L 11 KR 5856/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 5431/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 5856/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine zum Zeitpunkt der Behandlung 19 Jahre alte Versicherte, die an akuter lymphatischer Leukämie erkrankt ist, hat Anspruch auf eine familiär-allogene Blutstammzelltransplantation als Sachleistung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), wenn die konkrete Nutzen-Risiko-Abwägung eine Wahrscheinlichkeit von 10 % für eine Heilung oder zumindest eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf ergibt.
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 24.09.2009 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 70.112,59 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten steht die Vergütung einer Krankenhausbehandlung im Streit.

Das klagende Universitätsklinikum ist nach § 108 Nr 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zur Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassen. Die am 16.01.1985 geborene Versicherte der Beklagten, M. W. (im Folgenden: Versicherte), befand sich vom 23.03.2004 bis 04.06.2004 und vom 05.06.2004 bis zu ihrem Tod am 15.06.2004 beim Kläger in stationärer Behandlung. Bei der Versicherten wurde im August 2003 eine akute lymphatische Leukämie diagnostiziert und mittels Chemotherapie entsprechend einem Studienprotokoll behandelt. Die stationäre Aufnahme zum 23.03.2004 erfolgte nach Auftreten eines Rezidivs. Zunächst wurde die Versicherte mit verschiedenen Zytostatika und einer Krebsimmuntherapie (Alemtuzumab) behandelt. Da die Krankheit trotzdem fortschritt, wurde am 11.05.2004 eine familiär-allogene Blutstammzelltransplantation durchgeführt. Die Konditionierung vor der Transplantation erfolgte mittels Ganzkörperbestrahlung und Zytostatika. Bei stabiler Hämatopoese (Blutbildung) und stabilem Allgemeinzustand wurde die Versicherte am 04.06.2004 nach Hause entlassen. Am 05.06.2004 wurde die Versicherte wegen eines erneuten Rezidivs wieder stationär aufgenommen. Am 15.06.2004 verstarb die Versicherte.

Mit Rechnung vom 18.06.2004 forderte der Kläger von der Beklagten insgesamt 122.008,77 EUR für die stationären Aufenthalte der Versicherten. Dem Rechnungsbetrag lag die DRG A04B (Knochenmarkstransplantation/Stammzellentransfusion, allogen, HLA-identisch, Alter ( 19 Jahre oder äußerst schwere CC), der Hauptdiagnoseschlüssel C91.0 (akute lymphoblastische Leukämie) sowie der Prozedurenschlüssel 8-805.40 (Transfusion von hämatopoetischen Stammzellen, allogen, HLA-identisch, verwandter Spender, ohne In-vitro-Aufbereitung) zu Grunde. Die Beklagte beglich die Rechnung. Am 05.07.2004 beauftragte sie den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Überprüfung der Rechnung. Im Gutachten vom 15.12.2004 führte Prof. H., Arzt für Innere Medizin, Hämatologie und Internistische Onkologie, aus, die Hauptdiagnose sei korrekt kodiert. Die kodierte Prozedur 8-805.40 führe mit den kodierten Nebendiagnosen zur DRG A04B. Die kodierten Nebendiagnosen hätten einzeln betrachtet keine Erlösrelevanz. Die durchgeführte Behandlung widerspreche jedoch den Grundsätzen der §§ 2, 12 und 70 SGB V. Der Einsatz einer allogen-familiären Stammzelltransplantation in der Situation einer progredienten Leukämieerkrankung entspreche nicht dem wissenschaftlich gesicherten medizinischen Standard. Diese Art der Behandlung werde in der Literatur allenfalls zum Einsatz im Rahmen von klinischen Studien anerkannt. Sofern die hier durchgeführte Therapie nicht im Rahmen eines klinischen Prüfprotokolls erfolgt sei, sei ein Entgeltanspruch abzulehnen. Aufgrund der Schwere der Behandlung habe aber die Notwendigkeit zur stationären Krankenhausbehandlung bestanden.

Die Beklagte forderte daraufhin vom Kläger die Vorlage von Nachweisen über die Durchführung der Stammzelltransplantation im Rahmen einer Studie. Der Kläger widersprach dem Gutachten und führte aus, in der Situation der Versicherten stelle die durchgeführte Behandlung eine Standardindikation dar. Die Versicherte sei nach einem Standardkonditionierungsprotokoll behandelt worden. Ein separates Studienprotokoll sei nicht erforderlich. Im MDK-Gutachten vom 07.06.2005 führte Prof. H. daraufhin aus, es habe sich nicht um eine Standardindikation gehandelt. Er bleibe bei seiner gutachtlichen Einschätzung. Der Kläger entgegnete daraufhin, im Fall eines chemosensitiven Rezidivs handele es sich um eine gängige Vorgehensweise. Mit MDK-Gutachten vom 14.03.2006 entgegnet Prof. H., das Rezidiv habe nicht auf die Chemotherapie angesprochen. Der Relativanteil der Leukämiezellen (= Blasten) habe bei 50 % gelegen. Zudem seien Leukämiezellen außerhalb des Knochenmarks nachweisbar gewesen. Die Versicherte habe deshalb mit der durchgeführten Behandlung keine gesicherte Heilungschance gehabt. Es hätte vielmehr die Möglichkeit bestanden, die Versicherte unter Teilnahme an einer Studie zu behandeln. Auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 06.12.2005 (1 BvR 347/98) handele es sich nicht um eine GKV-Leistung. Denn die Aussicht, dass sich ein Behandlungserfolg realisieren würde, sei äußerst fernliegend gewesen.

Mit Schreiben vom 27.06.2005 forderte die Beklagte den Kläger auf, 83.210,42 EUR zurückzuzahlen. Ohne Kodierung der Transplantationsprozedur (8-805.40) ergebe sich die DRG R60A und ein Rechnungsbetrag in Höhe von 38.798,35 EUR. Nachdem eine Rückzahlung nicht erfolgte, verrechnete die Beklagte den Rückforderungsbetrag am 28.11.2005 in Höhe von 54.905,75 EUR und am 15.01.2007 in Höhe von 15.206,84 EUR mit unstreitigen Forderungen des Klägers.

Am 18.10.2007 hat der Kläger beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, die Blutstammzelltransplantation sei entgegen der Auffassung der Beklagten abrechnungsfähig. Die durchgeführte Behandlung der Versicherten habe dem medizinischen Erkenntnisstand entsprochen. Es handele sich um eine etablierte Behandlungsmethode, die im Fall der Versicherten indiziert gewesen sei. Es sei die einzig verbleibende kurative Behandlungsmethode mit Heilungschance gewesen. Jedenfalls habe seitens der Versicherten ein Leistungsanspruch gegen die Beklagte unter Berücksichtigung der Entscheidung des BVerfG bestanden. Zur Blutstammzelltransplantation habe es zum Zeitpunkt der Vornahme keine Alternative gegeben. Nach dem medizinischen Erkenntnisstand habe jedenfalls auch eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder jedenfalls spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestanden. Den vorgelegten wissenschaftlichen Veröffentlichungen zur Folge, habe eine Heilungschance von zumindest 10 bis 20 % bestanden.

Während des Gerichtsverfahrens hat Prof. H. ein weiteres MDK-Gutachten erstellt. Die vorgelegten Publikationen seien nicht aussagekräftig bzw würden beweisen, dass die Versicherte keine Heilungschance gehabt habe. Die Versicherte habe zwei ungünstige Merkmale aufgewiesen, einen Blastenbefall von über 20 % und einen Zeitraum von mehr als einem Jahr zwischen Diagnose und Stammzelltransplantation. Zudem seien Leukämiezellen im Pleuraerguss, also außerhalb von Blut und Knochenmark gefunden worden. Dies stelle einen weiteren ungünstigen Prognoseparameter dar. Ihm sei kein einziger Fall mit vergleichbaren ungünstigen Parametern bekannt, bei dem durch eine allogene Stammzelltransplantation eine Heilung habe erreicht werden können. Nach der vorgelegten Publikation habe von den Patienten, die die gleichen Prognosefaktoren wie die Versicherte aufwiesen, keiner zu den Langzeitüberlebenden gezählt. Demgegenüber habe die Gefahr für tödliche, behandlungsbedingte Komplikationen bei 37 % gelegen. Insgesamt ergebe sich keine positive Nutzen-Risiko-Abwägung.

Das SG hat ein Gutachten bei Prof. A., Fachärztin für Innere Medizin, Hämatologie und internistische Onkologie, eingeholt. Das Gutachten vom 04.05.2009 ist von dem wissenschaftlichen Mitarbeiter Dr. T. und Prof. A. ("aufgrund eigener Überprüfung und Urteilsbildung einverstanden") unterschrieben. Im Gutachten wird ausgeführt, die in therapierefraktärer Situation durchgeführte allogene Stammzelltransplantation habe nach Abwägung des möglichen Nutzens und aller Risiken eine dem Stand der medizinischen Kenntnisse entsprechende Behandlungsmöglichkeit dargestellt. Insbesondere aufgrund des jungen Alters der Versicherten, des ausgeprägten Therapiewunsches und des Vorhandenseins eines kompatiblen Familienspenders sei die Durchführung aus gutachterlicher Sicht gerechtfertigt gewesen, auch wenn die Heilungschancen bei nur ca 10% gelegen hätten. Ob experimentelle Therapien im Rahmen von klinischen Studien zu einem besseren Ansprechen und Gesamtüberleben geführt hätten, lasse sich gutachterlich nicht entscheiden. Im Jahr 2004 habe es keinen klaren Anhalt für eine Überlegenheit einer Studie gegeben, auch wenn grundsätzlich eine Studienteilnahme aus Sicht der Wissenschaft wünschenswert sei.

Im MDK-Gutachten vom 10.07.2009 hat Prof. H. in Erwiderung auf das Gerichtsgutachten ausgeführt, die Gerichtsgutachterin habe die vorliegenden Studien nicht zutreffend ausgewertet. Sie setze sich außerdem in Widerspruch zu eigenen Publikationen. Die Gerichtsgutachterin hat daraufhin ergänzend Stellung genommen. Die Auswertung der Studien zeigten eine Überlebenswahrscheinlichkeit in der konkreten Situation nach allogener Stammzelltransplantation von ca 10%. Die Behandlung sei sinnvoll gewesen und habe eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf gehabt. Die Beklagte regte daraufhin die Einholung eines Gutachtens von einem englischen Sachverständigen an, da anzunehmen sei, dass die Gutachterin, die zu einem kleinen Kreis von Experten auf diesem Fachgebiet in Deutschland zähle, nicht unbefangen sei.

Die Beklagte hat außerdem ausgeführt, das sehr hohe letale Risiko fordere eine gesteigerte Aufklärungspflicht. Es sei nicht belegt, dass eine dahingehende Aufklärung der Versicherten stattgefunden habe. Zudem sei das Gutachten von Prof. A. nicht verwertbar. Tatsächlich habe Dr. T. das Gutachten erstattet. Die Gutachterin habe es lediglich überarbeitet. Auf Anfrage des SG hat die Gutachterin daraufhin mitgeteilt, dass bei dem gemeinsam erstellten Gutachten alle Feststellungen von ihr überprüft worden seien. Die wissenschaftlichen Daten habe Dr. T. zusammengestellt. Sie habe diese wie auch die Schlussfolgerungen des Gutachtens persönlich überprüft. Sie übernehme die volle Verantwortung für den Inhalt des Gutachtens.

Mit Urteil vom 24.09.2009 (der Beklagten am 01.12.2009 zugestellt) hat das SG die Beklagte verurteilt, an den Kläger 70.112,59 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem Betrag von 54.905,75 EUR seit dem 28.11.2005 und aus dem Betrag von 15.206,84 EUR seit dem 15.01.2007 zu zahlen und zur Begründung ausgeführt, der Sachverständige habe überzeugend dargestellt, dass die Stammzelltransplantation eine dem Stand der medizinischen Kenntnisse entsprechende Behandlungsmöglichkeit dargestellt habe. Jedenfalls habe seitens der Versicherten ein Leistungsanspruch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 bestanden. Nach den Darlegungen des Sachverständigen habe kein Anhalt für eine Überlegenheit der alternativen Behandlungsmethoden vorgelegen. Zudem habe bei der durchgeführten Stammzelltransplantation eine 5-Jahresüberlebenschance von 8 bis 12% und damit eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung bestanden. Hinsichtlich der Verwertbarkeit des Gutachtens von Prof. A. bestünden keine Bedenken.

Am 11.12.2009 hat die Beklagte gegen das Urteil beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, das Gutachten sei unverwertbar, da die Gutachterin zentrale Aufgaben delegiert habe. Zudem habe das SG den von der Beklagten vorgebrachten Aufklärungs-/Einwilligungsaspekt trotz Abrechnungsrelevanz unberücksichtigt gelassen. Es liege ein grober Behandlungsfehler vor, wenn ohne vorherige Anhörung eine Außenseitermethode angewandt werde. Ferner habe der Kläger in den der Beklagten am 30.03.2004 und 07.05.2004 übermittelten Datensätzen nach § 301 SGB V fehlerhafte Doppelkodierungen vorgenommen. Der Kläger habe damit gegen die gesetzliche Datenübermittelungspflicht verstoßen. Deshalb sei die Beklagte zur Zahlungsverweigerung berechtigt.

Im Laufe des Berufungsverfahrens hat die Beklagte die Einwände hinsichtlich der Verwertbarkeit des Sachverständigengutachtens, der Aufklärung bzw Einwilligung der Versicherten und der Kodierung zurückgezogen. Es müsse jedoch durch weitere Sachverhaltsaufklärung der Frage nachgegangen werden, ob der Kläger das Gebot von Qualität und Wirksamkeit (Wirtschaftlichkeitsgebot) eingehalten habe. Nur dann bestünde ein Leistungsanspruch, wie sich aus dem Urteil des Landessozialgerichts vom 27.01.2012 (L 4 KR 2272/10) ergebe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 24.09.2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung für zutreffend. Die Stammzelltransplantation habe keine Außenseitermethode dargestellt. Die Versicherte sei auch ordnungsgemäß aufgeklärt worden. Sie habe in die Behandlung eingewilligt. Jedenfalls sei eine hypothetische Einwilligung anzunehmen. Ferner sei das Sachverständigengutachten uneingeschränkt verwertbar. Der Einwand der fehlerhaften Kodierung sei verspätet vorgetragen. Es widerspreche dem allgemeinen Beschleunigungsgrundsatz, wenn nach mehr als 6 Jahren Einwände erhoben würden. Die Beklagte habe hierzu auch nicht den MDK befragt. Im Übrigen habe die Beklagte selbst bei fehlerhafter Kodierung kein Recht auf Zahlungsverweigerung, da nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nur das Fehlen der "Mindestangaben" der Fälligkeit der Rechnungsforderung entgegenstünde. Schließlich führe selbst die Änderung der Kodierung, wie sie die Beklagte verlange, zur selben DRG und zum selben Rechnungsbetrag.

Am 15.12.2011 hat ein Termin zur Erörterung der Rechts- und Sachlage stattgefunden. Auf die Niederschrift wird verwiesen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat gemäß § 124 Abs 2 SGG mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist statthaft und zulässig, jedoch unbegründet. Das SG hat die Beklagte zu Recht verurteilt. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung von 70.112,59 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem Betrag von 54.905,75 EUR seit dem 28.11.2005 und aus dem Betrag von 15.206,84 EUR seit dem 15.01.2007.

Der Kläger hat mit der erhobenen echten Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG die richtige Klageart gewählt. Es handelt sich um einen sogenannten Beteiligtenstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und keine Klagefrist zu beachten ist (vgl BSG 23.07.2002, B 3 KR 64/01 R, BSGE 90, 1). Der Kläger hat den Zahlungsanspruch auch konkret beziffert (vgl BSG 02.11.2010, B 1 KR 11/10 R, BSGE 107, 78).

Rechtsgrundlage des geltend gemachten Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs 4 Satz 2 und 3 SGB V in Verbindung mit § 7 Satz 1 Nr 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und Anlage 1 Teil a) Fallpauschalenverordnung (KFPV) 2004 in Verbindung mit § 17b Abs 1 Satz 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG). Das nach § 108 Nr 1 SGB V zugelassene klägerische Krankenhaus war schon im Jahr 2004 in das Fallpauschalensystem einbezogen. Der Vertrag nach § 112 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB V zu den allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlungen (KHBV) zwischen der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft und den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen in der Fassung des Schiedsspruchs vom 21.09.2005 galt ab 01.01.2006. In den Jahren 2004 und 2005 existierte kein Vertrag.

Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht – unabhängig von einer Kostenzusage – unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten (zB BSG 10.04.2008, B 3 KR 19/05 R, BSGE 100, 164; BSG 16.12.2008, B 1 KN 1/07 KR R, BSGE 102, 172). Der Behandlungspflicht der zugelassenen Krankenhäuser nach § 109 Abs 4 Satz 2 SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber. Der Zahlungsanspruch des Krankenhauses korrespondiert in aller Regel mit dem Anspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung. Demgemäß müssen beim Versicherten bei der Aufnahme in das Krankenhaus grundsätzlich die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung sowie Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit vorliegen. Nach § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die zur Krankenbehandlung gehörende Krankenhausbehandlung (§ 27 Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB V) wird gemäß § 39 Abs 1 Satz 1 SGB V vollstationär, teilstationär, vor- und nachstationär sowie ambulant erbracht. Der Anspruch ist gerichtet auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus (§ 108 SGB V), wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann (§ 39 Abs 1 Satz 2 SGB V). Eine Krankenkasse ist verpflichtet, die vereinbarten Entgelte zu zahlen, wenn eine Versorgung im Krankenhaus durchgeführt und im Sinne von § 39 SGB V erforderlich gewesen ist. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen (§ 2 Abs 1 Satz 3 SGB V; vgl BSG 17.02.2010, B 1 KR 10/09 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 18; BSG 28.07.2008, B 1 KR 5/08 R, SozR 4-2500 § 109 Nr 6).

Die Vergütungsansprüche des Klägers aus den unstreitigen Abrechnungsfällen sind nicht durch Aufrechnung erloschen. Eine Aufrechnung ist zulässig, denn auch trotz Fehlens der Voraussetzungen des § 51 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I), der die Aufrechnung unter bestimmten – hier nicht gegebenen – Voraussetzungen zulässt, besteht allgemein die Möglichkeit, einer öffentlich-rechtlichen Forderung im Wege der Aufrechnung, auf welche die §§ 387 ff BGB entsprechend anzuwenden sind, entgegenzutreten (vgl zB BSG 15.07.2004, B 9 V 6/03 R, BSGE 93, 131; zur Aufrechnung als Institut des öffentlichen Rechts allgemein: BSG 12 RK 69/93, BSGE 75, 283, 284 ff; BSG 09.06.1988, 4 RA 9/88, BSGE 63, 224, 230 f). Voraussetzung ist ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch, der bei öffentlich-rechtlich geprägten Rechtsbeziehungen, zu denen die Beziehungen der Krankenkassen zu den Krankenhäusern im System der gesetzlichen Krankenversicherung gehören, an die Stelle des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs nach § 812 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) tritt (BSG 12.05.2005, B 3 KR 18/04 R, SozR 4-5565 § 14 Nr 8 mwN). Der Beklagten stand kein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu, da die Leistung der Beklagten im streitigen Abrechnungsfall der Versicherten nicht ohne Rechtsgrund erfolgte. Die Versicherte hatte Anspruch auf die durchgeführte Krankenhausbehandlung.

Die Versicherte war im streitgegenständlichen Zeitraum Mitglied der Beklagten. Es bestand aufgrund der Schwere der Erkrankung der Versicherten die Notwendigkeit einer stationären Krankenhausbehandlung im Sinne von § 39 Abs 1 SGB V. Dies ist zwischen den Beteiligten nicht streitig (vgl MDK-Gutachten vom 15.12.2004). Entgegen der Auffassung der Beklagten entsprach die durchgeführte Stammzelltransplantation bei verfassungskonformer Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen auch dem Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebot des § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V.

§ 2 Abs 1 Satz 3 SGB V gibt vor, dass Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen haben. Hierzu genügt es nicht, dass eine Behandlungsmethode bei einem Versicherten nach Ansicht seiner Ärzte positiv gewirkt haben soll (vgl BSG 01.03.2011, B 1 KR 7/10 R, SozR 4-2500 § 35 Nr 5; BSG 27.09.2005, B 1 KR 6/04 R, SozR 4-2500 § 31 Nr 3 mwN - Wobe-Mugos). Neue Verfahren, die nicht ausreichend erprobt sind, oder Außenseitermethoden, die zwar bekannt sind, aber sich nicht bewährt haben, lösen keine Leistungspflicht der Krankenkasse aus. Es ist nicht Aufgabe der Krankenkassen, die medizinische Forschung zu finanzieren (so ausdrücklich BT-Drucks 11/2237, S 157). Einzige Ausnahme bildet nach § 137c Abs 2 Satz 2 SGB V die Durchführung klinischer Studien. Behandlungen im Rahmen solcher Studien sind zur Förderung des medizinischen Fortschritts stets zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abrechenbar. Außerhalb klinischer Studien muss es zu Qualität und Wirksamkeit einer Behandlungsmethode grundsätzlich zuverlässige wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen geben. Entsprechend der auch durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) für seine Entscheidungen zugrunde gelegten Maßstäbe der evidenzbasierten Medizin ist eine Sichtung und qualitative Bewertung der über eine Behandlungsmethode vorhandenen wissenschaftlichen Publikationen und Expertisen vorzunehmen (vgl. BSG 01.03.2011, B 1 KR 7/10 R, SozR 4-2500 § 35 Nr 5; BSG 12.08.2009, B 3 KR 10/07 R, SozR 4-2500 § 139 Nr 4). Erforderlich ist also, dass der Erfolg der Behandlungsmethode objektivierbar, dh in einer ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt ist (vgl zB BSG 18.05.200, B 1 KR 21/02 R, SozR 4-2500 § 31 Nr 1 mwN; Wagner in Krauskopf, SGB V, § 13 RdNr 19). Die höchste Beweiskraft haben direkte Vergleichsstudien mit anderen Behandlungsmethoden, also Studien der Evidenzklasse I (vgl BSG 01.03.2011, B 1 KR 7/10 R, SozR 4-2500 § 35 Nr 5). Nur soweit derartige Studien nicht existieren, kann im Einzelfall auf andere, hinreichend aussage- und beweiskräftige Studien ausgewichen werden (vgl Flint in Hauck/Noftz, SGB V, § 35 RdNr 64).

Ob die genannten Grundsätze zu § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V uneingeschränkt auch für Krankenhausbehandlungen gelten (vgl § 137c SGB V; dazu ausführlich: LSG Baden-Württemberg 27.01.2012, L 4 KR 2272/10) und ob die Stammzelltransplantation im vorliegenden Fall danach eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlungsmethode darstellte, kann dahin gestellt bleiben. Denn die Versicherte konnte die Stammzelltransplantation jedenfalls im Wege verfassungskonformer Erweiterung des gesetzlichen Leistungsanspruchs nach den Maßstäben des Beschlusses des BVerfG vom 06.12.2005 (1 BvR 347/98, NJW 2006, 891) beanspruchen (vgl § 2 Abs 1a SGB V gültig ab 01.01.2012).

Das BVerfG hat mit dem genannten Beschluss zu einer ärztlichen Behandlungsmethode entschieden, dass es mit den Grundrechten aus Art 2 Abs 1 Grundgesetz (GG) iVm dem Sozialstaatsprinzip und aus Art 2 Abs 2 Satz 1 GG nicht vereinbar ist, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, generell von der Gewährung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Eine solche verfassungskonforme Auslegung setzt voraus, dass drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: Es liegt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung vor (1). Bezüglich dieser Krankheit steht eine allgemein anerkannte, medizinischem Stand entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung (2) und es besteht eine "auf Indizien gestützte" nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Entwicklung auf den Krankheitsverlauf (3).

Eine lebensbedrohliche bzw regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung lag vor. Die Versicherte litt im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Behandlung an einem Rezidiv der im August 2003 diagnostizierten, fortschreitenden akuten lymphatischen Leukämie. Unbehandelt führt diese Erkrankung innerhalb kurzer Zeit zum Tode. Dies entnimmt der Senat dem Gerichtsgutachten von Prof. A ... Aus diesem Gutachten folgt zur Überzeugung des Senats außerdem, dass es damals keine alternative Behandlungsmethode (mehr) gab, die ebenfalls das Ziel hatte, die Krankheit zu heilen, und dem allgemein anerkannten medizinischen Standard entsprach. Die bereits zuvor durchgeführte Chemotherapie und Krebsimmuntherapie (Alemtuzumab) konnten das Fortschreiten der Krankheit nicht verhindern. Alternativ zur durchgeführten Stammzelltransplantation kam lediglich eine Studienteilnahme in Betracht. Im Rezidivzeitpunkt waren zwei Studien aktiv, die "Phase II-Studie zur Prüfung der Verträglichkeit und Wirksamkeit von Alemtuzumab bei ALL und lymphoblastischen Lymphomen mit minimaler Resterkrankung, im therapierefraktären Rezidiv oder im primären Therapieversagen" und die multizentrische Studie "Therapie rezdivierter akuter lymphatischer Leukämien". Der Studiencharakter zeigt, dass es sich nicht um Standardtherapien handelte. Zudem lag damals kein wissenschaftlich gesicherter Anhalt für eine Überlegenheit dieser Therapiekonzepte gegenüber der durchgeführten Behandlung vor. Wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmöglichkeiten bestanden nicht. Entsprechendes ergibt sich auch nicht aus den Gutachten des MDK. Prof. H. sah ebenfalls lediglich die Möglichkeit, eine Behandlung nach experimentellen Studienprotokollen vorzunehmen. Auf derartige Alternativen konnte die Versicherte indes nicht verwiesen werden.

Zur Überzeugung des Senats bestand damals mit der Stammzelltransplantation eine "auf Indizien gestützte" nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf.

Eine positive Auswirkung auf den Krankheitsverlauf ist zu bejahen, wenn zumindest das Fortschreiten der Krankheit aufgehalten oder Komplikationen verhindert werden. Fehlen theoretisch-wissenschaftliche Erklärungsmuster, kann im Einzelfall bei vertretbaren Risiken auch die bloße ärztliche Erfahrung für die Annahme eines Behandlungserfolgs entscheidend sein, wenn sich diese Erkenntnisse durch andere Ärzte in ähnlicher Weise wiederholen lassen. Ein Wirkungsnachweis ist nicht erforderlich. Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab, der zu verlangen ist, um davon ausgehen zu dürfen, dass die behaupteten Behandlungserfolge mit hinreichender Sicherheit dem Einsatz gerade der streitigen Behandlung zugerechnet werden können und das einzugehende Risiko vertretbar ist, unterliegt Abstufungen je nach der Schwere und dem Stadium der Erkrankung. Dabei sind Differenzierungen im Sinne der Geltung abgestufter Evidenzgrade nach dem Grundsatz vorzunehmen "je schwerwiegender die Erkrankung und hoffnungsloser die Situation, desto geringere Anforderungen an die "ernsthaften Hinweise" auf einen nicht ganz entfernt liegenden Behandlungserfolg". Es können als Beurteilungsgrundlage beim Fehlen anderer Studien auch "Assoziationsbeobachtungen, pathophysiologische Überlegungen, deskriptive Darstellungen, Einzelfallberichte, u.Ä.; nicht mit Studien belegte Meinungen anerkannter Experten, Berichte von Expertenkomitees und Konsensuskonferenzen" in Betracht kommen (zum Ganzen mwN: BSG 04.04.2006, B 1 KR 7/05 R, BSGE 96, 170).

Gemessen an diesen Kriterien durfte die konkrete Risiko-Nutzen-Abwägung des behandelnden Arztes in objektiv nicht zu beanstandender Weise zu Gunsten der Versicherten ausfallen. Die familiär-allogene Blutstammzelltransplantation versprach mit der gebotenen Wahrscheinlichkeit den erstrebten Behandlungserfolg für die Krebserkrankung der Versicherten. Die Gerichtsgutachterin hat für den Senat schlüssig und nachvollziehbar festgestellt, dass mit der durchgeführten Behandlung eine Heilungschance von ca 10% bestand. Zwar fehlen prospektive kontrollierte oder randomisierte Studien zum therapeutischen Vorgehen bei rezidivierter akuter lymphatischer Leukämie. Für Patienten, die wie die Versicherte auf die Rezidivchemotherapie nicht ansprechen, existieren aufgrund der kleinen Fallzahlen keine strengen Therapieempfehlungen. Die Gutachterin konnte ihre Einschätzung jedoch auf verschiedene wissenschaftliche Veröffentlichungen stützen. In der Literatur werden Raten kompletter Remission bei Transplantation im aktiven Rezidiv nach erfolgloser Durchführung einer Rezidivchemotherapie von mehr als 40 % und 5-Jahresüberlebensraten von 8 bis 12% genannt (Grigg, Szer et al 1999; Tavernier, Boiron et al 2007, T.; Massenkeil et al 2008). Die Indikationsliste der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Knochenmark- und Blutstammzelltransplantation vom 29.11.2004 beschreibt die Transplantation im sekundär chemotherapierefraktären Rezidiv sogar als Standardindikation. Vor dem Hintergrund der unmittelbar existenzbedrohenden Situation der Versicherten, genügt der Evidenzgrad dieser Veröffentlichungen jedenfalls für "ernsthafte" Hinweise auf einen nicht ganz entfernt liegenden Behandlungserfolg.

Die Ausführungen des MDK-Gutachters Prof. H. überzeugen den Senat dagegen im Ergebnis nicht. Zunächst sieht auch Prof. H. in seinem Gutachten vom 10.07.2009 (Seite 8) die Möglichkeit, dass Patienten mit fortgeschrittener akuter lymphatischen Leukämie mit einer allogenen Stammzelltransplantation eine Heilung der Leukämieerkrankung erreichen können. Er vermutet dann, ohne dies für den Senat nachvollziehbar zu begründen, dass die Patienten, die möglicherweise eine Heilung erfahren hätten, "sicher" ausschließlich günstige Prognosefaktoren aufgewiesen hätten. Demgegenüber konnte die Gerichtsgutachterin überzeugend darlegen, dass trotz der gegebenen ungünstigen Prognosefaktoren eine realistische Chance bestand, mit der Stammzelltransplantation positiv auf den Krankheitsverlauf einzuwirken. Das von Prof. H. als negativen Prognosefaktor angesprochene unzureichende Ansprechen auf Chemotherapie und die umfangreiche Vorbehandlung mit Chemotherapie sind in den für die gutachterliche Schlussfolgerung relevanten Studien in der Auswertung der Patienten, die in einer chemotherapierefraktären Situation transplantiert wurden, dh in einer Phase, in welcher der Tumor nicht mehr auf die Chemotherapie anspricht, denknotwendig mit enthalten. Auch der schlechte Allgemeinzustand der Versicherten stellt nach den eigenen Forschungsergebnissen der Gutachterin (gestützt durch die Arbeit Cornelissen et al 2001) keinen unabhängigen Risikofaktor dar. Ob der Nachweis von Blasten im peripheren Blut einen Risikofaktor für fehlendes Ansprechen auf weitere Therapie und schlechteres Langzeitüberleben darstellt ist nach den Feststellungen der Gerichtsgutachterin ebenfalls nicht eindeutig geklärt. In der Literatur liegen Hinweise dafür vor, dass bei Kindern kombinierte Rezidive (Knochenmark und außerhalb) sogar mit einer besseren Prognose verbunden sind (Seite 15 des Gerichtsgutachtens mwN). Verbleibt die kurze Dauer der ersten kompletten Remission als ungünstiger Prognosefaktor. Demgegenüber stand das junge Alter der Versicherten als positiver Prognosefaktor. Zudem lagen keine Anhaltspunkte für relevante Organfunktionsstörungen als Kontraindikation für eine Transplantation vor. Die Gerichtsgutachterin kommt daher für den Senat schlüssig und nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass in der konkreten Situation der Versicherten unter Berücksichtigung sämtlicher günstiger und ungünstiger Faktoren die Stammzelltransplantation eine Heilungschance von ca 10% eröffnete. Damit bestand jedenfalls eine "auf Indizien gestützte" nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf.

Der Verwertbarkeit des Gutachtens von Prof. A. steht nicht entgegen, dass sie Arbeiten für das Gutachten einer Hilfskraft überlassen hat. Denn sie hat nicht nur eine persönliche Überprüfung der Feststellungen und Schlussfolgerungen vorgenommen und die Auswertung sich zu Eigen gemacht, sondern die Verantwortung für den Inhalt des Gutachtens in vollem Umfang übernommen. Damit hat sie zugleich die Gewähr dafür übernommen, dass die Übertragung von Arbeiten auf Hilfskräfte nicht in unangemessenem Umfang erfolgte (vgl BSG 10.05.1994, 9 BV 17/94, juris). Es liegen auch keine Gründe vor, an der Neutralität der Gutachterin zu zweifeln. Allein der Umstand, dass Prof. A. eine Expertin auf dem streitgegenständlichen Fachgebiet ist und der Expertenkreis in Deutschland überschaubar ist, begründet nicht den Verdacht der Voreingenommenheit. Die von Prof. H. angenommenen Widersprüche zwischen den Bewertungen im Gutachten und den Aussagen von Prof. A. in der wissenschaftlichen Fachliteratur konnten durch die Gerichtsgutachterin zur Überzeugung des Senats widerlegt werden. Die Begutachtung durch einen ausländischen Sachverständigen hielt der Senat deshalb nicht für erforderlich.

Es liegen außerdem keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Behandlung im Übrigen nicht den Regeln der ärztlichen Kunst entsprach oder nicht dokumentiert wurde. Nachdem die Beklagte ihren Einwand der fehlenden Aufklärung und Einwilligung der Versicherten zurückgenommen hat, sieht sich der Senat nicht veranlasst, an dem Vortrag des Klägers, dass die Versicherte umfassend aufgeklärt worden sei und in die Behandlung eingewilligt habe, zu zweifeln. Entsprechende Hinweise enthalten die vorgelegten Dokumente (zB Arztbrief vom 10.05.2004, von der Versicherten unterschriebene Aufklärungs- und Einwilligungserklärungen). Zudem hat der behandelnde Arzt eine entsprechende Erklärung im Schreiben vom 07.05.2008 abgegeben.

Insgesamt bestand demnach ein Anspruch der Versicherten gegen die Beklagte auf die durchgeführte Stammzelltransplantation. Daraus folgt der Vergütungsanspruch des Klägers.

Fehler in Bezug auf die Höhe der Vergütung sind nicht ersichtlich und wurden auch nicht geltend gemacht. Der Kläger hat zutreffend die DRG A04B abgerechnet. Die Fallpauschalenvergütung für die Krankenhausbehandlung Versicherter in zugelassenen Einrichtungen ergibt sich gesetzlich aus § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V iVm § 7 KHEntgG und § 17b KHG. Die Spitzenverbände der Krankenkassen (ab 01.07.2008: Spitzenverband Bund der Krankenkassen) und der Verband der privaten Krankenversicherung haben gemäß dieser gesetzlichen Grundlagen Kodierrichtlinien und einen Fallpauschalen-Katalog als Normenverträge für die Krankenhausvergütung vereinbart. Der Fallpauschalen-Katalog legt die Vergütungshöhe für DRG-Tatbestände fest. Die vereinbarten automatisierten Ermittlungsprogramme (Grouper) umschreiben mit Blick auf die möglichen Eingaben aufgrund komplexer Rechenprozesse in Algorithmen die DRG-Tatbestände. Nach der DRG-Entscheidungslogik der zertifizierten Grouper ist vorliegend die DRG A04B anzusteuern. Im Fallpauschalen-Katalog für 2004 ist diese DRG unter den Prä-MDC erfasst. Hierunter werden teure Einzel-DRGs gefasst. Dem Algorithmus der Prä-MDC folgend (vgl Definitionshandbuch Version 2004) wird der vorliegend durchgeführten Stammzelltransfusion, allogen, HLA-verschieden, im Alter von unter 19 Jahren oder äußerst schweren CC die DRG A04B zugeordnet.

Der Vergütungshöhe steht nicht entgegen, dass der Kläger bei der Übermittlung des Datensatzes nach § 301 SGB V die Prozedur 8-544.1 (hochgradig komplexe und intensive Blockchemotherapie, zwei Chemotherapieblöcke während eines stationären Aufenthalts) doppelt kodiert hat. Ob die Beklagte diese Einwendung über sechs Jahre nach Zugang der Rechnung, erstmals im Berufungsverfahren und nach insoweit unbeanstandeter Prüfung durch den MDK überhaupt noch erheben konnte, kann dahingestellt bleiben. Denn sie hat keine Relevanz für die Vergütungshöhe. Eine andere DRG wird bei einer doppelten Kodierung der Prozedur 8-544.1 nicht angesteuert. Diese Prozedur ist für die Entscheidungslogik des Groupers im Fall der DRG A04B nicht relevant (vgl Definitionshandbuch Version 2004).

Die Beklagte hat aufgrund der Doppelkodierung auch kein Leistungsverweigerungsrecht. Die Abrechnung war formal ordnungsgemäß. In § 301 Abs 1 SGB V (in der Fassung vom 25.11.2003) ist aus datenschutzrechtlichen Gründen abschließend und enumerativ aufgelistet, welche Angaben der Krankenkasse bei einer Krankenhausbehandlung ihrer Versicherten auf jeden Fall zu übermitteln sind (vgl BT-Drucks 12/3608, 124). Dazu rechnen ua die Stammdaten des Versicherten, Detaildaten über Aufnahme, Verlegung, Art der Behandlung und Entlassung einschließlich der Angabe des einweisenden Arztes mit Einweisungsdiagnose, Aufnahmediagnose und Änderung von Diagnosen, die medizinische Begründung für die Verlängerung der Verweildauer sowie Datum und Art der durchgeführten Operationen und Prozeduren. Nach der zugrundeliegenden Vorstellung sind damit die Mindestangaben bezeichnet, die die Krankenkasse insbesondere zur ordnungsgemäßen Abrechnung und zur Überprüfung der Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung benötigt (vgl. BT-Drucks 12/3608, 124). Genügt die Anzeige schon diesen (Mindest-)Anforderungen nicht, fehlt es an der Fälligkeit der Vergütungsforderung (BSG 28.05.2003, B 3 KR 10/02 R, SozR 4-2500 § 109 Nr 1; BSG 22.04.2009, B 3 KR 24/07 R, juris-RdNr 16). Die Doppelkodierung der Chemotherapie stand der Fälligkeit der Abrechnung vorliegend nicht entgegen. Für die Fälligkeit genügt eine formal ordnungsgemäße Abrechnung. Die inhaltliche Richtigkeit ist keine Voraussetzung für die Fälligkeit. Mit der ordnungsgemäßen Abrechnung soll die Krankenkasse in die Lage versetzt werden, eine Prüfung ihrer Richtigkeit vorzunehmen. Hierzu war die Beklagte in der Lage. Der Kläger hat die von ihm festgestellten Diagnosen und durchgeführten Operationen und Prozeduren mit Schlüsseln im Sinne des § 301 Abs 2 SGB V versehen. Soweit der Kläger möglicherweise fehlerhaft eine Doppelkodierung übermittelt hat, begründet dies keinen formalen, sondern einen inhaltlichen – für die Vergütungshöhe im Ergebnis irrelevanten – Fehler.

Der Zinsanspruch des Klägers resultiert aus § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V in Verbindung mit §§ 291, 288 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch, soweit den verrechneten (unstreitigen) Vergütungsforderungen Abrechnungsfälle aus den Jahren 2004 oder 2005 zugrundelagen, da eine vertragliche Regelung damals nicht existierte (vgl oben; allg zum Anspruch auf Verzugszinsen: BSG 15.11.2007, B 3 KR 1/07 R, BSGE 99, 208). Im Übrigen folgt der Zinsanspruch aus § 19 Abs 3 KHBV.

Die Kostenentscheidung zu Lasten der Beklagten beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung, da weder sie noch der Kläger zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 2, § 47 Gerichtskostengesetz.
Rechtskraft
Aus
Saved