L 8 U 2872/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 21 U 7536/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 2872/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 16. Mai 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte Heilbehandlung wegen der medialen Gonarthrose des linken Kniegelenkes des Klägers zu gewähren hat und die uneingeschränkte Eintrittspflichtigkeit der Beklagten für die körperlichen Beschwerden des Klägers im linken Knie als Folge des Arbeitsunfalles vom 17.08.1976 in Abgrenzung zu einem Ereignis am 17.08.1988 festzustellen ist.

Der 1965 geborene Kläger erlitt als Schüler am 17.08.1976 auf dem Schulweg einen Unfall, als er an der Bus-Haltestelle vom Vorderrad des Omnibusses am linken Knie erfasst wurde. Er zog sich hierbei eine knöcherne Absprengung an der Patella und Schürfwunden am linken Außenknöchel zu (Durchgangsarztbericht von Dr. J. vom 17.08.1976). Im Nachschaubericht von Dr. J. vom 18.03.1977 wurde eine ausgedehnte Narbe nach Spalthautdeckung im Bereich des linken Kniegelenkes bei freier Beweglichkeit des linken Kniegelenkes beschrieben.

Am 06.12.1988 zeigte Dr. B. einen Sturz des Klägers am 17.08.1988 beim Motocross-Seitenwagenrennen an, bei dem sich der Kläger das linke Knie verdreht habe. Er verwies auf den Operationsbericht des Kreiskrankenhauses G. vom 18.11.1988, wonach die Arthroskopie eine veraltete Kreuzbandteilruptur links ergeben habe. Am 13.07.1995 wurde in der A.-Sportklinik Tagesklinik in P. arthroskopisch eine Ersatzplastik des vorderen Kreuzbandes implantiert (Operationsbericht vom 13.07.1995).

Professor Dr. Si. übersandte der Beklagten seinen Wiedererkrankungsbericht vom 02.03.2000. Danach habe sich der Kläger zur Nachuntersuchung des linken Knies bei ihm vorgestellt und Schmerzen beim Wetterumschlag und schlecht heilende Wunden über dem Knie bei Verletzungen beklagt. Gestützt auf das Gutachten von Professor Dr. We. vom 06.05.2002 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11.07.2002 die Gewährung einer Rente ab und stellte Folgen des Unfalls vom 17.08.1976 fest. Nicht als Unfallfolgen anerkannt wurden: Endgradige Lockerung der Innenbandführung sowie teilweise Verschmächtigung der Beinmuskulatur nach operativ versorgtem vorderen Kreuzbandriss (Privatunfall vom 17.08.1988). Auf den Widerspruch des Klägers holte die Beklagte das Gutachten von Professor Dr. Gr. vom 24.02.2003 ein. Es erging der Teilabhilfebescheid vom 16.06.2003, mit dem die Beklagte Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v.H. ab 25.01.2000 gewährte. Als Folgen des Unfalls wurden anerkannt: Ausgedehnte rötliche, zum Teil mit der Unterlage deutlich verwachsene und zum Teil mit extremer Ausdünnung der subkutanen Gewebsschicht vorhandene Vernarbung im Bereich des linken Kniegelenkes, bei der es über die Hälfte des Jahres immer wieder zu aufgebrochenen Hautarealen kommt, herabgesetzte Sensibilität in den narbigen und transplantierten Arealen des linken Kniegelenkes, endgradige Bewegungseinschränkung des linken Kniegelenkes bei der Beugung, eingeschränkte Kniescheibenverschieblichkeit links, teilweise Muskelverschmächtigung am linken Bein sowie reizfreie Narben im Bereich des rechten Oberschenkels nach knöchern in leichter Deformierung im kranialen Anteil fest verheiltem Kniescheibenbruch links mit Gelenkseröffnung und Überrolltrauma im Bereich des linken Kniegelenks mit ausgedehnter Ablederungsverletzung, die mit mehreren inzwischen bräunlich verfärbten Spalthauttransplantaten operativ versorgt wurde. Im Übrigen wurde der weitergehende Widerspruch zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 23.06.2006).

In der Folge war der Kläger mehrfach arbeitsunfähig und wurde unter der Diagnose einer medialen Gonarthrose beidseits, links betont, zulasten seiner Krankenversicherung behandelt (Zwischenberichte der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. – BG-Klinik – vom 16.11.2007 und 22.01.2008, Befundberichte von Dr. E. vom 16.01.2008, von Dr. C. vom 18.10.2007).

Mit Schreiben vom 25.01.2008 beantragte der Kläger wegen der Beschwerden an seinem linken Knie durch Begutachtung feststellen zu lassen, wer für die Behandlung verantwortlich sei. Er beantrage eine Begutachtung durch die Klinik in M. , die auf Kniegelenke spezialisiert sei. Die Beklagte beauftragte Dr. R. , Chefarzt an der Orthopädischen Klinik M. , mit der Erstattung eines orthopädischen Gutachtens. In seinem Gutachten vom 28.03.2008 wertete er die von ihm diagnostizierte mäßige mediale Kompartmentarthrose im linken Kniegelenk als Folge des privaten Unfalls vom 17.08.1988, bei der es zu einer vorderen Kreuzbandruptur gekommen sei. Diese habe in der Folge die vordere Kreuzbandrekonstruktion sowie die Innenmeniskus-Subtotalresektion mit sich gebracht. Anhaltspunkte für eine weitere Verschlechterung der Kniegelenksfunktion durch Folgen des Unfalls vom 17.08.1976 seien nicht zu finden gewesen. Mit Schreiben vom 21.04.2008 übersandte die Beklagte dem Kläger das Gutachten und führte im Schreiben vom 08.07.2008 aus, dem Gutachten sei zu entnehmen, dass die Behandlungen aufgrund der medialen Gonarthrose beidseits nicht zu ihren Lasten gingen. Sollten therapeutische knorpelreparative Maßnahmen im medialen Kompartement des linken Kniegelenkes vorgenommen werden, bezögen sie sich nicht auf Folgen des Unfalls vom 17.08.1976 und seien zulasten der Krankenkasse durchzuführen.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 23.10.2008 zurückgewiesen wurde.

Der Kläger erhob am 10.11.2008 Klage vor dem Sozialgericht Stuttgart, zuletzt mit dem Begehren, dass die Beklagte die Behandlungskosten aufgrund der medialen Gonarthrosen übernehme.

Das Sozialgericht holte von Amts wegen das Gutachten vom 23.11.2009 ein. Darin beschrieb der Sachverständige Dr. D. eine instabile Narbenplatte, eine anteilige Bewegungseinschränkung und eine diskret vermehrte innenseitige Aufklappbarkeit des linken Kniegelenkes als Folgen des Unfalls vom 17.08.1976. Unfallunabhängig sei die Kniegelenksarthrose im innen gelegenen Kniegelenkskompartiment und die Laxizität des vorderen Kreuzbandes im Sinne einer vorderen Schublade nach vorderer Kreuzband-Ersatzplastik am 13.07.1995 wegen eines Kreuzbandrisses am 17.08.1988.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstattete Professor Dr. W. das Gutachten vom 15.06.2010 mit Ergänzung vom 05.10.2010. Danach sei die vordere Kreuzbandruptur des linken Kniegelenkes auf das Unfallereignis vom 17.08.1976 anteilig zu 4/5 zurückzuführen. Das Ereignis vom 17.08.1988 sei nicht geeignet gewesen, ein intaktes vorderes Kreuzband zu überlasten. Das Ereignis habe aber ausgereicht, an einem deutlich vorgeschädigten Kreuzband eine endgültige weitere Ruptur hervorzurufen. Die auch weiterhin bestehende Laxizität des vorderen Kreuzbandes nach Kreuzbandersatzplastik sei daher auch auf das Unfallereignis vom 17.08.1976 zurückzuführen. Die mediale Kniegelenksarthrose linksseitig sei zumindest anteilig zu 1/5 auf diesen Unfall zurückzuführen, da die Arthrose linksseitig im Seitenvergleich ausgeprägter sei. Ebenso seien die Beschwerden des Klägers an der Lendenwirbelsäule, der Halswirbelsäule und des Schultergürtels anteilig durch das Schonhinken und die Benutzung von Unterarmgehstützen zu erklären. Die radiologischen Veränderungen an der Lendenwirbelsäule bewegten sich jedoch noch in einem altersentsprechendem Ausmaß.

In seiner vom Sozialgericht eingeholten gutachterlichen Stellungnahme vom 09.02.2011 hielt Dr. R. an seiner gutachterlichen Bewertung fest.

Der Kläger legte die schriftliche Erklärung von G S (G.S.) vom 27.04.2011 vor, wonach G.S. und der Kläger am 17.08.1988 mit dem Motorrad einen Steilhang hochgefahren seien und eine quer zur Fahrbahn verlaufende kleine Bodenwelle überfahren hätten. Danach habe der Kläger über Schmerzen im linken Kniegelenk geklagt. Zu einem Unfall sei es nicht gekommen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 16.05.2011 vernahm das Sozialgericht G.S. als Zeugen. Mit Urteil vom gleichen Tag hob es den Widerspruchsbescheid vom 23.10.2008 insoweit auf, als die Beklagte Beschwerden am rechten Knie, Rückenbeschwerden sowie psychische Beschwerden als Folgen des Arbeitsunfalls abgelehnt hat. Im Übrigen wies es die Klage ab. Die Anfechtungsklage habe insoweit Erfolg, als im Widerspruchsbescheid keine weitere Verfügung zum Nachteil des Klägers hätte ergehen dürfen, die nicht zuvor Gegenstand des angefochtenen Ausgangsbescheids gewesen sei. Soweit die Übernahme von Heilbehandlungskosten begehrt werde, sei die hierauf gerichtete Leistungsklage unbegründet. Die vom Kläger geltend gemachten Beschwerden seien nicht auf den versicherten Unfall vom 17.08.1976, sondern auf den privaten Unfall 1988 zurückzuführen. Das Sozialgericht stützte sich auf die Gutachten von Professor Dr. We. , Professor Dr. Gr. , Dr. R. und Dr. D ...

Gegen das dem Kläger am 09.06.2011 zugestellte Urteil hat er am 06.07.2011 vor dem Sozialgericht Berufung eingelegt. Das Sozialgericht verkenne im angefochtenen Urteil, dass die Beklagte durch die nochmalige Bescheidung in den streitgegenständlichen Bescheiden zur medialen Gonarthrosen als unfallunabhängige Erkrankung den Rechtsweg wieder eröffnet habe, weshalb es auf die bestandskräftigen Bescheide vom 16.06.2003/23.06.2003 mit Feststellung von Unfallfolgen und unfallunabhängigen Gesundheitsstörungen eines Privatunfalls nicht ankomme. Es handele sich insoweit um einen Zweitbescheid. Außerdem erkenne die Beklagte die Gonarthrosen beidseits laufend als unfallbedingt an, wie die vorgelegte Verordnung von Dr. E. vom 03.05.2012 zeige. Soweit das Sozialgericht sich auf die Gutachten von Dr. R. und Dr. D. stütze, gingen diese von einem unrichtigen Sachverhalt aus. Von streitentscheidender Bedeutung sei das Überfahren einer Bodenwelle am 17.08.1988. Hierbei habe es sich nicht um einen Unfall, sondern um ein minimales Bagatelltrauma gehandelt. Ein gesundes Knie hätte hiervon niemals Schaden nehmen können. Die Ausführungen des Sachverständigen Professor Dr. W. habe das Sozialgericht nicht beachtet. Er habe ausgeführt, dass die Instabilität des linken Kniegelenkes frühzeitig nach dem Unfall 1976 bestanden habe, auch ohne dass damals relevante Einschränkungen im Alltag hervorgetreten seien. Das minimale Bagatelltrauma 1988 sei daher auf eine sich verschlechternde Teilruptur aufgrund des Wegeunfalls vom 17.08.1976 gestoßen. Im Ergebnis habe es sich um einen Zufall gehandelt, zu welchem Zeitpunkt die Schädigung hervortrete. Auch der Beratungsarzt Dr. Ke. habe am 09.02.1989 die Kreuzband-Teilruptur als Folge des Unfalls vom 17.08.1976 bewertet. Der Feststellungsantrag im Berufungsverfahren sei auch zulässig, denn die Beklagte habe den Motorradunfall vom 17.08.1988 ausdrücklich als nicht im Zusammenhang mit dem von ihr zu entschädigenden Arbeitsunfall vom 17.08.1976 stehend bezeichnet. Festzuhalten sei auch, dass die Sichtweise der Beklagten hinsichtlich des Bagatelltraumas vom 17.08.1988 unter Berücksichtigung der Angaben des Zeugen G.S. unrichtig sei. Die Klageänderung sei zulässig. Zuletzt macht der Kläger unter Vorlage des internistisch-psychosomatischen Gutachtens vom 04.03.2012, das im Auftrag des Sozialgerichts im Klageverfahren gegen die Rentenversicherung erstattet wurde, multiple unfallbedingte Gesundheitsstörungen mit Folgewirkungen als Unfallfolgen geltend. Auf den Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 12.06.2012 wird Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 16.05.2011 abzuändern sowie den Bescheid der Beklagten vom 08.07.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.10.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Heilbehandlung für die mediale Gonarthrose des linken Kniegelenkes zu gewähren und festzustellen, dass die Beklagte für die körperlichen Beschwerden als Folge des Arbeitsunfalls vom 17.08.1976 im linken Knie uneingeschränkt eintrittspflichtig ist und eine Abgrenzung zu einem angeblichen Privatunfall vom 17.08.1988 nicht erfolgt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich zur Begründung auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil des Sozialgerichts. Mit dem bindenden Bescheid vom 16.06.2003 seien sowohl Unfallfolgen als auch nicht Unfallfolgen festgestellt worden. Bei den Ausführungen zu den Unfallfolgen im angefochtenen Bescheid vom 08.07.2008 handele sich nur um ein Begründungselement.

Der Senat hat die Verwaltungsakten der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts beigezogen. Auf diese Unterlagen und auf die vor dem Senat angefallene Berufungsakte wird wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist nur zulässig, soweit mit der Berufung ein Leistungsantrag verfolgt wird (unten A). Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor. Die Berufung ist mit dem Feststellungsantrag unzulässig (unten B).

A. Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts ist rechtlich nicht zu beanstanden, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Heilbehandlung wegen der diagnostizierten medialen Gonarthrose im linken Kniegelenk.

Im vorliegenden Fall sind noch die bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) anzuwenden, soweit die Beurteilung eines Versicherungsfalles betroffen ist, da sich der geltend gemachte Versicherungsfall, der Schülerwegeunfall, 1976 und somit vor Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 01. Januar 1997 ereignet hatte (§ 212 SGB VII). Dagegen sind für den Heilbehandlungsanspruch die Regelungen des SGB VII auch auf diese früheren Versicherungsfälle anzuwenden (§ 214 Abs. 1 SGG).

Unfallversicherte haben nach § 26 Abs. 1 SGB VII Anspruch auf Heilbehandlung, die die Erstversorgung, ärztliche Behandlung, zahnärztliche Behandlung, Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, häusliche Krankenpflege, Behandlung in Krankenhäusern und Rehabilitationseinrichtungen sowie Leistungen zur medizinischen Rehabilitation einschließlich Belastungserprobung und Arbeitstherapie umfasst (§ 27 Abs. 1 Nrn. 1-7 SGB VII). Diese Leistungen werden als Dienst- und Sachleistungen den Versicherten vom Unfallversicherungsträger zur Verfügung gestellt, soweit die Regelungen des SGB VII oder SGB IX keine Abweichungen vorsehen (§ 26 Abs. 4 Satz 2 SGB VII). Die Unfallversicherungsträger bestimmen im Einzelfall nach pflichtgemäßem Ermessen Art, Umfang und Durchführung der Heilbehandlung (§ 26 Abs. 5 Satz 1 SGB VII).

Das mit der Klage angegriffene Schreiben der Beklagten vom 08.07.2008 an den Kläger beinhaltet die verbindliche Ablehnung der Übernahme von Behandlungen, die durch die Gonarthrose in den Kniegelenken veranlasst sind. Sowohl aus dem Wortlaut des Schreibens als auch aus dem Zusammenhang mit dem vom Kläger gestellten Antrag mit dem Ziel, die Zuständigkeit zwischen Krankenversicherung und Unfallversicherung über die Behandlung der Kniebeschwerden zu klären, ergibt sich der verbindliche Regelungsgehalt des Schreibens, so dass auch ohne Einhaltung der äußeren Form (z.B. Fehlen einer Rechtsbehelfsbelehrung) nach dem objektiven Empfängerhorizont ein Verwaltungsakt mit diesem Schreiben erlassen wurde. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 08.07.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.10.2008 ist insoweit rechtmäßig, was das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat.

Die hiergegen erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage auf Gewährung der Sachleistung Heilbehandlung ist nicht deshalb unzulässig, weil keine konkrete therapeutische Leistung beansprucht wird. Der Leistungsantrag bezieht sich auf die Behandlung der medialen Gonarthrose im linken Kniegelenk und ist daher hinreichend bestimmt für therapeutische Maßnahmen wie ärztliche Behandlung - z.B. die im Bescheid ausdrücklich genannten therapeutischen knorpelreparativen Maßnahmen -, Behandlung in Krankenhäusern und Rehabilitationseinrichtungen sowie Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, die durch die genannte Gesundheitsstörung mediale Gonarthrose indiziert sind.

Die Behandlung der medialen Gonarthrose durch die Beklagte kann jedoch nicht beansprucht werden, weil diese Gesundheitsstörung nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit –mittelbare- Folge des Versicherungsfalls vom 17.08.1976 ist. Aus der vorgelegten Verordnung von Dr. E. vom 03.05.2012 ist ein materielles Anerkenntnis des Heilbehandlungsanspruchs nicht herzuleiten, geschweige denn ein Anerkenntnis als Prozesserklärung der Beklagten.

Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i. S. d. §§ 580, 581 RVO ist in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis dem Unfallereignis geführt hat und das Unfallereignis einen Gesundheits( erst )schaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat. Das Entstehen von längerandauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheits( erst )schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (vgl. zu dem weitgehend gleichen Recht des SGB VII stellvertretend BSG, Urteile vom 09.05.2006 B 2 U 1/05 R, SozR 4 2700 § 8 Nr. 17; B 2 U 40/05 R , UV Recht Aktuell 2006, 419; B 2 U 26/04 R , UV Recht Aktuell 2006, 497; alle auch veröffentlicht in Juris). Für beide Bereiche der Kausalität (haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität) gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl. BSG Urteil vom 15.02.2005 B 2 U 1/04 R , SozR 4 2700 § 8 Nr. 12).

Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Für die Feststellung dieses Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität - genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (vgl. BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R, SozR 4-2700 § 8 Nr, 17; -B 2 U 40/05 R - , UV-Recht Aktuell 2006, 419; - B 2 U 26/04 R- , UV-Recht Aktuell 2006, 497; alle auch veröffentlicht in Juris). Dagegen müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß i. S. des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden (BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 mwN).

Nach diesen vom Sozialgericht im Urteil berücksichtigten Grundsätzen ist eine beidseits vorliegende Gonarthrose des Klägers nachgewiesen, die nach der übereinstimmenden Bewertung aller sich gutachterlich äußernden Ärzte nicht auf die 1976 eingetretene Patellafraktur zurückzuführen ist. Die haftungsausfüllende Kausalität für diese Gesundheitsstörung liegt nicht vor. Bereits im Operationsbericht vom 18.11.1988 ist ausdrücklich vermerkt, dass Folgen der Patellaschädigung nicht zu finden waren. Arthrotische Veränderungen am Knorpel fanden sich nicht. Die am unfallbetroffenen linken Knie stärker ausgeprägte Gonarthrose wird gutachterlich übereinstimmend mit dem erstmals 1988 diagnostizierten Kreuzbandriss in Zusammenhang gebracht. Der Kreuzbandriss ist aber bestandskräftig mit Bescheiden vom 11.07.2002 und Teilabhilfebescheid vom 16.06.2003 als unfallunabhängige Gesundheitsstörung festgestellt. Auf die Bestandskraft der Feststellung in diesen Bescheiden hat sich die Beklagte auch im vorliegenden streitgegenständlichen Widerspruchsbescheid vom 23.10.2008 berufen. Entgegen der Auffassung des Klägervertreters ist daher keine Neufeststellung im Sinne eines Zweitbescheides ergangen, der die erneute volle Überprüfung der vorangegangenen bestandskräftigen Feststellung eröffnen sollte. Ein Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X ist insoweit vom Kläger nicht gestellt worden. Eine von Amts wegen erfolgte konkludente Überprüfung der bestandskräftigen Feststellung unfallunabhängiger Gesundheitsstörungen durch die Beklagte aufgrund der von ihr eingeleiteten Ermittlungen ist ebenso wenig erfolgt. Die gutachterlichen Ermittlungen infolge des Antrags des Klägers vom 25.01.2008 mit Einholung des Gutachtens von Dr. R. vom 28.03.2008 erfolgten zur Zusammenhangsbeurteilung der diagnostizierten Gonarthrose und nicht zur Beurteilung des Zusammenhangs der bereits zuvor diagnostizierten Kreuzbandruptur mit dem Unfall von 1976.

Darüber hinaus wären Anknüpfungstatsachen dafür, dass eine Schädigung des Kreuzbandes bei dem versicherten Unfall am 17.08.1976 eingetreten ist, auch nicht nachgewiesen. Damit würde eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, wonach mehr für als gegen den Unfallzusammenhang spricht, ausscheiden. Ein unfallbedingter Zusammenhang wäre bloß eine Möglichkeit neben anderen denkbaren Kausalverläufen.

Professor Dr. We. beschreibt in seinem Gutachten vom 06.05.2002 zutreffend, dass der am 18.11.1988 erhobene arthroskopische Befund eines subtotalen Risses des vorderen Kreuzbandes vom Operateur als veraltete Kreuzbandteilruptur eingeschätzt worden ist, dies jedoch in diesem Zusammenhang so zu interpretieren ist, dass zwischen Unfallursache und operativem Eingriff drei Monate vergangen sind. Im operativen Befund sind drei Monate nach dem Verletzungsereignis ältere pathologische Veränderungen von jüngeren Verletzungszeichen nicht abzugrenzen. Die beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. Ke. vom 09.02.1989, wonach die Kreuzband-Teilruptur Folge des Unfalls von 1976 sei, ist daher nicht überzeugend. Der Beurteilung von Prof. Dr. We. haben sowohl Dr. R. als auch Dr. D. in ihrem Gutachten jeweils uneingeschränkt zugestimmt.

Außerdem legte Prof. Dr. We. dar, der Kläger habe auf seine gezielte Nachfrage und entsprechender Erläuterung Zeichen einer Kreuzbandinsuffizienz nach dem Unfall von 1976 nicht geschildert. In Übereinstimmung hierzu hatte der Kläger bei der Untersuchung durch Dr. D. angegeben, nach dem Unfall von 1976 habe er nur wenige Probleme im linken Kniegelenk gehabt. Dies steht außerdem im Einklang mit den aktenkundigen Befunden der Nachschaubericht vom 18.03.1977, 02.12.1977 und 17.11.1978 (jeweils mit der Beschreibung: Kniegelenk frei beweglich), vom 21.11.1980 (Bandapparat fest), vom 08.11.1982 (Seiten- und Kreuzbandführung fest) und vom 06.12.1984 (freie Beweglichkeit des Kniegelenks). Die Beurteilung von Dr. D. , ein Bagatelltrauma 1988, das nur das Offensichtlichwerden einer vorbestehenden Kreuzband-Ruptur bewirkt haben soll, hätte aufgrund gesichertem unfallchirurgischem Erfahrungswissens eine so deutliche Instabilität im linken Kniegelenk bereits vor diesem Ereignis vorausgesetzt, die nicht nur wenige Probleme gemacht hätte, ist nachvollziehbar und überzeugend. Die Angaben des Klägers bei der Untersuchung durch Professor Dr. W. , er habe unspezifische Beschwerden beim Treppen-Herabgehen bzw. beim Herabgehen auf einer schiefen Ebene gehabt, steht im Widerspruch zu seinen vorangegangenen Angaben, insbesondere der ausdrücklichen Verneinung von Instabilitätzeichen bei Prof. Dr. We. Der Senat legt diese als unglaubhaft beurteilten Angaben seiner Entscheidung daher nicht zu Grunde und folgt der hierauf gestützten gutachterlichen Auffassung von Prof. Dr. W. nicht.

Abgesehen davon ist vom Kläger selbst das Geschehen 1988 während der Motorrad-Veranstaltung bereits widersprüchlich geschildert worden. Bei der Untersuchung am 27.10.1988 hatte der Kläger als Ursache seiner Kniebeschwerden geltend gemacht, er sei zwei Monate zuvor beim Moto-Cross gestürzt und habe sich das Knie angeschlagen oder verdreht (Arztbrief des Kreiskrankenhauses G. vom 24.01.1989). Anlässlich der stationären Behandlung im November 1988 hatte der Kläger angegeben, am 17.08.1988 beim Motocross-Seitenwagenrennen das linke Knie verdreht zu haben (Arztbrief des Kreiskrankenhauses G. vom 22.11.1988). Bei der Untersuchung durch Professor Dr. We. hatte er ausgeführt, beim Durchfahren einer Bodensenke sei das Motorrad hart aufgekommen. Er sei mit dem linken Fuß nicht von dem Pedal abgerutscht, sei nicht gestürzt und habe sich das Knie auch nirgendwo angeschlagen. Bei der harten Landung des Motorrads habe er nur einen stechenden Schmerz im linken Knie verspürt, der so stark gewesen sei, dass er nicht habe weiterfahren können. Demgegenüber hat er bei Dr. D. und bei Prof. Dr. W. angegeben, er habe im Motorrad-Beiwagen gestanden und beim Hochfahren eines Steilhanges und Überfahren einer kleinen Bodenwelle habe er einen stechenden Schmerz im linken Knie gespürt. Nach kurzer Unterbrechung sei er weitergefahren, bis erneut eine weitere kleine Bodenwelle überfahren worden und es erneut zu Schmerzen gekommen sei. Das eigene widersprüchliche und gesteigerte Vorbringen des Klägers ist daher schon wenig glaubhaft, weshalb die Aussage des Zeugen G.S. nicht geeignet war, den Senat vom Vorliegen eines Bagatelltraumas zu überzeugen. Das sichere Wissen des Zeugen, der von dem Unfall selbst nicht betroffen war, ist nach dem langen Zeitablauf und gerade vor dem Hintergrund der wechselvollen Schilderung des Klägers fraglich.

Nach Prof. Dr. We. wäre sowohl der von ihm anamnestisch erhobene Verlauf am 17.08.1988 wie auch der aus den früheren Angaben des Klägers ersichtliche Unfallhergang von 1988 geeignet, eine Kreuzbandruptur zu verursachen. Darüber hinaus wäre nach der Sachlage auch nicht ausgeschlossen, dass bei dem von Prof. Dr. W. angenommenen Bagatelltrauma ein vorgeschädigtes Kreuzband gerissen ist. Hinreichende Anknüpfungspunkte dafür, dass die Vorschädigung bereits bei dem 10 Jahre zuvor stattgefundenen versicherten Unfall am 17.08.1976 eingetreten ist, sind aus den oben genannten Gründen dem Gutachten von Professor Dr. W. nicht zu entnehmen. Damit beschreibt der Sachverständige nur eine denkbare Möglichkeit.

B. Soweit der Kläger im Berufungsverfahren über seinen vor dem Sozialgericht verfolgten Klageantrag hinaus einen Feststellungsantrag verfolgt, ist die Berufung unzulässig.

Die Klageänderung im Berufungsverfahren ist grundsätzlich zulässig. Vorliegend ist zu dem Leistungsantrag als neuer Klagegrund der Feststellungsantrag des Klägers hinzugekommen, auf den sich die Beklagte zunächst rügelos sachlich eingelassen hat, was als Einwilligung i.S. von § 99 Abs. 1 SGG anzusehen ist.

Für die Berufung besteht mit diesem Klageantrag aber kein Rechtsschutzbedürfnis, denn insoweit ist die der Berufung zu Grunde liegende (Feststellungs-)Klage durch Rücknahme vor dem Sozialgericht erledigt. Den gleichlautenden Feststellungsantrag - nur noch erweitert um die Feststellung psychischer Beschwerden - hatte der Klägerbevollmächtigte nach Ankündigung in seiner Klageschrift vom 07.11.2008 mit der Klagebegründung vom 28.07.2009 gestellt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht wurde dieser Feststellungsantrag nicht aufrechterhalten, auch nicht als Hilfsantrag, sondern allein ein Leistungsantrag gestellt. Damit ist das Feststellungsbegehren zurückgenommen worden und der insoweit anhängig gewesene Rechtsstreit ist erledigt (§ 102 S. 2 SGG). Darüber hinaus wäre eine insoweit zulässige Berufung auch unbegründet, da die Feststellungsklage selbst unzulässig wäre. Die begehrte Feststellung körperlicher Beschwerden ist nicht hinreichend bestimmt für die zulässige Feststellung einer Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalls (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 SGG). Außerdem ist die Feststellungsklage subsidiär gegenüber der Leistungsklage, die der Kläger im gleichen Verfahren auch verfolgt.

Ein Feststellungsantrag für die im Schriftsatz des Klägervertreters vom 12.06.2012 angeführten Gesundheitsstörungen, wie: schmerzhafter Gelenksverschleiß im linken Knie, Verschleiß der Bandscheiben der HWS und der LWS, druckbedingte Schädigung der Handnerven, Funktionseinschränkung des rechten Knies, posttraumatische Belastungsstörung, Chronische Schmerzerkrankung, rezidivierende depressive Episoden, Chronische Schlafstörungen, Herzgefäßenge, Zustand nach Herzinfarkt am 06.10.2010, ist nicht gestellt worden, dieser wäre aber mangels Sachentscheidung der Beklagten ebenfalls unzulässig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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