L 5 KR 174/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 1410/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 174/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 28.12.2011 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die weitergehende Zahlung von Krankengeld über den 12.08.2010 hinaus.

Der Kläger, der als Lagerist tätig war, hatte wegen der zur Arbeitsunfähigkeit führenden Erkrankungen "Diabetes, Polyneuropathie, Thalamussyndrom, Zustand nach cerebralen Ischämien und Thalamusinsult" vom 28.06.2008 bis 17.12.2008 Krankengeld bezogen. Mit bindend gewordenem Aussteuerungsbescheid der Beklagten vom 04.11.2009 war festgestellt worden, dass das Krankengeld wegen Ausschöpfung der Höchstbezugsdauer von 78 Wochen innerhalb der dreijährigen Blockfrist mit dem 17.12.2009 ende.

Danach hatte sich der Kläger arbeitssuchend gemeldet und Arbeitslosengeld bezogen. Er war dann wieder - mit Erstbescheinigung des Dr. J. vom 12.08.2010 sowie Folgebescheinigung dieses Arztes vom 08.09.2010 und weiterer Folgebescheinigung des Dr. K. vom 04.10.2010 für den Zeitraum vom 12.08.2010 bis 31.10.2010 krankgeschrieben worden und zwar wegen der Diagnosen "leichte kognitive Störung, cerebrovaskuläre Erkrankung, Diabetes, Polyneuropathie" bzw. "cerebrale transitorische ischämische Attacken (TIA), Diabetes mit mehreren Komplikationen". Außerdem wurden Auszahlscheine für Krankengeld vom 04.10.2010 sowie vom 25.10.2010, ausgestellt von Dr. K., vorgelegt. Die Beklagte teilte mit Schreiben vom 26.10.2010 mit, dass sie beabsichtige, Krankengeld wegen Ausschöpfens der Höchstbezugsdauer zu versagen.

Mit Anträgen auf Erlass einstweiliger Anordnungen vom 05.11.2010 (S 5 KR 5663/10 ER) und vom 08.11.2010 (S 5 KR 5685/10 ER) machte der Kläger sein Begehren auf Zahlung von Krankengeld beim Sozialgericht Freiburg geltend.

Mit Bescheid vom 10.11.2010 lehnte die Beklagte die Gewährung von Krankengeld ab, da der Kläger wegen derselben Krankheit schon für 78 Wochen Krankengeld bezogen habe, so dass ihm weiteres Krankengeld ab 12.08.2010 nicht zustehe. Dagegen erhob der Kläger am 16.11.2010 Widerspruch.

Die Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz wurden mit Beschlüssen vom 02.12.2010 vom Sozialgericht Freiburg zurückgewiesen.

Mit Bescheid vom 01.03.2011 bewilligte die Deutsche Rentenversicherung dem Kläger rückwirkend zum 01.09.2010 Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (Zahlbetrag 740,85 EUR).

Mit Widerspruchsbescheid vom 10.03.2011 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.

Der Kläger erhob am 17.03.2011 Klage beim Sozialgericht Freiburg und machte erneut geltend, die Arbeitslosigkeit begründe eine neue Mitgliedschaft, so dass frühere Blockfristen aufgrund der früheren Mitgliedschaft als Lagerist jetzt keine Rolle mehr spielten. Ab der Arbeitsunfähigkeit vom 12.08.2010 laufe ein neuer Dreijahreszeitraum. Aufgrund eines Bescheides vom 01.03.2011 beziehe er nun Rente wegen voller Erwerbsminderung. Hätte die Beklagte ihm das zustehende Krankengeld von Anfang an gewährt, wäre ihm der über den Betrag der später rückwirkend bewilligten Rente hinausgehende Spitzbetrag nach § 50 Abs.1 Satz 2 SGB V verblieben. Die Beklagte dürfe aus ihrer rechtswidrigen Ablehnung des Krankengeldes jetzt keinen Vorteil schöpfen und müsse ihm den Spitzbetrag ausbezahlen.

Das Sozialgericht wies die Klage durch Gerichtsbescheid vom 28.12.2011 ab. Die Klage sei unbegründet, denn die Erkrankungen, wegen der die Krankschreibungen ab 12.08.2010 erfolgt seien, seien dieselben Erkrankungen, wegen derer der Kläger bereits für 78 Wochen Krankengeld bezogen habe. Deswegen sei er zum 17.12.2009 ausgesteuert worden. Nach § 48 Abs. 1 S. 1 SGB V erhielten Versicherte für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit Krankengeld für längstens 78 Wochen innerhalb von je 3 Jahren (innerhalb der sogenannten Blockfrist), gerechnet vom Tag des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an. Da der Kläger die Krankengeld-Höchstbezugsdauer bereits am 17.12.2009 ausgeschöpft habe, könne ihm innerhalb der noch laufenden Blockfrist ein weiterer Krankengeldanspruch wegen derselben Erkrankungen nicht zustehen. Dass sich der Maßstab für das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit ändere, wenn es nicht mehr um einen Krankengeldanspruch aus der Krankenversicherung als Arbeitnehmer, sondern aus der Krankenversicherung der Arbeitslosen gehe, ändere nichts daran, dass innerhalb eines Dreijahreszeitraums immer nur für 78 Wochen Anspruch auf Krankengeld wegen derselben Krankheit bestehe. Dem Kläger stehe deshalb kein Krankengeld bis zum 01.03.2011 zu; ab diesem Zeitpunkt bestehe schon nach § 50 Abs.1 Satz 1 Nr.1 SGB V kein Anspruch auf Krankengeld mehr.

Gegen den seinem Bevollmächtigten am 05.01.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 12.01.2012 Berufung eingelegt. Er macht erneut geltend, mit dem Beginn der Arbeitslosigkeit sei eine neue Mitgliedschaft bei der Beklagten begründet worden, mit der ein neuer Anspruch auf Gewährung von Krankengeld in einer neuen Blockfrist entstanden sei. Er habe zwischenzeitlich notgedrungen den Weg in die Rente antreten müssen, der Krankengeldanspruch sei aber etwa 250 EUR/Monat höher als die Erwerbsminderungsrente.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 28.12.2011 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 10.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.03.2011 aufzuheben, hilfsweise abzuändern, und die Beklagte zu verurteilen, ihm Krankengeld ab dem 12.08.2010 zu gewähren, hilfsweise den gegenüber dem Zahlbetrag der Rente wegen voller Erwerbsminderung höheren Krankengeldspitzbetrag auszubezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Die Auffassung des Klägers, dass mit dem Beginn einer neuen Mitgliedschaft auf vorangegangene Vorerkrankungen und frühere Blockfristen nicht zurückgegriffen werden könne, finde keine Grundlage im Gesetz. Die Beklagte teilte ferner mit, dass ein Krankengeldanspruch des Klägers mit einem Leistungsbetrag von 33,47 EUR bemessen würde. Nach dem 12.08.2010 seien Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bzw. Auszahlscheine bis zuletzt zum 31.01.2011 vorgelegt worden.

Mit Schreiben vom 25.05.2012 und vom 31.05.2012 haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Gerichtsakten des Sozialgerichts zu den Verfahren S 5 KR 5663/10 ER, S 5 KR 5685/10 ER und S 5 KR 1410/11 sowie auf die Akten des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

Die Berufung ist bereits unstatthaft.

Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt.

Weder das Sozialgericht noch der Senat haben die Berufung gegen die angegriffene Entscheidung zugelassen. Der Wert des Beschwerdegegenstands der auf Gewährung von weiterem Krankengeld gerichteten Klage übersteigt auch nicht 750,00 EUR. Die insoweit unzutreffende Rechtsmittelbelehrung des angegriffenen Gerichtsbescheides stellt keine Entscheidung des Sozialgericht über die Zulassung der Berufung dar (Meyer-Ladewig, SGG, 10. Aufl., § 144 RdNr. 44 m.w.N.).

Bei einer Klage auf Gewährung einer Geldleistung ist der Wert des Beschwerdegegenstandes im Berufungsverfahren (§ 144 Abs. 1 SGG) lediglich nach dem Geldbetrag zu berechnen, um den unmittelbar gestritten wird. Rechtliche oder wirtschaftliche Folgewirkungen der Entscheidung über den eingeklagten Anspruch bleiben außer Ansatz (BSG, Beschluss vom 06.02.1997 - 14/10 BKg 14/96 -, veröffentlicht in Juris mit Nachweis).

Für die Statthaftigkeit der Berufung ist nicht der gestellte Antrag maßgebend sondern das, was der Rechtsmittelkläger in Wirklichkeit als sachlich verfolgbares Prozessziel anstrebt, was er unter den gegebenen Umständen allenfalls "wollen kann". Soweit der Berufungsantrag hierüber hinausgeht und durch die Sachlage nicht gerechtfertigt ist, kann hierdurch die Zulässigkeit der Berufung nicht herbeigeführt werden (BSG, Urteil vom 05.05.1980 - 9 RV 44/78 - in Juris).

Der Kläger beansprucht Krankengeld ab dem 12.08.2010; ab dem 01.09.2010 wurde ihm - rückwirkend - Rente wegen voller Erwerbsminderung gewährt. Nach § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V würde ein Anspruch des Klägers auf Krankengeld, sofern dessen Voraussetzungen vorlägen, jedenfalls mit dem Beginn der Erwerbsminderungsrente enden. Gegenstand des Berufungsverfahren kann daher lediglich ein Anspruch auf Krankengeld für die Zeit vom 12.08.2010 bis zum 31.08.2010 sein, mit dem aber der Beschwerdewert von 750 EUR nicht erreicht wird. Der tägliche Leistungsbetrag des Krankengeldes beläuft sich auf 33,47 EUR, bei einem Zeitraum von 19 Kalendertagen ergibt sich demnach ein Beschwerdewert in Höhe von 635,93 EUR.

Soweit der Kläger darüber hinaus hilfsweise den Spitzbetrag zwischen dem Zahlbetrag der Rente und dem höheren Krankengeld für eine Folgezeit beansprucht, kann auch dies die Statthaftigkeit der Berufung nicht begründen. Denn der Kläger strebt mit der Zahlung des Spitzbetrages ab Bewilligung der Erwerbsminderungsrente kein sachlich verfolgbares Prozessziel an. Nach § 50 Abs. 1 Satz 2 SGB V darf die Krankenkasse den überschießenden Betrag zwar nicht zurückfordern, wenn das höhere Krankengeld vor der Bewilligung der Erwerbsminderungsrente bereits gezahlt wurde. Diese Norm enthält aber lediglich einen Einwand des Versicherten gegen Rückforderungen der Krankenkasse, begründet jedoch keinen Anspruch auf nachträgliche Bewilligung des Spitzbetrages (BSG, Urteil vom 08.03.1990 - 3 RK 9/89, in Juris).

Die Berufung ist deshalb nicht statthaft und aus den gleichen Gründen offensichtlich unbegründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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