L 3 SB 1429/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 1 SB 2311/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 1429/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 20. März 2012 wird zurückgewiesen. Die Klage gegen den Bescheid vom 02. April 2012 wird abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50 statt des vom Sozialgericht Konstanz (SG) festgestellten GdB von 40.

Bei dem am 27.12.1965 geborenen Kläger deutscher Staatsangehörigkeit wurde mit Bescheid vom 26.03.2007 ein GdB von 30 seit dem 06.02.2007 festgestellt. Dem lagen nach der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. M. vom 20.03.2007 Einzel-GdB von 10 für eine Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks und von 25 für den Verlust der linken Niere zu Grunde.

Der Kläger beantragte am 10.05.2010 bei dem Landratsamt Bodenseekreis (LRA) Neufeststellung. Er machte "Bandscheibenvorfälle" (BSV) an den Wirbelsäulensegmenten L3/L4 und L5/S1 geltend. Es wurden ärztliche Unterlagen vorgelegt bzw. eingeholt. Der Entlassungsbericht der F.klinik B., Dr. A., vom 17.05.2010 über eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme des Klägers vom 16.04. bis 07.05.2010 nannte als Diagnosen eine BSV-Operation L3/L4 am 25.03.2010 mit postoperativ eingeschränkter Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule (LWS) und Nucleus-Pulposus-Prolaps (NPP) L5/S1, eine Gonarthrose links mit Z.n. (Zustand nach) vorderer Kreuzbandplastik und Meniskuseingriff, einen Z.n. subacromialer Dekompression an der linken Schulter 11/06 bei Impingement-Syndrom und derzeitiger Beschwerdefreiheit, Nikotinkonsum sowie einen Z.n. Nephrektomie links 1998 wegen Organspende (Niere) an einen Familienangehörigen (Vater). Es wurde ein jeweils vollschichtiges Leistungsvermögen des Klägers sowohl auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt als auch in seiner ausgeübten Tätigkeit als Schulbusfahrer angenommen. Unter Auswertung der Unterlagen führte Dr. E. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 24.06.2010 aus, zusätzlich sei bei dem Kläger eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit operiertem Bandscheibenschaden anzuerkennen und mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten, zusammen mit den Einzel-GdB von 25 für den Verlust der Niere und 10 für die Funktionsbehinderung des linken Schultergelenks ergebe sich ein Gesamt-GdB von 30. Gestützt auf diesen Vorschlag lehnte das LRA den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 01.07.2010 ab.

Den Widerspruch des Klägers wies das Landesversorgungsamt des beklagten Landes nach Einholung der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. Z. vom 29.07.2010 mit Widerspruchsbescheid vom 02.09.2010 zurück, wobei es ausführte, die vom Kläger geltend gemachten Bewegungseinschränkungen und Wirbelsäulensyndrome seien anerkannt und mit einem GdB von 20 zutreffend bewertet.

Der Kläger hat am 14.09.2010 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Er hat ausgeführt, er habe bereits vor der Bandscheiben-OP einen GdB von 30 gehabt, dieser müsse daher erhöht werden. Er werde durch die Wirbelsäulenproblematik erheblich beeinträchtigt. Er hat weitere Unterlagen vorgelegt, darunter den Entlassungsbericht der F.klinik, Dr. L., vom 02.03.2007 über eine bereits vom 26.01.2007 bis 16.02.2007 durchgeführte stationäre Rehabilitationsmaßnahme.

Der Beklagte hat bereits vor der Beweisaufnahme in erster Instanz mit Schriftsatz vom 19.10.2010 ein Anerkenntnis dahin abgegeben, dass der GdB des Klägers ab dem 10.05.2010 bei 40 liege. In der hierzu vorgelegten versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 18.10.2010 hatte Dr. Wolf den Verlust der linken Niere mit einem GdB von 30 (in Klammern: 25) bewertet und war so unter Einbeziehung des GdB von 20 für die Wirbelsäulenschäden auf einen Gesamt-GdB von 40 gekommen. Der Kläger hat das Anerkenntnis nicht angenommen, sondern seine Klage auf die Zuerkennung eines GdB von 50 erweitert.

Das SG hat zunächst den behandelnden Chirurgen Dr. H. schriftlich als sachverständigen Zeugen vernommen. Dieser hat unter dem 25.01.2011 bekundet, der Kläger habe sich ihm zuletzt am 02.07.2010 vorgestellt, nach der BSV-OP am 25.03.2010 hätten sich ein regelgerechter postoperativer Verlauf und eine Besserung der Symptomatik gezeigt.

Sodann hat das SG das fachorthopädische Gutachten vom 17.08.2011 von Dr. K. eingeholt. Dieser Sachverständige hat festgestellt, der Kläger leide - auf orthopädischem Fachgebiet - an einem chronisch rezidivierenden Cervikalsyndrom bei Chondrosis intervertebralis (altersbedingte Austrocknung des Bandscheibengewebes) an den WS-Segmenten C5 bis C7, an einem thorakolumbalen (am Übergang der Brust- [BWS] zur LWS angesiedelten) Wirbelsäulensyndrom bei operativ behandeltem Band¬scheibenschaden L3/L4 links, einer Osteo¬chon¬drose und Spondylarthrose der LWS bei abgelaufenem Morbus Scheuermann (Adoleszenz¬kyphose, jugendliche Verformung der WS), einer Coxarthrose beidseits Grad I, einer Gonarthrose links mehr als rechts und einer Funktionsbehinderung des linken Schultergelenks. Im Vordergrund ständen lokale Restbeschwerden der LWS. Diese bedingten einen GdB von 20. An Halswirbelsäule (HWS) und BWS lägen leichte Muskel- und Sehnenreizerscheinungen vor, die bei dem genannten GdB mit berücksichtigt seien. Es beständen - hier - aber offenkundig keine anhaltenden Bewegungseinschränkungen oder Instabilitäten und auch kein außerge¬wöhnliches Schmerzsyndrom. Die Funktionsbehinderung des linken Schulter¬gelenks bedinge einen GdB von 10. Weiterhin sei die Arthrose des linken Kniegelenks bei mittelgradiger einfacher Gelenkinstabilität mit einem GdB von 20 zu bewerten, da diese Instabilität muskulär nur teilweise kompensiert sei und eine erhebliche Muskelminderung des linken Oberschenkels von 3 bzw. 2 cm zu berücksichtigen sei, die auch einen synovialen Reizzustand objektiviere. Der Gesamt-GdB - auch unter Berücksichtigung der weiteren Behinderungen - betrage 50.

Der Beklagte ist dem Vorschlag des Sachverständigen zu dem Gesamt-GdB entgegengetreten. In der hierzu vorgelegten versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 07.11.2011 hat Dr. D. ausgeführt, zwar könne für die Beeinträchtigungen des linken Knies ein weiterer Einzel-GdB von 20 anerkannt werden. Jedoch betrage der GdB für den Verlust der Niere 25. Dieser resultiere allein aus dem Organverlust, eine entsprechende funktionelle Einschränkung komme "nicht in diesem Ausmaß" zu Stande. Daher könne auch im Zusammenwirken mit zwei orthopädischen Einzel-GdB von je 20 keine derartige Zunahme der Gesamtbeeinträchtigung angenommen werden, dass Schwerbehinderung vorliege. An dieser Einschätzung ändere sich auch nichts, wenn man einen orthopädischen Gesamt-GdB von 30 annähme und diesen dann wegen des Nierenverlusts erhöhte.

Mit Urteil vom 23.03.2012 hat das SG den Beklagten unter entsprechender Abänderung der angefochtenen Bescheide verpflichtet, bei dem Kläger ab dem 10.05.2010 einen GdB von 40 festzustellen, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, die am schwersten wiegende Behinderung des Klägers bedinge einen GdB von 25. Nach der Rechtsprechung des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg (Urt. v. 17.12.2010, L 8 SB 1549/10) sei hier die Schwerbehinderteneigenschaft nicht anzunehmen. Hierzu sei in der Regel zumindest ein Einzel-GdB von 30 notwendig. Wenn mit einem GdB von 20 bewertete Behinderungen es vielfach nicht rechtfertigen, den Gesamt-GdB anzuheben, so sei es grund-sätzlich nicht geboten, aus einer Häufung solcher Behinderungen die Schwerbehinder-teneigenschaft abzuleiten. Dies zeige auch ein Vergleich mit solchen Fällen, in denen ein GdB von 50 "gerade noch" zuzubilligen sei, wie etwa der Verlust einer Hand oder eines Beins im Unterschenkel.

Mit Bescheid vom 03.04.2012 hat das LRA das Urteil des SG ausgeführt.

Der Kläger hat am 03.04.2012 Berufung zum LSG eingelegt. Er weist darauf hin, dass der Sachverständige Dr. K. ausgeführt habe, er könne sich gut einen GdB von 50 vorstellen. Er - der Kläger - habe auch in verschiedenen Rehabilitationseinrichtungen Menschen gesehen, die wesentlich weniger Beschwerden als er aufwiesen und diesen Grad erreicht hätten.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 20. März 2012 abzuändern und den Beklagten unter weiterer Abänderung des Bescheids vom 01. Juli 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02. September 2010 und des Bescheids vom 03. April 2012 zu verpflichten, bei ihm ab dem 10. Mai 2010 einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 03. April 2012 abzuweisen.

Er verteidigt das angegriffene Urteil und seine Entscheidungen. Er trägt vor, zwar müsse der Gesamt-GdB des Klägers mit 50 gebildet werden, wenn der Einzel-GdB für den Verlust der Niere voll ausgefüllt wäre, da verschiedene Funktionssysteme betroffen seien. Jedoch sei dieser Einzel-GdB nicht voll ausgefüllt. Es sei auch relevant, dass sich der Verlust der Niere "de facto im täglichen Leben im Prinzip überhaupt nicht" auswirke.

Der Beklagte hat ein Beratungsprotokoll des früheren "Ärztlichen Sachverständigenbeirats Versorgungsmedizin beim BMAS" (im Folgenden: Beirat) vom 31.10.1989 vorgelegt. Darin ist ausgeführt, liege nur eine einzige Behinderung vor, die einen GdB mit einem "5-er-Grad" bedinge, so entspreche dieser GdB und damit auch der Gesamt-GdB dem darüber liegenden Zehnergrad, lägen dagegen weitere Behinderungen vor, die in die Bildung des Gesamt-GdB einflössen, dann sei nur von dem niedrigeren Fünferwert auszugehen. Dies gelte nicht für Begutachtungen nach dem sozialen Entschädigungsrecht.

Der Kläger hat unter dem 11.05.2012, der Beklagte mit Schriftsatz vom 23.05.2012 auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Einvernehmen mit beiden Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.

1. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist auch der Bescheid des LRA vom 03.04.2012, mit dem das Urteil des SG ausgeführt worden ist. Dieser Bescheid ist in erweiternder Auslegung des § 153 Abs. 1 i.V.m. § 96 SGG in das laufende Berufungsverfahren einbezogen worden. Über ihn entscheidet der Senat auf Klage.

2. Mit dieser Maßgabe sind Berufung und Klage zulässig, aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage des Klägers abgewiesen, soweit sie auf die Zuerkennung eines höheren GdB als 40 gerichtet war. Der GdB des Klägers beträgt 40. Insoweit sind die angegriffenen Entscheidungen des Beklagten in Form des Ausführungsbescheids vom 03.04.2012 rechtmäßig.

a) Die rechtlichen Voraussetzungen einer Neufeststellung eines GdB nach § 69 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) sowie der für die Ermittlung des konkreten GdB relevanten Vorgaben der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VG) aus der Anl. zu § 2 der nach § 30 Abs. 17 Bundesversorgungsgesetz (BVG) erlassenen VersMedV vom 10.12.2008 mitsamt späteren Änderungsverordnungen bzw. - bis zum 31.12.2008 - der im Wesentlichen gleichlautenden "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP)" hat das SG in dem angegriffenen Gerichtsbescheid zutreffend dargestellt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf diese Ausführungen des SG verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG).

b) Nach Teil A Nr. 2 Buchst. e VG bestimmt sich der Gesamt-GdB nach den Behinderungen bzw. den dafür festzustellenden Einzel-GdB für bestimmte Funktionssysteme des Körpers, die zusammenfassend zu beurteilen sind. Von den dort genannten Funktionssystemen sind bei dem Kläger die Harnorgane (Nierenverlust), die Arme (Schulterbeschwerden), der Rumpf (Wirbel-säulensyndrome) und die Beine als "untere Gliedmaßen" (vor allem wegen der Gonarthrose links) betroffen.

c) Die Einzel-GdB von 25 für den Verlust der linken Niere, je 20 für die Funktions-beeinträchtigungen der WS und des linken Kniegelenks und 10 für die Funktionsbehinderung der linken Schulter, von denen auch der Beklagte ausgeht, treffen zu:

Für den Verlust einer Niere bei Gesundheit der anderen ist nach Teil B Nr. 12.1.1 VG zwingend ein GdB von 25 anzuerkennen. Liegt neben dem Verlust der einen Niere auch ein Schaden der anderen Niere mit krankhaftem Harnbefund, aber noch ohne Einschränkung der Nierenfunktion vor, beträgt der GdB 30. Fehlt eine Niere und liegt bei der anderen Niere eine Funk-tionseinschränkung vor, so beträgt der GdB 40-50 (leichte Einschränkung), 60 bis 80 (mittlere) oder 90 bis 100 (Einschränkung schweren Grades). Bei dem Kläger fehlt die linke Niere nach Transplantation, die rechte Niere ist gesund. Dies entnimmt der Senat dem Entlassungsbericht der F.klinik vom 17.05.2010, der einen unauffälligen Urinstatus nennt (S. 2/4).

An beiden Kniegelenken liegen bei dem Kläger zwar keine Bewegungseinschränkungen relevanten Ausmaßes vor. Nach Teil B Nr. 18.14 VG bedingt erst eine - einseitige - Ein-schränkung der Beugefähigkeit auf 90° überhaupt einen GdB (von 0 bis 10), höhere GdB-Werte kommen erst bei einer zusätzlichen Einschränkung der Streckfähigkeit um mindestens 10° oder 30° in Betracht. Bei dem Kläger hat der Sachverständige Dr. K. eine restliche Beweg¬lichkeit von 5-0-130° rechts und 5-0-120° links gemessen, also überhaupt keine Einschränkung der Beuge- und nur eine geringfügige Einschränkung der Streckfähigkeit. Jedoch besteht am linken Kniegelenk eine Gonarthrose Grad III, die nach der überzeugenden Einschätzung von Dr. K. zu einer muskulär nur teilweise kompensierten Instabilität und objektivierbar zu Reizzuständen führt. Da nach Teil B Nr. 18.14 VG ausgeprägte Knorpelschäden eines Kniegelenks ohne Bewegungseinschränkung einen GdB von 10 bis 30 bedingen, ist hier ein GdB von 20 gerechtfertigt.

Die WS-Beeinträchtigungen des Klägers liegen zwar überwiegend an der LWS vor. Sie sind jedoch insgesamt dem Funktionssystem "Rumpf" zuzuordnen, da auch die Beschwerden an der LWS deren oberen Bereich im Übergang zur BWS (thorakolumbal) betreffen und nicht den untere Bereich im Übergang zur Sakralwirbelsäule, die ggfs. schon zum Funktionssystem der unteren Gliedmaßen gerechnet werden kann. Nach Teil B Nr. 18.9 VG ist ein GdB von 20 bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt gerechtfertigt. Hierzu zählen eine Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungsein-schränkungen oder Instabilitäten mittleren Grades oder häufig rezidivierende und über Tage anhaltende WS-Syndrome. Dieser GdB kann auch hier angenommen werden, nachdem Dr. K. an der LWS die Folgen der juvenilen Kyphose, also eine Verformung, und dauernd anhaltende, wenn auch nicht übermäßig starke Schmerzreizungen festgestellt hat. An HWS und BWS hat er nur leichte Beeinträchtigungen gefunden, die er überzeugend mit dem genannten GdB mit berücksichtigt hat.

Für Bewegungseinschränkungen des Schultergelenks sieht Teil B Nr. 18.13 VG einen GdB von 10 bei einer Einschränkung der Armhebung bis zu 120° und von 20 bei einer Einschränkung bis zu 90°, jeweils mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit, vor. Bei dem Kläger kommt hiernach kein GdB in Betracht, nachdem er beide Arme um 180° körperwärts und 180° vorwärts anheben kann, wie Dr. K. gemessen hat. Ein GdB von 10 kann daher nur ange¬nommen werden, wenn die beginnende Schultereckgelenksarthrose (Impingement¬-Syn-drom) einer Instabilität leichten Grades gleichgestellt wird.

d) Aus diesen drei Einzel-GdB ist ein Gesamt-GdB von 40 zu bilden.

aa) Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funk¬tionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behin-derung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (Teil A Nr. 3 Buchst. c VG). Hierbei ist nach Teil A Nr. 3 Buchst. c Unterbuchst. aa bis dd VG auch zu prüfen, ob die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen unabhängig sind oder ob sie sich überschneiden oder verstärken. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen hierbei zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesund¬heitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (Teil A Nr. 3 Buchst. c Unterbuchst. ee VG).

Der Gesamt-GdB ist zwingend in Zehnergraden festzustellen, § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten hierfür - unter anderem - die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG entsprechend. Auch dort ist entsprechend (§ 30 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BVG) geregelt, dass der - dort relevante - Grad der Schädigungsfolgen (GdS) in Zehnergraden festzustellen ist. § 30 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BVG bestimmt sodann, dass ein "bis zu fünf Grad geringerer Grad ( ) vom höheren Zehnergrad mit umfasst (wird)". Fünfergrade sind daher aufzurunden. Dies gilt immer, wenn eine Behinderung mit einem GdB mit einem Fünfergrad bewertet wird. Zwar war in Nr. 18 Abs. 4 Satz 4 der bis zum 31.12.2008 geltenden AHP die Regelung enthalten, dass die Bewertung einer solchen Behinderung auf den darunter liegenden Zehnergrad lauten sollte, wenn die Gesundheitsstörung auch nur wenig geringer war als in der GdB-Tabelle der AHP be-schrieben war, während der darüber liegende Zehnergrad anzunehmen war, wenn die Gesund-heitsstörung genau der beschriebenen entsprach oder etwas ungünstiger war (vgl. Dau, in: Dau/Düwel/Juossen, Sozialgesetzbuch IX, Nomos-Verlag, 3. Aufl. 2010, § 69 Rn. 23). Diese Regelung ist jedoch nicht in die heute geltende Vorschrift in Teil A Nr. 2 Buchst. e VG übernommen worden, ohne dass für diese konkrete Abweichung gegenüber den AHP die Motive des Verordnungsgebers erkennbar wären (vgl. BR-Drs. 767/08, S. 3 ff.). Ein Grund hierfür mag sein, dass eine derart genaue Bewertung, wie sie die AHP bei solchen Behinderungen forderten, nicht möglich ist (vgl. Dau, a.a.O.). Es ist daher nach § 30 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BVG immer - nicht nur im Versorgungs-, sondern auch im Schwerbehindertenrecht - der nächsthöhere Zehnergrad anzusetzen.

Dies gilt jedoch nur dann, wenn der Gesamt-GdB rechnerisch mit einem Fünfergrad endet. Für die Einzel-GdB ist keine Aufrundung nach den gesetzlichen Vorschriften nötig. Dies beruht darauf, dass die Einzel-GdB-Feststellungen keine rechtliche Wirkung haben, sondern nur Ele-mente der Begründung bzw. der Ermittlung des Gesamt-GdB sind. Nur dieser muss von den zuständigen Behörden festgestellt werden, nur diese Feststellung erwächst in Bestandskraft.

Daraus folgt, dass in den Fällen, in denen nur eine zu berücksichtigende Behinderung vorliegt, die einen GdB mit einem Fünfergrad bedingt, der nächsthöhere Zehnergrad festzustellen ist.

Liegen dagegen mehrere relevante Behinderungen vor, dann ist die genaue Bewertung mit dem Fünfergrad in die Berechnung einzubeziehen. Ergibt sich dann, dass nach den Vorgaben in Teil A Nr. 3 Buchst. c und d VG dieser Wert um "10 oder 20 oder mehr Punkte" zu erhöhen ist, und errechnet sich so auch ein Gesamt-GdB mit einem Fünfergrad, so ist auch dieser aufzurunden. Auf diese Weise kann sich auch ein Gesamt-GdB von 50 bilden und damit die Schwerbe-hinderteneigenschaft anerkannt werden müssen, wenn der höchste Einzel-GdB 25 beträgt und dieser zweimal um je zehn Punkte zu erhöhen ist. In dieser rechtlichen Beurteilung kann daher nicht der Ansicht des SG in dem angegriffenen Urteil und auch nicht der dort zitierten Ansicht des 8. Senats des LSG (Urt. v. 17.12.2010, L 8 SB 1549/10, Juris Rn. 36) gefolgt werden, es sei in der Regel mindestens ein Einzel-GdB von 30 notwendig, zumindest dann nicht, wenn der höchste relevante Einzel-GdB 25 beträgt. Einen solchen Fall hat im Übrigen auch der 8. Senat in seiner Entscheidung nicht ausgeschlossen, denn er hat dort im Wesentlichen ausgeführt, die Schwerbehinderteneigenschaft sei nicht gerechtfertigt, wenn die schwerwiegendste Behinderung - nur - mit einem GdB von 20 belegt sei. Ein GdB von 25 liegt aber darüber. Wenn dagegen nach den genannten Kriterien eine solche Erhöhung des höchsten GdB um - genau - weitere 10 oder 20 Punkte nicht geboten ist, kann sich ein Gesamt-GdB bilden, der rechnerisch dem niedrigeren Zehnergrad entspricht. Ob dies der Fall ist, ist eine Frage des Einzelfalls. Es gilt hier nicht die Regel, dass in diesen Fällen mehrerer Behinderungen, von denen eine einen Fünfergrad bedingt, immer der niedrigere Zehnergrad als Gesamt-GdB festzustellen ist. Im Ergebnis ergibt sich eine derart pauschale Ansicht auch nicht aus dem vom Beklagten vorgelegten Protokoll des Beirats vom 31.10.1989, denn dort wird nur angeführt, es sei von dem "niedrigeren" Fünferwert auszugehen, es wird also nur eine Aufrundung bereits des Einzel-GdB abgelehnt.

bb) Bei dem Kläger nun ist der insoweit relevante höchste Einzel-GdB von 25 nicht zweimal um je 10 Punkte zu erhöhen. Es ergibt sich daher kein (rechnerischer) Gesamt-GdB von 45, der auf 50 aufzurunden wäre, sondern nur ein Wert darunter, für den nach den genannten rechtlichen Grundlagen ein Gesamt-GdB von 40 festzustellen ist.

Der etwaige Einzel-GdB für die Schulterbehinderungen führt nach Teil A Nr. 3 Buchst. d Doppelbuchst. ee Satz 1 VG nicht zu einer Erhöhung.

Die beiden weiteren orthopädischen Beeinträchtigungen an Wirbelsäule und Knie gehen zwar mit zwei getrennten Einzel-GdB von 20 in die Bewertung ein, da sie - wie ausgeführt - verschiedene Funktionssysteme des Körpers des Klägers betreffen. Der Senat sieht hier jedoch die Voraussetzungen aus Teil A Nr. 3 Buchst. d Doppelbuchst. ee Satz 2 VG für gegeben, wonach auch ein GdB von 20, wenn er durch eine leichte Funktionsbeeinträchtigung bedingt ist, "vielfach" keine - weitere - Erhöhung des GdB um dann 10 (volle) Punkte rechtfertigt. Bei dem Kläger nun liegen zumindest am linken Knie nur leichte Funktionsbeeinträchtigungen in diesem Sinne vor, denn eine Beweglichkeitseinschränkung ist dort nicht dokumentiert. Außerdem ist durchaus zu berücksichtigen (Teil A Nr. 3 Buchst. d Doppelbuchst. cc VG), dass sich die Auswirkungen der beiden Funktionsbeeinträchtigungen überschneiden und nicht isoliert nebeneinander stehen. Die Bewertung der Wirbelsäulenbehinderung des Klägers ist auch durch die dort entstehenden Reizzustände bedingt. Auch die Bewertung der Kniebehinderungen beruht im Wesentlichen auf den dort verursachten Reizungen, nachdem Bewegungseinschränkungen nicht vorliegen. Der Kläger leidet also insgesamt im unteren Bereich des Rumpfes und an den unteren Gliedmaßen an Schmerzen, die nicht vollständig getrennt bewertet werden können.

3. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.

4. Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG). Insbesondere kommt der Sache keine grundsätzliche - rechtliche - Bedeutung zu. Eine solche Grundsatz-bedeutung hat allenfalls die Frage, ob als Gesamt-GdB der nächsthöhere Zehnergrad fest-zustellen ist, wenn die Ermittlung nach den Grundsätzen der VG rechnerisch einen Wert mit einem Fünfergrad ergibt. Bei dem Kläger jedoch ergibt sich ein solcher Wert nicht, vielmehr liegt der rechnerische Gesamt-GdB unter 45. Die Entscheidung beruht daher auf einer tatrichterlichen Würdigung des Einzelfalls.
Rechtskraft
Aus
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