L 9 R 4816/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 2282/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 4816/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 25. September 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.

Die 1950 geborene Klägerin, Mutter von sechs Kindern, ist türkische Staatsangehörige und war 1972 zu dem bereits in Deutschland lebenden Ehemann gezogen. Von August 1973 bis 1981 war sie vollschichtig als angelernte Näherin und ab 2004 für etwa zwei Jahre in Teilzeit als Reinigungskraft mit ca. 20 Wochenstunden beschäftigt gewesen. Nach der Kündigung dieses Arbeitsverhältnisses bezog sie Arbeitslosengeld ab 29.06.2006 für die Dauer eines Jahres, unterbrochen durch den Bezug von Krankengeld. Ausweislich des vom Senat beigezogenen Versicherungsverlaufes sind Pflichtbeitragszeiten zuletzt im Oktober 2008 vermerkt. Ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 ist seit Februar 2003, ein GdB von 60 seit Juni 2004 anerkannt.

Die Klägerin beantragte am 10.10.2007 die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, nach dem ihr zuvor gestellter Antrag vom 20.04.2007 aufgrund nicht erfüllter versicherungsrechtlicher Voraussetzungen abgelehnt worden war. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation waren ihr zuvor auf ihren Antrag vom 14.05.2007 mit der Durchführung einer stationären Rehabilitation vom 21.06.2007 bis 12.07.2007 im Gesundheitszentrum Bad W. gewährt worden. Die Klägerin war dort mit den Diagnosen lumbales Pseudoradikulär-Syndrom beidseits, Depression, arterielle Hypertonie und Vitamin D-Mangel als arbeitsfähig und für die Tätigkeit als Reinigungskraft sechs Stunden und mehr am Tag leistungsfähig entlassen worden. Einschränkungen bestünden für Wirbelsäulenzwangshaltungen mit gleichzeitigen Gewichtsbelastungen. Ein wirbelsäulengerechtes Verhalten solle beachtet werden.

Die Beklagte hat Beweis erhoben durch das Einholen eines Gutachtens der Ärztin für Innere Medizin, Sozialmedizin Dr. D. vom 10.01.2008. Die Sachverständige stellte ein wirbelsäulenbetontes Ganzkörperschmerzsyndrom, eine arterielle Hypertonie, eine Adipositas, leichtgradige rezidivierende depressive Verstimmungen, eine chronisch rezidivierende Gastroduodenopathie, einen Vitamin D-Mangel substituiert, eine leichtgradige restriktive Ventilationsstörung bei erfolgter Thorakotomie links 10/02 mit Entfernung einer bronchogenen Zyste sowie des Thymus, einen abgelaufenen Herpes Zoster rechts lumbal 1/03 sowie eine Hiatusgleithernie fest. Das Leistungsvermögen sei aufgrund der gestellten Diagnosen auf dem qualitativen Sektor beeinträchtigt. Es habe sich im Vergleich zur Leistungsbeurteilung des Heilverfahrens im Juni und Juli 2007 sowie im Hinblick auf das vorliegende MDK-Gutachten vom November 2007 (Diagnosen: arterielle Hypertonie, Wirbelsäulensyndrom, Verdacht auf somatoforme Schmerzstörung; eine Gefährdung/Minderung der Erwerbsfähigkeit liege nicht vor) keine wesentliche Änderung feststellen lassen. Es bestehe weiterhin ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen auch als Reinigungskraft. Zu vermeiden seien Tätigkeiten unter erhöhter Stressbelastung und Zeitdruck, Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten, anhaltende Wirbelsäulenzwangshaltungen und gehäuftes Bücken oder gehäuftes Treppensteigen.

Mit Bescheid vom 16.01.2008 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.06.2008 zurück.

Hiergegen richtete sich die am 09.07.2008 zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhobene Klage.

Mit ihr hat die Klägerin daran festgehalten, nicht mehr in der Lage zu sein, wenigstens drei Stunden am Tag unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig zu sein.

Das SG hat Beweis erhoben durch das Einholen sachverständiger Zeugenaussagen beim Arzt für Allgemeinmedizin Dr. R., beim Facharzt für Innere Medizin/Rheumatologie Privatdozent Dr. H., beim Neurologen und Psychiater Dr. M., beim Facharzt für Lungenheilkunde Dr. van B., beim Kardiologen Dr. W., beim Orthopäden Dr. R. sowie beim Augenarzt Dr. D. Wegen der gemachten Aussagen wird auf Bl. 40 bis 75 der Akten des SG verwiesen. Ferner hat das SG das nervenfachärztliche Gutachten der Ärztin für Nervenheilkunde und Psychotherapie Dr. E. vom 22. April 2009 eingeholt. Sie hat ausgeführt, dass neurologisch keine Funktionsstörungen bezüglich Gang, Motorik, Sensibilität oder Koordination bestünden, die Beweglichkeit der Glieder nicht eingeschränkt und neurologisch keine pathologischen Auffälligkeiten festzustellen gewesen seien. Alle Funktionen bezüglich Gedächtnis, Denken, Praxie, Sprache seien altersgemäß normal gewesen. Psychiatrisch habe eine ängstlich gefärbte Anpassungsstörung mit deutlich verminderter Belastbarkeit durch Stress, sowie eine langjährig bekannte depressive Störung mit Somatisierung bestanden. Dadurch sei eine leichte Einschränkung bezüglich der Tagesstrukturierung und der Möglichkeit der Eigenmotivation ohne Hilfe von außen bedingt. Es könnten leichte körperliche Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten bis zu 3 kg bewältigt werden, ein dauerndes Stehen, Gehen oder Sitzen sei zu vermeiden, ebenso wie häufiges Bücken oder Stehen auf Leitern oder Gerüsten. Akkord- und Fließbandarbeit, Schicht- oder Nachtarbeit seien nicht mehr zumutbar, ebenso wenig wie Arbeiten im Freien. Tätigkeiten könnten zwei Stunden bis unter halbschichtig verrichtet werden.

Für die Beklagte hat hierzu die Ärztin für Psychiatrie Dr. L. Stellung genommen. Zusammenfassend war sie der Auffassung, dass sich keine Belege für eine quantitative Leistungsminderung ergäben. Qualitative Einschränkungen seien bereits zuvor festgestellt worden.

Mit Urteil vom 25.09.2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Überzeugung der Kammer sei die Klägerin noch in der Lage eine leichte körperliche Arbeit mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Die Kammer folge dem Gutachten von Dr. E. hinsichtlich der festgestellten Diagnosen, nicht aber hinsichtlich der Schlussfolgerung der gerichtlichen Sachverständigen, dass die Klägerin nur noch zwei Stunden bis unter halbschichtig arbeiten könne. Die Sachverständige habe eine ängstlich gefärbte Anpassungsstörung mit deutlich verminderter Belastbarkeit, eine Antriebsstörung und eine depressive Entwicklung mit Somatisierungsstörung mit Zunahme nach einer Thoraxoperation diagnostiziert. Hieraus habe sie ohne nähere Begründung nicht nur eine qualitative sondern auch eine quantitative Leistungsminderung abgeleitet. Diese Einschätzungen ließen sich nicht verifizieren. So habe die Sachverständige im Rahmen des psychopathologischen Befundes angegeben, die Klägerin habe keinen depressiven Eindruck gemacht. Außerdem betone die Sachverständige, dass die ängstlich gefärbte Anpassungsstörung mit deutlich verminderter Belastbarkeit durch Stress sowie die depressive Störung mit Somatisierung lediglich leichte Einschränkungen bezüglich der Tagesstrukturierung und der Möglichkeit der Eigenmotivation ohne Fremdhilfe bedingten. Letztlich habe sie auf die Diskrepanz zwischen den subjektiven Befindlichkeitsstörungen und den objektiv zu erhebenden medizinischen Befund hingewiesen. Allein aus dem Umstand, dass keine Anhaltspunkte für eine Simulation der geschilderten Schmerzen und Befindlichkeitsstörungen bestünden, sondern die seelische Reaktion verständlich sei, ließe sich noch keine quantitative Leistungsminderung ableiten. Auch der sachverständige Zeuge Dr. M., welcher die Klägerin seit März 1997 wiederholt behandelt habe, habe zwar auf eine Verschlimmerung der somatoformen Schmerzstörung hingewiesen, eine sechsstündige leichte körperliche Tätigkeit aber für möglich erachtet. Zu einer entsprechenden Auffassung sei auch der Entlassungsbericht über die stationäre Rehabilitationsmaßnahme vom 21.06. bis 12.07.2007 gekommen, wonach die Klägerin als arbeitsfähig entlassen worden sei.

Gegen das ihr am 08.10.2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 20.10.2009 Berufung eingelegt. Unter Berücksichtigung der festgestellten Gesundheitsstörungen sei sie nicht mehr in der Lage, drei bis unter sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig zu sein. Die bestehende Multimorbidität bedinge eine volle Erwerbsminderung.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 25. September 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 16. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 2008 zu verurteilen, ihr ab 01. Oktober 2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung - hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung - zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf ihren Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren sowie auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil.

Der Senat hat Beweis erhoben durch das Einholen eines nervenärztlichen Gutachtens bei Dr. W., H., vom 05.10.2010. Er hat die Diagnosen eines psychosomatischen Beschwerdesyndroms mit intermittierenden depressiven Verstimmungen und Ängsten bei Neigung zu Somatisierung, eine ängstlich vermeidende Persönlichkeit mit Neigung zur Bildung und/oder Überlagerung psychosomatischer Beschwerden, geklagte Beschwerden seitens des Stütz- und Bewegungsapparates ohne aktuelles neurologisches Defizit und eine Adipositas gestellt. Er hat ausgeführt, dass sich eine quantitative Leistungsminderung der Klägerin mit den geklagten Beschwerden und den erhobenen Befunden nicht begründen lasse. Die geklagten Schlafstörungen seien behandelbar, einerseits durch das Einleiten einer Optimierung der sog. Schlafhygiene, anderseits eventuell zusätzlich durch eine medikamentöse Stütze, welche auch regelmäßig eingenommen werden sollte. Die bisherige medikamentöse Behandlung werde seit drei Jahren unverändert verordnet aber nur sehr unregelmäßig eingenommen. Schließlich habe auch die Erfahrung aus dem Gesundheitszentrum Bad W. gezeigt, dass stützende Gespräche über die Probleme und Ängste als entlastend empfunden worden seien. Die Persönlichkeitszüge der Klägerin wirkten sich auf die qualitative Leistungsfähigkeit aus. Es seien Tätigkeiten besonderer Stressbelastung und höherer Verantwortung nicht zumutbar, andere leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten seien jedoch mindestens sechs Stunden arbeitstäglich an fünf Tagen in der Woche möglich.

Der Senat hat auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Prof. Dr. B., Klinik für Anästhesiologie, H., mit der Erstellung eines weiteren Gutachtens beauftragt. Er hat in seinem Gutachten vom 11.10.2011 nach einer Untersuchung der Klägerin am 17.03.2011 einen chronischen therapierefraktären Rückenschmerz der LWS mit nozizeptiver und neuropathischer Symptomatik, einen Zustand nach Thymomentfernung mittels linksseitiger Thorakotomie, einen Zustand nach Gürtelrose 2002, einen Ganzkörperschmerz ohne spezifische pathologisch anatomische Ursache sowie ohne klinischen Hinweis auf Fibromyalgie und eine Somatisierungsstörung festgestellt. Die Leistungsfähigkeit der Klägerin sei aufgrund der chronischen Schmerzkrankheit der Wirbelsäule insbesondere der Lendenwirbelsäule mit dem charakteristischen Zeichen eines gemischten Schmerzes, also einer Kombination aus nozizeptiver und neuropathischer Schmerzsymptomatik, erheblich eingeschränkt. Daher seien Tätigkeiten mit gesteigerter Belastung der Wirbelsäule zu vermeiden. Leichte körperliche Arbeiten seien in wechselnder Position und in geschlossenen, temperierten Räumen möglich. Arbeiten an erhöht unfallgefährdenden Arbeitsplätzen wie auf Leitern, Gerüsten und an laufenden Maschinen, mit besonderer Belastung des muskulären und knöchernen Bewegungsapparates (z.B. überwiegendes Stehen/Gehen, häufiges Heben und Tragen von Lasten insbesondere über 5 kg, Arbeiten über Kopf, häufiges Bücken sowie Arbeiten in Zwangshaltungen), Tätigkeiten im Freien, unter dem besonderen Einfluss von Kälte, Nässe, Feuchtigkeit, Zugluft und starken Temperaturschwankungen sowie unter Lärm sollten ebenso vermieden werden, wie Arbeiten unter psychischer und nervlicher Belastung. Gleiches gelte für Akkord-/Fließbandarbeiten, Wechselschichten, Nachtschichten, Arbeiten mit erhöhter Konzentration und geistiger Belastung. Bei entsprechenden Schmerzexpositionen seien zusätzliche Pausen einzuhalten, insbesondere bei attackenförmig einschießenden neuropathischen Schmerzen. Sie sei aufgrund ihrer anhaltenden gesundheitlichen Erkrankungen nicht in der Lage, einer regelmäßigen Tätigkeit von sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche nachzugehen. Die unter Berücksichtigung der genannten Einschränkungen grundsätzlich möglichen leichten Tätigkeiten könnten in einem Zeitraum von drei bis weniger als sechs Stunden ausgeübt werden.

Hierauf hat die Beklagte unter Vorlage einer sozialmedizinischen Stellungnahme des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. H. Einwendungen erhoben, auf die Prof. Dr. B. unter dem 14.03.2012 erwidert und an seiner Auffassung festgehalten hat. Hierauf hat die Beklagte eine weitere sozialmedizinische Stellungnahme der Fachärztin für psychosomatische Medizin, Psychotherapie, Dr. D. vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und damit zulässig.

Die Berufung der Klägerin ist jedoch unbegründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, weil die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier von der Klägerin beanspruchten Renten wegen voller und teilweiser Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§§ 43, 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI]) dargelegt und zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung oder teilweiser Erwerbsminderung deshalb nicht besteht, weil die Klägerin noch wenigstens sechs Stunden täglich für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leistungsfähig ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung uneingeschränkt an, sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück.

Ergänzend und zu den Ermittlungen im Berufungsverfahren weist der Senat darauf hin, dass sich den vorliegenden Gutachten ebenfalls kein Nachweis für eine auf weniger als 6 Stunden herabgesetzte Leistungsfähigkeit der Klägerin für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt entnehmen lässt. Das nervenärztliche Gutachten von Dr. W., dem der Senat folgt, hat die Auffassung des SG bestätigt, wonach auf nervenfachärztlichem Fachgebiet eine quantitative Leistungsminderung nicht resultiert. Dr. W. stellte insoweit ein psychosomatisches Beschwerdesyndrom mit intermittierenden depressiven Verstimmungen und Ängsten bei Neigung zu Somatisierung und eine ängstlich-vermeidende Persönlichkeit mit Neigung zur Bildung und/oder Überlagerung psychosomatischer Beschwerden fest, weshalb der Klägerin Tätigkeiten mit einer besonderen Stressbelastung und höherer Verantwortung nicht zumutbar, andere leichte bis mittelschwere Tätigkeiten jedoch noch möglich sind. Es besteht keine Veranlassung, die Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen in Zweifel zu ziehen. Der Sachverständige schildert eine noch erhaltene Tagesstruktur, erhaltene soziale Kontakte, einen von der Klägerin mit Unterstützung des Ehemannes und der Töchter geführten Haushalt und berichtet von Urlauben der Klägerin in der Türkei. Belastet sei die Klägerin durch Sorgen über den an Schizophrenie erkrankten Sohn und das erkrankte Kind eines weiteren Sohnes. Außerdem hat sie über Ängste und Gefühle, selbst schwer erkrankt zu sein, ein Unwohlsein schon bei Kleinigkeiten, so etwa die Sorge, dass man ihr etwas vorwerfen oder sie nicht korrekt behandeln könne, berichtet. Die Stimmungslage der Klägerin in der Untersuchungssituation war jedoch ausgeglichen und nicht leistungsmindernd depressiv ausgelenkt. Die erhobenen Befunde decken sich im Wesentlichen mit den bereits im Gesundheitszentrum Bad W. im Sommer 2007 erhobenen und den später im Januar 2008 im Rahmen der Untersuchung von Dr. D. wiedergegebenen Befunden, welche zwar qualitative Einschränkungen zur Folge haben, nicht jedoch eine zeitliche Leistungseinschränkung zu begründen vermögen. Abweichende Befunde hat auch Dr. E. nicht erhoben, weshalb deren Beurteilung der Leistungsfähigkeit auch den Senat nicht zu überzeugen vermag. Das SG ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass mittelschwere und schwere körperliche Arbeiten nicht mehr zumutbar sind und auch Arbeiten in einseitiger Körperhaltung, unter besonders ungünstigen äußeren Bedingungen und mit einer überdurchschnittlichen Stressbelastung nicht mehr verrichtet werden sollten, eine körperlich leichte Arbeit unter Berücksichtigung der genannten qualitativen Einschränkungen aber weiterhin wenigstens 6 Stunden am Tag möglich und zumutbar ist.

Eine andere Beurteilung rechtfertigt das auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG eingeholte Gutachten von Prof. Dr. B. nicht. Er stützt seine Beurteilung im Wesentlichen auf eine chronische Schmerzkrankheit der Wirbelsäule, insbesondere der Lendenwirbelsäule mit den charakteristischen Zeichen eines "gemischten Schmerzes" (einer Kombination aus nozizeptiver und neuropathischer Schmerzsymptomatik). Auch er hält Tätigkeiten an erhöht unfallgefährdenden Arbeitsplätzen, mit besonderer Belastung des muskulären und knöchernen Bewegungsapparates, Tätigkeiten in ungünstigen Arbeitsbedingungen und unter psychischer/nervlicher Belastung nicht mehr für zumutbar und unterscheidet sich damit in der Beurteilung qualitativer Leistungseinschränkungen nicht wesentlich von den bereits von Dr. D. und Dr. W. festgestellten Leistungseinschränkungen. Leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung, in geschlossenen, temperierten Räumen sind auch seiner Einschätzung nach grundsätzlich möglich.

Soweit Prof. Dr. B. aber aus der bereits bekannten Schmerzerkrankung andere Schlüsse zieht und ein Leistungsvermögen generell nur noch von unter 6 Stunden annimmt, vermag dies den Senat nicht zu überzeugen. Denn Feststellungen, die eine zeitliche Leistungseinschränkung rechtfertigen könnten, fehlen in dem Gutachten des auf Antrag der Klägerin gehörten Sachverständigen. Aus dem Gutachten lässt sich nicht schlüssig entnehmen, weshalb die vom Sachverständigen noch als möglich beschriebenen Tätigkeiten nicht auch 6 Stunden und mehr ausgeführt werden können. Er führt zwar aus, der Schwerpunkt der klinischen Befunde entspreche einem chronischen Rückenschmerz mit besonderer Betonung der Lendenwirbelsäule bei gleichzeitig vorhandenen radikulären Schmerzen in den unteren Extremitäten. Die nur kurz gefassten, stichwortartig wiedergegebenen Untersuchungsbefunde der Klägerin lassen jedoch für die zu entscheidende Frage einer quantitativen Leistungseinschränkung keine relevanten Befunde erkennen. So wird das Aus- und Ankleiden als ungestört und selbständig ohne wesentliche Behinderung beschrieben, es fanden sich ein seitengleicher Gang, keine Schiefhaltung und beim Einbeinstand, der beidseits als unsicher angegeben war, jeweils ein einschießender Schmerz in die unteren Extremitäten. Die Untersuchung der Wirbelsäule wird zusammenfassend dahingehend beschrieben, "dass die schmerzhafte Symptomatik auf die Lendenwirbelsäule fokussiert" sei. Die Beweglichkeit der unteren Extremitäten war als frei, ohne bzw. mit endgradiger Schmerzangabe angegeben worden. Gleichzeitig beschreibt der Sachverständige die Klägerin als freundlich zugewandt mit erhaltener emotionaler Schwingungsfähigkeit. Eine gedrückte Stimmung bestehe wegen der offensichtlichen Aussichtslosigkeit einer Besserung ihrer Erkrankung, insbesondere auch Enttäuschung über das Erleben, dass die körperlichen Beschwerden nicht geglaubt würden. Angesichts dessen ist nicht nachvollziehbar weshalb der Sachverständige eine Leistungsfähigkeit von 3 bis unter 6 Stunden annimmt, eine von wenigstens 6 Stunden aber nicht mehr als gegeben ansehen will. Die aufgrund der Schmerzerkrankung beschriebenen Befunde und Einschränkungen belegen keine zeitliche Leistungseinschränkung, da schon nicht ersichtlich ist, weshalb die für möglich erachteten Tätigkeiten nicht auch wenigstens 6 Stunden am Tag ausgeübt werden können. Ein neurologisches Defizit oder überdauernde neurologische Ausfälle fanden sich in keinem der vorliegenden Gutachten. Die im Bereich der LWS beschriebenen Dauerschmerzen mit einer VAS 5-6 (maximaler Schmerz VAS 10) und einer belastungsabhängigen Zunahme der Schmerzen insbesondere bei längerem Stehen, schließen Tätigkeiten im Wechsel der Körperhaltungen nicht aus, zumal auch Prof. Dr. B. die therapeutischen Ansätze noch nicht als ausgeschöpft ansieht. Zu den auf psychiatrischem Fachgebiet vorliegenden Einschränkungen hat das nervenärztliche Gutachten von Dr. W. ausführlich Stellung genommen. Hiermit setzt sich Prof. Dr. B. aber nicht auseinander. Wenn er die zeitliche Leistungseinschränkung mit der Schmerzerkrankung und den psychischen Beeinträchtigungen erklären will, so ist dies nicht schlüssig. Es fehlt insoweit an Befunderhebungen, die nachvollziehbar erläutern, weshalb auch eine einfache Arbeit unter Berücksichtigung der beschriebenen qualitativen Einschränkungen (also insbesondere dann, wenn eine leichte Tätigkeit in Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen in geschlossenen Räumen, ohne Stress ausgeübt wird) nicht mehr wenigstens 6 Stunden am Tag erbracht werden kann.

Der Klägerin müssen auch keine betriebsunüblichen Pausen eingeräumt werden, wie Prof. Dr. B. meint. Dass es tatsächlich zu attackenförmig einschießenden Schmerzen - abgesehen von den vom Sachverständigen durchgeführten Geh- und Standprüfungen, welche beim Einbeinstand zu ausstrahlenden Beschwerden führten - kommt, ergibt sich weder aus den objektiven Befunderhebungen im Gutachten noch aus den anderen in der Akte vorliegenden Berichten. Insoweit ist auch nicht dargelegt, in welcher Häufigkeit solche auftreten noch von welcher Dauer solche Attacken sind und zu welchen vorübergehenden zusätzlichen Einschränkungen diese führen. Es liegt insoweit noch nicht einmal eine entsprechende Anamnese der Klägerin vor, die auf eine relevante Einschränkung schließen ließe.

Schließlich scheidet auch ein Anspruch nach § 240 SGB VI aufgrund der breiten Verweisbarkeit der Klägerin aus.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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