L 5 KR 4510/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 90/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 4510/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 1.9.2011 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin bei der Beigeladenen Nr. 2 seit dem 1.7.2009 eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausübt.

Die 1963 geborene Klägerin hat den Beruf der Kauffrau erlernt; eine weitere Ausbildung zur Raumausstatterin hat sie ohne Abschlussprüfung beendet. Die Klägerin gründete zusammen mit ihren beiden Schwägern, V. O. (Maschinenbaumeister) und E. O. (Augenoptiker- und Hörgeräteakkustikermeister) sowie ihrer Mutter H. D. am 30.4.2001 die Beigeladene Nr. 2, seinerzeit mit Sitz in N ... Unternehmensgegenstand waren Rohr- und Kanalsanierungen und alle damit zusammenhängenden Dienstleistungen, die nicht der Handwerksordnung unterliegen.

Das Stammkapital der Beigeladenen Nr. 2 beträgt 25.000,00 EUR. Davon hielt die Klägerin zunächst einen Kapitalanteil von 21.250,00 EUR, die übrigen Gesellschafter hielten jeweils 1.250,00 EUR. Beschlüsse der Gesellschafterversammlung werden mit einfacher Mehrheit des vertretenen Kapitals gefasst. Für die Beschlussfähigkeit sind 75 % des Gesellschaftskapitals notwendig (§ 10 des Gesellschaftsvertrags vom 30.4.2001).

Die Klägerin ist mit Gründung der Beigeladenen Nr. 2 zur Alleingeschäftsführerin bestellt worden. Ihrer Tätigkeit liegt ein Gesellschafterdienstvertrag vom 30.4.2001 zugrunde. Darin ist eine Arbeitszeit von 15 Wochenstunden festgelegt (§ 4 Abs. 1). Die Vergütung betrug zunächst 1.500,00 DM monatlich brutto zzgl. dreizehntes Monatsgehalt und eines Anspruchs auf Tantiemen (§ 5). Vereinbart sind außerdem die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für 6 Wochen (§ 7 Abs. 3), ein Jahresurlaub von 30 Tagen (§ 8 Abs. 1) sowie die Bereitstellung eines Dienstwagens, mit der Verpflichtung, den geldwerten Vorteil für die private Nutzung zu versteuern (§ 9 Abs. 1). Die Klägerin hat Anspruch auf eine vom Unternehmen zu bedienende Altersvorsorgeversicherung (Direktversicherung, § 13). Von der Beschränkung des § 181 BGB (Selbstkontrahierungsverbot) ist die Klägerin befreit (§ 2 Abs. 1). Alle Geschäfte, die über den gewöhnlichen Betrieb des Unternehmens hinausgehen, bedürfen der vorherigen Zustimmung der Gesellschafterversammlung (§ 2 Abs. 2).

Durch notariellen Vertrag vom 11.5.2004 übertrugen die Klägerin und ihre Mutter ihre Gesellschaftsanteile auf die beiden Schwäger der Klägerin. Am 31.8.2007 wurde der Unternehmenssitz von N. nach L. (gemietetes Wohnhaus der Klägerin) verlegt.

Von Juni 2004 bis Dezember 2005 betrieb die Klägerin neben der Tätigkeit als Geschäftsführerin der Beigeladenen Nr. 2 (nach eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts vom 1.9.2011) als Selbständige einen Schreib- und Einzelhandelladen in W. mit Toto-Lotto-Annahmestelle in Vollzeit. Außerdem übte sie eine geringfügige Beschäftigung als Kassiererin bei der Firma R. aus (Anmeldung zur Sozialversicherung zum 28.2.2005).

Zum 3.6.2008 wurde der Gegenstand des Unternehmens der Beigeladenen Nr. 2 in Rohr- und Kanalsanierung und alle damit zusammenhängenden Dienstleistungen, die nicht den Bestimmungen der Handwerksordnung unterfallen, sowie An- und Verkauf von Naturwaren, Lebensmitteln und Kosmetikartikeln an Groß- und Einzelhandel sowie Endverbraucher geändert.

Am 26.6.2009 beschloss die Gesellschafterversammlung der Beigeladenen Nr. 2, die Klägerin als Geschäftsführerin ab 1.7.2009 zu einem Bruttogehalt von monatlich 2.000,00 EUR zu beschäftigen.

Am 5.8.2009 ging bei der Beklagten rückwirkend zum 1.7.2009 eine Anmeldung der Klägerin als sozialversicherungspflichtig Beschäftigte ein. Gleichzeitig wurde die Gewährung von Krankengeld beantragt. Am 2.7.2009 habe die Klägerin einen Beschäftigten der Beigeladenen Nr. 2 abgeholt und dabei (unverschuldet) einen Autounfall erlitten. In der Anmeldung der Klägerin ist als Tätigkeit "Raumausstatterin" angegeben; die Arbeitszeit – neben der Geschäftsführertätigkeit bei der Beigeladenen Nr. 2 – betrage 40 Wochenstunden.

Auf einem Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH ist unter dem 28.10.2009 (u.a.) angegeben, die Klägerin könne durch Sonderrechte Gesellschaftsbeschlüsse weder herbeiführen noch verhindern. Darlehen oder Bürgschaften habe sie der Gesellschaft nicht gewährt. Die Klägerin verfüge nicht als einzige über die zur Führung des Unternehmens erforderlichen Branchenkenntnisse. Ihre Tätigkeit sei auch nicht aufgrund familienhafter Rücksichtnahmen durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander zu anderen Gesellschaftern geprägt. Sie sei ausschließlich nur im Rahmen des Gesellschaftsvertrags zur Mitarbeit verpflichtet. Die regelmäßige und tatsächliche wöchentliche Arbeitszeit betrage 40 Stunden. Die Klägerin unterliege wie ein fremder Arbeitnehmer dem von den Gesellschaftern ausgeübten Direktionsrecht hinsichtlich Zeit, Ort und Art der Beschäftigung und könne ihre Tätigkeit nicht frei bestimmen und gestalten. Aushilfen und kurzzeitig Angestellte könne sie selbständig einstellen oder entlassen. Urlaub sei genehmigungspflichtig. Die Abberufung bzw. Kündigung sei jederzeit möglich. Vereinbart sei eine Kündigungsfrist von 3 Monaten zum Quartalsende. Die gleichbleibende und von der Ertragslage des Unternehmens unabhängige monatliche Vergütung betrage 2.368 EUR zzgl. Gewinnbeteiligung. Es werde Lohnsteuer entrichtet und das Gehalt werde als Betriebsausgabe gebucht.

Unter dem 30.11.2009 teilte der Steuerberater der Beigeladenen Nr. 2 auf Nachfrage der Beklagten mit, die Klägerin habe vom 1.6.2004 bis 30.6.2005 wegen Einbruchs der Aufträge als Geschäftsführerin ohne Arbeitsentgelt gearbeitet. Danach habe sie einen Aushilfslohn erhalten. Dieser habe in der Zeit vom 1.7.2005 bis 31.12.2006 300,00 EUR monatlich und in der Zeit vom 1.1.2007 bis 31.1.2008 370,00 EUR monatlich betragen. Vom 1.2.2008 bis 30.6.2009 sei sie wegen erneuten Einbruchs der Aufträge wiederum als Geschäftsführerin ohne Arbeitsentgelt beschäftigt worden. Ab 1.7.2009 habe sie (nach der Umstrukturierung des Unternehmens) ein Bruttoentgelt von 2.000,00 EUR monatlich zzgl. 1 % geldwerten Vorteils für die Nutzung des Firmenwagens bekommen. Die letzte Betriebsprüfung am 21.10.2009 (Zeitraum 1.1.2005 bis 30.9.2008) habe keine Feststellungen ergeben.

Unter dem 19.1.2010 gab der Gesellschafter der Beigeladenen Nr. 2 V. O. an, man hätte der Klägerin damals wegen Arbeitsmangel kündigen können, habe davon aber abgesehen, um einen Geschäftsführer nachweisen zu können. Andernfalls hätte die zuständige Stelle einen Notgeschäftsführer bestellen müssen, was höhere Kosten verursacht hätte. Ein Verzicht auf Entgelt habe nicht vorgelegen, da keine Arbeit vorhanden gewesen sei. Man habe die Zeit ohne Aufträge genutzt, um neue Aufgabenfelder zu erschließen, was Mitte 2009 auch gelungen sei. Die zu dieser Zeit angenommenen Aufträge habe man aber wieder zurückgeben und den geringfügig beschäftigten Malergesellen entlassen müssen, da die Aufträge wegen des Unfalls der Klägerin innerhalb der kurzen Zeit nicht auszuführen gewesen seien.

Mit Schreiben vom 24.2.2010 machte der Gesellschafter V. O. ergänzend geltend, eine Familien-GmbH liege nicht vor, da zur Klägerin keine verwandtschaftlichen Beziehungen bestünden. Die Klägerin habe nicht auf dem gesamten Geschäftsfeld des Unternehmens, sondern nur im Bereich Raumausstattung Arbeiten (selbst bzw. mit dem Malergesellen) ausführen sollen. Für andere Tätigkeiten, etwa im Trockenbau, Betonieren, Baumschnitt (Bereich Handwerk, Dienstleistungen rund ums Haus) verfüge sie nicht über die notwendigen Branchenkenntnisse. Hier seien immer Fachkräfte eingesetzt worden. Der Malergeselle habe nach dem Unfall der Klägerin nicht zu Baustellen fahren können, da er nicht über eine Fahrerlaubnis verfügt habe; deswegen habe man die entsprechenden Aufträge nicht mehr ausführen können.

Mit Bescheid vom 12.5.2010 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin in der bei der Beigeladenen Nr. 2 seit 1.7.2009 ausgeübten Tätigkeit nicht der Versicherungspflicht zu den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung unterliegt. Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin sei selbständig erwerbstätig. Nach den betriebswirtschaftlichen Auswertungen bilde der Bereich Raumausstattung den Schwerpunkt des Unternehmens der Beigeladenen Nr. 2. Hierfür verfüge allein die Klägerin über die notwendige Branchenkenntnis. Die Klägerin arbeite nicht weisungsgebunden. Sie halte zwar keine Kapitalanteile mehr, sei jedoch alleinvertretungsbefugt und von der Beschränkung des § 181 BGB befreit. Daher sei die Klägerin nicht als abhängig Beschäftigte der Familien-GmbH einzustufen.

Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs trug die Klägerin vor, sie sei gelernte Einzelhandels- und Versicherungskauffrau, aber nicht ausgebildete Raumausstatterin. Ihre Kapitalbeteiligung an der Beigeladenen Nr. 2, die für sie keine Familien-GmbH sei, habe sie seinerzeit aus persönlichen und wirtschaftlichen Gründen aufgegeben. Neben der Teilzeittätigkeit als Geschäftsführerin übe sie eine (versicherungspflichtige) Teilzeitbeschäftigung bei der Firma R. aus. Der Schwerpunkt des - zum 1.7.2009 neu ausgerichteten - Unternehmens der Beigeladenen Nr. 2 liege nicht in der Raumausstattung. Sie habe Verwaltungsarbeit geleistet und ab 1.7.2009 auch aktiv als Arbeitnehmerin mit dem Schwerpunkt Maler- und Tapezierarbeiten und Innenausstattung tätig werden sollen; allerdings habe sie schon am 2.7.2009 den Verkehrsunfall erlitten. Damals habe das Unternehmen über Aufträge im Volumen von über 36.000 EUR verfügt und weitere Aufträge sogar ablehnen müssen; wegen ihres Unfalls sei die Geschäftstätigkeit aber zum Erliegen gekommen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 8.12.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, eine abhängige Beschäftigung liege nicht vor. Obgleich Mitgesellschafter der Klägerin deren Schwäger seien, müssten die Rechtsgrundsätze für die Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses unter Verwandten angewendet werden. Unverständlich sei, dass man die Klägerin nicht bereits im Jahr 2004 zur Sozialversicherung angemeldet habe, als sie alle Gesellschaftsanteile abgegeben habe. Die vom Steuerberater mitgeteilte Zeit ohne Arbeitsentgelt liege unmittelbar vor der Anmeldung zum 1.7.2009. Bei einer abhängigen Beschäftigung werde aber regelmäßig Lohn gezahlt. Die im Geschäftsführervertrag vereinbarte monatliche Vergütung der Klägerin von 1.500,00 DM brutto sei so gering, dass sie als Aufwandspauschale gewertet werde. Die Klägerin habe auch ein unternehmerisches Risiko getragen. Der Widerspruchsbescheid wurde der Klägerin am 13.12.2010 zugestellt.

Am 11.1.2011 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Mannheim. Sie trug ergänzend vor, sie habe nur als angestellte Teilzeitgeschäftsführerin bei der Beigeladenen Nr. 2 gearbeitet, ohne am Unternehmen wirtschaftlich beteiligt gewesen zu sein. Die Beigeladene Nr. 2 sei zunächst als Familienbetrieb geführt worden; man habe 2 Arbeitnehmer und Aushilfskräfte bzw. Zeitarbeiter mit Kanalsanierungsarbeiten beschäftigt. Im Jahr 2005 habe sich die Situation vollständig geändert. Sie und ihre Mutter hätten ihre Kapitalanteile an ihre Schwäger verkauft, die nunmehr Alleingesellschafter gewesen seien. Sie habe sich dann zusätzlich anderweitig beruflich orientiert und u.a. im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung bei der Firma R. als Kassiererin (Springerin) – bis zum Verkehrsunfall vom 2.7.2009 – gearbeitet; das Arbeitsverhältnis sei nicht gekündigt worden. Wegen der schlechten Auftragslage der Beigeladenen Nr. 2 habe sie ab 1.3.2005 auf ihr (Geschäftsführer-)Entgelt verzichtet. Es hätten nur noch Auslagen sowie der geldwerte Vorteil für die Nutzung des Firmenkraftfahrzeuges und die Direktversicherung vergütet werden sollen. Schließlich habe sie ab 1.7.2005 einen Aushilfslohn von 300,00 EUR erhalten, auf den sie später wegen der schlechten Auftragslage ab 1.2.2008 ebenfalls verzichtet habe. Man habe das Unternehmen neu strukturiert und auch Arbeiten "rund ums Haus" aufgenommen. Sie habe sich als Geschäftsführerin um Aufträge für Haus- und Wohnungssanierungen bemühen sollen. Ab April 2009 habe das Unternehmen verschiedene Aufträge für Außenarbeiten erhalten. Im Hinblick auf die Entwicklung der Auftragslage hätten die Gesellschafter am 26.6.2009 beschlossen, ihr ab 1.7.2009 ein Bruttogehalt von 2.000,00 EUR monatlich zzgl. der bereits genannten geldwerten Vorteile zu zahlen. Das Schwergewicht des Unternehmens habe nicht auf der Raumausstattung gelegen; solche Arbeiten seien nur im Zusammenhang mit Wohnungssanierungen übernommen worden. Anfang 2009 habe sie beim Aufbau des neuen Geschäftsfeldes aktiv mitgearbeitet. Eine vollschichtige Tätigkeit sei aber nicht notwendig gewesen, weshalb sie daneben noch als Kassiererin habe arbeiten können. Alle wesentlichen Unternehmensentscheidungen, insbesondere in Finanzierungsfragen, hätten die Gesellschafter, ihre Schwäger, getroffen. Sie hätten ihr entsprechende Weisungen erteilt. Da sie mit den Gesellschaftern im eigentlichen Sinne nicht verwandt sei, arbeite sie nicht als Familienmitglied in einem Familienbetrieb. Sie sei zur Sozialversicherung angemeldet worden und man habe für sie Sozialversicherungsbeiträge abgeführt. Ab 1.1.2006 habe die Beigeladene Nr. 3 nach einer Betriebsprüfung das Vorliegen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses anerkannt. Aufwendungen der Beigeladenen Nr. 2 für die Entgeltfortzahlungen im Krankheitsfall nach dem Verkehrsunfall vom 2.7.2009 (Zeitraum 3.7.2009 bis 13.8.2009) habe die Beklagte erstattet. Krankengeld werde ihr aber verweigert mit der Begründung, sie sei als Geschäftsführerin der Beigeladenen Nr. 2 nicht versicherungspflichtig beschäftigt.

Am 1.9.2011 führte das Sozialgericht eine mündliche Verhandlung durch. Die Klägerin gab u.a. an, die Arbeit für die Beigeladene Nr. 2 sei nur untergeordnet gewesen und habe ihre ganze Arbeitskraft nicht beansprucht. Vor 2005 habe das Unternehmen gut floriert. Danach sei die Auftragslage schlecht gewesen; deshalb habe sie auch ihren Kapitalanteil abgetreten und man habe versucht, das Geschäftsfeld (auf Arbeiten rund ums Haus) auszuweiten. Man habe Trockenbauaufträge bekommen; an ihrem zweiten Arbeitstag sei es dann aber zu dem Verkehrsunfall gekommen. In ihrem (mit dem Ehemann) gemieteten Wohnhaus seien eine Garage, ein Büroraum, eine Toilette und ein Lagerraum an die Beigeladene Nr. 2 vermietet (Pauschalmiete 400,00 EUR).

Bis etwa 2003/2004 habe sie das Gehalt von 1.500,00 DM bekommen. Sie habe 15 Stunden in der Woche gearbeitet, insbesondere Büroarbeiten erledigt. Sie sei nicht zur Sozialversicherung angemeldet gewesen, weil man ihr gesagt habe, solange sie Gesellschaftsanteile halte, sei sie Selbständige. Im Jahr 2004 habe sie aus der Gesellschaft raus, allerdings als angestellte Geschäftsführerin weiterarbeiten wollen. Außerdem habe sie die Arbeit als Kassiererin aufgenommen. Als mehrfach geringfügig Beschäftigte sei sie zur Sozialversicherung angemeldet worden. Die Tätigkeit der Beigeladenen Nr. 2 ruhe derzeit, bis einer der Gesellschafter seine Ausbildung zum Betriebswirt abgeschlossen habe; eigentlich ruhe der Betrieb schon seit ihrem Unfall.

Der Ehemann der Klägerin gab u.a. an, er habe (auch) bei einem Kanalsanierungsunternehmen gearbeitet und dort den Kanalsanierungsroboter bedient. Seine Brüder hätten die Beigeladene Nr. 2 gründen wollen; er sei dort angestellt worden. Bei Kalkulationen für Kanalsanierungsarbeiten habe man ihn wegen seines (technischen) Fachwissens zugezogen. Die Verträge hätten dann aber seine Brüder erstellt. Einer der Gesellschafter sei zwar Augenoptikermeister, verfüge aber dennoch über große Bauerfahrung, da sein Schwiegervater ein Baugeschäft habe.

Mit Urteil vom 1.9.2011 hob das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 12.5.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.12.2010 auf und stellte fest, dass die von der Klägerin seit dem 1.7.2009 bei der Beigeladenen Nr. 2 ausgeübte Tätigkeit der Sozialversicherungspflicht unterliegt.

Zur Begründung führte das Sozialgericht aus, die Tätigkeit der Klägerin bei der Beigeladenen Nr. 2 sei nach ihrem Gesamtbild als abhängige Beschäftigung einzustufen, auch wenn sie als gelernte Kauffrau und wegen ihrer Sachkunde im Bereich der Raumausstattung anders als die Gesellschafter (ihre Schwäger) über besonderes Fachwissen verfüge. Aus diesem Grund habe man nach dem Unfall der Klägerin am 2.7.2009 sämtliche Aufträge zurückgeben müssen und die Tätigkeit des Unternehmens sei faktisch zum Ruhen gekommen. Die Klägerin habe in Zeiten schlechter Auftragslage auf ihr Geschäftsführergehalt von brutto 1.500,00 DM verzichtet bzw. ihren Anspruch auf eine geringfügige Aufwandsentschädigung vermindert. Dadurch habe sie wie ein Unternehmer das Unternehmensrisiko mitgetragen. Allerdings sei die Wirksamkeit der zum 1.7.2009 geschlossenen Vereinbarung der Gesellschafter vom 26.6.2009 angesichts der glaubhaften Angaben der Klägerin zur Unternehmensumstrukturierung in der mündlichen Verhandlung nicht zu bezweifeln. Die Klägerin habe danach die gleichen Tätigkeiten verrichtet wie als nicht abhängig beschäftigte Geschäftsführerin in den Jahren 2001 bis 2004, ferner die Auftragsakquise und die Überwachung und Mitgestaltung der Aufträge im Rahmen der Arbeiten "rund ums Haus", insbesondere der Raumausstattung, erledigt. Auch im Hinblick auf ihre nach Maßgabe des Vertrags vom 30.4.2001 beschränkten Alleinentscheidungskompetenzen habe sie wesentlichen Einfluss auf die Geschicke des Unternehmens nicht ausüben können. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung hätten der Ehemann der Klägerin bzw. dessen Brüder die Vertragsentscheidungen getroffen und die Kalkulationen vorgenommen, da diese über die entsprechende Fachkunde im Bereich der Bau- und Kanalarbeiten verfügten. Die Klägerin als Geschäftsführerin sei lediglich für die Vorauswahl von - wenigen - Angestellten des Unternehmens, für das Erstellen von Zwischen- und Abschlussrechnungen sowie insbesondere seit 1.7.2009 für Fahrdienstleistungen zuständig gewesen. Alle wesentlichen Verwaltungsangelegenheiten, insbesondere die Anmeldung zur Sozialversicherung, Gewinn- und Verlustberechnungen sowie die Steuererklärung seien zudem von einem Steuerbüro erledigt worden. Ob man die ab 1.7.2009 vereinbarte Vergütung von 2.000,00 EUR brutto angesichts der noch anlaufenden Aufträge umgesetzt hätte, könne offen bleiben; eine (bloße) Aufwandsentschädigung liege jedenfalls nicht vor. Auch die zeitliche Abfolge von Rückanmeldung zur Sozialversicherung und Unfall könne letztendlich nicht den Ausschlag geben. Hier könnten keine anderen Maßstäbe gelten als in denjenigen Fällen, in denen Familienangehörige die Erstattung jahrelang abgeführter Sozialversicherungsbeiträge unter Hinweis auf eine tatsächlich gelebte selbstständige Tätigkeit verlangten.

Auf das ihr am 16.9.2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte am (Montag, dem) 17.10.2011 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, die Klägerin unterliege in der bei der Beigeladenen Nr. 2 ausgeübten Tätigkeit nicht der Sozialversicherungspflicht; sie sei vielmehr selbständig erwerbstätig. Die Anmeldung zum 1.7.2009 sei nur wegen des Unfalls der Klägerin erfolgt, um den Schutz der Sozialversicherung zu erlangen. Da nur die Klägerin über die Branchenkenntnis für Raumausstattungsarbeiten und Arbeiten "Rund ums Haus" (als neuem Gegenstand des Unternehmens) verfüge, sei sie an Weisungen der Gesellschafter nicht gebunden. Zwar stünden am Stammkapital der GmbH nicht beteiligte Gesellschafter grundsätzlich in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis. Bei Familienunternehmen, auch bei (bloßer) Schwägerschaft, könnten aber familienhafte Rücksichtnahmen und ein gleichberechtigtes Nebeneinander den für Arbeitsverhältnisse kennzeichnenden Gegensatz zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber verdrängen. Die Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts seien angesichts ihrer überlegenen Sachkunde im maßgeblichen Geschäftsfeld und im Rechnungswesen nicht glaubhaft; das gelte auch für die Angaben ihres Ehemannes. Gerade die Klägerin habe die Befähigung gehabt, Kalkulationen für alle anfallenden Arbeiten zu erstellen und auch Vertragsentscheidungen zu treffen. Schließlich habe die Klägerin auch ein Unternehmerrisiko getragen. Die Beigeladene Nr. 2 habe im 2. Quartal 2009 lediglich Personalkosten in Höhe von 977,00 EUR in der Erfolgsrechnung ausgewiesen, weshalb nicht nachvollziehbar sei, dass die Klägerin ab dem 3. Quartal 2.000,00 EUR hätte erhalten sollen. Das Vorbringen, die Klägerin habe die Räume der Beigeladenen Nr. 2 für 400,00 EUR untervermietet, sei ebenfalls nicht plausibel. In der Erfolgsrechnung sei für das 1. Halbjahr 2009 für Raumkosten nämlich nur ein Betrag von 43,12 EUR angegeben. Wie die Beigeladene Nr. 2 in der Vergangenheit bei fast vollständiger Betriebsaufgabe diese Raumkosten hätte aufbringen können, sei unklar. Die zuständige Berufsgenossenschaft habe den Unfall der Klägerin nicht als Arbeitsunfall eingestuft; zum Stand dieses Verfahrens habe das Sozialgericht jedoch keine Ermittlungen angestellt. Hierzu sei Näheres auch nicht bekannt. Auch nach der Abgabe aller Kapitalanteile im Mai 2004 habe die Klägerin (weiterhin) ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht begründen, sondern weiterhin selbständig erwerbstätig sein wollen. Das habe sich erst wegen des Verkehrsunfalls am 2.7.2009 geändert.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 1.9.2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die übrigen Beteiligten stellen keine Anträge.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor, sie sei seit 28.2.2005 ohne Unterbrechung als Arbeitnehmerin bei der Fa. R. beschäftigt. Dieses Beschäftigungsverhältnis habe auch zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalls am 2.7.2009 bestanden; allerdings sei sie wegen der Unfallfolgen derzeit noch arbeitsunfähig. Sie habe bei der Beklagten Krankenversicherungsschutz, den man ihr auch ohne Weiteres gewähre. Sie habe Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall von der Beigeladenen Nr. 2 erhalten. Seit der Abgabe ihrer Kapitalanteile bestimmten ihre Schwäger als alleinige Gesellschafter über die Geschicke der Beigeladenen Nr. 2. Ihr Beschäftigungsverhältnis sei seit der Gründung des Unternehmens nie aufgehoben worden. Freilich habe sie in Zeiten geringer Umsätze auf eine Vergütung mit Ausnahme der geldwerten Nutzung des Firmenfahrzeugs verzichtet. Ab 1.7.2005 sei ihr wieder ein Aushilfslohn von 300,00 EUR gezahlt worden. Darauf habe sie ab 1.2.2008 wegen schlechter Geschäfte wieder verzichtet, gleichwohl aber das Firmenfahrzeug privat genutzt; auch die Beiträge zur Direktversicherung (betriebliche Altersvorsorge) seien weitergezahlt worden. Nach der Neustrukturierung des Unternehmens Anfang 2009 für Arbeiten "rund ums Haus" hätten sie die Gesellschafter damit beauftragt, sich um Aufträge für Haus-, Garten- und Wohnungssanierungen zu bemühen, was ab April 2009 auch gelungen sei. Wegen der Entwicklung der Auftragslage hätten die Gesellschafter am 26.6.2009 beschlossen, diesen Geschäftszweig intensiv zu fördern und ihr für ihre aktive Mitarbeit an Maler- und Bodenbelagsarbeiten ein Bruttogehalt von 2.000,00 EUR monatlich zu zahlen. Sie habe eine Vielzahl von Aufträgen beschafft. Im 2. Quartal 2009 sei sie neben einem (aushilfsweise beschäftigten) Malergesellen eingestellt worden.

Der zuständige Rentenversicherungsträger habe nach einer Betriebsprüfung bei der Beigeladenen Nr. 2 bestätigt, dass sie ab 1.1.2006 mit geringfügigem Arbeitslohn pauschalversicherungspflichtig sei. Deswegen habe man sie zum 1.1.2006 bei der Bundesknappschaft angemeldet. Der Rentenversicherungsträger habe darauf verwiesen, dass weder sie noch ihr Ehemann Gesellschafter der Beigeladenen Nr. 2 seien.

Geschäftsführer, die am Stammkapital einer GmbH nicht beteiligt seien, stünden grundsätzlich in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis; das treffe auf sie zu. Die Schwägerschaft begründe auch keine indirekten Verwandtschaftsbeziehungen. Familienhafte Bindungen würden nicht begründet oder gepflegt. Einer ihrer Schwäger sei selbständiger Unternehmer und könne einen Kleinbetrieb wie die Beigeladene Nr. 2 steuern und kontrollieren. Der andere Schwager sei zwar bei der H. D. AG als Maschinenbaumeister und Betriebswirt beschäftigt, könne aber aufgrund seiner beruflichen Qualifikation und aufgrund gesicherter Einkommensverhältnisse das Unternehmen als Gesellschafter betreiben, die Geschäftsausrichtung bestimmen und die Geschäftsführung kontrollieren.

Sie sei kaufmännische Angestellte. Die in Rede stehenden Arbeiten "rund ums Haus" beträfen gärtnerische Arbeiten, Abdichtungen von Kelleraußenwänden, die Entrümpelung von Gebäuden, das Einziehen neuer Wände in Trockenbauweise und letztendlich auch Maler- und Tapezierarbeiten. Letzteres habe sie selbst ausgeführt und ebenso wie der angestellte Malergeselle auf einer Baustelle gearbeitet. Den Unfall habe sei seinerzeit erlitten, als sie diesen habe anholen und mit ihm zur Baustelle fahren wollen. Von überlegener Sach- und Fachkunde könne daher keine Rede sein. Die von der Beigeladenen Nr. 2 angebotenen Stundenlohnarbeiten hätten Kleinstaufträge dargestellt, für die Festpreise nicht hätten vereinbart werden können. Das gelte auch für zuvor erbrachte Kanalsanierungsarbeiten. Sie habe insoweit nur die rein kaufmännischen Aufgaben, u.a. das Rechnungswesen, erledigt, jedoch keine Kalkulationen erstellt; dazu wäre sie nicht in der Lage gewesen. Auch Vertragsentscheidungen für Kanalsanierungsarbeiten habe sie nicht getroffen. Hiermit habe sich ihr seinerzeit ebenfalls angestellter Ehemann befasst. Ein Unternehmerrisiko habe sie nie getragen. Neben der Geschäftsführertätigkeit habe sie eine abhängige Beschäftigung bei der Firma R. angenommen und zwischendurch auch selbständig einen Zeitschriftenhandel und eine Lottoannahmestelle betrieben. Die darin hervortretende Flexibilität könne man mit einem Unternehmerrisiko nicht gleichsetzen.

Zum 1.7.2009 habe die Beigeladene Nr. 2 Aufträge für mehrere Wochen gehabt, die man wegen ihres Unfalls aber nicht habe ausführen können. Die Vielzahl der Aufträge zeige, dass die Beigeladene Nr. 2 in kurzer Zeit ein erhebliches Geschäftsfeld erschlossen und die "Leistungen Rund ums Haus" hätte ausführen können; sie hätte Malerarbeiten und Innendekorationen übernommen.

Die Anmeldung eines Arbeitnehmers erfolge üblicherweise nach der Aufnahme der Beschäftigung. Dafür sei der Steuerberater zuständig gewesen. Wegen der schweren Verletzungen durch den Verkehrsunfall habe sie sich zunächst nicht selbst um die Anmeldung kümmern können. Diese habe der Steuerberater zeitnah vorgenommen. Man habe nie beabsichtigt, zu Lasten der Beklagten ein Pflichtversicherungsverhältnis zu begründen, zumal sie bereits bei dieser pflichtversichert gewesen sei. Sie gehe von Ansprüchen gegen die zuständige Berufsgenossenschaft aus und nehme an, dass die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners den gesamten Ausfall bezahlen werde.

Mit Bescheid vom 23.3.2012 gewährte die Berufsgenossenschaft für Transport und Verkehrswirtschaft der Klägerin wegen der Folgen (depressive Anpassungsstörung) des Arbeitsunfalls (Wegeunfall vom 2.7.2009) für die Zeit vom 12.10.2009 bis 8.9.2011 Unfallrente nach einer MdE von 20 v.H. in Höhe von insgesamt 4.623,55 EUR; danach liege eine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht mehr vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch sonst zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat zu Recht angenommen, dass die Klägerin in der seit 1.7.2009 bei der Beigeladenen Nr. 2 ausgeübten Tätigkeit als Raumausstatterin der Sozialversicherungspflicht (zu allen Zweigen der Sozialversicherung) unterliegt.

I. Hier ist die Klägerin von der Beigeladenen Nr. 2 gem. § 28a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IV am 5.8.2009 (rückwirkend) zum 1.7.2009 zur Sozialversicherung angemeldet worden. Daraufhin hat die Beklagte als für die Einziehung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags zuständige Einzugsstelle (§ 28i SGB IV) von Amts wegen ein Einzugsstellenverfahren zur Prüfung der Versicherungspflicht eingeleitet und den Sachverhalt (gem. § 20 SGB X) ermittelt. Im Zuge der Amtsermittlung durch die Beklagte hat die Klägerin auf den regelmäßig verwendeten Fragebögen Angaben zum Sachverhalt gemacht, einen Statusantrag aber nicht gestellt. Die Beklagte hat das Verwaltungsverfahren mit dem Erlass des angefochtenen Bescheids vom 12.5.2010 (Widerspruchsbescheid vom 8.12.2010) beendet und darin Versicherungsfreiheit der in Rede stehenden Tätigkeit der Klägerin festgestellt.

II. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig. Die Beklagte hat darin zu Unrecht festgestellt, dass die Klägerin in der bei der Beigeladenen Nr. 2 seit 1.7.2009 ausgeübten Tätigkeit als Raumausstatterin nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegt. Nur diese Tätigkeit ist Streitgegenstand; dass die Klägerin daneben eine geringfügige Beschäftigung bei der Firma R. ausübt, ist nicht von Belang (Gebot isolierter sozialversicherungsrechtlicher Betrachtung, dazu Senatsurteil vom 28.9.2011, - L 5 R 2153/10 - m. w. N.).

1.) Die Beklagte war für den Erlass der angefochtenen Bescheide (sachlich) zuständig. Ein gem. § 7a Abs. 1 Satz 2 SGB IV vorrangiges (obligatorisches) Anfrageverfahren bei der Clearing-Stelle der Deutschen Rentenversicherung Bund war nicht durchzuführen. Aus der Anmeldung der Klägerin (§ 28a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IV) ergibt sich nicht, dass sie geschäftsführende Gesellschafterin einer GmbH ist (§ 28a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1e SGB IV); sie ist seit 11.5.2004 nicht mehr Gesellschafterin der Beigeladenen Nr. 2 (näher zu Verfahrensfragen Senatsurteil vom 8.6.2011, - L 5 R 4078/10 -).

2.) Die Klägerin übt(e) bei der Beigeladenen Nr. 2 seit 1.7.2009 als Raumausstatterin eine abhängige und zu allen Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtige Beschäftigung aus.

a.) Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) V, § 24 SGB III, § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI und § 20 SGB XI setzt die Versicherungspflicht zur gesetzlichen Kranken-, Arbeitslosen-, Renten- und Pflegeversicherung jeweils ein Beschäftigungsverhältnis voraus. Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts erfordert das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsleistung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Vornehmlich bei Diensten höherer Art kann das Weisungsrecht auch eingeschränkt und zur "dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein (dazu BSG, Urt. v. 18.12.2001, - B 12 KR 10/01 R -). Höhere Dienste werden im Rahmen abhängiger Beschäftigung geleistet, wenn sie fremdbestimmt bleiben, sie in einer von der anderen Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebs aufgehen (BSG, Urt. v. 19.6.2001, - B 12 KR 44/00 R -). Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit sowie das Unternehmerrisiko gekennzeichnet. Letzteres besteht in der Gefahr, bei wirtschaftlichem Misserfolg des Unternehmens das eingesetzte Kapital zu verlieren; ihm entspricht die Aussicht auf Gewinn, wenn das Unternehmen wirtschaftlichen Erfolg hat. Abhängig Beschäftigte tragen demgegenüber das Arbeitsplatzrisiko, das in der Gefahr besteht, bei wirtschaftlichem Misserfolg des Unternehmens die Arbeitsstelle einzubüßen.

Die Unterscheidung von Unternehmer- und Arbeitsplatzrisiko ist auch in der Rechtsprechung des Senats ein wichtiges, vielfach entscheidendes Kriterium für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung einer Tätigkeit. Es steht allerdings nicht für sich allein. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Dieses bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen, also den rechtlich relevanten Umständen, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben; zu diesen gehört, unabhängig von ihrer Ausübung, auch die einem Beteiligten zustehende (nicht wirksam abbedungene) Rechtsmacht. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben diese den Ausschlag (zu alledem etwa BSG, Urt. v. 25.1.2006, - B 12 KR 30/04 R -; Urt. v. 19.6.2001, - B 12 KR 44/00 R - m.w.N.; vgl. auch Senatsurteile vom 13.6.2007, - L 5 KR 2782/06 -; vom 25.4.2007, - L 5 KR 2056/06 -, vom 14.2.2007, - L 5 R 3363/06 -, vom 1.2.2006, - L 5 KR 3432/05 - und vom 11.10.2006, - L 5 KR 5117/04 -). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung, so wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung, so wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urt. v. 25.1.2006, - B 12 KR 30/04 R -).

b.) Davon ausgehend ist die Tätigkeit, die die Klägerin seit 1.7.2009 bei der Beigeladenen Nr. 2 als Raumausstatterin ausgeübt hat, nach ihrem Gesamtbild als abhängige und zu allen Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtige Beschäftigung und nicht als selbständige Erwerbstätigkeit einzustufen. Der Senat teilt die Einschätzung des Sozialgerichts aufgrund der Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, die er als glaubhaft ansieht.

Gegen die Annahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit spricht in unternehmens- bzw. gesellschaftsrechtlicher Hinsicht zunächst, dass die Klägerin am Stammkapital der GmbH seit Mai 2004 nicht mehr beteiligt ist. Über Sonderrechte verfügt sie nicht. Die Klägerin ist in der Ausübung ihrer Tätigkeit dem uneingeschränkten Weisungsrecht der Gesellschafter unterworfen.

In arbeitsrechtlicher Hinsicht liegt der Tätigkeit der Klägerin nach ihrer Aussage ein Arbeitsvertrag zugrunde, der auf der Gesellschafterversammlung vom 26.6.2009 geschlossen worden ist. Danach sollte die Klägerin für die GmbH Arbeiten (im Bereich der Raumausstattung zur Erledigung bis dahin bereits aquirierter Aufträge für Arbeiten "rund ums Haus") gegen ein Bruttoarbeitsentgelt von 2.000 EUR bei einer regelmäßigen Arbeitszeit zwischen (in der Regel) 7.00 Uhr bis 17.00 Uhr erledigen; auf die Frage des Fortbestands des Geschäftsführerdienstvertrags vom 30.4.2001 (vgl. dazu § 313 BGB) kommt es nicht an. Dass der Arbeitsvertrag (wie der Arbeitsvertrag des Malergesellen M.) nicht schriftlich abgeschlossen worden ist, berührt seine Rechtsgültigkeit nicht (vgl. Senatsurteil vom 4.2.2009, - L 5 R 4672/07 - zu Verstößen gegen das Nachweisegesetz, Gesetz v. 20.7.1995, BGBl I S. 946).

Besondere Umstände, die der Klägerin eine tatsächliche unternehmerische Lenkungsmacht zuweisen würden, kraft derer sie ungeachtet der rechtlichen Verhältnisse in der GmbH frei "schalten und walten könnte" wie sie will, sind nicht festzustellen. Solche Umstände folgen insbesondere nicht aus den familiären Beziehungen zwischen der Klägerin und den Gesellschaftern der GmbH. Diese sind mit der Klägerin nicht verwandt (§ 1589 BGB), sondern (nur) verschwägert (§ 1590 BGB), weswegen das Maß der familiären Verbundenheit schwächer ausgeprägt ist als in einer "Familiengesellschaft" im eigentlichen Sinn. Die maßgeblichen Unternehmensentscheidungen werden nach Angaben der Klägerin allein von den Gesellschaftern, den Schwägern der Klägerin, getroffen; diese leiten das Unternehmen allein und nicht im Rahmen eines durch familiäre Rücksichtnahme geprägten gleichberechtigten Miteinanders gemeinsam mit der Klägerin. Die Klägerin ist den Weisungen der Gesellschafter hinsichtlich der Erfüllung ihrer Aufgaben nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich unterworfen. Dominierender Einfluss auf die GmbH kommt ihr auch wegen überragender Sachkunde nicht zu. Das Unternehmen der Beigeladenen Nr. 2 ist für die streitige Zeit ab 1.7.2009 nach den Angaben der Klägerin auf unterschiedliche Unternehmensgegenstände bzw. Tätigkeiten "rund ums Haus" neu ausgerichtet worden. Neben der Raumausstattung einschließlich Maler- und Tapezierarbeiten – wofür die Klägerin im Hinblick auf eine (nicht abgeschlossene) Ausbildung über einschlägige Kenntnisse verfügt – sollten Arbeiten im Trockenbau, wie Betonieren, und gärtnerische Tätigkeiten, wie Baumschnitt, ausgeführt werden; hierfür verfügt die Klägerin weder über Kenntnisse noch Erfahrungen. Die Schwäger der Klägerin und Gesellschafter der GmbH sind (außerhalb der Gesellschaft) als Unternehmer bzw. Betriebswirt tätig und können daher nicht als gleichsam vorgeschobene "Strohmänner" eingestuft werden, die von der Klägerin als der eigentlich unternehmerisch tätigen Person dominiert würden.

Durchgreifende Zweifel am Vorbringen der Klägerin hinsichtlich der tatsächlichen Verhältnisse in der GmbH bestehen nicht. Dass die Erfolgsrechnung der Beigeladenen Nr. 2 für das 2. Quartal 2009 Personalkosten von nur 977,00 EUR ausweist, rechtfertigt es nicht, das ab dem 3. Quartal (ab 1.7.2009) vereinbarte Monatsgehalt der Klägerin von 2.000,00 EUR unberücksichtigt zu lassen. Die Gesellschafter der GmbH haben nach dem Vortrag der Klägerin im Hinblick auf die Erschließung neuer Geschäftsfelder und die damit zusammenhängende Aufwärtsentwicklung des Auftragsbestands und in der Erwartung steigender Unternehmenserträge bereits am 26.6.2009, vor dem Unfall der Klägerin am 2.7.2009, die Gewährung des höheren Gehalts beschlossen. Dass die Klägerin in der Vergangenheit zeitweise auf das vereinbarte Gehalt verzichtet hat, ändert ebenfalls nichts. Zum einen liegen diese Zeiten vor der zu beurteilenden Zeit ab 1.7.2009. Zum anderen kommt in dem Gehaltsverzicht unternehmertypisches Verhalten nicht ohne Weiteres zum Ausdruck. Während der "Verzichtszeiten" ruhte die Unternehmenstätigkeit der Beigeladenen Nr. 2 mangels hinreichender Aufträge und es gab für die Klägerin keine Arbeit. Man hat sie nur deshalb nicht entlassen, weil man einen Geschäftsführer der GmbH vorweisen musste, um die Bestellung eines Notgeschäftsführers zu vermeiden, und weil man die Erwartung hegte, die GmbH bei besserer Auftragslage fortführen zu können.

Die Klägerin trägt auch kein den sozialversicherungsrechtlichen Status ausschlaggebend prägendes Unternehmerrisiko. Weder hält sie einen Kapitalanteil an der GmbH, den sie bei Scheitern des Unternehmens verlieren könnte, noch hat sie anderweit Wagniskapital eingesetzt. Sie stellt dem Betrieb vielmehr ihre Arbeitskraft zur Verfügung und trägt das Arbeitsplatzrisiko des Arbeitnehmers.

Bei Würdigung aller Umstände ergibt sich damit für den Senat hinsichtlich der streitigen Zeit ab 1.7.2009 das Gesamtbild einer abhängigen und sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung der Klägerin im Unternehmen ihrer Schwäger, auch wenn nach ihrem Unfall keine Ersatzkraft eingestellt wurde, sondern alle noch vorliegenden Aufträge, mit deren Ausführung noch nicht begonnen worden war, storniert wurden sind.

Die Beklagte stützt ihre abweichende Einschätzung (nicht unwesentlich auch) darauf, dass die Klägerin nach dem Unfall am 2.7.2009 rückwirkend zur Sozialversicherung angemeldet worden ist. Sie vermutet, die Klägerin hätte eigentlich selbständig tätig sein wollen und erstrebe den Schutz der Sozialversicherung nur wegen der Unfallfolgen. Hierauf kommt es für die Prüfung des sozialversicherungsrechtlichen Status nicht an. Dieser richtet sich nach dem (objektiven) Gesamtbild der Tätigkeit und hängt weder hinsichtlich der – häufiger gewünschten - Feststellung einer selbständigen Erwerbstätigkeit noch hinsichtlich der Feststellung einer abhängigen Beschäftigung von der Willensrichtung oder der Motivationslage des Arbeitgebers bzw. des Beschäftigten ab.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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