Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 8 KR 3464/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 5889/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22.11.2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit sind Leistungen der häuslichen Krankenpflege während der Zeit vom 15.12.2006 bis 31.3.2007.
Die 1953 geborene Klägerin, bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert, ist nach einem Herzinfarkt und einer Gehirnblutung seit 2003 schwerstpflegebedürftig und erhält Leistungen der Pflegestufe III. Sie lebte während der streitigen Zeit mit ihrem (1948 geborenen und zu ihrem Betreuer bestellten) Ehemann und ihrem Sohn in einem Haushalt. Der Ehemann der Klägerin war Lehrer und stellvertretender Schulrektor, der Sohn der Klägerin war Student.
Mit (Folge-)Verordnung vom 25.9.2006 verordnete der Internist Dr. W. der Klägerin für die Zeit vom 1.10.2006 bis 31.3.2007 häusliche Krankenpflege in Form der Medikamentengabe, drei Mal täglich an sieben Tagen in der Woche, des An- und Ausziehens von Kompressionsstrümpfen, zwei Mal täglich an sieben Tagen in der Woche, sowie des Anlegens und Wechselns von Wundverbänden, zwei Mal wöchentlich (relevante Diagnosen: Dysarthrie, Tetraparese rechtsbetont, Vorhandensein einer PEG-Sonde, Stuhlinkontinenz, Harninkontinenz, reaktive Depression, koronare Herzkrankheit(postthrombotisches Syndrom beidseits). Eine entsprechende Verordnung hatte Dr. W. unter dem 28.6.2006 für die Zeit vom 1.7.2006 bis 31.12.2006 ausgestellt (Medikamentengabe - nur - zwei Mal täglich); auf der Rückseite des Verordnungsformulars ist ein auf die verordneten Leistungen bezogener - für den Leistungserbringer bestimmter - Genehmigungsvermerk der Beklagten angebracht (SG-Akte S. 36).
Die Beklagte beauftragte die Pflegesachverständige A. H. mit der Erstellung eines Gutachtens. Diese führte einen Hausbesuch durch und legte im Kurzgutachten vom 5.12.2006 dar, die Klägerin sei nicht in der Lage, die verordneten Verrichtungen selbständig auszuführen. Der Ehemann der Klägerin, Lehrer und stellvertretender Rektor, habe angegeben, er könne die Medikamentengabe am Wochenende nicht übernehmen, da er beruflich so eingespannt sei, dass er am Wochenende seine Freiheiten brauche. Er könne sich vorstellen, die Medikamentengabe jeweils samstags und sonntags am Mittag zu übernehmen. Zuvor hatte Dr. H. in der MDK-Stellungnahme vom 7.11.2006 die Auffassung vertreten, der Ehemann könne laut Pflegegutachten die Medikamente richten und über PEG verabreichen.
Mit Bescheid vom 12.12.2006 bewilligte die Beklagte der Klägerin häusliche Krankenpflege für die Zeit vom 1.10.2006 bis 31.3.2007 im von Dr. W. verordneten Umfang mit Ausnahme der Medikamentengabe (3 mal täglich) sowie des An- und Ausziehens von Kompressionsstrümpfen (2 mal täglich) an den Wochenenden ab 15.12.2006 bis 31.3.2007; diese Leistungen seien nicht genehmigungsfähig, da sie von einer Person im Lebensumfeld der Klägerin übernommen werden könnten.
Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs der Klägerin wurde vorgetragen, weder der Ehemann noch der Sohn der Klägerin seien in der Lage, die abgelehnten Leistungen am Wochenende im geforderten Umfang vorzunehmen. Nach der Rechtsprechung des BSG müsse der Pflegende zur Erbringung der Pflegeleistungen bereit sein (vgl. BSG, Urt. v. 30.3.2000, - B 3 KR 23/99 R -). Von Montag bis Freitag übernehme der Ehemann früh morgens (zwischen 5.00 Uhr und 6.00 Uhr) bzw. spät abends sowie nachts zahlreiche Pflegeverrichtungen. Hinzu kämen vielfältige organisatorische Tätigkeiten. Wegen der hohen beruflichen und persönlichen Beanspruchung von Montag bis Freitag könne weder der Ehemann noch der Sohn am Wochenende Medikamente geben und Kompressionsstrümpfe wechseln. Beide benötigten einen Freiraum, um Kraft zu tanken und einmal ausschlafen zu können.
Die Beklagte holte die Auskunft des Dr. W. vom 27.3.2007 ein. Darin heißt es, die Nahrungsaufnahme der Klägerin erfolge überwiegend oral, sei aber sehr mühsam und dauere sehr lange. Ausreichend Flüssigkeit könne oral nicht aufgenommen werden, weswegen die PRG weiterhin auf unabsehbare Zeit notwendig sei. Da der Schluckakt logopädischerseits weiterhin nur für passierte Kost erlaubt sei, werde die sichere Applikation über die PEG befürwortet. Ob die Medikamentengabe über PEG den Angehörigen zumutbar sei, sei eher eine soziale, aber keine medizinische Frage. Die Applikation der Medikamente über PEG sei bei der Klägerin ersichtlich nicht problematischer als bei anderen Patienten.
Unter dem 23.3.2007, 24.9.2007 und 18.3.2008 stellte Dr. W. Folgeverordnungen (u.a. für die streitigen Leistungen auch an den Wochenenden) für die Zeit vom 1.4.2007 bis 30.9.2007 bzw. 1.10.2007 bis 31.3.2008 und 1.4.2008 bis 30.9.2008 aus. Die Beklagte brachte die Genehmigungsvermerke für die Verordnungen vom 23.3.2007 und 24.9.2007 jeweils auf der Rückseite der Verordnungsformulare an; die Genehmigung gelte aber nur vorbehaltlich der Entscheidung des Widerspruchsausschusses. Die Verordnung vom 18.3.2008 enthält keinen Genehmigungsvermerk.
Mit Widerspruchsbescheid vom 1.4.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, gem. § 37 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) bestehe Anspruch auf häusliche Krankenpflege nur, soweit eine im Haushalt lebende Person den Kranken in dem erforderlichen Umfang nicht pflegen und versorgen könne. Die im Haushalt lebende Person müsse zwar mit der Pflegetätigkeit einverstanden sei. Eine Weigerung sei aber nur aus nachvollziehbaren Gründen zulässig, etwa bei Maßnahmen im Intimbereich. Solche Gründe lägen hinsichtlich der Medikamentengaben sowie des An- und Ausziehens von Kompressionsstrümpfen durch den Ehemann bzw. Sohn der Klägerin an den Wochenenden nicht vor. Der Widerspruchsbescheid wurde der Klägerin am 10.4.2008 zugestellt.
Am 9.5.2008 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Stuttgart. Sie wiederholte das bisherige Vorbringen und trug ergänzend vor, im Streit sei nicht nur die Zeit bis 31.3.2007, sondern auch die Folgezeit, da Dr. W. weitere Verordnungen ausgestellt habe. Diese habe die Beklagte unter Vorbehalt der Entscheidung des Widerspruchsausschusses bzw. des Sozialgerichts genehmigt. Ihrem Ehemann gehe es vor allem darum, ob die Beklagte eine beliebige Anzahl von Aufgaben der Behandlungspflege auf die Angehörigen übertragen dürfe. Fraglich sei auch, wie zu verfahren sei, wenn der Ehemann (Schul-)Ferien habe oder in den Ruhestand versetzt werde. Mitarbeiter des Pflegedienstes hätten ihm gesagt, er müsse ihr die Kompressionsstrümpfe nicht an- und ausziehen. Ärztlich verordnete Behandlungspflegemaßnahmen, wie die über eine Magensonde vorzunehmende Medikamentengabe, müssten von einer ausgebildeten Pflegefachkraft erbracht werden. Ihr Ehemann und ihr Sohn seien dazu nicht in der Lage.
Die Beklagte trug vor, das Bedürfnis der Pflegeperson nach Wochenenderholung begründe keinen Anspruch auf Leistungen der häuslichen Krankenpflege. Kompressionsstümpfen könnten dem Pflegebedürftigen auch dessen Angehörige an- und ausziehen. Das Einverständnis der Pflegeperson zur Übernahme von Pflegetätigkeiten können nicht auf Wochentage beschränkt werden. Streitgegenstand seien auch die Folgeverordnungen für die Zeit ab 1.4.2007 (Schriftsatz vom 9.10.2008).
Am 12.7.2010 führte das Sozialgericht eine mündliche Verhandlung durch. Ein dabei unterbreiteter gerichtlicher Vergleichsvorschlag (streitige Leistungen an den Wochenenden sechs Mal im Quartal auf Kosten der Beklagten) wurde von der Klägerin nicht angenommen.
Mit Urteil vom 22.11.2010 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Klage sei mangels Vorverfahrens unzulässig, soweit Pflegeleistungen für die Zeit nach dem 31.3.2007 begehrt würden. Für diese Zeit ergangene Bescheide seien nicht gem. § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bzw. § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Widerspruchs- bzw. Klageverfahrens geworden (vgl. BSG, Urt. v. 21.11.2001, — B 3 KR 13/02 R -). Die angefochtenen Bescheide beträfen nur die Zeit vom 15.12.2006 bis 31.3.2007. Insoweit sei die Klage zulässig, obgleich die Beklagte die begehrte Leistung unter Vorbehalt gewährt habe, da sie von der Klägerin ggf. Kostenerstattung fordern wolle. Die Klage sei aber unbegründet. Die Klägerin habe für die Zeit vom 15.12.2006 bis 31.3.2007 keinen Anspruch auf häusliche Krankenpflege in Form der Medikamentengabe sowie des An- und Ausziehens von Kompressionsstümpfen an den Wochenenden.
Gem. § 37 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 (SGB V, in der hier maßgeblichen Fassung) erhielten Versicherte in ihrem Haushalt oder ihrer Familie als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn sie zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich sei, gem. § 37 Abs. 3 SGB V aber nur, soweit eine im Haushalt lebende Person den Kranken in dem erforderlichen Umfang nicht pflegen und versorgen könne. Die Klägerin benötige die in Rede stehenden Leistungen (unstreitig) auch an den Wochenenden. Allerdings seien insoweit die Voraussetzungen des Ausschlusstatbestands in § 37 Abs. 3 SGB V erfüllt. Der Ehemann und der Sohn der Klägerin lebten in ihrem Haushalt. Von Familienangehörigen, insbesondere Ehepartnern oder Eltern, sei eine selbstverantwortliche familiäre Eigenleistung zu erwarten; dies sei auch zumutbar. Familienangehörige müssten im Grundsatz alles in ihren Kräften Stehende tun, um neben den Leistungen der Krankenkasse zur Behebung des Krankheitszustandes ihrer Angehörigen beizutragen (LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 7.6.2005, — L 24 KR 49/03 -). § 37 Abs. 3 SGB V gestalte als Ausdruck des Subsidiaritätsprinzips (§ 1 Satz 2 SGB V) und des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 Abs. 1 SGB V) den Vorrang der Eigenhilfe des Versicherten näher aus (BSG, Urt. v. 30.3.2000, — B 3 KR 23/99 R -; LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 7.6.2005, - L 24 KR 49/03 -). Bei pflegerischen Maßnahmen etwa im Intimbereich seien grundsätzlich die aktive Pflegebereitschaft des Haushaltsangehörigen und die passive Pflegebereitschaft des Pflegebedürftigen zu fordern (BSG, Urt. v. 30.3.2000, — B 3 KR 23/99 R -). Der Versicherte oder der Angehörige dürften die Eigenhilfe aber nicht ohne nachvollziehbaren Grund verweigern, insbesondere bei einfachen Maßnahmen ohne Berührung der Intimsphäre (z. B. Medikamentengabe - BSG, Urt. v. 30.3.2000 — B 3 KR 23/99 R -; LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 7.6.2005, — L 24 KR 49/03 -). Bei ganz einfachen Maßnahmen, die üblicherweise von im Haushalt lebenden Personen erbracht würden, sei ein objektiver Maßstab anzulegen. In diesen Fällen sei die Zumutbarkeit zu vermuten, es sei denn, die Betroffenen könnten ganz individuelle Gründe nachweisen (LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 7.6.2005, — L 24 KR 49/03 -).
Die Medikamentengabe sowie das An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen stellten ganz einfache Maßnahmen der Behandlungspflege dar, die im Grundsatz jeder Erwachsene nach einer kurzen Einweisung leisten könne. Dass der Ehemann und der Sohn der Klägerin während der streitigen Zeit hierzu außerstande gewesen wären, sei nicht ersichtlich. Das gelte auch für die Medikamentengabe über die PEG-Sonde. Der Ehemann der Klägerin habe bei der Begutachtung durch die Pflegesachverständige H. am 24.11.2006 selbst angegeben, er könne sich vorstellen, die Medikamentengabe jeweils am Samstag- und Sonntagnachmittag zu erledigen. Die familiäre Eigenhilfe werde auch nur mit Freizeit- und Erholungsbedürfnissen am Wochenende begründet. Die Behauptung, man könne die in Rede stehenden Pflegeleistungen nicht vornehmen, sei vorgeschoben.
§ 37 Abs. 3 SGB V verlange nicht, dass ein Familienangehöriger seine bisherige Rollenverteilung, etwa den Beruf, die Ausbildung oder das Studium aufgebe. Die Übernahme von Pflegeleistungen in der arbeits- bzw. schulfreien Zeit sowie im Urlaub sei aber zumutbar. Sonderurlaub müsse zur Pflege in der Familie nicht genommen werden und der Angehörige habe auch Anspruch auf ein gewisses Maß an jährlichem Erholungsurlaub ohne Verpflichtung zur Krankenpflege. Auch im Hinblick darauf bleibe es aber dabei, dass dem Ehemann und dem Sohn der Klägerin das An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen und das Geben von Medikamenten am Wochenende zumutbar gewesen sei. Die familiäre Hilfe für die Ehefrau bzw. Mutter beschränke sich auf einen sehr begrenzten Zeitraum und es bleibe dem Ehemann und dem Sohn der Klägerin noch genügen Wochenendfreizeit, zumal sich beide abwechseln und dadurch gegenseitig entlasten könnten und Hilfeleistungen im engsten Familienkreis in Rede stünden. Diese Eigenfürsorge innerhalb der Familie habe Vorrang vor Leistungen der Versichertengemeinschaft.
Auf das ihr am 2.12.2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 27.12.2010 Berufung eingelegt. Sie bekräftigt ihr bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor, bei der häuslichen Krankenpflege gehe es um die Medikamentengabe, also das Herrichten und Verabreichen der Medikamente, 3 Mal täglich für 7 Tage in der Woche, ferner um das An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen, 2 mal täglich für 7 Tage in der Woche. Ihr Ehemann und ihr Sohn übernähmen von Montag bis Freitag Aufgaben und Verrichtungen, die um 5.00 Uhr morgens bzw. 6.00 Uhr morgens begännen und auch in den Abendstunden bis oft nach Mitternacht durchgeführt werden müssten. Sie benötigten daher einen Freiraum, um Kraft für die Aufgaben während der Woche zu schöpfen. Die verordneten Pflegemaßnahmen dürften nur von ausgebildeten Pflegekräften vorgenommen werden. Bei anderen vergleichbar Pflegebedürftigen würden die in Rede stehenden Leistungen auch für die Wochenenden gewährt. Die Pflegekraft kleide sie ohnehin auch am Wochenende an und aus und könnte ihr dann auch die Kompressionsstrümpfe an- und ausziehen; nach Auffassung der Beklagten müsste dies ihr Ehemann oder ihr Sohn erledigen und die Pflegekraft könnte danach weiterarbeiten. Die Medikamentengabe über die Magensonde müsse von ausgebildetem Fachpersonal durchgeführt werden. Die Beklagte habe mit Schriftsatz vom 9.10.2008 ausgeführt, auch die Folgeverordnungen der häuslichen Krankenpflege ab dem 1.4.2007 seien Streitgegenstand. Das könnte man als (Ablehnungs-)Bescheid bzw. Widerspruchsbescheid einstufen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22.11.2010 aufzuheben und festzustellen, dass die Beklagte die Gewährung von Leistungen der Behandlungspflege in Form der Gabe von Medikamenten (drei Mal täglich) und des An- und Ausziehens von Kompressionsstrümpfen (zwei Mal täglich) an den Wochenenden in der Zeit vom 16.12.2006 bis 31.3.2007 rechtswidrig abgelehnt hat.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ergänzend trägt sie vor, ein Anspruch auf häusliche Krankenpflege bestehe nur, soweit im Haushalt lebende Personen den Kranken in dem erforderlichen Umfang nicht pflegen oder versorgen könnten (vgl. BSG, Urt. v. 30.3.2000, — B 3 KR 23/00 R -). Die Klägerin sei in die Pflegestufe III eingestuft und erhalte Pflegegeld. Die Pflege werde von den Angehörigen, insbesondere vom Ehemann und dem Sohn durchgeführt. Dies umfasse auch die vollständige Übernahme der grundpflegerischen Maßnahmen im Bereich der Körperpflege sowohl für den Ober- als auch den Unterkörper. Die Medikamentengabe sowie das An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen seien einfache Maßnahmen der Behandlungspflege, zu denen jeder Erwachsene nach einer kurzen Einweisung in der Lage sei. Die Medikamentengabe müsse nicht durch ausgebildetes Fachpersonal durchgeführt werden. Der Gesetzgeber habe insoweit zwischen auf Leistungen nach Maßgabe von Verträgen und Vergütungsvereinbarungen nach § 132a SGB V und der von Angehörigen zu erbringenden Behandlungspflege unterschieden. Die Verordnung von Pflegeleistungen stehe immer unter dem Vorbehalt der Genehmigung durch die Krankenkasse nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsvorschriften.
Die Klägerin hat mitgeteilt, ihr Sohn habe sein Studium mittlerweile abgeschlossen und sei in N. vollschichtig berufstätig. Er stehe zur Versorgung nicht mehr zur Verfügung.
Die Beklagte, die keinen Spielraum für einen Vergleich sieht, hat eine Aufstellung der für die Zeit vom 15.12.2006 bis 31.7.2011 anfallenden (fiktiven) Pflegekosten vorgelegt. Die Medikamentengabe und das Aus- und Anziehen der Kompressionsstrümpfe seien als einfache Leistungen der Leistungsgruppe I zugeordnet. Würden beide Leistungen im Rahmen eines Hausbesuches erbracht, seien sie mit der Vergütung einer Hausbesuchspauschale abgegolten. Nach der Abrechnung des ambulanten Pflegedienstes für den Monat August 2011 sei in der ersten und zweiten Tageshälfte ein Hausbesuch durchgeführt worden. Dabei würden die Leistungen der Medikamentengabe als auch des An- und Ausziehens der Kompressionsstrümpfe erbracht. Pro Tag können also zweimal die Pauschale für einen Hausbesuch abgerechnet werden. Eine vergleichsweise Regelung komme für sie nicht in Betracht. Diese würde letztendlich nur bewirken, dass der ambulante Pflegedienst für die gleiche Vergütung weniger Leistung erbringe.
Der Ehemann der Klägerin hat sich bereit erklärt, die Medikamentenabgabe an Samstag- und Sonntagnachmittagen vorzunehmen, wenn sie oral erfolgen könne (z.B. aufgelöst in einem Joghurt). Die Beklagte hat auf Nachfrage mitgeteilt, für den Zeitraum vom 16.12.2006 bis 31.4.2007 stünden Kosten von 831,60 EUR in Rede. Bislang habe man die Klägerin mit diesen Kosten nicht belastet, die Rechnungen des Pflegedienstes vielmehr unter Vorbehalt beglichen. Bei Zurückweisung der Berufung werde man den genannten Betrag bei der Klägerin einfordern.
Am 18.4.2012 hat eine mündliche Verhandlung des Senats stattgefunden. Die Beteiligten haben einen Widerrufsvergleich geschlossen; die Beklagte hat ihr Widerrufsrecht fristgerecht ausgeübt. Für den Fall des Widerrufs des Vergleichs haben die Beteiligen auf (weitere) mündliche Verhandlung verzichtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne (weitere) mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).
I. Die Berufung der Klägerin ist gem. §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG statthaft. Der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750 EUR) ist überschritten, da die Klage Dienstleistungen im Wert von 831,60 EUR betrifft. Die Berufung ist auch sonst gem. § 151 SGG zulässig.
Richtige Klageart für das Rechtsschutzziel der Klägerin ist nicht die Verpflichtungs-, sondern die Fortsetzungsfeststellungklage entsprechend § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG (vgl. dazu etwa Meyer-Ladewig, SGG § 131 Rdnr. 9; NK-VwGO/Wolff, § 113 Rdnr. 303 ff., jeweils m. w. N.). Die Klägerin hat ursprünglich die Gewährung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege an Wochenenden als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung begehrt. Leistungen der häuslichen Krankenpflege müssen vom Versicherten (unbeschadet der vertragsärztlichen Verordnung) vor Leistungsbeginn beantragt und von der Krankenkasse (durch Verwaltungsakt) bewilligt werden (vgl. § 15 Abs. 3 SGB V und dazu näher BSG, Urt. v. 24.9.2002 - B 3 KR 2/02 R -). Die Beklagte hat die Bewilligung der streitigen Leistungen im Bescheid vom 12.12.2006 / Widerspruchsbescheid vom 1.4.2008 für den Zeitraum 1.10.2006 bis 31.3.2007 abgelehnt, die hierfür anfallenden Kosten des Leistungserbringers jedoch vorläufig übernommen, so dass die Leistungen erbracht werden konnten; die Klägerin musste sie nicht auf eigene Kosten selbst beschaffen. Der geltend gemachte Sachleistungsanspruch hat sich dadurch und außerdem durch Zeitablauf erledigt. Ein Kostenerstattungsanspruch scheidet ebenfalls aus. Denn die Klägerin hat keine erstattungsfähigen Kosten aufgewandt, weil die Beklagte die Kosten der streitigen Leistungen vorläufig getragen hat. Die Klägerin begehrt daher im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage (in entsprechender Anwendung des § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG) die Feststellung, dass die Weigerung der Beklagten, den beantragten Verwaltungsakt (die Leistungsbewilligung nach § 15 Abs. 3 SGB V) für die in Rede stehenden Pflegeleistungen an den Wochenenden zu erlassen, die Rechtsordnung verletzt hat (Zum Erledigungsbegriff bei der Verpflichtungsklage näher NK-VwGO/Wolff, § 113 Rdnr. 306 ff., 314). An dieser Feststellung hat die Klägerin ein berechtigtes Interesse i. S. d § 131 SGG, da die Beklagte beabsichtigt, von ihr die vorläufig übernommenen Kosten der streitigen Leistungen einzufordern, was nicht in Betracht kommt, wenn die Leistungen hätten bewilligt werden müssen. Außerdem besteht ein berechtigtes Interesse an der Klärung der Leistungsansprüche für die Zukunft. Ansprüche der Klägerin auf die Bewilligung der Krankenpflegeleistungen für in der Vergangenheit liegende (Folge-)Zeiträume nach dem 31.3.2007 sind indessen nicht Streitgegenstand. Hierzu ergangene Folgebescheide sind nicht gem. § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden (vgl. BSG, Beschl. v. 16.12.2009, - B 7 AL 146/09 B -). Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist schließlich auch im Übrigen zulässig. Dass sich das Leistungsbegehren schon vor Klageerhebung erledigt hatte, ist unschädlich (vgl. BVerwG, Urt. v. 276.1985 – 2 B 81/84 -, veröffentlicht in Juris). Der Bescheid vom 12.12.2006/Widerspruchsbescheid vom 1.4.2008 ist hinsichtlich der Ablehnung der streitigen Krankenpflegeleistungen nicht bestandskräftig geworden.
II. Der Klägerin steht häusliche Krankenpflege (unstreitig) zu. Die Gewährung der streitigen Leistungen - Gabe von Medikamenten und An- bzw. Ausziehen von Kompressionsstrümpfen an den Wochenenden - hat die Beklagte aber zu Recht versagt.
1.) Gem. § 37 Abs. 2 SGB V erhalten Versicherte in ihrem Haushalt oder ihrer Familie als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn sie zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. Die häusliche Krankenpflege stellt eine (akzessorische) Nebenleistung zur Krankenbehandlung (§ 27 SGB V) dar. Sie ist vom behandelnden Arzt (nach Maßgabe der Richtlinien über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege - HKP-Richtlinien - des Gemeinsamen Bundesausschusses) zu verordnen (§§ 73 Abs. 2 Nr. 8, 15 Abs. 1 Satz 2 SGB V) und bedarf außerdem der Bewilligung durch die Krankenkasse (vgl. § 15 Abs. 3 SGB V bzw. § 27 Abs. 3 Satz 1 BMV-Ä).
Zur Behandlungspflege gehören pflegerische Maßnahmen der ärztlichen Behandlung, die dazu dienen, Krankheiten zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern, und die üblicherweise an (nichtärztliche) Pflegekräfte delegiert werden können, wozu insbesondere die Verabreichung von Injektionen zu rechnen ist. Nicht maßgeblich ist, ob sie ausschließlich von fachlich geschulten Pflegekräften oder auch von Laien erbracht werden können (BSG, Urt. v. 30.3.2000, - B 3 KR 23/99 R -). Gem. § 37 Abs. 3 SGB V (in der hier maßgeblichen Gesetzesfassung) besteht der Anspruch auf häusliche Krankenpflege nur, soweit eine im Haushalt lebende Person den Kranken in dem erforderlichen Umfang nicht pflegen und versorgen kann. Die Vorschrift knüpft an familienrechtliche Fürsorge- und Unterhaltspflichten sowie an sittliche Beistandspflichten unter zusammenlebenden Hausangehörigen außerhalb des Familienverbundes im engeren Sinne an und konkretisiert den Grundsatz des Vorrangs der Eigenhilfe vor der Hilfe durch die Solidargemeinschaft der Krankenversicherung, das Subsidiaritätsprinzip (§ 1 Satz 2 SGB V) und das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs. 1 SGB V). Der Versicherte (Kranke) und die mit ihm im Haushalt lebenden Familienangehörigen müssen alles in ihren Kräften Stehende und Zumutbare tun, um zur Behebung des Krankheitszustandes beizutragen (LSG, Berlin-Brandenburg, Urt. v. 7.6.2005, - L 24 KR 49/03 -).
§ 37 Abs. 3 SGB V enthält einen Ausschlusstatbestand und damit eine Ausnahmevorschrift, die nicht über den Wortlaut hinaus zu Lasten des Versicherten weit ausgelegt werden darf, zumal bei der Auslegung des SGB sicherzustellen ist, dass die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden (§ 2 Abs. 2 2. Halbsatz SGB I). Es genügt nicht, wenn die Hilfe durch Haushaltsangehörige geleistet werden könnte; sie muss tatsächlich geleistet werden. Der zu Pflegende muss bereit sein, sich von dem Angehörigen pflegen zu lassen, und der pflegende Angehörige muss mit der Durchführung der Pflege einverstanden sein. Im Hinblick auf die Intensität des Eingriffs zahlreicher pflegerischer Maßnahmen in Intimbereichen lässt Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG ein Einverständnis auf beiden Seiten, also die aktive wie auch die passive Pflegebereitschaft, als unverzichtbar erscheinen. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn der Versicherte sich ohne nachvollziehbaren Grund weigert, Maßnahmen der Behandlungspflege von ehrenamtlichen Pflegepersonen in Anspruch zu nehmen, insbesondere solchen, die ihn ohnehin zur Sicherstellung der Pflege als Voraussetzung für den Anspruch auf Pflegegeld aus der Pflegeversicherung versorgen, und es sich um einfache Maßnahmen ohne Berührung der Intimsphäre handelt, wie es etwa bei der Medikamentengabe regelmäßig der Fall sein dürfte (BSG, Urt. v. 30.3.2000, - B 3 KR 23/99 R -).
Über die Zumutbarkeit der Pflege durch Haushaltsangehörige ist im Rahmen einer Abwägung der jeweiligen Einzelfallumstände zu entscheiden. Für diese Abwägung kommt es (u.a.) auf die Art der für den Kranken zu erbringenden Pflegeleistung und auf die persönlichen Verhältnisse des pflegenden Haushaltsangehörigen ab. Hinsichtlich der Art der Pflegeleistung sind die Zumutbarkeitsanforderungen um so geringer, je weniger die Pflegeleistung den Intimbereich des Kranken betrifft. Hinsichtlich der persönlichen Verhältnisse des Haushaltsangehörigen kommt es auf dessen (physische, ggf. auch psychische oder pflegefachlich-technische) Fähigkeit zur Erbringung der Pflegeleistung an. Außerdem sind ggf. seine familienrechtlichen Beziehungen zum Kranken zu berücksichtigen. Schließlich dürfen der Pflege durch Haushaltsangehörige keine anderen Verpflichtungen entgegenstehen. So muss der Haushaltsangehörige für die Krankenpflege Arbeit oder Ausbildung nicht aufgeben. Die Erbringung von Pflegeleistungen während der arbeits- bzw. schulfreien Zeit bzw. im Urlaub wird aber regelmäßig zumutbar sein, unbeschadet dessen, dass dem Haushaltsangehörigen ein gewisses Maß an jährlichem Erholungsurlaub ohne Verpflichtung zur Krankenpflege zugebilligt werden muss (vgl. Padé in: jurisPK-SGB V, § 37 Rdnr. 59 ff.).
2.) Davon ausgehend hat es die Beklagte zu Recht abgelehnt, der Klägerin auch die streitigen Leistungen - Gabe von Medikamenten und An- bzw. Ausziehen von Kompressionsstrümpfen an den Wochenenden (3 bzw. 2 mal täglich) - als Leistung der häuslichen Krankenpflege zu gewähren und die Klägerin insoweit auf die Erbringung dieser Leistungen durch Haushaltsangehörige, nämlich ihren Ehemann bzw. ihren Sohn, verwiesen.
Der Senat teilt die Auffassung des Sozialgerichts und nimmt auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist insbesondere im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Beteiligten anzumerken:
Die Klägerin hat unstreitig Anspruch auf häusliche Krankenpflege gem. § 37 Abs. 2 SGB V, die auch die in Rede stehenden Leistungen umfasst. Diese werden von der Beklagten für die Wochentage auch gewährt. Der Gewährung an den Wochenenden steht aber der Ausschlusstatbestand des § 37 Abs. 3 SGB V entgegen.
Der Ehemann der Klägerin bzw. ihr Sohn (der seinerzeit noch im Haushalt gelebt hat) sind ersichtlich sowohl zur Gabe der Medikamente über die Magensonde wie zum An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen physisch und pflegefachlich-technisch (und auch psychisch) in der Lage. Der Ehemann der Klägerin hat sich hierzu gegenüber der Pflegesachverständigen H. (Gutachten vom 5.12.2006) grundsätzlich bereit erklärt und die Leistungsbereitschaft nur in zeitlicher Hinsicht auf den Samstag- und Sonntagmittag beschränken wollen. Dr. H. hat in der MDK-Stellungnahme vom 7.11.2006 dargelegt, dass gegen die Verabreichung der Medikamente durch den Ehemann per Magensonde keine (medizinisch-pflegefachlichen) Bedenken bestehen. Solche hat auch der behandelnde Arzt der Klägerin (Dr. W.) nicht angeführt; nach seiner Auffassung stellt die Medikamentengabe per Magensonde durch die Haushaltsangehörigen der Klägerin kein medizinisches, sondern allenfalls ein soziales (Zumutbarkeits-)Problem dar (Stellungnahme vom 27.3.2007). Das An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen ist ohnehin unproblematisch. Das Sozialgericht hat die im Nachhinein aufgestellte Behauptung, die Medikamentengabe per Magensonde könne nur durch Pflegefachkräfte durchgeführt werden, daher zu Recht als vorgeschoben angesehen.
Nachvollziehbare Gründe, die die Erbringung der streitigen Pflegeleistungen durch Haushaltsangehörige an den Wochenenden als unzumutbar erscheinen lassen könnten, liegen nicht vor. Für die Festlegung der Zumutbarkeitsschwelle ist im Ausgangspunkt maßgeblich, dass es sich bei den Haushaltsangehörigen i. S. d. § 37 Abs. 3 SGB V um den (zum Betreuer der Klägerin bestellten) Ehemann bzw. den Sohn der Klägerin handelt, also um Personen, die in engster familienrechtlicher (und sittlicher) Beziehung zur Klägerin stehen und von denen deshalb von Vornherein eine höhere Pflegebereitschaft erwartet werden muss als von anderen Haushaltsangehörigen. Außerdem handelt es sich um Pflegepersonen, deren Pflegetätigkeit Grundlage der Gewährung von Pflegegeld durch die Pflegekasse ist. Der Senat verkennt bei der weiteren Abwägung nicht, dass das schwere Krankheitsschicksal der Klägerin auch ihrem Ehemann (und Sohn) erhebliche Lasten auferlegt, die beide jedenfalls in weitem Umfang auch zu tragen bereit sind. Die Solidargemeinschaft der Krankenversicherung erleichtert diese (Pflege-)Lasten mit den von der Beklagten gewährten Leistungen im Rahmen des gesetzlich Möglichen. Die 3 mal tägliche Gabe von Medikamenten und das 2 mal tägliche An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen erschöpfen sich aber in eher punktuellen und zeitlich eng beschränkten Verrichtungen, so dass dem Ehemann und dem Sohn der Klägerin hinreichend Freiraum und Freizeit für persönliche Tätigkeiten bzw. für die Wochenenderholung bleiben. Das wird erst Recht anzunehmen sein, wenn sich der Ehemann der Klägerin im Ruhestand befindet, was in der streitigen Zeit freilich noch nicht der Fall gewesen ist.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit sind Leistungen der häuslichen Krankenpflege während der Zeit vom 15.12.2006 bis 31.3.2007.
Die 1953 geborene Klägerin, bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert, ist nach einem Herzinfarkt und einer Gehirnblutung seit 2003 schwerstpflegebedürftig und erhält Leistungen der Pflegestufe III. Sie lebte während der streitigen Zeit mit ihrem (1948 geborenen und zu ihrem Betreuer bestellten) Ehemann und ihrem Sohn in einem Haushalt. Der Ehemann der Klägerin war Lehrer und stellvertretender Schulrektor, der Sohn der Klägerin war Student.
Mit (Folge-)Verordnung vom 25.9.2006 verordnete der Internist Dr. W. der Klägerin für die Zeit vom 1.10.2006 bis 31.3.2007 häusliche Krankenpflege in Form der Medikamentengabe, drei Mal täglich an sieben Tagen in der Woche, des An- und Ausziehens von Kompressionsstrümpfen, zwei Mal täglich an sieben Tagen in der Woche, sowie des Anlegens und Wechselns von Wundverbänden, zwei Mal wöchentlich (relevante Diagnosen: Dysarthrie, Tetraparese rechtsbetont, Vorhandensein einer PEG-Sonde, Stuhlinkontinenz, Harninkontinenz, reaktive Depression, koronare Herzkrankheit(postthrombotisches Syndrom beidseits). Eine entsprechende Verordnung hatte Dr. W. unter dem 28.6.2006 für die Zeit vom 1.7.2006 bis 31.12.2006 ausgestellt (Medikamentengabe - nur - zwei Mal täglich); auf der Rückseite des Verordnungsformulars ist ein auf die verordneten Leistungen bezogener - für den Leistungserbringer bestimmter - Genehmigungsvermerk der Beklagten angebracht (SG-Akte S. 36).
Die Beklagte beauftragte die Pflegesachverständige A. H. mit der Erstellung eines Gutachtens. Diese führte einen Hausbesuch durch und legte im Kurzgutachten vom 5.12.2006 dar, die Klägerin sei nicht in der Lage, die verordneten Verrichtungen selbständig auszuführen. Der Ehemann der Klägerin, Lehrer und stellvertretender Rektor, habe angegeben, er könne die Medikamentengabe am Wochenende nicht übernehmen, da er beruflich so eingespannt sei, dass er am Wochenende seine Freiheiten brauche. Er könne sich vorstellen, die Medikamentengabe jeweils samstags und sonntags am Mittag zu übernehmen. Zuvor hatte Dr. H. in der MDK-Stellungnahme vom 7.11.2006 die Auffassung vertreten, der Ehemann könne laut Pflegegutachten die Medikamente richten und über PEG verabreichen.
Mit Bescheid vom 12.12.2006 bewilligte die Beklagte der Klägerin häusliche Krankenpflege für die Zeit vom 1.10.2006 bis 31.3.2007 im von Dr. W. verordneten Umfang mit Ausnahme der Medikamentengabe (3 mal täglich) sowie des An- und Ausziehens von Kompressionsstrümpfen (2 mal täglich) an den Wochenenden ab 15.12.2006 bis 31.3.2007; diese Leistungen seien nicht genehmigungsfähig, da sie von einer Person im Lebensumfeld der Klägerin übernommen werden könnten.
Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs der Klägerin wurde vorgetragen, weder der Ehemann noch der Sohn der Klägerin seien in der Lage, die abgelehnten Leistungen am Wochenende im geforderten Umfang vorzunehmen. Nach der Rechtsprechung des BSG müsse der Pflegende zur Erbringung der Pflegeleistungen bereit sein (vgl. BSG, Urt. v. 30.3.2000, - B 3 KR 23/99 R -). Von Montag bis Freitag übernehme der Ehemann früh morgens (zwischen 5.00 Uhr und 6.00 Uhr) bzw. spät abends sowie nachts zahlreiche Pflegeverrichtungen. Hinzu kämen vielfältige organisatorische Tätigkeiten. Wegen der hohen beruflichen und persönlichen Beanspruchung von Montag bis Freitag könne weder der Ehemann noch der Sohn am Wochenende Medikamente geben und Kompressionsstrümpfe wechseln. Beide benötigten einen Freiraum, um Kraft zu tanken und einmal ausschlafen zu können.
Die Beklagte holte die Auskunft des Dr. W. vom 27.3.2007 ein. Darin heißt es, die Nahrungsaufnahme der Klägerin erfolge überwiegend oral, sei aber sehr mühsam und dauere sehr lange. Ausreichend Flüssigkeit könne oral nicht aufgenommen werden, weswegen die PRG weiterhin auf unabsehbare Zeit notwendig sei. Da der Schluckakt logopädischerseits weiterhin nur für passierte Kost erlaubt sei, werde die sichere Applikation über die PEG befürwortet. Ob die Medikamentengabe über PEG den Angehörigen zumutbar sei, sei eher eine soziale, aber keine medizinische Frage. Die Applikation der Medikamente über PEG sei bei der Klägerin ersichtlich nicht problematischer als bei anderen Patienten.
Unter dem 23.3.2007, 24.9.2007 und 18.3.2008 stellte Dr. W. Folgeverordnungen (u.a. für die streitigen Leistungen auch an den Wochenenden) für die Zeit vom 1.4.2007 bis 30.9.2007 bzw. 1.10.2007 bis 31.3.2008 und 1.4.2008 bis 30.9.2008 aus. Die Beklagte brachte die Genehmigungsvermerke für die Verordnungen vom 23.3.2007 und 24.9.2007 jeweils auf der Rückseite der Verordnungsformulare an; die Genehmigung gelte aber nur vorbehaltlich der Entscheidung des Widerspruchsausschusses. Die Verordnung vom 18.3.2008 enthält keinen Genehmigungsvermerk.
Mit Widerspruchsbescheid vom 1.4.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, gem. § 37 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) bestehe Anspruch auf häusliche Krankenpflege nur, soweit eine im Haushalt lebende Person den Kranken in dem erforderlichen Umfang nicht pflegen und versorgen könne. Die im Haushalt lebende Person müsse zwar mit der Pflegetätigkeit einverstanden sei. Eine Weigerung sei aber nur aus nachvollziehbaren Gründen zulässig, etwa bei Maßnahmen im Intimbereich. Solche Gründe lägen hinsichtlich der Medikamentengaben sowie des An- und Ausziehens von Kompressionsstrümpfen durch den Ehemann bzw. Sohn der Klägerin an den Wochenenden nicht vor. Der Widerspruchsbescheid wurde der Klägerin am 10.4.2008 zugestellt.
Am 9.5.2008 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Stuttgart. Sie wiederholte das bisherige Vorbringen und trug ergänzend vor, im Streit sei nicht nur die Zeit bis 31.3.2007, sondern auch die Folgezeit, da Dr. W. weitere Verordnungen ausgestellt habe. Diese habe die Beklagte unter Vorbehalt der Entscheidung des Widerspruchsausschusses bzw. des Sozialgerichts genehmigt. Ihrem Ehemann gehe es vor allem darum, ob die Beklagte eine beliebige Anzahl von Aufgaben der Behandlungspflege auf die Angehörigen übertragen dürfe. Fraglich sei auch, wie zu verfahren sei, wenn der Ehemann (Schul-)Ferien habe oder in den Ruhestand versetzt werde. Mitarbeiter des Pflegedienstes hätten ihm gesagt, er müsse ihr die Kompressionsstrümpfe nicht an- und ausziehen. Ärztlich verordnete Behandlungspflegemaßnahmen, wie die über eine Magensonde vorzunehmende Medikamentengabe, müssten von einer ausgebildeten Pflegefachkraft erbracht werden. Ihr Ehemann und ihr Sohn seien dazu nicht in der Lage.
Die Beklagte trug vor, das Bedürfnis der Pflegeperson nach Wochenenderholung begründe keinen Anspruch auf Leistungen der häuslichen Krankenpflege. Kompressionsstümpfen könnten dem Pflegebedürftigen auch dessen Angehörige an- und ausziehen. Das Einverständnis der Pflegeperson zur Übernahme von Pflegetätigkeiten können nicht auf Wochentage beschränkt werden. Streitgegenstand seien auch die Folgeverordnungen für die Zeit ab 1.4.2007 (Schriftsatz vom 9.10.2008).
Am 12.7.2010 führte das Sozialgericht eine mündliche Verhandlung durch. Ein dabei unterbreiteter gerichtlicher Vergleichsvorschlag (streitige Leistungen an den Wochenenden sechs Mal im Quartal auf Kosten der Beklagten) wurde von der Klägerin nicht angenommen.
Mit Urteil vom 22.11.2010 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Klage sei mangels Vorverfahrens unzulässig, soweit Pflegeleistungen für die Zeit nach dem 31.3.2007 begehrt würden. Für diese Zeit ergangene Bescheide seien nicht gem. § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bzw. § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Widerspruchs- bzw. Klageverfahrens geworden (vgl. BSG, Urt. v. 21.11.2001, — B 3 KR 13/02 R -). Die angefochtenen Bescheide beträfen nur die Zeit vom 15.12.2006 bis 31.3.2007. Insoweit sei die Klage zulässig, obgleich die Beklagte die begehrte Leistung unter Vorbehalt gewährt habe, da sie von der Klägerin ggf. Kostenerstattung fordern wolle. Die Klage sei aber unbegründet. Die Klägerin habe für die Zeit vom 15.12.2006 bis 31.3.2007 keinen Anspruch auf häusliche Krankenpflege in Form der Medikamentengabe sowie des An- und Ausziehens von Kompressionsstümpfen an den Wochenenden.
Gem. § 37 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 (SGB V, in der hier maßgeblichen Fassung) erhielten Versicherte in ihrem Haushalt oder ihrer Familie als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn sie zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich sei, gem. § 37 Abs. 3 SGB V aber nur, soweit eine im Haushalt lebende Person den Kranken in dem erforderlichen Umfang nicht pflegen und versorgen könne. Die Klägerin benötige die in Rede stehenden Leistungen (unstreitig) auch an den Wochenenden. Allerdings seien insoweit die Voraussetzungen des Ausschlusstatbestands in § 37 Abs. 3 SGB V erfüllt. Der Ehemann und der Sohn der Klägerin lebten in ihrem Haushalt. Von Familienangehörigen, insbesondere Ehepartnern oder Eltern, sei eine selbstverantwortliche familiäre Eigenleistung zu erwarten; dies sei auch zumutbar. Familienangehörige müssten im Grundsatz alles in ihren Kräften Stehende tun, um neben den Leistungen der Krankenkasse zur Behebung des Krankheitszustandes ihrer Angehörigen beizutragen (LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 7.6.2005, — L 24 KR 49/03 -). § 37 Abs. 3 SGB V gestalte als Ausdruck des Subsidiaritätsprinzips (§ 1 Satz 2 SGB V) und des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 Abs. 1 SGB V) den Vorrang der Eigenhilfe des Versicherten näher aus (BSG, Urt. v. 30.3.2000, — B 3 KR 23/99 R -; LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 7.6.2005, - L 24 KR 49/03 -). Bei pflegerischen Maßnahmen etwa im Intimbereich seien grundsätzlich die aktive Pflegebereitschaft des Haushaltsangehörigen und die passive Pflegebereitschaft des Pflegebedürftigen zu fordern (BSG, Urt. v. 30.3.2000, — B 3 KR 23/99 R -). Der Versicherte oder der Angehörige dürften die Eigenhilfe aber nicht ohne nachvollziehbaren Grund verweigern, insbesondere bei einfachen Maßnahmen ohne Berührung der Intimsphäre (z. B. Medikamentengabe - BSG, Urt. v. 30.3.2000 — B 3 KR 23/99 R -; LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 7.6.2005, — L 24 KR 49/03 -). Bei ganz einfachen Maßnahmen, die üblicherweise von im Haushalt lebenden Personen erbracht würden, sei ein objektiver Maßstab anzulegen. In diesen Fällen sei die Zumutbarkeit zu vermuten, es sei denn, die Betroffenen könnten ganz individuelle Gründe nachweisen (LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 7.6.2005, — L 24 KR 49/03 -).
Die Medikamentengabe sowie das An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen stellten ganz einfache Maßnahmen der Behandlungspflege dar, die im Grundsatz jeder Erwachsene nach einer kurzen Einweisung leisten könne. Dass der Ehemann und der Sohn der Klägerin während der streitigen Zeit hierzu außerstande gewesen wären, sei nicht ersichtlich. Das gelte auch für die Medikamentengabe über die PEG-Sonde. Der Ehemann der Klägerin habe bei der Begutachtung durch die Pflegesachverständige H. am 24.11.2006 selbst angegeben, er könne sich vorstellen, die Medikamentengabe jeweils am Samstag- und Sonntagnachmittag zu erledigen. Die familiäre Eigenhilfe werde auch nur mit Freizeit- und Erholungsbedürfnissen am Wochenende begründet. Die Behauptung, man könne die in Rede stehenden Pflegeleistungen nicht vornehmen, sei vorgeschoben.
§ 37 Abs. 3 SGB V verlange nicht, dass ein Familienangehöriger seine bisherige Rollenverteilung, etwa den Beruf, die Ausbildung oder das Studium aufgebe. Die Übernahme von Pflegeleistungen in der arbeits- bzw. schulfreien Zeit sowie im Urlaub sei aber zumutbar. Sonderurlaub müsse zur Pflege in der Familie nicht genommen werden und der Angehörige habe auch Anspruch auf ein gewisses Maß an jährlichem Erholungsurlaub ohne Verpflichtung zur Krankenpflege. Auch im Hinblick darauf bleibe es aber dabei, dass dem Ehemann und dem Sohn der Klägerin das An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen und das Geben von Medikamenten am Wochenende zumutbar gewesen sei. Die familiäre Hilfe für die Ehefrau bzw. Mutter beschränke sich auf einen sehr begrenzten Zeitraum und es bleibe dem Ehemann und dem Sohn der Klägerin noch genügen Wochenendfreizeit, zumal sich beide abwechseln und dadurch gegenseitig entlasten könnten und Hilfeleistungen im engsten Familienkreis in Rede stünden. Diese Eigenfürsorge innerhalb der Familie habe Vorrang vor Leistungen der Versichertengemeinschaft.
Auf das ihr am 2.12.2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 27.12.2010 Berufung eingelegt. Sie bekräftigt ihr bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor, bei der häuslichen Krankenpflege gehe es um die Medikamentengabe, also das Herrichten und Verabreichen der Medikamente, 3 Mal täglich für 7 Tage in der Woche, ferner um das An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen, 2 mal täglich für 7 Tage in der Woche. Ihr Ehemann und ihr Sohn übernähmen von Montag bis Freitag Aufgaben und Verrichtungen, die um 5.00 Uhr morgens bzw. 6.00 Uhr morgens begännen und auch in den Abendstunden bis oft nach Mitternacht durchgeführt werden müssten. Sie benötigten daher einen Freiraum, um Kraft für die Aufgaben während der Woche zu schöpfen. Die verordneten Pflegemaßnahmen dürften nur von ausgebildeten Pflegekräften vorgenommen werden. Bei anderen vergleichbar Pflegebedürftigen würden die in Rede stehenden Leistungen auch für die Wochenenden gewährt. Die Pflegekraft kleide sie ohnehin auch am Wochenende an und aus und könnte ihr dann auch die Kompressionsstrümpfe an- und ausziehen; nach Auffassung der Beklagten müsste dies ihr Ehemann oder ihr Sohn erledigen und die Pflegekraft könnte danach weiterarbeiten. Die Medikamentengabe über die Magensonde müsse von ausgebildetem Fachpersonal durchgeführt werden. Die Beklagte habe mit Schriftsatz vom 9.10.2008 ausgeführt, auch die Folgeverordnungen der häuslichen Krankenpflege ab dem 1.4.2007 seien Streitgegenstand. Das könnte man als (Ablehnungs-)Bescheid bzw. Widerspruchsbescheid einstufen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22.11.2010 aufzuheben und festzustellen, dass die Beklagte die Gewährung von Leistungen der Behandlungspflege in Form der Gabe von Medikamenten (drei Mal täglich) und des An- und Ausziehens von Kompressionsstrümpfen (zwei Mal täglich) an den Wochenenden in der Zeit vom 16.12.2006 bis 31.3.2007 rechtswidrig abgelehnt hat.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ergänzend trägt sie vor, ein Anspruch auf häusliche Krankenpflege bestehe nur, soweit im Haushalt lebende Personen den Kranken in dem erforderlichen Umfang nicht pflegen oder versorgen könnten (vgl. BSG, Urt. v. 30.3.2000, — B 3 KR 23/00 R -). Die Klägerin sei in die Pflegestufe III eingestuft und erhalte Pflegegeld. Die Pflege werde von den Angehörigen, insbesondere vom Ehemann und dem Sohn durchgeführt. Dies umfasse auch die vollständige Übernahme der grundpflegerischen Maßnahmen im Bereich der Körperpflege sowohl für den Ober- als auch den Unterkörper. Die Medikamentengabe sowie das An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen seien einfache Maßnahmen der Behandlungspflege, zu denen jeder Erwachsene nach einer kurzen Einweisung in der Lage sei. Die Medikamentengabe müsse nicht durch ausgebildetes Fachpersonal durchgeführt werden. Der Gesetzgeber habe insoweit zwischen auf Leistungen nach Maßgabe von Verträgen und Vergütungsvereinbarungen nach § 132a SGB V und der von Angehörigen zu erbringenden Behandlungspflege unterschieden. Die Verordnung von Pflegeleistungen stehe immer unter dem Vorbehalt der Genehmigung durch die Krankenkasse nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsvorschriften.
Die Klägerin hat mitgeteilt, ihr Sohn habe sein Studium mittlerweile abgeschlossen und sei in N. vollschichtig berufstätig. Er stehe zur Versorgung nicht mehr zur Verfügung.
Die Beklagte, die keinen Spielraum für einen Vergleich sieht, hat eine Aufstellung der für die Zeit vom 15.12.2006 bis 31.7.2011 anfallenden (fiktiven) Pflegekosten vorgelegt. Die Medikamentengabe und das Aus- und Anziehen der Kompressionsstrümpfe seien als einfache Leistungen der Leistungsgruppe I zugeordnet. Würden beide Leistungen im Rahmen eines Hausbesuches erbracht, seien sie mit der Vergütung einer Hausbesuchspauschale abgegolten. Nach der Abrechnung des ambulanten Pflegedienstes für den Monat August 2011 sei in der ersten und zweiten Tageshälfte ein Hausbesuch durchgeführt worden. Dabei würden die Leistungen der Medikamentengabe als auch des An- und Ausziehens der Kompressionsstrümpfe erbracht. Pro Tag können also zweimal die Pauschale für einen Hausbesuch abgerechnet werden. Eine vergleichsweise Regelung komme für sie nicht in Betracht. Diese würde letztendlich nur bewirken, dass der ambulante Pflegedienst für die gleiche Vergütung weniger Leistung erbringe.
Der Ehemann der Klägerin hat sich bereit erklärt, die Medikamentenabgabe an Samstag- und Sonntagnachmittagen vorzunehmen, wenn sie oral erfolgen könne (z.B. aufgelöst in einem Joghurt). Die Beklagte hat auf Nachfrage mitgeteilt, für den Zeitraum vom 16.12.2006 bis 31.4.2007 stünden Kosten von 831,60 EUR in Rede. Bislang habe man die Klägerin mit diesen Kosten nicht belastet, die Rechnungen des Pflegedienstes vielmehr unter Vorbehalt beglichen. Bei Zurückweisung der Berufung werde man den genannten Betrag bei der Klägerin einfordern.
Am 18.4.2012 hat eine mündliche Verhandlung des Senats stattgefunden. Die Beteiligten haben einen Widerrufsvergleich geschlossen; die Beklagte hat ihr Widerrufsrecht fristgerecht ausgeübt. Für den Fall des Widerrufs des Vergleichs haben die Beteiligen auf (weitere) mündliche Verhandlung verzichtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne (weitere) mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).
I. Die Berufung der Klägerin ist gem. §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG statthaft. Der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750 EUR) ist überschritten, da die Klage Dienstleistungen im Wert von 831,60 EUR betrifft. Die Berufung ist auch sonst gem. § 151 SGG zulässig.
Richtige Klageart für das Rechtsschutzziel der Klägerin ist nicht die Verpflichtungs-, sondern die Fortsetzungsfeststellungklage entsprechend § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG (vgl. dazu etwa Meyer-Ladewig, SGG § 131 Rdnr. 9; NK-VwGO/Wolff, § 113 Rdnr. 303 ff., jeweils m. w. N.). Die Klägerin hat ursprünglich die Gewährung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege an Wochenenden als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung begehrt. Leistungen der häuslichen Krankenpflege müssen vom Versicherten (unbeschadet der vertragsärztlichen Verordnung) vor Leistungsbeginn beantragt und von der Krankenkasse (durch Verwaltungsakt) bewilligt werden (vgl. § 15 Abs. 3 SGB V und dazu näher BSG, Urt. v. 24.9.2002 - B 3 KR 2/02 R -). Die Beklagte hat die Bewilligung der streitigen Leistungen im Bescheid vom 12.12.2006 / Widerspruchsbescheid vom 1.4.2008 für den Zeitraum 1.10.2006 bis 31.3.2007 abgelehnt, die hierfür anfallenden Kosten des Leistungserbringers jedoch vorläufig übernommen, so dass die Leistungen erbracht werden konnten; die Klägerin musste sie nicht auf eigene Kosten selbst beschaffen. Der geltend gemachte Sachleistungsanspruch hat sich dadurch und außerdem durch Zeitablauf erledigt. Ein Kostenerstattungsanspruch scheidet ebenfalls aus. Denn die Klägerin hat keine erstattungsfähigen Kosten aufgewandt, weil die Beklagte die Kosten der streitigen Leistungen vorläufig getragen hat. Die Klägerin begehrt daher im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage (in entsprechender Anwendung des § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG) die Feststellung, dass die Weigerung der Beklagten, den beantragten Verwaltungsakt (die Leistungsbewilligung nach § 15 Abs. 3 SGB V) für die in Rede stehenden Pflegeleistungen an den Wochenenden zu erlassen, die Rechtsordnung verletzt hat (Zum Erledigungsbegriff bei der Verpflichtungsklage näher NK-VwGO/Wolff, § 113 Rdnr. 306 ff., 314). An dieser Feststellung hat die Klägerin ein berechtigtes Interesse i. S. d § 131 SGG, da die Beklagte beabsichtigt, von ihr die vorläufig übernommenen Kosten der streitigen Leistungen einzufordern, was nicht in Betracht kommt, wenn die Leistungen hätten bewilligt werden müssen. Außerdem besteht ein berechtigtes Interesse an der Klärung der Leistungsansprüche für die Zukunft. Ansprüche der Klägerin auf die Bewilligung der Krankenpflegeleistungen für in der Vergangenheit liegende (Folge-)Zeiträume nach dem 31.3.2007 sind indessen nicht Streitgegenstand. Hierzu ergangene Folgebescheide sind nicht gem. § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden (vgl. BSG, Beschl. v. 16.12.2009, - B 7 AL 146/09 B -). Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist schließlich auch im Übrigen zulässig. Dass sich das Leistungsbegehren schon vor Klageerhebung erledigt hatte, ist unschädlich (vgl. BVerwG, Urt. v. 276.1985 – 2 B 81/84 -, veröffentlicht in Juris). Der Bescheid vom 12.12.2006/Widerspruchsbescheid vom 1.4.2008 ist hinsichtlich der Ablehnung der streitigen Krankenpflegeleistungen nicht bestandskräftig geworden.
II. Der Klägerin steht häusliche Krankenpflege (unstreitig) zu. Die Gewährung der streitigen Leistungen - Gabe von Medikamenten und An- bzw. Ausziehen von Kompressionsstrümpfen an den Wochenenden - hat die Beklagte aber zu Recht versagt.
1.) Gem. § 37 Abs. 2 SGB V erhalten Versicherte in ihrem Haushalt oder ihrer Familie als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn sie zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. Die häusliche Krankenpflege stellt eine (akzessorische) Nebenleistung zur Krankenbehandlung (§ 27 SGB V) dar. Sie ist vom behandelnden Arzt (nach Maßgabe der Richtlinien über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege - HKP-Richtlinien - des Gemeinsamen Bundesausschusses) zu verordnen (§§ 73 Abs. 2 Nr. 8, 15 Abs. 1 Satz 2 SGB V) und bedarf außerdem der Bewilligung durch die Krankenkasse (vgl. § 15 Abs. 3 SGB V bzw. § 27 Abs. 3 Satz 1 BMV-Ä).
Zur Behandlungspflege gehören pflegerische Maßnahmen der ärztlichen Behandlung, die dazu dienen, Krankheiten zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern, und die üblicherweise an (nichtärztliche) Pflegekräfte delegiert werden können, wozu insbesondere die Verabreichung von Injektionen zu rechnen ist. Nicht maßgeblich ist, ob sie ausschließlich von fachlich geschulten Pflegekräften oder auch von Laien erbracht werden können (BSG, Urt. v. 30.3.2000, - B 3 KR 23/99 R -). Gem. § 37 Abs. 3 SGB V (in der hier maßgeblichen Gesetzesfassung) besteht der Anspruch auf häusliche Krankenpflege nur, soweit eine im Haushalt lebende Person den Kranken in dem erforderlichen Umfang nicht pflegen und versorgen kann. Die Vorschrift knüpft an familienrechtliche Fürsorge- und Unterhaltspflichten sowie an sittliche Beistandspflichten unter zusammenlebenden Hausangehörigen außerhalb des Familienverbundes im engeren Sinne an und konkretisiert den Grundsatz des Vorrangs der Eigenhilfe vor der Hilfe durch die Solidargemeinschaft der Krankenversicherung, das Subsidiaritätsprinzip (§ 1 Satz 2 SGB V) und das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs. 1 SGB V). Der Versicherte (Kranke) und die mit ihm im Haushalt lebenden Familienangehörigen müssen alles in ihren Kräften Stehende und Zumutbare tun, um zur Behebung des Krankheitszustandes beizutragen (LSG, Berlin-Brandenburg, Urt. v. 7.6.2005, - L 24 KR 49/03 -).
§ 37 Abs. 3 SGB V enthält einen Ausschlusstatbestand und damit eine Ausnahmevorschrift, die nicht über den Wortlaut hinaus zu Lasten des Versicherten weit ausgelegt werden darf, zumal bei der Auslegung des SGB sicherzustellen ist, dass die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden (§ 2 Abs. 2 2. Halbsatz SGB I). Es genügt nicht, wenn die Hilfe durch Haushaltsangehörige geleistet werden könnte; sie muss tatsächlich geleistet werden. Der zu Pflegende muss bereit sein, sich von dem Angehörigen pflegen zu lassen, und der pflegende Angehörige muss mit der Durchführung der Pflege einverstanden sein. Im Hinblick auf die Intensität des Eingriffs zahlreicher pflegerischer Maßnahmen in Intimbereichen lässt Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG ein Einverständnis auf beiden Seiten, also die aktive wie auch die passive Pflegebereitschaft, als unverzichtbar erscheinen. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn der Versicherte sich ohne nachvollziehbaren Grund weigert, Maßnahmen der Behandlungspflege von ehrenamtlichen Pflegepersonen in Anspruch zu nehmen, insbesondere solchen, die ihn ohnehin zur Sicherstellung der Pflege als Voraussetzung für den Anspruch auf Pflegegeld aus der Pflegeversicherung versorgen, und es sich um einfache Maßnahmen ohne Berührung der Intimsphäre handelt, wie es etwa bei der Medikamentengabe regelmäßig der Fall sein dürfte (BSG, Urt. v. 30.3.2000, - B 3 KR 23/99 R -).
Über die Zumutbarkeit der Pflege durch Haushaltsangehörige ist im Rahmen einer Abwägung der jeweiligen Einzelfallumstände zu entscheiden. Für diese Abwägung kommt es (u.a.) auf die Art der für den Kranken zu erbringenden Pflegeleistung und auf die persönlichen Verhältnisse des pflegenden Haushaltsangehörigen ab. Hinsichtlich der Art der Pflegeleistung sind die Zumutbarkeitsanforderungen um so geringer, je weniger die Pflegeleistung den Intimbereich des Kranken betrifft. Hinsichtlich der persönlichen Verhältnisse des Haushaltsangehörigen kommt es auf dessen (physische, ggf. auch psychische oder pflegefachlich-technische) Fähigkeit zur Erbringung der Pflegeleistung an. Außerdem sind ggf. seine familienrechtlichen Beziehungen zum Kranken zu berücksichtigen. Schließlich dürfen der Pflege durch Haushaltsangehörige keine anderen Verpflichtungen entgegenstehen. So muss der Haushaltsangehörige für die Krankenpflege Arbeit oder Ausbildung nicht aufgeben. Die Erbringung von Pflegeleistungen während der arbeits- bzw. schulfreien Zeit bzw. im Urlaub wird aber regelmäßig zumutbar sein, unbeschadet dessen, dass dem Haushaltsangehörigen ein gewisses Maß an jährlichem Erholungsurlaub ohne Verpflichtung zur Krankenpflege zugebilligt werden muss (vgl. Padé in: jurisPK-SGB V, § 37 Rdnr. 59 ff.).
2.) Davon ausgehend hat es die Beklagte zu Recht abgelehnt, der Klägerin auch die streitigen Leistungen - Gabe von Medikamenten und An- bzw. Ausziehen von Kompressionsstrümpfen an den Wochenenden (3 bzw. 2 mal täglich) - als Leistung der häuslichen Krankenpflege zu gewähren und die Klägerin insoweit auf die Erbringung dieser Leistungen durch Haushaltsangehörige, nämlich ihren Ehemann bzw. ihren Sohn, verwiesen.
Der Senat teilt die Auffassung des Sozialgerichts und nimmt auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist insbesondere im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Beteiligten anzumerken:
Die Klägerin hat unstreitig Anspruch auf häusliche Krankenpflege gem. § 37 Abs. 2 SGB V, die auch die in Rede stehenden Leistungen umfasst. Diese werden von der Beklagten für die Wochentage auch gewährt. Der Gewährung an den Wochenenden steht aber der Ausschlusstatbestand des § 37 Abs. 3 SGB V entgegen.
Der Ehemann der Klägerin bzw. ihr Sohn (der seinerzeit noch im Haushalt gelebt hat) sind ersichtlich sowohl zur Gabe der Medikamente über die Magensonde wie zum An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen physisch und pflegefachlich-technisch (und auch psychisch) in der Lage. Der Ehemann der Klägerin hat sich hierzu gegenüber der Pflegesachverständigen H. (Gutachten vom 5.12.2006) grundsätzlich bereit erklärt und die Leistungsbereitschaft nur in zeitlicher Hinsicht auf den Samstag- und Sonntagmittag beschränken wollen. Dr. H. hat in der MDK-Stellungnahme vom 7.11.2006 dargelegt, dass gegen die Verabreichung der Medikamente durch den Ehemann per Magensonde keine (medizinisch-pflegefachlichen) Bedenken bestehen. Solche hat auch der behandelnde Arzt der Klägerin (Dr. W.) nicht angeführt; nach seiner Auffassung stellt die Medikamentengabe per Magensonde durch die Haushaltsangehörigen der Klägerin kein medizinisches, sondern allenfalls ein soziales (Zumutbarkeits-)Problem dar (Stellungnahme vom 27.3.2007). Das An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen ist ohnehin unproblematisch. Das Sozialgericht hat die im Nachhinein aufgestellte Behauptung, die Medikamentengabe per Magensonde könne nur durch Pflegefachkräfte durchgeführt werden, daher zu Recht als vorgeschoben angesehen.
Nachvollziehbare Gründe, die die Erbringung der streitigen Pflegeleistungen durch Haushaltsangehörige an den Wochenenden als unzumutbar erscheinen lassen könnten, liegen nicht vor. Für die Festlegung der Zumutbarkeitsschwelle ist im Ausgangspunkt maßgeblich, dass es sich bei den Haushaltsangehörigen i. S. d. § 37 Abs. 3 SGB V um den (zum Betreuer der Klägerin bestellten) Ehemann bzw. den Sohn der Klägerin handelt, also um Personen, die in engster familienrechtlicher (und sittlicher) Beziehung zur Klägerin stehen und von denen deshalb von Vornherein eine höhere Pflegebereitschaft erwartet werden muss als von anderen Haushaltsangehörigen. Außerdem handelt es sich um Pflegepersonen, deren Pflegetätigkeit Grundlage der Gewährung von Pflegegeld durch die Pflegekasse ist. Der Senat verkennt bei der weiteren Abwägung nicht, dass das schwere Krankheitsschicksal der Klägerin auch ihrem Ehemann (und Sohn) erhebliche Lasten auferlegt, die beide jedenfalls in weitem Umfang auch zu tragen bereit sind. Die Solidargemeinschaft der Krankenversicherung erleichtert diese (Pflege-)Lasten mit den von der Beklagten gewährten Leistungen im Rahmen des gesetzlich Möglichen. Die 3 mal tägliche Gabe von Medikamenten und das 2 mal tägliche An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen erschöpfen sich aber in eher punktuellen und zeitlich eng beschränkten Verrichtungen, so dass dem Ehemann und dem Sohn der Klägerin hinreichend Freiraum und Freizeit für persönliche Tätigkeiten bzw. für die Wochenenderholung bleiben. Das wird erst Recht anzunehmen sein, wenn sich der Ehemann der Klägerin im Ruhestand befindet, was in der streitigen Zeit freilich noch nicht der Fall gewesen ist.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
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