L 11 KR 2377/12 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 1738/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 2377/12 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 08.05.2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt die Feststellung, dass er bei Zahlung weiterer Monatsbeiträge bei der Antragsgegnerin krankenversichert sei - insoweit wendet er sich gegen die Feststellung der Antragsgegnerin, seine Krankenversicherungsansprüche seien zum Ruhen gekommen - und dass rückständige Beitragsforderungen zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 01.06.2011 bis zum 30.11.2011 bis zur Entscheidung des Sozialgerichts Freiburg (SG) gestundet werden.

Der am 10.12.1950 geborene Antragsteller meldete im September 2010 bei der Gemeinde W. ein Gewerbe an. Als angemeldete Tätigkeit gab er an: Raumausstatter, Holz- und Bautenschutzgewerbe. In dieser Tätigkeit machte er gemäß dem Einkommensteuerbescheid des Finanzamts E. für 2010 vom 28.11.2011 Verluste in Höhe von 4.372 EUR. Er war zunächst über seine damals sozialversicherungspflichtig abhängig beschäftigte Ehefrau bei der Antragsgegnerin familienversichert. Am 06.09.2010 nahm er seine von der Bundesagentur für Arbeit mittels eines monatlichen Gründungszuschusses geförderte selbständige Tätigkeit auf; der Gründungszuschuss enthielt einen Betrag von 300,00 EUR für die soziale Sicherung. Der Gründungszuschuss wurde für die Zeit vom 06.09.2010 bis 05.06.2011 gezahlt; eine weitergehende Förderung hatte der Antragsteller nicht beantragt. Erst mit Ende der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung der Ehefrau des Antragstellers zum 31.05.2011 beendete die Antragsgegnerin die Familienversicherung des Antragstellers. Am 05.10.2011 reichte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin die Anzeige zur Pflichtversicherung nach § 5 Abs 1 Nr 13 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) ein. Seit dem 09.03.2012 bezieht der Antragsteller wieder Arbeitslosengeld von der Bundesagentur für Arbeit.

Mit Bescheid vom 09.12.2011 stellte die Antragsgegnerin - auch im Namen der Pflegekasse - fest, die Mitgliedschaft des Antragstellers bestehe seit dem 01.06.2011. Monatlich seien als Krankenversicherungsbeitrag 190,35 EUR und für die Pflegeversicherungsbeiträge 28,10 EUR, zusammen 218,45 EUR, zu zahlen. Für den Zeitraum vom 01.06.2011 bis 31.10.2011 machte sie eine Beitragsnachzahlung iHv 951,74 EUR zur Krankenversicherung (KV) und 140,50 EUR zur Pflegeversicherung (PV), zusammen 1.092,24 EUR, geltend. Mit einem weiteren Bescheid vom 09.12.2011 setzte die Antragsgegnerin - auch im Namen der Pflegekasse - den monatlichen Beitrag für die Zeit ab dem 01.01.2012 fest.

Gegen den Bescheid, mit dem Beiträge nachgefordert werden, legte der Antragsteller am 14.12.2011 (Blatt 79 der Verwaltungsakte) Widerspruch ein. Er habe seit rund fünf Monaten bei der Antragsgegnerin angefragt, ob er versichert sei. Ihm sei erklärt worden, er sei derzeit nicht versichert, einen Arztbesuch müsse er selber bezahlen. Er habe deshalb während dieser Zeit nicht zum Arzt gehen können. Wenn die Antragsgegnerin dennoch Beiträge für diesen Zeitraum erhebe, könne dies nicht Rechtens sein. Einen Beitrag werde er ab 1. Dezember zahlen. Um die Pflegeversicherung habe er sich nicht gekümmert, da könne er noch sagen, dies sei sein Fehler gewesen und diese Nachzahlung könne er akzeptieren.

Der Antragsteller zahlte ab 01.12.2011 die geforderten Beiträge, die Beiträge für die Zeit vom 01.06.2011 bis 30.11.2011 zahlte der Antragsteller dagegen nicht.

Die Antragsgegnerin teilte dem Antragsteller mit Schreiben vom 21.12.2011 mit, der Widerspruch werde geprüft, die Fälligkeit für den rückwirkenden Beitrag vom 01.06. bis 30.11.2011 stelle sie bis zum 15.01.2012 zurück. Mit Schreiben vom 14.02.2012 wies die Antragsgegnerin den Antragsteller darauf hin, seine Ehefrau, über die er bislang familienversichert gewesen sei, sei vom Arbeitgeber zum 31.05.2011 abgemeldet worden. Damit habe auch die Familienversicherung des Antragstellers geendet. Dies sei dem Antragsteller bekannt geworden. Dennoch sei er hinsichtlich des weiteren Versicherungsschutzes erst im September 2011 tätig geworden. Damit man ihm den niedrigsten Beitrag für Selbständige habe anbieten können, sei die Anforderung von Unterlagen erforderlich gewesen. Deshalb sei auch die Zeitdauer bis zum Erlass des Bescheides vom 09.12.2011 nicht zu beanstanden. Zugleich lehnte die Antragsgegnerin es ab, die rückständigen Beiträge für die Zeit vom 01.06.2011 bis 30.11.2011 nach § 21b der Satzung zu erlassen, da der Antragsteller das Vorliegen der Versicherungspflicht nicht unverschuldet zu spät angezeigt habe. Gleichzeitig bot die Antragsgegnerin die Vereinbarung einer Ratenzahlung für die rückständigen Beiträge an.

Hiergegen erhob der Antragsteller am 20.02.2012 Widerspruch. Möge das Gesetz jeden zwingen, sich zu versichern, so hab er jedoch nicht die Pflicht gehabt, sich gerade bei der Antragsgegnerin zu melden. Wenn er es versäumt habe, sich zu melden, sei das eine Ordnungswidrigkeit oder eine Straftat, diese könne die Antragsgegnerin aber nicht ahnden. Er habe gewusst, dass er nicht versichert sei und sei deshalb auch nicht zum Arzt gegangen.

Mit Schreiben vom 29.02.2012 mahnte die Antragsgegnerin die Zahlung der für den Zeitraum vom 01.06.2011 bis 30.11.2011 geforderten Beiträge an und setzte eine Frist bis zum 17.03.2012. Wenn das Beitragskonto zum 17.03.2012 einen Rückstand ausweise, der höher sei als der Beitrag für einen Monat, komme es zum Ruhen der Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung. Der Leistungsanspruch lebe erst dann wieder auf, wenn alle rückständigen Beitragsanteile gezahlt seien. Das Ruhen ende auch dann, wenn Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II oder SGB XII eintrete. Während des Ruhens übernehme die Krankenkasse lediglich Leistungen, die zur Behandlung akuter Erkrankungen oder Schmerzzustände sowie bei Schwangerschaft und Mutterschaft erforderlich seien.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22.03.2012 wies die Antragsgegnerin durch ihren Widerspruchsausschuss, der zugleich auch der Widerspruchsausschuss der Pflegekasse ist - und damit auch im Namen der Pflegekasse - die Widersprüche zurück. Die Beitragsnacherhebung für den Zeitraum ab dem 01.06.2011 sei rechtmäßig. Die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung beginne für einen Versicherungspflichtigen mit dem ersten Tag ohne anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall. Da die Mitgliedschaft der Ehefrau des Antragstellers zum 31.05.2011 geendet habe, habe zu diesem Zeitpunkt auch die Familienversicherung des Antragstellers geendet. Nachzuzahlende Beiträge könnten zwar nach § 21b der Satzung der Antragsgegnerin gestundet, ermäßigt, niedergeschlagen oder erlassen werden. Voraussetzung sei, dass der Versicherte das Vorliegen der Voraussetzungen der Versicherungspflicht unverschuldet zu spät angezeigt habe. Hiervon könne nicht ausgegangen werden. Gesetze seien mit ihrer Veröffentlichung als bekannt gegeben anzusehen. Im Übrigen dürften die Mitglieder, die ihrer Verpflichtung zur Beitragszahlung zeitnah nachkämen, nicht unangemessen benachteiligt werden.

Mit einem dem Antragsteller am 29.03.2012 zugestellten Bescheid vom 27.03.2012 (Blatt 4 der Verwaltungs-/Vollstreckungsakte) stellte die Antragsgegnerin fest, dass wegen der Beitragsrückstände iHv insgesamt 1.392,14 EUR (einschließlich 78,00 EUR Säumniszuschlägen und 3,45 EUR an Gebühren) der Leistungsanspruch ab dem 03.04.2012 ruhe, ausgenommen von der Ruhenswirkung seien lediglich Leistungen, die zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzuständen sowie bei Schwangerschaft und Mutterschutz erforderlich seien. Der Bescheid enthielt einen Hinweis auf das Ende des Ruhens der Leistungen sowie eine Rechtsbehelfsbelehrung.

Am 12.04.2012 hat der Antragsteller beim SG Klage erhoben und Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Zur Begründung hat er vorgetragen, er habe sich im September 2010 selbständig gemacht und vom Arbeitsamt einen Gründungszuschuss erhalten. Während der Zeit des Gründungszuschusses sei er der Auffassung gewesen, über das Arbeitsamt krankenversichert zu sein. Nach dem Auslaufen der Zahlungen durch das Arbeitsamt sei ihm klar geworden, dass er nicht krankenversichert sei. Aus diesem Grund sei er ab dem Zeitpunkt nicht mehr in ärztlicher Behandlung gegangen. Dass in diesem Falle eine Krankenversicherungspflicht bestehe, sei ihm nicht bekannt gewesen. Im September 2011 sei er krank geworden und habe bei der Antragsgegnerin nachgefragt, ob er sich krankenversichern könne. Ihm sei dort mitgeteilt worden, er sei nicht versichert und könne deshalb auch nicht auf Kosten der Antragsgegnerin zum Arzt gehen. Die Antragsgegnerin dürfe deshalb die im angefochtenen Bescheid für die Vergangenheit geforderten Beiträge nicht erheben. Zum Ruhen der Leistungsansprüche sei es deshalb nicht gekommen.

Das SG hat mit Beschluss vom 08.05.2012 den Antrag abgelehnt. Das Begehren des Antragstellers biete nach summarischer Prüfung keine Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Der Antragsteller sei mit der Zahlung von Beitragsanteilen für mehr als zwei Monate im Rückstand. Im angefochtenen Bescheid vom 09.12.2011 habe die Antragsgegnerin zu Recht die Nachzahlung von Beiträgen für die Zeit vom 01.06.2011 bis 31.10.2011 gefordert. Die Mitgliedschaft der nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V Versicherungspflichtigen beginne mit dem ersten Tag ohne anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall im Inland. Ab dem 01.06.2011 sei der Antragstellerin ohne anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall gewesen. Nach § 223 Abs 1 SGB V seien für jeden Kalendertag der Mitgliedschaft die Beiträge zu zahlen. Nach § 186 Abs 11 Satz 4 SGB V iVm § 21b der Satzung der Antragsgegnerin sei Voraussetzung einer Ermäßigung, Stundung oder eines Erlasses der Beiträge, dass die Voraussetzungen der Versicherungspflicht aus Gründen, die das Mitglied nicht zu vertreten habe, erst nachträglich angezeigt würden. Danach sei die Ablehnung der Stundung, der Ermäßigung oder der Niederschlagung der Beitragsforderung durch die Antragsgegnerin nicht zu beanstanden. Denn nach dem Sachverhalt sei nicht glaubhaft gemacht, dass die verspätete Anzeige der Voraussetzungen der Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V vom Antragsteller nicht zu vertreten sei. Soweit der Antragsteller geltend mache, er sei davon ausgegangen, auf Grund des ihm von der Bundesagentur für Arbeit gewährten Gründungszuschusses krankenversichert zu sein, vermöge dies nicht zu überzeugen. Der Gründungszuschuss sei für den Zeitraum vom 06.09.2010 bis zum 05.06.2011 iH eines monatlichen Zuschusses von 856,20 EUR gewährt worden; Beiträge zur Krankenversicherung seien nicht einbehalten und entrichtet worden. Vielmehr sei im Bescheid ausgeführt gewesen, der Betrag von 856,20 EUR enthalte eine Pauschale von 300,00 EUR monatlich zur sozialen Sicherung. Daher habe dem Antragsteller bewusst sein müssen, dass er die soziale Absicherung selbst vorzunehmen habe. Da er keine Beiträge zur Krankenversicherung entrichtet habe, habe ihm bewusst sein müssen, dass eine Absicherung für den Fall der Krankheit nicht bestanden habe.

Gegen den ihm am 11.05.2012 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 05.06.2012 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Beschwerde erhoben, in der er ausführt, es könne nicht sein, dass die Antragsgegnerin Beiträge verlange für eine Zeit, für den sie ihm schriftlich bestätigt habe, nicht versichert gewesen zu sein.

Die Antragsgegnerin ist der Beschwerde entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet.

Die gemäß § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist nicht nach § 172 Abs 3 Nr 1 SGG in der seit 11.08.2010 geltenden Fassung des Art 6 Drittes Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 05.08.2010 (BGBl I S 1127) ausgeschlossen. Denn in der Hauptsache wäre die Berufung nicht unzulässig, da der Antragsteller sich gegen das Ruhen seines Krankenversicherungsleistungsanspruchs sowie gegen die Erhebung von Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung iHv 1.310,70 EUR (Beiträge zur KV und PV in der Zeit vom 01.06.2011 bis zum 30.11.2011) wendet.

Die Beschwerde ist unbegründet. Das SG hat die Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz im Wege des einstweiligen Rechtschutzes im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

Der Antragsteller begehrt im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes entsprechend seinem vor dem SG gestellten Antrag zweierlei: Er wendet sich dagegen, dass in Folge der für die Zeit vom 01.06.2011 bis zum 30.11.2011 nicht bezahlten Beiträge sein Leistungsanspruch ruht (dazu unter 2.) und begehrt des Weiteren, dass die für diese Zeit von der Antragsgegnerin geforderten Beiträge gestundet werden (dazu unter 1.).

1. (Stundung der Beiträge vom 01.06.2011 bis 30.11.2011)

Mit seinem Begehren nach Stundung der für die Zeit vom 01.06.2011 bis zum 30.11.2011 geforderten Beiträge bis zur Entscheidung des SG in der Hauptsache macht der Antragsteller in der Sache geltend, es solle die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs und der beim SG anhängigen Klage gegen den Bescheid vom 09.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.03.2012, mit der er zur Beitragszahlung in der KV und PV für die Zeit vom 01.06.2011 bis zum 30.11.2011 herangezogen worden war, angeordnet werden. Denn solange aufschiebende Wirkung besteht, müssen die Beiträge nicht bezahlt werden. Eine solche Anordnung der aufschiebenden Wirkung hat ihre Rechtsgrundlage in § 86b Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG.

Widerspruch und Anfechtungsklage (hier Klage vom 12.04.2012) haben nicht bereits kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung. Nach Abs 1 des mit Wirkung vom 02.01.2002 durch Art 1 Nr 35 des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (6. SGGÄndG) vom 17.08.2001 (BGBl I S 2144) eingefügten § 86a SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage zwar grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Nach § 86a Abs 2 Nr 1 SGG entfällt jedoch - wie vorliegend - die aufschiebende Wirkung bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. Nach § 86b Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache aber auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die Frage, ob die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage aufgrund von § 86b Abs 1 Satz Nr 2 SGG anzuordnen ist, ist anhand einer Interessenabwägung zu beurteilen. Die öffentlichen Interessen am sofortigen Vollzug des Verwaltungsaktes und die privaten Interessen an der Aussetzung der Vollziehung sind gegeneinander abzuwägen. Dabei ist zu beachten, dass das Gesetz mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen an einem Aufschub der Vollziehung einräumt. Diese typisierend zu Lasten des Einzelnen ausgestaltete Interessenabwägung kann aber auch im Einzelfall zugunsten des Betroffenen ausfallen. Die konkreten gegeneinander abzuwägenden Interessen ergeben sich in der Regel aus den konkreten Erfolgsaussichten des Hauptsachverfahrens, dem konkreten Vollziehungsinteresse und der für die Dauer einer möglichen aufschiebenden Wirkung drohenden Rechtsbeeinträchtigung (so auch Beschluss des Senats vom 06.05.2010, L 11 R 1806/10 ER-B). Dabei sind auch stets die Maßstäbe des § 86a Abs 3 Satz 2 SGG zu berücksichtigen. Demgemäß hat eine Aussetzung der Vollziehung zu erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgabepflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass bei Beitragsstreitigkeiten ernstliche Zweifel in Sinne des § 86a Abs 3 Satz 2 SGG nur dann vorliegen, wenn ein Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen (vgl auch Beschluss des Senats vom 28.06.2010, L 11 R 1903/10 ER-B, nv). Andernfalls wäre in Beitragsangelegenheiten angesichts der vielfach in vorläufigen Rechtsschutzverfahren noch ungeklärten Verhältnisse eine Aussetzung der Vollziehung häufig nicht durchsetzbar, was die Funktionsfähigkeit der Sozialversicherungsträger beeinträchtigen könnte (ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.07.2004, L 5 B 2/04 KR ER mwN, juris).

Vorliegend ist jedoch auf Grundlage des Sachverhalts und unter Vornahme einer - im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausreichenden - summarischen Prüfung ein solches Obsiegen des Antragstellers nicht überwiegend wahrscheinlich.

Der Antragsteller war im streitigen Zeitraum nicht anderweitig - weder privat noch in der GKV - gegen Krankheit versichert. Denn die Familienversicherung des Antragstellers über seine Ehefrau am 31.05.2011 endete spätestens mit deren Abmeldung aus dem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis. Auch der Bezug des Gründungszuschusses bis zum 05.06.2011 begründete keinen Krankenversicherungsschutz. Weder war der Antragsteller wegen des Gründungszuschusses kranken- und pflegeversicherungspflichtig iSd § 5 Abs 1 SGBV, noch hat die Bundesagentur für Arbeit Beiträge für den Antragsteller abgeführt; vielmehr hat die Bundesagentur für Arbeit dem Antragsteller im Gründungszuschuss einen Betrag von 300,00 EUR zur sozialen Absicherung zur Verfügung gestellt, womit er auch seine Krankenversicherungsbeiträge bezahlen konnte. Damit hatte der Antragsteller ab 01.06.2011 keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall mehr. Er war auch zuletzt - nämlich über seine Ehefrau bei der Antragsgegnerin - gesetzlich krankenversichert. Der Antragsteller war daher nach Beendigung der Familienversicherung ab 01.06.2011 nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V bei der Antragsgegnerin pflichtversichert (§ 186 Abs 11 Satz 1 SGB V), ohne dass es auf seinen Willen oder sein Wissen angekommen wäre. Nur am Rande sei darauf hingewiesen, dass der Antragsteller eigentlich schon zuvor, nämlich seit Aufnahme der selbständigen hauptberuflichen Tätigkeit am 06.09.2010 nicht mehr familienversichert hätte sein dürfen (vgl § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB V) und daher schon für diese Zeit hätte Beiträge bezahlen müssen. Der Antragsteller hat daher auch Beiträge für die Zeit vom 01.06.2011 bis 30.11.2011 zu bezahlen; gegen die Beitragshöhe sind keine Einwendungen erhoben. Dasselbe gilt hinsichtlich der Pflegeversicherungsbeiträge (§§ 20 Abs 1 Satz 1 und Satz 2 Nr 12, 54 ff SGB XI).

Gemäß § 186 Abs 11 Satz 4 SGB V hat die Satzung der Krankenkasse vorzusehen, dass der für die Zeit seit dem Eintritt der Versicherungspflicht nachzuzahlende Beitrag angemessen ermäßigt, gestundet oder von seiner Erhebung abgesehen werden kann, wenn der Versicherte aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, das Vorliegen der Voraussetzungen der Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V erst nach dem Eintritt der Mitgliedschaft anzeigt. § 21b der Satzung der Antragsgegnerin enthält diese Regelungen über die Stundung, die Ermäßigung und die Niederschlagung von Beiträgen. Voraussetzung ist jedoch, dass die Versicherungspflicht aus Gründen, die das Mitglied - vorliegend der Antragsteller - nicht zu vertreten hat, erst nachträglich angezeigt wird. Danach ist - aufgrund vorläufiger und summarischer Prüfung - die Ablehnung der Stundung, der Ermäßigung oder der Niederschlagung der Beitragsforderung durch die Antragsgegnerin nicht zu beanstanden. Denn dem Antragsteller war zumindest seit Anfang Juni 2011 bewusst, dass er nicht gegen Krankheit und Pflegebedürftigkeit versichert war, er hätte sich frühzeitig hierum kümmern können - Hinderungsgründe waren weder ersichtlich noch vorgetragen - und dies auch tun müssen.

Damit konnte dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Heranziehung zur Beitragszahlung (S 11 KR 1739/12) nicht nachgekommen werden.

In der Hauptsache wird noch zu prüfen sein, ob sich die Klage nicht nur gegen die Antragsgegnerin, sondern auch gegen die bei ihr bestehende Pflegekasse richtet, da sich der Antragsteller möglicherweise nicht nur gegen die Festsetzung der KV-Beiträge für die Zeit vom 01.06.2011 bis zum 30.11.2011 wendet, sondern auch gegen die insoweit folgenden und festgesetzten PV-Beiträge.

2. (Ruhen des Leistungsanspruchs)

Soweit der Antragsteller festzustellen begehrt, dass er bei Zahlung weiterer Monatsbeiträge bei der Antragsgegnerin krankenversichert sei, so kann dies nur dahin ausgelegt werden, dass er sich gegen das Ruhen seines Krankenversicherungsleistungsanspruchs wendet. Dieses Begehren kann - entgegen dem SG - nicht mit dem Erlass einer Anordnung gemäß § 86b Abs 2 SGG verfolgt werden. Denn bei einer Hauptsacheklage handelte es sich um eine Anfechtungsklage gegen einen Bescheid, der gesetzlich mit sofortiger Vollziehbarkeit versehen ist (§ 16 Abs 3a Satz 2 1. Halbsatz iVm § 16 Abs 3a Satz 1 SGB V und § 16 Abs 2 KSVG). Das Rechtsschutzziel des Antragstellers besteht letztlich darin, die aufschiebende Wirkung eines Rechtsmittels herzustellen und damit den Rechtszustand vor Erlass des Bescheids vom 27.03.2012 herbeizuführen, sodass ihm die Leistungsansprüche nach § 11 ff SGB V in vollem Umfang zur Verfügung stehen.

Zwar hat der Antragsteller gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 27.03.2012, mit dem das Ruhen weiter Teile seiner Krankenversicherungsleistungsansprüche mit Wirkung ab dem 03.04.2012 festgestellt wurde, keinen ausdrücklichen Widerspruch erhoben. Jedoch hat er innerhalb der Widerspruchsfrist, nämlich am 12.04.2012, Klage erhoben und darin auch auf den Bescheid vom 27.03.2012 Bezug genommen sowie hierzu Ausführungen gemacht. Daher ist in der Klageerhebung zugleich auch die Einlegung eines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 27.03.2012 zu sehen. Vor Erlass eines Urteils hat das SG daher darauf zu achten, dass das Widerspruchsverfahren durchzuführen ist. Damit ist vorliegend zu prüfen, ob für Rechtsbehelfe gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 27.03.2012 die aufschiebende Wirkung anzuordnen ist. Zu den Voraussetzungen einer solchen Anordnung iSd § 86b Abs 1 Nr 2 SGG vgl schon oben unter Ziffer 1.

Der Senat ist wie das LSG Nordrhein-Westfalen (siehe Beschluss vom 26.01.2009, L 7 B 351/08 AS ER, juris) der Ansicht, dass einstweiliger Rechtsschutz nicht geboten ist, wenn die Krankenkasse zwar das Ruhen der gesetzlichen Versicherung festgestellt und ihre Leistungspflicht auf Leistungen beschränkt hat, die zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände erforderlich sind. Damit ist ein Krankenversicherungsschutz auf einem Mindestniveau gesichert. Im Übrigen ist der Bescheid der Antragsgegnerin vom 27.03.2012 nicht offensichtlich rechtswidrig. Insoweit wird auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Der Antragsteller hat die geschuldeten Beiträge für die Zeit vom 01.06.2011 bis zum 30.11.2011 trotz Mahnung nicht bezahlt. Er ist damit mit mehr als zwei Monatsbeiträgen in Verzug. Auch war der Antragsteller mit der Aufforderung vom 29.02.2012 zutreffend über die Folgen einer weiteren Zahlungsverzögerung/Nichtzahlung unterrichtet worden (dazu vgl § 16 Abs 2 Satz 3 KSVG iVm § 16 Abs 3a Satz 1 und 2 SGB V). Des Weiteren war der Antragsteller sowohl in der Mahnung vom 29.02.2012 als auch im Bescheid vom 27.03.2012 zutreffend auf den Umfang des Ruhens der Leistungen wie auch auf das Ende des Ruhens hingewiesen worden. Die Antragsgegnerin hat auch § 16 Abs 2 Satz 1, 2. Halbsatz KSVG beachtet, wonach das Ruhen des Leistungsanspruchs drei Tage nach Zugang des Bescheids beim Versicherten eintritt - insoweit hat die Antragsgegnerin dem Antragsteller sogar eine längere Frist eingeräumt und hat den Beginn des Ruhens auch ausdrücklich und taggenau festgelegt (dazu vgl Bayerisches LSG, 18.05.2011, L 5 KR 164/11 B ER, ASR 2011, 254-256 = juris).

Ob die Antragsgegnerin berechtigt war Säumniszuschläge und Kosten/Gebühren zu erheben, kann im Rahmen des vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes offen bleiben. Denn selbst wenn diese Beträge heraus gerechnet würden, beliefe sich die offene Beitragsforderung auf einen höheren Betrag als den Beitragsanteilen für zwei Monate entspricht, sodass die Feststellung des Ruhens gesetzlich definierter Teile des Leistungsanspruchs zulässig gewesen wäre.

Damit konnte auch insoweit die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs des Antragstellers nicht angeordnet werden.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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