L 8 U 4010/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 7 U 1951/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 4010/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 17. August 2011 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch des Klägers auf Weitergewährung einer Verletztenrente streitig.

Der 1953 geborene Kläger ist bei der O. K. GmbH & Co. KG als Polier im Bereich Montage beschäftigt. In Ausübung seiner Tätigkeit stürzte der Kläger am 28.07.2008 von einer Leiter. Der D-Arzt Dr. Z. diagnostizierte eine Rotatorenmanschettenruptur (Komplettruptur der Supraspinatussehne, Teilruptur der Subscapularissehne) und eine Schulterprellung rechts ohne Fraktur sowie eine Risswunde am linken Daumen (Durchgangsarztbericht vom 28.07.2008, Nachschaubericht vom 15.08.2008, Ärztlicher Bericht vom 26.08.2008; Nachschaubericht der K. Klinik E. vom 25.08.2008). Der Kläger befand sich vom 10.09.2008 bis 15.09.2008 im P.-Krankenhaus R. in stationärer Behandlung, wo die Rotatorenmanschettenruptur am 11.09.2008 operativ versorgt wurde (Entlassungsbericht vom 14.09.2008, Operationsbericht vom 11.09.2008). Der Heilungsverlauf stellte sich unauffällig dar (Bericht der K. Klinik E. vom 20.10.2008) mit Beschwerdebesserung (Zwischenberichte Dr. Z. vom 31.10.2008, 12.12.2008 und 07.01.2009). Arbeitsunfähigkeit bestand bis 26.01.2009.

Die Beklagte veranlasste eine Zusammenhangsbegutachtung durch den Unfallchirurgen Dr. B ... Dr. B. gelangte in seinem Gutachten vom 20.01.2009 mit Ergänzung vom 11.03.2009 zusammenfassend zu der Beurteilung, beim Kläger bestünden an Schäden eine Subscapularissehnenruptur mit Bizepssehnenluxation rechts und eine Supraspinatussehnenruptur der rechten Schulter mit Einschränkung der Beweglichkeit, wofür das angeschuldigte Ereignis rechtlich wesentlich bzw. teilursächlich sei. Dr. B. schätzte die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) derzeit auf 20 v.H. und auf Dauer voraussichtlich auf 10 v.H. ein. Eine Nachuntersuchung wurde empfohlen.

Mit Bescheid vom 07.05.2009 bewilligte die Beklagte dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 28.07.2008 ab 27.01.2009 eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 20 v.H. bis auf weiteres. Als Unfallfolgen wurden anerkannt, eine Bewegungseinschränkung der rechten Schulter nach Subscapularissehnenruptur mit Bizepssehnenluxation und Supraspinatussehnenruptur. Nicht als Unfallfolgen wurden anerkannt degenerative Veränderungen des Sehnengewebes an der rechten Schulter.

Zur Feststellung, ob die Voraussetzungen für eine Rente auf unbestimmte Zeit vorliegen, holte die Beklagte das Zweite Rentengutachten von Dr. B. vom 25.01.2010 ein. Dr. B. beschrieb in seinem Gutachten an noch bestehenden Unfallfolgen belastungsabhängige Schmerzen und eine Bewegungseinschränkung der rechten Schulter nach Rotatorenmanschettenruptur sowie eine beginnende AC-Gelenksarthrose rechts. Die MdE schätzte er um 20 v.H. ein. Eine Besserung der geminderten Erwerbsfähigkeit sei nicht zu erwarten.

Die Beklagte holte die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. K. vom 03.02.2007 ein, der mitteilte, bei den festgestellten Bewegungsmaßen sei eine MdE von 10 v.H. gegeben.

Nach Anhörung des Klägers (Schreiben vom 04.02.2010 und 08.02.2010) teilte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 09.03.2010 mit, er habe wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 08.07.2008 keinen Anspruch auf Rente für unbestimmte Zeit und entzog ihm seine Rente mit Ablauf des Monats März 2010. Als Folgen des Arbeitsunfalles wurden berücksichtigt eine Bewegungseinschränkung der rechten Schulter nach Subscapularissehnenruptur mit Bizepssehnenluxation und Supraspinatussehnenruptur. Als unfallunabhängig wurden degenerative Veränderungen des Sehnengewebes an der rechten Schulter nicht berücksichtigt.

Gegen den Bescheid vom 09.03.2010 legte der Kläger Widerspruch ein, mit dem Ziel ihm Rente auf unbestimmte Zeit ab 01.04.2010 weiter zu gewähren. Er berief sich auf das Rentengutachten von Dr. B ... Eine nachvollziehbare Begründung der beratungsärztlichen Einschätzung der MdE auf unter 20 v.H. sei nicht ersichtlich. Ebenso wenig sei ersichtlich, auf welcher Grundlage die angebliche Vorschädigung (degenerative Veränderung des Sehnengewebes an der rechten Schulter) beruhe. Vor dem Unfallereignis habe er keine Beschwerden im Bereich der Schulter gehabt, weshalb degenerative Veränderungen als Mitursache ausgeschlossen werden könnten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21.05.2010 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 09.03.2010 als unbegründet zurück. Die vom Kläger erhobenen Einwände seien nicht stichhaltig. Bei der Abgrenzung der Unfallfolgen zu unfallfremden Erkrankungen handele es sich um eine wiederholende Verfügung, nicht aber um eine Entscheidung. Bereits im bindend gewordenen Bescheid vom 07.05.2009 sei eine entsprechende Entscheidung getroffen worden.

Hiergegen erhob der Kläger am 11.06.2010 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG). Er wiederholte zur Begründung im Wesentlichen sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren.

Das SG hörte Dr. B. schriftlich als sachverständigen Zeugen an. Dr. B. teilte in seiner Stellungnahme vom 14.09.2010 die auf den Unfall zurückzuführenden Gesundheitsstörungen (Durchtrennung der Sehne des Musculus subscapularis rechts mit Bizepssehnenluxation und Supraspinatussehnenruptur an der rechten Schulter) mit und schätzte wegen noch anhaltender Bewegungseinschränkung sowie einer beginnenden AC-Gelenksarthrose rechts die MdE auf 20 v.H ...

Das SG holte außerdem (von Amts wegen) das orthopädisch-unfallchirurgische Gutachten von Prof. Dr. L. vom 08.02.2011 ein. An Untersuchungsbefunden beschreibt Dr. L. in seinem Gutachten eine leichte Schonhaltung des rechten Armes, ein leichter Druckschmerz über dem sulcus bicipitalis sowie dem AC-Gelenk, eine im Vergleich zu links eingeschränkte Schulterbeweglichkeit, positive Impingementzeichen-, Rotatorenmanschetten- und der langen Bizepssehne-Tests, nicht Durchführbarkeit des Hyperflexionstests der langen Bizepssehne und des Lift off-Tests sowie eine herabgesetzte Kraftmessung rechts im Vergleich zu links. Weiter beschrieb Prof. Dr. L. reizlose Narbenverhältnisse, keine wesentlichen muskulären Atrophien, eine seitengleiche Beschwielung beider Hände, keine Crepitation, keine Instabilität des AC-Gelenks, keine Hyperlaxizität, eine intakte Durchblutung, Motorik und Sensibilität sowie keine Instabilitätszeichen der rechten Schulter. Zusammenfassend gelangte Prof. Dr. L. zu dem Ergebnis, im Bereich der rechten Schulter seien auf orthopädischem Fachgebiet an Funktions- und Gesundheitsstörungen belastungsabhängige Schmerzen und eine Bewegungseinschränkung der rechten Schulter bei Subscapularissehnenteilruptur nach offener Rotatorenmanschettenrekon-struktion (Supraspinatussehne / Subscapularissehne) rechts festzustellen, die mit Wahrscheinlichkeit im Sinne der Entstehung ursächlich auf das Unfallereignis vom 28.07.2008 zurückzuführen seien. Für sämtliche Unfallfolgen sei bei eingeschränkter aktiver Beweglichkeit von 120° und eingeschränkter passiver Gelenksbeweglichkeit sowie einer Kraftminderung im Bereich des rechten Schultergürtels die MdE mit 20 v.H. ab dem 27.01.2009 (Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit) einzuschätzen. Eine MdE von 10 v.H. sei zu niedrig angesetzt.

Die Beklagte erhob Einwendungen gegen das Gutachten von Prof. Dr. L. (Schriftsatz vom 14.04.2011). Zu den Einwendungen der Beklagten nahm Prof. Dr. L. in Ergänzung seines Gutachtens vom 08.02.2011 mit Schreiben vom 17.05.2011 Stellung und hielt an seinen Bewertungen (MdE 20 v.H.) fest. Die Beklagte trat der Bewertung der MdE von 20 v.H. durch Prof. Dr. L. weiter entgegen (Schriftsatz vom 07.07.2011).

Mit Gerichtsbescheid vom 17.08.2011 hob das SG den Bescheid der Beklagten vom 09.03.2010 und den Widerspruchsbescheid vom 21.05.2010 auf und verurteilte die Beklagte, den Kläger über den 31.03.2010 hinaus bis auf weiteres eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. zu gewähren. Das SG führte zur Begründung aus, der Kläger habe am 28.07.2008 einen Arbeitsunfall erlitten, bei dem er sich eine Bewegungseinschränkung der rechten Schulter nach Subscapularissehnenruptur mit Bizepssehnenluxation und Supraspinatussehnenruptur zugezogen habe. Die verbliebenen Unfallfolgen bedingten zur Überzeugung der Kammer auch über den 31.03.2010 hinaus eine MdE von 20 v.H ... Zwar rechtfertige alleine die eingeschränkte aktive Vorwärts- und Seitwärtshebung des rechten Armes eine MdE von 10 v.H ... Diese Beurteilung sei nach der gängigen Gutachtensliteratur allerdings nur bei freier Rotation einschlägig. Vorliegend sei die erheblich eingeschränkte nicht kompensierbare aktive Innen- und Außenrotation des rechten Armes ebenso wie die eingeschränkte passive Flexion und Abduktion in die Bewertung mit einzubeziehen. Damit sei die Situation des Klägers mit derjenigen eines Versicherten vergleichbar, dessen Schulterbeweglichkeit vorwärts/seitwärts bis 90° bei freier Rotation eingeschränkt sei, so dass die Vergabe einer MdE von 20 v.H. über den 31.03.2010 hinaus zur Überzeugung der Kammer den Ausführungen des Dr. B. und des Prof. Dr. L. folgend gerechtfertigt erscheine. Die durch Prof. Dr. L. festgestellte erhebliche Kraftminderung sei mangels muskulärer Atrophien und der seitengleichen Oberarmbemuskelung nicht objektivierbar und habe außer Betracht zu bleiben.

Gegen den Gerichtsbescheid vom 17.08.2011 hat die Beklagte am 14.09.2011 Berufung eingelegt. Sie hat zur Begründung vorgetragen, der Ansicht des SG könne nicht gefolgt werden. Die Schultervorhebung gelte als Hauptkriterium für die Einschätzung der MdE. Nach dem von Prof. Dr. L. erhobenen Befund von 140° (bei freier Rotation) müsse die MdE mit unter 10 v.H. bewertet werden. Selbst wenn man im Hinblick auf die beeinträchtigte Abspreizfähigkeit des rechten Armes mit lediglich 120° für diesen Befund eine MdE von 10 v.H. ansetzen wolle, könne zusammen mit der eingeschränkten Innen- und Außenrotation die MdE keinesfalls mit 20 v.H. eingeschätzt werden. Dies wäre nur dann möglich, wenn es Zeichen dafür gebe, dass sich die behindernde Innen- und Außenrotation der rechten Schulter des Klägers funktionell auswirke. Solche Zeichen seien nicht vorhanden. Nach den Gutachten von Dr. B. und Prof. Dr. L. seien beim Kläger weder Muskelminderungen im Schulter- noch im Armbereich rechts festzustellen. Außerdem seien die Hände seitengleich beschwielt. Diese beweise, dass der Kläger seinen rechten Arm nicht schonen müsse und dieser keinesfalls von stärkeren schmerzhaften Funktionseinschränkungen betroffen sei. Völlig abwegig argumentiere das SG, wenn es passive Bewegungseinschränkungen der Schulter zur Begründung der MdE-Bewertung heranziehe. Nur die aktive Bewegungsfähigkeit der rechten Schulter sei für den Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einsetzbar. Deshalb könne auch nur der aktive Bewegungsumfang mit einer MdE eingeschätzt werden. Nach alledem seien die Unfallfolgen funktionell nicht so zu werten, als bei einem Unfallverletzten, dem die Armvorwärtshebung nur bis 90° gelinge.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 17. August 2011 aufzuheben und die Klage des Klägers abzuweisen, hilfsweise, bei einem mit dieser Sache noch nicht befasst gewesenen ärztlichen Sachverständigen ein weiteres fachärztliches Gutachten einzuholen und diesem aufzugeben, das Gutachten unter Beachtung der Literatur der gesetzlichen Unfallversicherung zu Schulterverletzungen, insbesondere auch das Werk von Schönberger-Mertens-Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, zu erstellen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat auf Anregung des Klägers von Prof. Dr. L. die ergänzende Stellungnahme vom 16.01.2012 eingeholt, in der sich Prof. Dr. L. mit dem Berufungsvorbringen der Beklagten auseinandergesetzt und an seinen Bewertungen festgehalten hat.

Die Beklagte hat zur ergänzenden Stellungnahme des Prof. Dr. L. vom 16.01.2012 weiter vorgetragen und ihr Vorbringen zu Begründung der Berufung aufrecht erhalten (Schriftsätze vom 06.03.2012 und 14.05.2012).

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie ein Band Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist auch im Übrigen zulässig (§ 151 SGG). Sie ist jedoch nicht begründet. Dem Kläger steht auch über den 31.03.2010 hinaus Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 v.H. zu. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden.

Das SG hat im angefochtenen Gerichtsbescheid die für die Entscheidung des Rechtsstreites maßgeblichen Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze vollständig und zutreffend dargestellt. Hierauf nimmt der Senat Bezug. Das SG hat weiter zutreffend und ausführlich begründet, dass die Unfallfolgen des Arbeitsunfalles des Klägers vom 28.07.2008 in der Gesamtbetrachtung über den 31.03.2010 hinaus eine MdE von 20 v.H. bedingen. Zwar rechtfertigt nach der zutreffenden Begründung des SG die eingeschränkte aktive Vorwärts- und Seitwärtshebung des rechten Armes lediglich die Vergabe einer MdE von 10 v.H ... Mit zu berücksichtigen ist jedoch die außerdem bestehende erheblich eingeschränkte nicht kompensierbare aktive Innen-und Außenrotation des rechten Armes, wie auch eine eingeschränkte passive Flexion und Abduktion, wodurch die Situation des Klägers mit derjenigen eines Versicherten vergleichbar ist, dessen Schulterbeweglichkeit vorwärts/seitwärts bis 90° bei freier Rotation eingeschränkt ist, die nach der unfallversicherungsrechtlichen Literatur die Vergabe einer MdE von 20 v.H. rechtfertigt, wie das SG weiter zutreffend dargelegt hat. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung zur selben Überzeugung. Er schließt sich den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids in vollem Umfang an, die er sich zur Begründung seiner eigenen Entscheidung zu eigen macht und auf die er zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend und im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Beklagten bleibt auszuführen:

Der streitgegenständliche Bescheid ist nicht formell rechtswidrig. Denn der Kläger ist vor Erlass des Bescheides ordnungsgemäß angehört worden.

Nach den nachvollziehbaren und plausiblen Ausführungen von Prof. Dr. L. in seinem Gutachten vom 08.02.2011 und seinen vom SG und vom Senat eingeholten ergänzenden Stellungnahmen vom 17.05.2011 und 16.01.2012 bestehen beim Kläger als Folge des Arbeitsunfalles vom 28.07.2008 eine aktive wie auch passive Einschränkung der Beweglichkeit der rechten Schulter. Die von Prof. Dr. L. hierzu erhobenen Bewegungsmaße entsprechen im Wesentlichen den von Dr. B. in seinem Gutachten vom 25.01.2010 beschriebenen Bewegungsmaßen der rechten Schulter des Klägers. Danach ist beim Kläger die Abduktion aktiv auf 120° (passiv 130°) und die Flexion auf aktiv 140° (passiv 150°) eingeschränkt. Der Beklagten ist zuzugeben, dass diese Bewegungseinschränkung der rechten Schulter des Klägers für sich keine MdE von 20 v.H. rechtfertigt, wenn die Schulterrotationsbewegungen frei sind (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, Seite 523). Davon geht auch Prof. Dr. L. bei seiner MdE-Bewertung für die verbliebenen Unfallfolgen aus, der eine MdE von 20 v.H. erst für gerechtfertigt erachtet, wenn die Abspreiz- und Vorführfähigkeit des Armes unter 120° liegt, wie sich aus seiner Stellungnahme vom 17.05.2011 an das SG ergibt. Prof. Dr. L. berücksichtigt bei seiner Bewertung der MdE jedoch zudem eine unfallbedingte Einschränkung der Rotationsfähigkeit, insbesondere der Innenrotation (Gutachten vom 08.02.2011, S. 12-13). Die unfallursächlichen Beschwerden und Einschränkungen lassen sich nach den überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. L. in seiner Stellungnahme vom 17.05.2011 auf eine Sehnenschädigung zurückführen, die nach den von Prof. Dr. L. durchgeführten Untersuchungen beim Kläger eine erhebliche funktionelle Einschränkung - insbesondere aufgrund der Einschränkung der Rotationsfähigkeit - bewirkt. So zeigte sich beim Entkleiden eine leichte Schonhaltung des rechten Armes. Weiter ist es dem Kläger - nach dem Ergebnis des Lift-off-Test - nicht möglich, den Arm hinter dem Rücken vom Körper wegzubewegen. Zudem kann der Kläger nach dem Ergebnis des Out-line und Palm-up-Test sowie des Hyperflexionstests den Arm nicht kraftvoll nach vorne führen und auch den für die Armfunktion unersetzbaren Bizepsmuskels nicht adäquat aktivieren. Diese Befunde dokumentieren nach den nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. L. in seiner Stellungnahme vom 16.01.2012 an den Senat eine nicht unerhebliche funktionelle Beeinträchtigung, die zusätzlich zu der eingeschränkten Abduktion und Flexion bei der Bemessung der MdE zu berücksichtigen ist, wovon Prof. Dr. L. überzeugend ausgeht. Der Umstand, dass beim wieder berufstätigen Kläger Muskelminderungen im Bereich der Schulter und des Armes bei seitengleicher Beschwielung der Hände nicht bestehen, rechtfertigt - entgegen der Ansicht der Beklagten - keine andere Bewertung. Der Beklagten ist allerdings darin zu folgen, dass eine fehlende Muskelminderung wie auch eine seitengleiche Beschwielung der Hände gegen das Vorliegen einer stärkeren schmerzhaften Funktionseinschränkung der rechten Schulter sprechen kann. Dem stehen allerdings die Ergebnisse der von Prof. Dr. L. durchgeführten Tests entgegen, die den Nachweis erheblicher funktioneller Einschränkung des rechten Schultergelenkes des Klägers erbracht haben. Der Einwand der Beklagten, dass der Kläger offensichtlich den rechten Arm trotzdem so einsetzt, dass keine Muskelminderung oder eine Minderbeschwielung entsteht, schließt das Bestehen der gleichwohl festgestellten erheblichen funktionellen Einschränkung des rechten Schultergelenkes aufgrund der Unfallfolgen – bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt – nicht zwingend aus, wenn der Kläger aus den Besonderheiten seines Arbeitsplatzes Überkopfarbeiten und sonstige seine Schulter belastende Arbeitsvorgänge vermeidet, den rechten Arm sonst aber bei allen anderen Arbeitsabläufen einsetzen kann. Die Ansicht der Beklagten, Prof. Dr. L. habe sich zum Fehlen einer Muskelminderung sowie einer seitengleichen Beschwielung der Hände nicht geäußert, trifft nicht zu. Vielmehr hat Prof. Dr. L. in seinem Gutachten vom 08.02.2011 diese Umstände bei der Bewertung der MdE mit einbezogen. Weiter hat die Berücksichtigung der passiven Beweglichkeit des rechten Schultergelenkes nicht zur Folge, dass eine Unfallfolge bei der MdE-Einschätzung doppelt zum Ansatz kommt, wie die Beklagte im Berufungsverfahren vorgetragen hat. Die Ansicht der Beklagten wird nach den überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. L. in seiner Stellungnahme vom 16.01.2012 der Biomechanik sowie der Kinematik des Schultergelenkes nicht gerecht. Vielmehr dokumentiert die passive Bewegungseinschränkung nach den plausiblen Ausführungen von Prof. Dr. L. die Tatsache, dass beim Kläger ein erheblicher struktureller Schaden im Bereich des Schultergürtels besteht und belegt zur Überzeugung des Senats, dass der Kläger neben der Einschränkung für aktive Schulterhebungen auch – grundsätzlich geringer belastende – passive Bewegungsvorgänge mit der rechten Schulter, die im Erwerbsleben vorkommen können (z.B. Herabsteigen auf Leitern und von Gerüsten mit Sicherung des rechten Arms, Führen von selbst bewegten Hängelasten – Kranlasten – oder Maschinenteilen) nur eingeschränkt durchführen kann. Für diese nicht nur gelegentlich auf dem Arbeitsmarkt vorkommenden Tätigkeiten ist der rechte Arm nicht normal einsetzbar, da das zwar im Vergleich zum aktiven geringfügig bessere passive Bewegungsmaß das Normalmaß nicht erreicht, wie Prof. Dr. L. dargelegt hat. Hierdurch wird das Bestehen einer zusätzlichen funktionellen Einschränkung des Schultergelenkes des Klägers durch die Unfallfolgen untermauert, denn gerade bei Sehnenverletzungen ist eine deutliche Differenz zwischen aktiver und passiver Beweglichkeit der betroffenen Gliedmaße nicht ungewöhnlich. Diese Differenz spiegelt sich in den Bewertungsansätzen der unfallmedizinischen Literatur, die grundsätzlich die aktiven Bewegungsmaße erfassen, nicht wider, was der Senat in der MdE-Bewertung angemessen berücksichtigt hat. Dass beim Kläger keine Anhaltspunkte für eine Aggravation bestehen, wie die Beklagte weiter einwendet, ist dabei ohne Belang. Soweit Prof. Dr. L. in seiner Stellungnahme vom 16.01.2012 sein Unverständnis zum Ausdruck bringt, dass bei einer eingetretenen Verschlechterung von der Beklagten die MdE herabgestuft wurde, kann aus den hierzu gemachten Ausführungen nicht abgeleitet werden, Prof. Dr. L. übergehe, dass eine vorläufige Entschädigung wegen noch nicht erfolgter Anpassung und Gewöhnung höher festgesetzt wird, als die Rente auf unbestimmte Zeit, wie die Beklagte im Berufungsverfahren weiter gerügt hat. Die Ausführungen von Prof. Dr. L. machen vielmehr deutlich, dass beim Kläger aufgrund der mittlerweile eingetretenen passiven Einschränkung der Bewegungsmaße davon auszugehen ist, dass er auch nach erfolgter Anpassung und Gewöhnung eine rentenrelevante MdE fortbesteht. Soweit die Beklagte außerdem Prof. Dr. L. insoweit widerspricht, eine MdE-Bewertung im oberen Bereich des Ermessensspielraums vorzunehmen, den es bei der Beurteilung der unfallbedingten MdE nicht gebe, schließt sich der Senat diesem Einwand nicht an. Zwar hat Prof. Dr. L. in seiner Stellungnahme vom 17.05.2011 eingeräumt, dass die Bewertung der MdE von 20 v.H. im oberen Bereich des Ermessensspielraums liege. Mit dieser Äußerung legt Prof. Dr. L. seiner MdE-Bewertung keinen rechtlich unzulässigen MdE-Rahmen zu Grunde, sondern bringt vielmehr einen der MdE-Bewertung als Schätzung immanenten Bewertungsspielraum zum Ausdruck, der mit seiner Einschätzung der MdE von 20 v.H. der Unfallfolgen nicht überschritten ist. Dieser nachvollziehbar begründeten und überzeugenden Einschätzung schließt sich der Senat an. Dem entspricht auch die MdE-Bewertung durch Dr. B. in seinem Gutachten vom 25.01.2010 und seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage an das SG vom 14.09.2010.

Der abweichenden Bewertung von Dr. K. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 03.02.2010, der von einer MdE von 10 v.H. ausgeht, folgt der Senat nicht. Dr. K. stützt seine Ansicht allein auf die Bewegungsausmaße. Eine Begründung seiner Ansicht und die Auseinandersetzung mit den oben genannten Gesichtspunkten fehlt, weshalb seine abweichende MdE-Bewertung nach dem oben Ausgeführten nicht nachvollziehbar ist.

Der Beweisantrag der Beklagten wird abgelehnt. Für den Senat ist der relevante medizinische Sachverhalt insbesondere durch das Gutachten von Prof. Dr. L. und die hierzu abgegebenen ergänzenden Stellungnahmen geklärt. Hinsichtlich der verbliebenen Unfallfolgen hat die Beklagte keine Gesichtspunkte aufgezeigt, die weitere medizinische Ermittlungen durch Einholung eines Sachverständigengutachtens geboten erscheinen lassen. Die Beklagte hat die von Prof. Dr. L. diagnostizierten Unfallfolgen nicht in Abrede gestellt, sondern im Wesentlichen im streitgegenständlichen Bescheid vom 09.03.2010 anerkannt. Streitig ist allein die Bewertung der MdE der anerkannten Unfallfolgen. Der Einholung eines Gutachtens bedarf es hierzu nicht. Vielmehr ist die Bemessung der MdE in ständiger Rechtsprechung des BSG eine Tatsachenfeststellung, die das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu treffen hat. Dies gilt für die Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ebenso wie für die auf der Grundlage medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen zu treffende Feststellung der ihm verbliebenen Erwerbsmöglichkeiten (BSG SozR 4-2700 § 56 Nr. 2; BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8, S 36 m.w.N.). Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind zwar eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind (BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22, 23; BSGE 82, 212 = SozR 3-2200 § 581 Nr. 5). Letztlich obliegt jedoch dem Gericht die rechtliche Bewertung der MdE. Gesichtspunkte, die eine weitere Ermittlung des medizinischen Sachverhaltes zur rechtlichen Bewertung der MdE durch Einholung eines Gutachtens geboten erscheinen lassen, sind nicht ersichtlich und werden von der Beklagten auch nicht aufgezeigt. Vielmehr ist für den Senat auch insoweit der medizinische Sachverhalt durch das Gutachten von Prof. Dr. L. und seinen ergänzenden Stellungnahmen aufgeklärt. Die von der Beklagten beantragten Vorgaben an den Gutachter fallen in den Bereich der Beweiswürdigung und sind damit kein geeignetes Beweisthema.

Die Berufung der Beklagten war deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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