Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 7 SB 1302/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 189/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. Dezember 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung der Höhe des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) streitig.
Der 1955 geborene Kläger beantragte am 17.04.2008 beim Landratsamt K. - Amt für Versorgung und Rehabilitation - (LRA) die Feststellung des GdB. Das LRA nahm den Durchgangsarztbericht von Dr. Sche. vom 14.09.2007 (über einen Arbeitsunfall des Klägers am 28.08.2007, bei dem sich der Kläger das linke Kniegelenk verdreht habe), den Bericht von Dr. A. vom 24.01.2008 und den Bericht von Dr. Sp. vom 18.09.2008 zu den Akten. Der Facharzt für Allgemeinmedizin und Internist Dr. K. teilte dem LRA mit, bei ihm seien keine Befunde vorhanden. Auf Anfrage des LRA teilte die Berufsgenossenschaft für Handel und Warendistribution mit, eine Entscheidung über ihre Leistungspflicht sei noch nicht getroffen worden. Das LRA holte gutachtliche Stellungnahmen seines Ärztlichen Dienstes von Dr. Bü. vom 14.05. und 18.06.2009 ein, der wegen einer Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks einen Teil-GdB von 10 vorschlug und weitere Gesundheitsstörungen für nicht nachgewiesen erachtete.
Mit Bescheid vom 19.06.2009 entsprach das LRA dem Antrag des Klägers auf Feststellung des GdB nicht, da keine Gesundheitsstörungen vorlägen, die einen GdB von wenigstens 20 bedingten.
Gegen den Bescheid vom 19.06.2009 legte der Kläger am 29.06.2009 Widerspruch ein, mit dem er einen GdB von 50 geltend machte. Das LRA zog den Ärztlichen Entlassungsbericht der S. Klinik Bad P. vom 13.08.2001 bei und holte die weitere gutachtliche Stellungnahme seines Ärztlichen Dienstes von Dr. C. vom 28.01.2010 ein, der wegen einer Funktionsbehinderung und degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule (Teil-GdB 20) sowie einer Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks (Teil-GdB 10) den GdB mit 20 vorschlug.
Mit Teil-Abhilfebescheid vom 01.02.2010 stellte das LRA beim Kläger den GdB mit 20 seit dem 17.04.2008 fest. Im Übrigen wurde der Widerspruch des Klägers vom Regierungspräsidium Stuttgart - Landesversorgungsamt - mit Widerspruchsbescheid vom 16.03.2010 zurückgewiesen.
Hiergegen erhob der Kläger am 24.03.2010 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG). Er machte zur Begründung eine Funktionsbehinderung des linken Kniegelenkes (BG-Unfall), eine Funktionsbehinderung und degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, ein Hüftgelenksleiden, ein Knieleiden, eine Fettstoffwechselstörung, Migräne und Schmerzen in beiden Händen/Gebrauchseinschränkung der Hand geltend, die einen GdB von 50 ergäben.
Das SG zog von der Berufsgenossenschaft Handel und Warendistribution die Verwaltungsakte des Klägers über ein Feststellungsverfahren wegen einer Berufskrankheit Nr. 2108 und 2109 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung und die hierzu angefallene Gerichtsakte S 15 U 949/10 bei und nahm hieraus Kopien zur Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens. Mit Urteil vom 02.03.2011 (S 15 U 949/10) wies das SG die Klage des Klägers auf Anerkennung der Berufskrankheiten Nr. 2108 und 2109 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung ab. Die hiergegen eingelegte Berufung (L 1 U 1377/11) nahm der Kläger in der nichtöffentlichen Sitzung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg am 20.06.2011 zurück.
Weiter hörte das SG Dr. K. und Dr. Sche. schriftlich als sachverständige Zeugen an. Dr. K. teilte in seinen schriftlichen Stellungnahmen vom 18.05.2010 und 17.08.2010 mit, der Kläger befinde sich wegen eines Diabetes mellitus, der Anfang 2008 diagnostiziert worden sei, in seiner Behandlung. Die Behandlung erfolge mit Metformin bei gleichzeitiger Gewichtsreduktion. Hierunter habe der Zuckerwert deutlich gesenkt werden können. Eine Insulintherapie sei nicht erforderlich. Die Einstellung sei bisher unbefriedigend; die Compliance des Klägers lasse zu wünschen übrig. Von neuen Beschwerden sei ihm nicht berichtet worden. Dr. Sche. teilte in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 30.06.2010 unter Vorlage von medizinischen Befundberichten den Behandlungsverlauf und die von ihm gestellten Diagnosen mit (Arthrose im Endstadium auf der Innenseite des Kniegelenks mit zunehmendem Verschleiß im Bereich des linken Kniegelenks).
Der Beklagte trat unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. W. vom 09.09.2010 der Klage entgegen. Der Diabetes mellitus wirke sich auf die Höhe des GdB nicht aus.
Anschließend holte das SG (von Amts wegen) das orthopädische Gutachten von Dr. S. vom 09.06.2011 ein. Dr. S. gelangte in seinem Gutachten nach einer ambulanten und radiologischen Untersuchung (Bericht Dr. B. vom 06.06.2011) des Klägers zu der Beurteilung, auf orthopädischem Gebiet lägen eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule bei degenerativen Veränderungen (Teil-GdB 20) und eine Funktionsbehinderung der Hüftgelenke und der Kniegelenke mit Arthrosen (Teil-GdB 10) vor. Der GdB werde auf 20 seit dem 17.04.2008 geschätzt.
Mit Urteil vom 13.12.2011 wies das SG gestützt auf das Gutachten von Dr. S. die Klage ab. Ausgehend von einem Teil GdB von 20 für die Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule, einem Teil-GdB von 10 für die Funktionsbeeinträchtigung der Hüft- und Kniegelenke sei der Gesamt-GdB von 20 zutreffend festgestellt. Für den Diabetes könne kein GdB festgestellt werden.
Gegen das dem Kläger am 28.12.2011 zugestellte Urteil hat er am 02.01.2012 beim SG Berufung eingelegt, die dem Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt worden ist. Er hat zur Begründung vorgetragen, bei ihm liege im linken Kniegelenk ein tiefgreifender Knorpeldefekt (Grad III bis IV) sowie eine chronische "Ansatzrendritis der Retinakula" vor, wie Dr. R. , der bei ihm am 03.03.2008 eine Operation des linken Knies vorgenommen habe, im Operationsbericht vom 03.03.2008 festgestellt habe. Im Verfahren gegen die Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten (S 5 U 5515/10) seien Dr. M. und Dr. F. in ihren sachverständigen Zeugenaussagen hinsichtlich des linken Knies von einer MdE von 20 v.H. ausgegangen. Insoweit könne Dr. S. nicht gefolgt werden. Für die Funktionsbehinderung der Hüftgelenke und des linken Kniegelenks sei von einem GdB von mindestens 30 auszugehen. Die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule sei ebenfalls mit einem GdB von 30 zu bewerten. Hinzu kämen der Diabetes, die Fettstoffwechselstörung, die Migräne und die Gebrauchseinschränkung der Hand.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. Dezember 2011 aufzuheben sowie den Bescheid des Beklagten vom 19. Juni 2009 in der Fassung des Teil-Abhilfebescheids vom 1. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. März 2010 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, bei ihm den Grad der Behinderung mit 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Nach Aktenlage könne kein höherer Gesamt-GdB als 20 festgestellt werden.
Die Beteiligten sind mit richterlichem Hinweisschreiben und Verfügung vom 23.04.2010 auf die Möglichkeit einer Entscheidung des Senats nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen worden und haben Gelegenheit zur Äußerung erhalten.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie ein Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
II.
Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann der Senat - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten sind mit richterlicher Verfügung vom 23.04.2010 auf die in Betracht kommende Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG sowie deren Voraussetzungen hingewiesen worden und haben Gelegenheit erhalten, zur Sache und zum beabsichtigen Verfahren Stellung zu nehmen.
Der Senat hat den Berufungsantrag des Klägers nach seinem erkennbaren Begehren sachdienlich gefasst.
Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte und nach § 151 SGG auch insgesamt zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 19.06.2009 in der Fassung des Teil-Abhilfebescheids vom 01.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.03.2010 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung des GdB von 30 oder gar 50, wie er anstrebt. Das angefochtene Urteil des SG ist nicht zu beanstanden.
Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung, nach Zehnergraden abgestuft, festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). Die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 17 BVG erlassenen und am 01.01.2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2008 gelten entsprechend (§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX), so dass die bis 31.12.2008 die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2008" (AHP) und ab 01.01.2009 die "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (Anlage zu § 2 VersMedV - VG -), zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 28. Oktober 2011 (BGBl. I S. 2153), heranzuziehen sind.
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet (vgl. Teil A 3 der VG). In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (VG a.a.O.). Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (Teil A 3 der VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung dieser Grundsätze in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (vgl. BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5, jeweils zu den AHP).
Hiervon ausgehend begründen die durch die vom Beklagten und vom SG durchgeführten Ermittlungen nachgewiesenen Behinderungen des Klägers zur Überzeugung des Senats keinen höheren GdB als 20.
Das Wirbelsäulenleiden des Klägers rechtfertigt - entgegen seiner Ansicht - keinen höheren GdB als 20. Nach den VG Teil B 18.9 beträgt bei Wirbelsäulenschäden ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität der GdB 0, bei geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) der GdB 10, bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) der GdB 20 und erst bei schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) oder bei mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten der GdB 30. Dem entsprachen auch die nach Antragstellung des Klägers im April 2008 noch bis 31.12.2008 gültigen Bewertungssätze der AHP. Hiervon ausgehend ist für das Wirbelsäulenleiden des Klägers der Teil-GdB von 20 nicht zulasten des Klägers zu niedrig bemessen. Nach der nachvollziehbaren und überzeugenden Bewertung von Dr. S. in seinem Gutachten vom 09.06.2011 bestehen beim Kläger lumbale Rückenbeschwerden, die sich auf leichte, dem Alter nur wenig vorauseilende osteochondrotisch-degenerative Veränderungen der Lendenwirbelsäule und des Übergangs zur Brustwirbelsäule zurückführen lassen. Die Beweglichkeit der Wirbelsäule wird dadurch jedoch nicht eingeschränkt. Anzeichen einer Nervenwurzelbeteiligung liegen nicht vor. Nach der überzeugenden Bewertung von Dr. S. besteht damit beim Kläger eine nur leichte Herabsetzung der Belastbarkeit, die vom Beklagten mit einem Teil-GdB von 20 eher großzügig berücksichtigt ist. Schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt werden von Dr. S. in seinem Gutachten nicht beschrieben. Ebenso wenig bestehen nach den von Dr. S. beschriebenen Befunden mittelgradige funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten des Klägers. Davon geht auch Dr. S. in seinem Gutachten aus, der den vom Beklagten angenommenen Einzel-GdB von 20 als vergleichsweise günstig bewertet, dem sich der Senat anschließt.
Sonstige, für die Bildung des GdB relevante Funktionsbehinderungen bestehen beim Kläger nicht.
Nach den nachvollziehbaren Ausführungen von Dr. S. in seinem Gutachten sind die Hüftgelenke des Klägers frei beweglich. Eine Funktionseinschränkung, die nach den VG Teil B 18.14 bzw. den AHP einen Teil-GdB von über 10 rechtfertigt, beschreibt Dr. S. in seinem Gutachten nicht. Beim Kläger kann, bei Angabe von einer lumbalen Schmerzausstrahlung in beide Hüften und ins rechte Bein bis zum Knie, nur von einer leichten Belastungseinschränkung ausgegangen werden, wie Dr. S. nachvollziehbar und überzeugend dargelegt hat, die einen Teil-GdB von 20 (oder höher) nicht rechtfertigt.
Entsprechendes gilt für eine Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks des Klägers. Nach den nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen von Dr. S. in seinem Gutachten liegen beim Kläger am linken Kniegelenk Knorpelschäden sowie eine leichte Arthrose vor. Es besteht eine endgradige Beugeeinschränkung (links 130° im Vergleich zu rechts 140°), bei sonst reizlosen Arthroskopienarben, keine Überwärmung und Erguss, beidseits festen Seiten- und Kreuzbänder, keinen Bewegungsgeräuschen und guter Verschieblichkeit der Kniescheiben mit Druckschmerz und Außendrehschmerz am inneren Gelenkspalt links. Nach der plausiblen Bewertung von Dr. S. kommt der endgradigen Beugeeinschränkung funktionell keine Bedeutung zu. Eine am 03.03.2008 erfolgte arthroskopische Operation des linken Knies (mit Knorpelglättung, Mikrofrakturierung an medialem Femurcondylus und am femoropatellaren Gleitlager, eine partielle Synovialektomie und Resektion einer Plica bei emittierender und Retropatellararthrose, großflächiger Chondromalazie und Synovialitis) wertet Dr. S. nach den erhobenen Befunden als erfolgreich, weshalb sich der Kläger auf die im Operationsbericht des Dr. R. vom 03.03.2008 beschriebenen Befunde nicht mit Erfolg berufen kann. Damit sind beim Kläger hinsichtlich des linken Kniegelenkes keine Funktionsbehinderungen nachgewiesen, die, auch unter Einbeziehung einer leichten Belastungseinschränkung der Hüftgelenke, nach den VG bzw. AHP für die unteren Gliedmaßen einen Teil-GdB 20 (oder mehr) rechtfertigt. Vielmehr ist ein Teil-GdB von 10 angemessen. Soweit sich der Kläger zur Berufungsbegründung auf Dr. M. und Dr. F. im Verfahren des SG S 5 U 5515/10 beruft, die hinsichtlich des linken Knies eine MdE von 20 v.H. angenommen hätten, ist deren Ansicht nach den von Dr. S. in seinem Gutachten beschriebenen Befunde der Kniegelenke des Klägers mit allenfalls geringgradigen Funktionseinbußen nicht nachvollziehbar. Entgegen dem Berufungsvorbringen des Klägers ist Dr. S. in seinem Gutachten vom 09.06.2011 auch nicht lediglich von einer bestehenden Arthrose am linken Knie ausgegangen, sondern hat auch die beim Kläger vorliegenden Knorpelschäden am linken Kniegelenk in seine gutachterlichen Bewertungen mit einbezogen.
Eine Gebrauchseinschränkung der Hand liegt - entgegen dem Berufungsvorbringen des Klägers - nicht vor. Dr. S. beschreibt in seinem Gutachten vom 09.06.2011 vielmehr eine in allen Gelenken der Arme und der Hände freie Beweglichkeit bei mittelkräftiger Muskulatur. Nacken-, Kopf- und Kreuzgriff sind dem Kläger möglich. Über eine Funktionseinbuße der Hände hat der Kläger im Übrigen bei der Untersuchung durch Dr. S. auch nicht geklagt.
Auch der Diabetes mellitus ruft keine für die Bildung des GdB relevante Beeinträchtigung des Klägers hervor. Nach der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage von Dr. K. vom 17.08.2010 an das SG wird der 2008 diagnostizierte Diabetes mellitus mit Metformin (bei mangelhafter Compliance des Klägers) behandelt. Eine Insulintherapie ist nicht erforderlich. Eine eine Hypoglykämie auslösende Therapie ist damit nicht erforderlich, wovon Dr. W. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 09.09.2010 ersichtlich ausgeht, was auch Dr. S. in seinem Gutachten vom 09.06.2011 bestätigt hat und zudem dem Senat aufgrund seiner Kenntnisse aus anderen Rechtsstreitigkeiten auch gerichtsbekannt ist. Danach rechtfertigt der Diabetes mellitus nach den VG in der am 15.07.2010 in Kraft getretenen Fassung der Zweiten Verordnung zur Änderung der VG (BGBl. I, 928) keinen Teil-GdB (vgl. Teil B 15.1) und in der bis 14.07.2010 geltenden Fassung der VG bzw. den AHP einen Teil-GdB von 10. Hierauf hat Dr. W. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 09.09.2010 zutreffend hingewiesen, was auch Dr. S. in seinem Gutachten bestätigt hat. Dem schließt sich der Senat an.
Eine Migräne des Klägers lässt sich den zu den Akten gelangten Befundunterlagen nicht entnehmen. Dr. K. hat in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 18.05.2010 an das SG über das Vorliegen einer Migräne nicht berichtet. Dies gilt auch für eine vom Kläger außerdem im Berufungsverfahren geltend gemachte Fettstoffwechselstörung.
Nach den oben dargestellten Grundsätzen zur Bildung des GdB ist damit beim Kläger (allenfalls) ein Teil-GdB von 20 für das Wirbelsäulenleiden zu berücksichtigen. Das mit einem Teil-GdB von 10 zu bewertende Hüft- und Kniegelenksleiden sowie der Diabetes mellitus (bis 14.07.2010) des Klägers ist bei der Bildung des Gesamt-GdB nicht erhöhend zu berücksichtigen. Damit beträgt der Gesamt-GdB (allenfalls) 20 seit dem 17.04.2008, wovon auch Dr. S. in seinem Gutachten vom 09.06.2011 ausgeht, dem der Senat folgt.
Anlass für weitere Ermittlungen besteht nicht. Der Senat hält den entscheidungserheblichen Sachverhalt durch die zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen und die vom SG durchgeführten Ermittlungen für geklärt. Neue Gesichtspunkte, die dem Senat Anlass zu weiteren Ermittlungen geben, hat der Kläger im Berufungsverfahren nicht aufgezeigt. Soweit sich der Kläger auf die Bewertung der MdE mit 20 v.H. wegen Beschwerden und einer Bewegungseinschränkung des linken Kniegelenks durch Dr. M. und Dr. F. im Klageverfahren gegen die Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten (S 5 U 5515/10) beruft, ist deren Bewertung nach dem von Dr. S. bei der Begutachtung des Klägers beschriebenen Kniegelenksbefund, wie ausgeführt, nicht nachvollziehbar. Dass nach der Untersuchung des Klägers durch Dr. S. eine relevante Verschlimmerung eingetreten ist, wird vom Kläger nicht geltend gemacht und ist auch sonst nicht ersichtlich. Der Senat sieht sich deshalb auch nicht gedrängt, die Akten des SG S 5 U 5515/10 beizuziehen. Der Kläger hat die Beiziehung dieser Akten im Übrigen auch nicht angeregt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung der Höhe des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) streitig.
Der 1955 geborene Kläger beantragte am 17.04.2008 beim Landratsamt K. - Amt für Versorgung und Rehabilitation - (LRA) die Feststellung des GdB. Das LRA nahm den Durchgangsarztbericht von Dr. Sche. vom 14.09.2007 (über einen Arbeitsunfall des Klägers am 28.08.2007, bei dem sich der Kläger das linke Kniegelenk verdreht habe), den Bericht von Dr. A. vom 24.01.2008 und den Bericht von Dr. Sp. vom 18.09.2008 zu den Akten. Der Facharzt für Allgemeinmedizin und Internist Dr. K. teilte dem LRA mit, bei ihm seien keine Befunde vorhanden. Auf Anfrage des LRA teilte die Berufsgenossenschaft für Handel und Warendistribution mit, eine Entscheidung über ihre Leistungspflicht sei noch nicht getroffen worden. Das LRA holte gutachtliche Stellungnahmen seines Ärztlichen Dienstes von Dr. Bü. vom 14.05. und 18.06.2009 ein, der wegen einer Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks einen Teil-GdB von 10 vorschlug und weitere Gesundheitsstörungen für nicht nachgewiesen erachtete.
Mit Bescheid vom 19.06.2009 entsprach das LRA dem Antrag des Klägers auf Feststellung des GdB nicht, da keine Gesundheitsstörungen vorlägen, die einen GdB von wenigstens 20 bedingten.
Gegen den Bescheid vom 19.06.2009 legte der Kläger am 29.06.2009 Widerspruch ein, mit dem er einen GdB von 50 geltend machte. Das LRA zog den Ärztlichen Entlassungsbericht der S. Klinik Bad P. vom 13.08.2001 bei und holte die weitere gutachtliche Stellungnahme seines Ärztlichen Dienstes von Dr. C. vom 28.01.2010 ein, der wegen einer Funktionsbehinderung und degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule (Teil-GdB 20) sowie einer Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks (Teil-GdB 10) den GdB mit 20 vorschlug.
Mit Teil-Abhilfebescheid vom 01.02.2010 stellte das LRA beim Kläger den GdB mit 20 seit dem 17.04.2008 fest. Im Übrigen wurde der Widerspruch des Klägers vom Regierungspräsidium Stuttgart - Landesversorgungsamt - mit Widerspruchsbescheid vom 16.03.2010 zurückgewiesen.
Hiergegen erhob der Kläger am 24.03.2010 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG). Er machte zur Begründung eine Funktionsbehinderung des linken Kniegelenkes (BG-Unfall), eine Funktionsbehinderung und degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, ein Hüftgelenksleiden, ein Knieleiden, eine Fettstoffwechselstörung, Migräne und Schmerzen in beiden Händen/Gebrauchseinschränkung der Hand geltend, die einen GdB von 50 ergäben.
Das SG zog von der Berufsgenossenschaft Handel und Warendistribution die Verwaltungsakte des Klägers über ein Feststellungsverfahren wegen einer Berufskrankheit Nr. 2108 und 2109 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung und die hierzu angefallene Gerichtsakte S 15 U 949/10 bei und nahm hieraus Kopien zur Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens. Mit Urteil vom 02.03.2011 (S 15 U 949/10) wies das SG die Klage des Klägers auf Anerkennung der Berufskrankheiten Nr. 2108 und 2109 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung ab. Die hiergegen eingelegte Berufung (L 1 U 1377/11) nahm der Kläger in der nichtöffentlichen Sitzung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg am 20.06.2011 zurück.
Weiter hörte das SG Dr. K. und Dr. Sche. schriftlich als sachverständige Zeugen an. Dr. K. teilte in seinen schriftlichen Stellungnahmen vom 18.05.2010 und 17.08.2010 mit, der Kläger befinde sich wegen eines Diabetes mellitus, der Anfang 2008 diagnostiziert worden sei, in seiner Behandlung. Die Behandlung erfolge mit Metformin bei gleichzeitiger Gewichtsreduktion. Hierunter habe der Zuckerwert deutlich gesenkt werden können. Eine Insulintherapie sei nicht erforderlich. Die Einstellung sei bisher unbefriedigend; die Compliance des Klägers lasse zu wünschen übrig. Von neuen Beschwerden sei ihm nicht berichtet worden. Dr. Sche. teilte in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 30.06.2010 unter Vorlage von medizinischen Befundberichten den Behandlungsverlauf und die von ihm gestellten Diagnosen mit (Arthrose im Endstadium auf der Innenseite des Kniegelenks mit zunehmendem Verschleiß im Bereich des linken Kniegelenks).
Der Beklagte trat unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. W. vom 09.09.2010 der Klage entgegen. Der Diabetes mellitus wirke sich auf die Höhe des GdB nicht aus.
Anschließend holte das SG (von Amts wegen) das orthopädische Gutachten von Dr. S. vom 09.06.2011 ein. Dr. S. gelangte in seinem Gutachten nach einer ambulanten und radiologischen Untersuchung (Bericht Dr. B. vom 06.06.2011) des Klägers zu der Beurteilung, auf orthopädischem Gebiet lägen eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule bei degenerativen Veränderungen (Teil-GdB 20) und eine Funktionsbehinderung der Hüftgelenke und der Kniegelenke mit Arthrosen (Teil-GdB 10) vor. Der GdB werde auf 20 seit dem 17.04.2008 geschätzt.
Mit Urteil vom 13.12.2011 wies das SG gestützt auf das Gutachten von Dr. S. die Klage ab. Ausgehend von einem Teil GdB von 20 für die Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule, einem Teil-GdB von 10 für die Funktionsbeeinträchtigung der Hüft- und Kniegelenke sei der Gesamt-GdB von 20 zutreffend festgestellt. Für den Diabetes könne kein GdB festgestellt werden.
Gegen das dem Kläger am 28.12.2011 zugestellte Urteil hat er am 02.01.2012 beim SG Berufung eingelegt, die dem Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt worden ist. Er hat zur Begründung vorgetragen, bei ihm liege im linken Kniegelenk ein tiefgreifender Knorpeldefekt (Grad III bis IV) sowie eine chronische "Ansatzrendritis der Retinakula" vor, wie Dr. R. , der bei ihm am 03.03.2008 eine Operation des linken Knies vorgenommen habe, im Operationsbericht vom 03.03.2008 festgestellt habe. Im Verfahren gegen die Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten (S 5 U 5515/10) seien Dr. M. und Dr. F. in ihren sachverständigen Zeugenaussagen hinsichtlich des linken Knies von einer MdE von 20 v.H. ausgegangen. Insoweit könne Dr. S. nicht gefolgt werden. Für die Funktionsbehinderung der Hüftgelenke und des linken Kniegelenks sei von einem GdB von mindestens 30 auszugehen. Die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule sei ebenfalls mit einem GdB von 30 zu bewerten. Hinzu kämen der Diabetes, die Fettstoffwechselstörung, die Migräne und die Gebrauchseinschränkung der Hand.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. Dezember 2011 aufzuheben sowie den Bescheid des Beklagten vom 19. Juni 2009 in der Fassung des Teil-Abhilfebescheids vom 1. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. März 2010 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, bei ihm den Grad der Behinderung mit 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Nach Aktenlage könne kein höherer Gesamt-GdB als 20 festgestellt werden.
Die Beteiligten sind mit richterlichem Hinweisschreiben und Verfügung vom 23.04.2010 auf die Möglichkeit einer Entscheidung des Senats nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen worden und haben Gelegenheit zur Äußerung erhalten.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie ein Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
II.
Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann der Senat - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten sind mit richterlicher Verfügung vom 23.04.2010 auf die in Betracht kommende Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG sowie deren Voraussetzungen hingewiesen worden und haben Gelegenheit erhalten, zur Sache und zum beabsichtigen Verfahren Stellung zu nehmen.
Der Senat hat den Berufungsantrag des Klägers nach seinem erkennbaren Begehren sachdienlich gefasst.
Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte und nach § 151 SGG auch insgesamt zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 19.06.2009 in der Fassung des Teil-Abhilfebescheids vom 01.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.03.2010 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung des GdB von 30 oder gar 50, wie er anstrebt. Das angefochtene Urteil des SG ist nicht zu beanstanden.
Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung, nach Zehnergraden abgestuft, festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). Die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 17 BVG erlassenen und am 01.01.2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2008 gelten entsprechend (§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX), so dass die bis 31.12.2008 die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2008" (AHP) und ab 01.01.2009 die "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (Anlage zu § 2 VersMedV - VG -), zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 28. Oktober 2011 (BGBl. I S. 2153), heranzuziehen sind.
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet (vgl. Teil A 3 der VG). In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (VG a.a.O.). Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (Teil A 3 der VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung dieser Grundsätze in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (vgl. BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5, jeweils zu den AHP).
Hiervon ausgehend begründen die durch die vom Beklagten und vom SG durchgeführten Ermittlungen nachgewiesenen Behinderungen des Klägers zur Überzeugung des Senats keinen höheren GdB als 20.
Das Wirbelsäulenleiden des Klägers rechtfertigt - entgegen seiner Ansicht - keinen höheren GdB als 20. Nach den VG Teil B 18.9 beträgt bei Wirbelsäulenschäden ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität der GdB 0, bei geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) der GdB 10, bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) der GdB 20 und erst bei schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) oder bei mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten der GdB 30. Dem entsprachen auch die nach Antragstellung des Klägers im April 2008 noch bis 31.12.2008 gültigen Bewertungssätze der AHP. Hiervon ausgehend ist für das Wirbelsäulenleiden des Klägers der Teil-GdB von 20 nicht zulasten des Klägers zu niedrig bemessen. Nach der nachvollziehbaren und überzeugenden Bewertung von Dr. S. in seinem Gutachten vom 09.06.2011 bestehen beim Kläger lumbale Rückenbeschwerden, die sich auf leichte, dem Alter nur wenig vorauseilende osteochondrotisch-degenerative Veränderungen der Lendenwirbelsäule und des Übergangs zur Brustwirbelsäule zurückführen lassen. Die Beweglichkeit der Wirbelsäule wird dadurch jedoch nicht eingeschränkt. Anzeichen einer Nervenwurzelbeteiligung liegen nicht vor. Nach der überzeugenden Bewertung von Dr. S. besteht damit beim Kläger eine nur leichte Herabsetzung der Belastbarkeit, die vom Beklagten mit einem Teil-GdB von 20 eher großzügig berücksichtigt ist. Schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt werden von Dr. S. in seinem Gutachten nicht beschrieben. Ebenso wenig bestehen nach den von Dr. S. beschriebenen Befunden mittelgradige funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten des Klägers. Davon geht auch Dr. S. in seinem Gutachten aus, der den vom Beklagten angenommenen Einzel-GdB von 20 als vergleichsweise günstig bewertet, dem sich der Senat anschließt.
Sonstige, für die Bildung des GdB relevante Funktionsbehinderungen bestehen beim Kläger nicht.
Nach den nachvollziehbaren Ausführungen von Dr. S. in seinem Gutachten sind die Hüftgelenke des Klägers frei beweglich. Eine Funktionseinschränkung, die nach den VG Teil B 18.14 bzw. den AHP einen Teil-GdB von über 10 rechtfertigt, beschreibt Dr. S. in seinem Gutachten nicht. Beim Kläger kann, bei Angabe von einer lumbalen Schmerzausstrahlung in beide Hüften und ins rechte Bein bis zum Knie, nur von einer leichten Belastungseinschränkung ausgegangen werden, wie Dr. S. nachvollziehbar und überzeugend dargelegt hat, die einen Teil-GdB von 20 (oder höher) nicht rechtfertigt.
Entsprechendes gilt für eine Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks des Klägers. Nach den nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen von Dr. S. in seinem Gutachten liegen beim Kläger am linken Kniegelenk Knorpelschäden sowie eine leichte Arthrose vor. Es besteht eine endgradige Beugeeinschränkung (links 130° im Vergleich zu rechts 140°), bei sonst reizlosen Arthroskopienarben, keine Überwärmung und Erguss, beidseits festen Seiten- und Kreuzbänder, keinen Bewegungsgeräuschen und guter Verschieblichkeit der Kniescheiben mit Druckschmerz und Außendrehschmerz am inneren Gelenkspalt links. Nach der plausiblen Bewertung von Dr. S. kommt der endgradigen Beugeeinschränkung funktionell keine Bedeutung zu. Eine am 03.03.2008 erfolgte arthroskopische Operation des linken Knies (mit Knorpelglättung, Mikrofrakturierung an medialem Femurcondylus und am femoropatellaren Gleitlager, eine partielle Synovialektomie und Resektion einer Plica bei emittierender und Retropatellararthrose, großflächiger Chondromalazie und Synovialitis) wertet Dr. S. nach den erhobenen Befunden als erfolgreich, weshalb sich der Kläger auf die im Operationsbericht des Dr. R. vom 03.03.2008 beschriebenen Befunde nicht mit Erfolg berufen kann. Damit sind beim Kläger hinsichtlich des linken Kniegelenkes keine Funktionsbehinderungen nachgewiesen, die, auch unter Einbeziehung einer leichten Belastungseinschränkung der Hüftgelenke, nach den VG bzw. AHP für die unteren Gliedmaßen einen Teil-GdB 20 (oder mehr) rechtfertigt. Vielmehr ist ein Teil-GdB von 10 angemessen. Soweit sich der Kläger zur Berufungsbegründung auf Dr. M. und Dr. F. im Verfahren des SG S 5 U 5515/10 beruft, die hinsichtlich des linken Knies eine MdE von 20 v.H. angenommen hätten, ist deren Ansicht nach den von Dr. S. in seinem Gutachten beschriebenen Befunde der Kniegelenke des Klägers mit allenfalls geringgradigen Funktionseinbußen nicht nachvollziehbar. Entgegen dem Berufungsvorbringen des Klägers ist Dr. S. in seinem Gutachten vom 09.06.2011 auch nicht lediglich von einer bestehenden Arthrose am linken Knie ausgegangen, sondern hat auch die beim Kläger vorliegenden Knorpelschäden am linken Kniegelenk in seine gutachterlichen Bewertungen mit einbezogen.
Eine Gebrauchseinschränkung der Hand liegt - entgegen dem Berufungsvorbringen des Klägers - nicht vor. Dr. S. beschreibt in seinem Gutachten vom 09.06.2011 vielmehr eine in allen Gelenken der Arme und der Hände freie Beweglichkeit bei mittelkräftiger Muskulatur. Nacken-, Kopf- und Kreuzgriff sind dem Kläger möglich. Über eine Funktionseinbuße der Hände hat der Kläger im Übrigen bei der Untersuchung durch Dr. S. auch nicht geklagt.
Auch der Diabetes mellitus ruft keine für die Bildung des GdB relevante Beeinträchtigung des Klägers hervor. Nach der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage von Dr. K. vom 17.08.2010 an das SG wird der 2008 diagnostizierte Diabetes mellitus mit Metformin (bei mangelhafter Compliance des Klägers) behandelt. Eine Insulintherapie ist nicht erforderlich. Eine eine Hypoglykämie auslösende Therapie ist damit nicht erforderlich, wovon Dr. W. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 09.09.2010 ersichtlich ausgeht, was auch Dr. S. in seinem Gutachten vom 09.06.2011 bestätigt hat und zudem dem Senat aufgrund seiner Kenntnisse aus anderen Rechtsstreitigkeiten auch gerichtsbekannt ist. Danach rechtfertigt der Diabetes mellitus nach den VG in der am 15.07.2010 in Kraft getretenen Fassung der Zweiten Verordnung zur Änderung der VG (BGBl. I, 928) keinen Teil-GdB (vgl. Teil B 15.1) und in der bis 14.07.2010 geltenden Fassung der VG bzw. den AHP einen Teil-GdB von 10. Hierauf hat Dr. W. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 09.09.2010 zutreffend hingewiesen, was auch Dr. S. in seinem Gutachten bestätigt hat. Dem schließt sich der Senat an.
Eine Migräne des Klägers lässt sich den zu den Akten gelangten Befundunterlagen nicht entnehmen. Dr. K. hat in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 18.05.2010 an das SG über das Vorliegen einer Migräne nicht berichtet. Dies gilt auch für eine vom Kläger außerdem im Berufungsverfahren geltend gemachte Fettstoffwechselstörung.
Nach den oben dargestellten Grundsätzen zur Bildung des GdB ist damit beim Kläger (allenfalls) ein Teil-GdB von 20 für das Wirbelsäulenleiden zu berücksichtigen. Das mit einem Teil-GdB von 10 zu bewertende Hüft- und Kniegelenksleiden sowie der Diabetes mellitus (bis 14.07.2010) des Klägers ist bei der Bildung des Gesamt-GdB nicht erhöhend zu berücksichtigen. Damit beträgt der Gesamt-GdB (allenfalls) 20 seit dem 17.04.2008, wovon auch Dr. S. in seinem Gutachten vom 09.06.2011 ausgeht, dem der Senat folgt.
Anlass für weitere Ermittlungen besteht nicht. Der Senat hält den entscheidungserheblichen Sachverhalt durch die zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen und die vom SG durchgeführten Ermittlungen für geklärt. Neue Gesichtspunkte, die dem Senat Anlass zu weiteren Ermittlungen geben, hat der Kläger im Berufungsverfahren nicht aufgezeigt. Soweit sich der Kläger auf die Bewertung der MdE mit 20 v.H. wegen Beschwerden und einer Bewegungseinschränkung des linken Kniegelenks durch Dr. M. und Dr. F. im Klageverfahren gegen die Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten (S 5 U 5515/10) beruft, ist deren Bewertung nach dem von Dr. S. bei der Begutachtung des Klägers beschriebenen Kniegelenksbefund, wie ausgeführt, nicht nachvollziehbar. Dass nach der Untersuchung des Klägers durch Dr. S. eine relevante Verschlimmerung eingetreten ist, wird vom Kläger nicht geltend gemacht und ist auch sonst nicht ersichtlich. Der Senat sieht sich deshalb auch nicht gedrängt, die Akten des SG S 5 U 5515/10 beizuziehen. Der Kläger hat die Beiziehung dieser Akten im Übrigen auch nicht angeregt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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