L 11 R 281/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 3 R 304/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 281/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 13.12.2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Entscheidung des Sozialgerichts, der Klägerin Kosten gemäß § 192 SGG in Höhe von 150 EUR aufzuerlegen, wird aufgehoben.

Tatbestand:

Die Klägerin macht einen Anspruch auf eine höhere Rente geltend.

Die 1950 geborene Klägerin ist polnische Staatsangehörige. Sie ist weder Vertriebene noch Spätaussiedlerin und lebt seit 14.06.1995 in der Bundesrepublik Deutschland. In Polen war sie als Zahnärztin berufstätig. Polnische Versicherungszeiten (einschließlich der Zeiten einer Hochschulausbildung) sind im Zeitraum von Oktober 1968 bis Oktober 1994 vorhanden. In Deutschland sind im Zeitraum von 1996 bis Januar 2007 45 Monate Pflichtbeitragszeiten für eine Pflegetätigkeit anerkannt. Aufgrund der polnischen Versicherungszeiten bezieht die Klägerin eine Rente des polnischen Versicherungsträgers.

Den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung vom 27.03.2008 lehnte die Beklagte zunächst mit Bescheid vom 16.10.2008 ab. Dem Widerspruch der Klägerin half die Beklagte dann mit Bescheid vom 15.02.2010 teilweise ab. Sie bewilligte der Klägerin eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit für die Zeit ab 01.04.2008. Der ärztliche Dienst der Beklagte hatte die Auffassung vertreten, dass die Klägerin aufgrund einer Erkrankung an Hepatitis C nicht mehr als Zahnärztin arbeiten könne. Der monatliche Zahlbetrag der Rente belief sich ab 01.04.2010 auf 11,66 EUR netto (12,97 EUR brutto, abzüglich der Beitragsanteile für die Kranken- und Pflegeversicherung) und beläuft sich auf 13,10 EUR brutto ab 01.07.2011. Die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung lehnte die Beklagte ab, weil die Klägerin noch leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich verrichten könne. Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Sie führte ua aus, die in Polen zurückgelegten Rentenversicherungszeiten seien bei der Rentenberechnung nach den Regelungen der Verordnungen (EG) Nr 883/2004 und Nr 987/2009 berücksichtigt worden. Die Anerkennung der mitgliedsstaatlichen Beitragszeiten obliege jedoch alleine dem polnischen Versicherungsträger. Eine Übernahme der ausländischen Versicherungszeiten in die deutsche Versicherungslast und Zahlung einer deutschen Rente aus diesen Zeiten sei nach den Vorschriften der Verordnung (EG) Nr 883/2004 nicht vorgesehen.

Am 24.01.2011 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben und geltend gemacht, die Rente aus den polnischen Versicherungszeiten sei schon durch den polnischen Rentenversicherungsträger festgestellt worden. Die Höhe der polnischen Rente entspreche in Polen einer Kaufkraft von 1000 EUR. Da sie aber in Deutschland lebe, müsse sie darum bitten, die deutsche oder die polnische Rente mindestens auf dieses Niveau anzuheben. Das Europarecht garantiere ihr eine realistische Kaufkraft ihrer Rente. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat die Klägerin dann ausdrücklich beantragt, ihr Rente wegen Berufsunfähigkeit ab 01.06.2008 in Höhe von monatlich 650 EUR zu gewähren. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 13.12.2011, der Klägerin zugestellt am 23.12.2011, abgewiesen und der Klägerin im Urteil Kosten gemäß § 192 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Höhe von 150 EUR auferlegt.

Am 18.01.2012 hat die Klägerin Berufung eingelegt, mit der sie ihr Vorbringen in erster Instanz wiederholt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 13.12.2011 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 15.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.12.2010 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab 01.06.2008 in Höhe von mindestens 650 EUR monatlich zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat die Klägerin mit Schreiben vom 02.04.2012, der Klägerin zugestellt am 04.04.2012, darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, die Berufung ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss zurückzuweisen. Die Klägerin hat bis zum 14.05.2012 Gelegenheit erhalten, hierzu Stellung zu nehmen. Mit Schreiben vom 28.04.2012 (Bl 20/21 der LSG-Akte) hat sich die Klägerin geäußert; hierauf wird Bezug genommen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung einer höheren Rente.

Der Senat entscheidet über die Berufung gemäß § 153 Abs 4 SGG durch Beschluss ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Klägerin ist darauf hingewiesen worden, dass der Senat diese Verfahrensweise beabsichtigt. Das Vorbringen der Klägerin macht eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich, sie hat die Durchführung einer Verhandlung auch nicht verlangt.

Die Höhe der Rente richtet sich vor allem nach der in Entgeltpunkte (EP) umgerechneten Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen (§ 63 Abs 1 und Abs 2 Satz 1 SGB VI). Der Monatsbetrag der Rente ergibt sich, wenn die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen EP, der Rentenartfaktor und der aktuelle Rentenwert mit dem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden (§ 64 SGB VI). Die persönlichen EP für die Ermittlung des Monatsbetrages der Rente ergeben sich, in dem die Summe aller EP für Beitragszeiten, beitragsfreie Zeiten und Zuschläge mit dem Zugangsfaktor vervielfältigt wird (§ 66 Abs 1 SGB VI). Für Beitragszeiten, die im Bundesgebiet zurückgelegten wurden, werden Entgeltpunkte ermittelt, in dem die Beitragsbemessungsgrundlage durch das Durchschnittsentgelt (Anlage 1) für dasselbe Kalenderjahr geteilt wird (§ 70 Abs 1 Satz 1 SGB VI). Beitragszeiten sind Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge (Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind (§ 55 Abs 1 Satz 1 SGB VI).

Können in mehreren Mitgliedssaaten der Europäischen Union (hier: Polen und Deutschland) Ansprüche geltend gemacht werden, richtet sich die Berechnung der Höhe der Renten für die Zeit bis zum 30.04.2010 nach Art 46 Verordnung (EWG) Nr 1408/71 (ab 01.05.2010 gilt Art 52 Verordnung (EG) Nr 883/2004). Maßgebend ist hier Art 46 Abs 2 Verordnung (EWG) Nr 1408/71, da die Klägerin die Wartezeit für die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit von fünf Jahren (§ 50 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB VI) nur unter Berücksichtigung auch der polnischen Versicherungszeiten erfüllt. Die Beklagte hat die Rentenberechnung auf dieser Grundlage durchgeführt, wie sich aus Anlage 1 des Rentenbescheids vom 15.02.2010, auf den verwiesen wird, ergibt. Eine Rentenerhöhung unter dem Gesichtspunkt der Kaufkraft, des früher ausgeübten Berufes oder von Beiträgen, die der Versicherte hätte entrichten können, wenn er eine Erwerbsarbeit ausgeübt hätte, sieht das geltende Recht nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Das Urteil des SG ist allerdings abzuändern, soweit darin der Klägerin Kosten gemäß § 192 SGG in Höhe von 150 EUR auferlegt werden. Eine offensichtliche Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung kann im vorliegenden Fall, in dem es um die Berechnung von Renten aus mehreren Mitgliedssaaten der Europäischen Union geht, nicht angenommen werden.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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