialgericht Baden-Württemberg mit Beschluss vom 8.1.2010 (L 7 AS 3968/09 ER-B) das Jobcenter Landkreis K. verpflichtet, dem Kläger vorläufig Leistungen nach dem SGB II im Januar 2009 in Höhe von 442,48 EUR, für Februar und März 2009 in Höhe von jeweils 302,48 EUR abzüglich bereits erfolgter Zahlungen in Höhe von insgesamt 417,44 EUR zu gewähren.
Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 16.11.2011 die Klage abgewiesen. Ein Anspruch auf Leistungen der Sozialhilfe bestehe nicht, weder auf laufende Hilfe zum Lebensunterhalts noch auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Der Kläger sei erwerbsfähig und daher dem Grunde nach anspruchsberechtigt nach dem SGB II. Mangels konkreter Angaben des Klägers zu etwaigen Gesundheitsstörungen oder Vorlage entsprechender Unterlagen habe weder für den Beklagten noch für das Gericht Anlass bestanden, sich mit der Frage der Erwerbsfähigkeit des Klägers auseinander zu setzen oder Ermittlungen "ins Blaue hinein" anzustellen.
Gegen den ihm am 22.11.2011 mit Postzustellungsurkunde zugestellten Gerichtsbescheid des SG hat sich der Kläger mit Schreiben vom 17.12.2011, beim SG am 19.12.2011 eingegangen, gewandt und mündliche Verhandlung, hilfsweise Berufung beantragt. Das SG hat die Akten dem Landessozialgericht Baden-Württemberg vorgelegt. Der Kläger nimmt zur Begründung der Berufung auf sein bisheriges Vorbringen Bezug. Unter den 2009 gegebenen Umständen hatte ihm Sozialhilfe gewährt werden müssen. Außerdem sei das Sanktionensystem des SGB II verfassungswidrig.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger mitgeteilt, dass das SG zwischenzeitlich alle Sanktionsbescheide des Jobcenters, die den Zeitraum 1.1. bis 31.3.2009 betrafen, aufgehoben hat und er vom Jobcenter Leistungen nach dem SGB II in voller Höhe nachgezahlt bekommen hat.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 16. November 2011 sowie den Bescheid des Beklagten vom 12. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. März 2009 aufzuheben und festzustellen, dass ihm der Beklagte im Zeitraum vom 1. Januar bis 31. März 2009 Leistungen nach dem Dritten oder Vierten Kapitel des SGB XII zu Unrecht versagt hat.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er nimmt auf die Begründungen der angefochtenen Bescheide Bezug. Die vom Jobcenter verhängten Sanktionen könnten nicht durch die Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII umgangen werden. Der Kläger könne in solchen Fällen ergänzende Sachleistungen beim SGB II-Träger beantragen, wie im Sanktionsbescheid mitgeteilt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
I.
Der vom Kläger gestellte Antrag auf mündliche Verhandlung ist nicht statthaft, denn gegen den Gerichtsbescheid des SG ist die Berufung gegeben (§ 105 Abs. 2 Satz 2 SGG). Die form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 Abs. 1 SGG) und statthafte Berufung ist zulässig.
II.
Die Berufung ist - auch soweit der Kläger seinen ursprünglichen Leistungsantrag in einen Fortsetzungsfeststellungsantrag umgestellt hat - nicht begründet. Zu Recht hat das SG mit dem Gerichtsbescheid vom 16.11.2011 die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger ist erwerbsfähig und hat dem Grunde nach Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Deshalb hat er hat weder Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Dritten Kapitel des SGB XII, noch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII. Deshalb hat ihm der Beklagte im Zeitraum vom 1.1. bis 31.3.2009 auch nicht zu Unrecht Leistungen nach dem SGB XII versagt.
Nach § 21 Satz 1 SGB XII erhalten Personen, die nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbu-ches leistungsberechtigt sind, - vom hier nicht einschlägigen Ausnahmefall des § 34 SGB XII abgesehen - keine Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem Zwölften Buch; eine korres-pondierende Ausschlussregelung ist in § 5 Abs. 2 Satz 1 SGB II normiert. Danach schließt der dem Grunde nach bestehende Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (vgl. § 7 SGB II) Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII aus.
Am Vorrang der Leistungen nach SGB II gegenüber solchen nach dem SGB XII ändert es nichts, wenn das Jobcenter in Anwendung des § 31 SGB II die Gewährung von Leistungen - vorliegend ab Januar 2009 - abgelehnt hat. Vielmehr muss der Kläger – wie er es auch teilweise erfolgreich getan hat – insoweit gegen das Jobcenter vorgehen. Eine subsidiäre Einstandspflicht des SGB XII entsteht nicht. § 31 Abs. 6 Satz 4 SGB II a.F. (jetzt: § 31b Abs. 2 SGB II) stellt ausdrücklich klar, dass Minderung und Wegfall des Arbeitslosengeldes II keinen Anspruch auf laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch zur Folge hat. Auch das Jobcenter geht im Übrigen weiterhin davon aus, dass der Kläger "dem Grunde nach leistungsberechtigt" nach dem Zweiten Buch ist, wie dies in § 21 Satz 1 SGB XII vorausgesetzt wird.
Der Kläger ist als erwerbsloser Hilfebedürftiger dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II. Leistungen nach dem SGB II erhalten gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die u.a. das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind. Nach der gesetzlichen Definition in § 8 Abs. 1 SGB II ist erwerbsfähig, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Hiervon ist zur Überzeugung des Senats beim Kläger auszugehen. Es gibt keinerlei objektive Hinweise darauf, dass beim Kläger Erwerbsminderung vorliegen könnte. Der erwerbsfähige Kläger hat daher dem Grunde nach bis zu einer endgültigen Feststellung der Erwerbsfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit durch den Rentenversicherungsträger gemäß § 45 Abs. 1 SGB XII oder durch die Agentur für Arbeit gemäß § 44a SGB II grundsätzlich Anspruch auf Leistungen zum Lebensunterhalt in Form von Arbeitslosengeld II. Das Jobcenter prüft die Anspruchsvoraussetzungen und damit auch die Erwerbsfähigkeit von Amts wegen. Es bestimmt nach pflichtgemäßem Ermessen Art und Umfang der Ermittlungen (§ 20 SGB X). Anlass für nähere Ermittlungen ergibt sich regelmäßig nur, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass es an den Voraussetzungen der Erwerbsfähigkeit fehlen könnte, wobei die Selbsteinschätzung des Klägers zwar ein zu berücksichtigender Punkt sein kann, aber es müssen außerdem weitere objektive Indizien hinzutreten (vgl. Hackethal in: jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2011, § 8 RdNr. 27), an denen es vorliegend fehlt. Es gibt keinen Anlass zur Einleitung eines Verfahrens zur Prüfung der Erwerbsfähigkeit, da kein vernünftiger Zweifel daran besteht, dass der Kläger erwerbsfähig ist. Solange die Erwerbsfähigkeit im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB II nicht in einer - auch für den Beklagten - verbindlichen Weise geklärt ist, gehen die Leistungen nach dem Zweiten solchen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch vor, wie sich aus § 44a Abs. 1 Satz 3 SGB II a.F. (jetzt: § 44a Abs. 1 Satz 6 SGB II) ergibt. Das SG hat dies alles zutreffend ausgeführt.
Der Kläger hat zur Begründung seines Antrages auf Gewährung von Leistungen nach dem Zwölften Buch lediglich ausgeführt, er "werde vom Jobcenter seit Juli 2007 aber so schikaniert, dass er inzwischen wegen vollständiger Demoralisierung psychisch nicht mehr erwerbsfähig" sei. Weder im Verwaltungs- noch im Gerichtsverfahren hat der Kläger jedoch (mit Ausnahme insoweit irrelevanter Erkältungen) konkrete Gesundheitsstörungen angegeben, aus denen sich seine Erwerbsunfähigkeit ergeben könnte, noch entsprechende Unterlagen für seine Behauptung, er sei erwerbsunfähig, vorgelegt. Mangels konkreter Angaben des Klägers zu seinen Gesund¬heitsstörungen und mangels Vorlage entsprechender Unterlagen bestand für den Beklagten auch keine Veranlassung, sich mit der Frage der Erwerbsfähigkeit des Klägers auseinander zu setzen. Die bloße Behauptung des Klägers, erwerbsunfähig zu sein, löst noch keine Ermittlungspflicht des Beklagten "ins Blaue hinein" hinsichtlich seiner Erwerbsfähigkeit aus. Auch das SG hatte keinen Anlass, hierzu Ermittlungen von Amts wegen anzustellen. Ein Anspruch auf eigenständige Prüfung der dauerhaften vollen Erwerbsminderung i.S. des § 41 Abs. 3 SGB XII setzt voraus, dass es aufgrund von Angaben und Nachweisen des Leistungsberechtigten als wahrscheinlich erscheint, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind (§ 45 Abs. 1 Satz 1 SGB XII). Hieran fehlt es jedoch völlig. Der Sozialhilfeträger ist nicht verpflichtet, den Rentenversicherungsträger um entsprechende Prüfung zu ersuchen, wenn der Hilfebedürftige eine volle Erwerbsminderung behauptet, aber jegliche Belege hierfür oder sonstige Nachweise fehlen (vgl. Blüggel in: jurisPK-SGB XII, § 45 RdNr. 22).
Im Übrigen scheint auch der Kläger selbst davon auszugehen, weiterhin zum Kreis der Leistungsberechtigten nach dem Zweiten Buch zu gehören. Dies belegt sein Antrag auf Gewährung von Leistungen der Sozialhilfe, in dem er sich ausdrücklich noch zum Kreis der Leistungsberechtigten nach dem Zweiten Buch gehörig bezeichnet. Hierfür spricht auch die Begründung seines Antrages auf Gewährung von Sozialhilfeleistungen. Aufgrund der Anwendung der verfassungswidrigen Sanktionsnorm des § 31 SGB II sehe er sich existentiell bedroht, weshalb er den Antrag auf Sozialhilfe stelle. Weiter zeigt dies auch die Tatsache, dass der Kläger das Jobcenter Landkreis K. erfolgreich auf die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II in Anspruch genommen hat.
Gegenüber dem Jobcenter, nicht gegenüber dem Beklagten, ist zu klären, ob und welche Sanktionen nach den §§ 31 ff. SGB II verhängt werden können und ob und ggf. welche ergänzenden Sachleistungen zu gewähren sind, um das Existenzminimum sicher zu stellen. Auch wenn dem Kläger durch etwaige rechtswidrige Verhängungen von Sanktionen und Absenkungen des Alg II ein Schaden entstanden sein sollte, ist dieser gegenüber dem Jobcenter geltend zu machen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von dem Beklagten Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe, SGB XII).
Der 1953 geborene und Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitssuchende, SGB II) beziehende Kläger beantragte am 8.12.2008 bei dem Beklagten "Hilfe zum Lebensunterhalt" nachdem das für die Leistungsgewährung nach dem SGB II zuständige Jobcenter Landkreis K. mit Bescheid vom 1.12.2008 den Wegfall des Arbeitslosengeldes II (Alg II) für den Zeitraum vom 1.1. bis 31.3.2009 aufgrund einer Sanktion nach § 31 SGB II a.F. festgestellt hatte.
Der Kläger teilte dem Beklagten mit, die Alg II-Bewilligung laufe Ende Dezember 2008 aus und machte u.a. geltend, er sei nicht mehr erwerbsfähig, weil er vom Jobcenter so schikaniert werde, dass er inzwischen psychisch demoralisiert sei. Aufgrund der Sanktionen habe er ständig Erkältungen, ohne zum Arzt gehen zu können.
Mit Bescheid vom 12.12.2008 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Erwerbsfähige Personen, die dem Grunde nach anspruchsberechtigt nach dem SGB II seien, könnten keine Leistungen nach dem Dritten oder Vierten Kapitel des SGB XII erhalten. Der Kläger solle dringend beim Jobcenter einen Antrag auf ergänzende Sachleistungen stellen, insbesondere zur Aufrechterhaltung des Krankenversicherungsschutzes. Den hiergegen am 14.1.2009 eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6.3.2009 - zugestellt am 13.3.2009 – zurück. Für eine Erwerbsunfähigkeit des Klägers bestünden keine Anhaltspunkte, so dass ein Ersuchen gemäß § 45 SGB XII nicht durchzuführen sei.
Hiergegen hat der Kläger am 14.4.2009 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben und zur Begründung u.a. vorgebracht, die Verweigerung von Leistungen nach dem SGB II wegen Sanktionen sei verfassungswidrig. Die verhängten Sanktionen hätten seine Erwerbsunfähigkeit bewirkt. Der Beklagte habe sich mit der medizinischen Frage seiner Erwerbsfähigkeit nicht befasst und keine Ermittlungen angestellt.
Zwischenzeitlich hat auf Antrag des Klägers das Landessozialgericht Baden-Württemberg mit Beschluss vom 8.1.2010 (L 7 AS 3968/09 ER-B) das Jobcenter Landkreis K. verpflichtet, dem Kläger vorläufig Leistungen nach dem SGB II im Januar 2009 in Höhe von 442,48 EUR, für Februar und März 2009 in Höhe von jeweils 302,48 EUR abzüglich bereits erfolgter Zahlungen in Höhe von insgesamt 417,44 EUR zu gewähren.
Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 16.11.2011 die Klage abgewiesen. Ein Anspruch auf Leistungen der Sozialhilfe bestehe nicht, weder auf laufende Hilfe zum Lebensunterhalts noch auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Der Kläger sei erwerbsfähig und daher dem Grunde nach anspruchsberechtigt nach dem SGB II. Mangels konkreter Angaben des Klägers zu etwaigen Gesundheitsstörungen oder Vorlage entsprechender Unterlagen habe weder für den Beklagten noch für das Gericht Anlass bestanden, sich mit der Frage der Erwerbsfähigkeit des Klägers auseinander zu setzen oder Ermittlungen "ins Blaue hinein" anzustellen.
Gegen den ihm am 22.11.2011 mit Postzustellungsurkunde zugestellten Gerichtsbescheid des SG hat sich der Kläger mit Schreiben vom 17.12.2011, beim SG am 19.12.2011 eingegangen, gewandt und mündliche Verhandlung, hilfsweise Berufung beantragt. Das SG hat die Akten dem Landessozialgericht Baden-Württemberg vorgelegt. Der Kläger nimmt zur Begründung der Berufung auf sein bisheriges Vorbringen Bezug. Unter den 2009 gegebenen Umständen hatte ihm Sozialhilfe gewährt werden müssen. Außerdem sei das Sanktionensystem des SGB II verfassungswidrig.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger mitgeteilt, dass das SG zwischenzeitlich alle Sanktionsbescheide des Jobcenters, die den Zeitraum 1.1. bis 31.3.2009 betrafen, aufgehoben hat und er vom Jobcenter Leistungen nach dem SGB II in voller Höhe nachgezahlt bekommen hat.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 16. November 2011 sowie den Bescheid des Beklagten vom 12. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. März 2009 aufzuheben und festzustellen, dass ihm der Beklagte im Zeitraum vom 1. Januar bis 31. März 2009 Leistungen nach dem Dritten oder Vierten Kapitel des SGB XII zu Unrecht versagt hat.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er nimmt auf die Begründungen der angefochtenen Bescheide Bezug. Die vom Jobcenter verhängten Sanktionen könnten nicht durch die Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII umgangen werden. Der Kläger könne in solchen Fällen ergänzende Sachleistungen beim SGB II-Träger beantragen, wie im Sanktionsbescheid mitgeteilt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
I.
Der vom Kläger gestellte Antrag auf mündliche Verhandlung ist nicht statthaft, denn gegen den Gerichtsbescheid des SG ist die Berufung gegeben (§ 105 Abs. 2 Satz 2 SGG). Die form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 Abs. 1 SGG) und statthafte Berufung ist zulässig.
II.
Die Berufung ist - auch soweit der Kläger seinen ursprünglichen Leistungsantrag in einen Fortsetzungsfeststellungsantrag umgestellt hat - nicht begründet. Zu Recht hat das SG mit dem Gerichtsbescheid vom 16.11.2011 die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger ist erwerbsfähig und hat dem Grunde nach Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Deshalb hat er hat weder Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Dritten Kapitel des SGB XII, noch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII. Deshalb hat ihm der Beklagte im Zeitraum vom 1.1. bis 31.3.2009 auch nicht zu Unrecht Leistungen nach dem SGB XII versagt.
Nach § 21 Satz 1 SGB XII erhalten Personen, die nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbu-ches leistungsberechtigt sind, - vom hier nicht einschlägigen Ausnahmefall des § 34 SGB XII abgesehen - keine Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem Zwölften Buch; eine korres-pondierende Ausschlussregelung ist in § 5 Abs. 2 Satz 1 SGB II normiert. Danach schließt der dem Grunde nach bestehende Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (vgl. § 7 SGB II) Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII aus.
Am Vorrang der Leistungen nach SGB II gegenüber solchen nach dem SGB XII ändert es nichts, wenn das Jobcenter in Anwendung des § 31 SGB II die Gewährung von Leistungen - vorliegend ab Januar 2009 - abgelehnt hat. Vielmehr muss der Kläger – wie er es auch teilweise erfolgreich getan hat – insoweit gegen das Jobcenter vorgehen. Eine subsidiäre Einstandspflicht des SGB XII entsteht nicht. § 31 Abs. 6 Satz 4 SGB II a.F. (jetzt: § 31b Abs. 2 SGB II) stellt ausdrücklich klar, dass Minderung und Wegfall des Arbeitslosengeldes II keinen Anspruch auf laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch zur Folge hat. Auch das Jobcenter geht im Übrigen weiterhin davon aus, dass der Kläger "dem Grunde nach leistungsberechtigt" nach dem Zweiten Buch ist, wie dies in § 21 Satz 1 SGB XII vorausgesetzt wird.
Der Kläger ist als erwerbsloser Hilfebedürftiger dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II. Leistungen nach dem SGB II erhalten gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die u.a. das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind. Nach der gesetzlichen Definition in § 8 Abs. 1 SGB II ist erwerbsfähig, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Hiervon ist zur Überzeugung des Senats beim Kläger auszugehen. Es gibt keinerlei objektive Hinweise darauf, dass beim Kläger Erwerbsminderung vorliegen könnte. Der erwerbsfähige Kläger hat daher dem Grunde nach bis zu einer endgültigen Feststellung der Erwerbsfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit durch den Rentenversicherungsträger gemäß § 45 Abs. 1 SGB XII oder durch die Agentur für Arbeit gemäß § 44a SGB II grundsätzlich Anspruch auf Leistungen zum Lebensunterhalt in Form von Arbeitslosengeld II. Das Jobcenter prüft die Anspruchsvoraussetzungen und damit auch die Erwerbsfähigkeit von Amts wegen. Es bestimmt nach pflichtgemäßem Ermessen Art und Umfang der Ermittlungen (§ 20 SGB X). Anlass für nähere Ermittlungen ergibt sich regelmäßig nur, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass es an den Voraussetzungen der Erwerbsfähigkeit fehlen könnte, wobei die Selbsteinschätzung des Klägers zwar ein zu berücksichtigender Punkt sein kann, aber es müssen außerdem weitere objektive Indizien hinzutreten (vgl. Hackethal in: jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2011, § 8 RdNr. 27), an denen es vorliegend fehlt. Es gibt keinen Anlass zur Einleitung eines Verfahrens zur Prüfung der Erwerbsfähigkeit, da kein vernünftiger Zweifel daran besteht, dass der Kläger erwerbsfähig ist. Solange die Erwerbsfähigkeit im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB II nicht in einer - auch für den Beklagten - verbindlichen Weise geklärt ist, gehen die Leistungen nach dem Zweiten solchen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch vor, wie sich aus § 44a Abs. 1 Satz 3 SGB II a.F. (jetzt: § 44a Abs. 1 Satz 6 SGB II) ergibt. Das SG hat dies alles zutreffend ausgeführt.
Der Kläger hat zur Begründung seines Antrages auf Gewährung von Leistungen nach dem Zwölften Buch lediglich ausgeführt, er "werde vom Jobcenter seit Juli 2007 aber so schikaniert, dass er inzwischen wegen vollständiger Demoralisierung psychisch nicht mehr erwerbsfähig" sei. Weder im Verwaltungs- noch im Gerichtsverfahren hat der Kläger jedoch (mit Ausnahme insoweit irrelevanter Erkältungen) konkrete Gesundheitsstörungen angegeben, aus denen sich seine Erwerbsunfähigkeit ergeben könnte, noch entsprechende Unterlagen für seine Behauptung, er sei erwerbsunfähig, vorgelegt. Mangels konkreter Angaben des Klägers zu seinen Gesund¬heitsstörungen und mangels Vorlage entsprechender Unterlagen bestand für den Beklagten auch keine Veranlassung, sich mit der Frage der Erwerbsfähigkeit des Klägers auseinander zu setzen. Die bloße Behauptung des Klägers, erwerbsunfähig zu sein, löst noch keine Ermittlungspflicht des Beklagten "ins Blaue hinein" hinsichtlich seiner Erwerbsfähigkeit aus. Auch das SG hatte keinen Anlass, hierzu Ermittlungen von Amts wegen anzustellen. Ein Anspruch auf eigenständige Prüfung der dauerhaften vollen Erwerbsminderung i.S. des § 41 Abs. 3 SGB XII setzt voraus, dass es aufgrund von Angaben und Nachweisen des Leistungsberechtigten als wahrscheinlich erscheint, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind (§ 45 Abs. 1 Satz 1 SGB XII). Hieran fehlt es jedoch völlig. Der Sozialhilfeträger ist nicht verpflichtet, den Rentenversicherungsträger um entsprechende Prüfung zu ersuchen, wenn der Hilfebedürftige eine volle Erwerbsminderung behauptet, aber jegliche Belege hierfür oder sonstige Nachweise fehlen (vgl. Blüggel in: jurisPK-SGB XII, § 45 RdNr. 22).
Im Übrigen scheint auch der Kläger selbst davon auszugehen, weiterhin zum Kreis der Leistungsberechtigten nach dem Zweiten Buch zu gehören. Dies belegt sein Antrag auf Gewährung von Leistungen der Sozialhilfe, in dem er sich ausdrücklich noch zum Kreis der Leistungsberechtigten nach dem Zweiten Buch gehörig bezeichnet. Hierfür spricht auch die Begründung seines Antrages auf Gewährung von Sozialhilfeleistungen. Aufgrund der Anwendung der verfassungswidrigen Sanktionsnorm des § 31 SGB II sehe er sich existentiell bedroht, weshalb er den Antrag auf Sozialhilfe stelle. Weiter zeigt dies auch die Tatsache, dass der Kläger das Jobcenter Landkreis K. erfolgreich auf die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II in Anspruch genommen hat.
Gegenüber dem Jobcenter, nicht gegenüber dem Beklagten, ist zu klären, ob und welche Sanktionen nach den §§ 31 ff. SGB II verhängt werden können und ob und ggf. welche ergänzenden Sachleistungen zu gewähren sind, um das Existenzminimum sicher zu stellen. Auch wenn dem Kläger durch etwaige rechtswidrige Verhängungen von Sanktionen und Absenkungen des Alg II ein Schaden entstanden sein sollte, ist dieser gegenüber dem Jobcenter geltend zu machen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
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