L 11 R 1496/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 133/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 1496/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 25.01.2011 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1., 2. sowie 5. bis 10.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 23.946,25 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin verpflichtet ist, wegen einer sozialversicherungspflichtigen abhängigen Beschäftigung der Beigeladenen zu 1., 2. und 10. in ihrem Unternehmen Gesamtsozialversicherungsbeiträge iHv 23.946,25 EUR zu bezahlen.

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen im Bereich Wertstoffrecycling (vgl http://www.e ...de/). In diesem Rahmen betreibt sie eine Sortieranlage (Sortierband), an der Papier sortiert und in Container getrennt wird, sodass dieses Papier dem Altpapierrecycling zugeführt werden kann. Ist das Papier nicht ausreichend sauber getrennt, wird die Sortierware von den Kunden der Klägerin, also den Papierfabriken, zurückgegeben und muss nachsortiert werden. Dies geschieht durch die Klägerin oder durch Fremdfirmen, die dann entsprechende Kosten in Rechnung stellen. An der Sortieranlage werden regelmäßig zwei Personen, maximal vier bis sechs Personen, eingesetzt. Dabei setzt die Klägerin vormittags eigene abhängig Beschäftigte ein; nachmittags bis abends ist das Sortierband mit Personen besetzt, die aus Sicht der Klägerin als Selbständige einzustufen sind. Diese werden nach sortierter Menge (Tonnen an sortiertem Material) und Tagespreis pro Tonne bezahlt. Die Beigeladenen zu 1., 2. und 10. stellten für ihre Tätigkeit Rechnungen. Sofern der Klägerin Kosten für das Nachsortieren durch Fremdfirmen entstanden, wurden diese den Beigeladenen zu 1., 2. und 10 in Rechnung gestellt; sofern diese die Nachsortierung selbst durchgeführt haben, wurde die entsprechende Zeit nicht vergütet. Die Klägerin hatte die Beigeladenen zu 1., 2. und 10 über Zeitungsanzeigen gesucht (vgl Blatt 131, 132 der SG-Akte). Zur Sozialversicherung waren diese nicht gemeldet. Die Klägerin richtete für diese Personen in ihrer Buchhaltung Sachkonten ein; schriftliche Abreden/Verträge bestanden nicht.

Der 1982 geborene Beigeladene zu 1. (D. C.) war auf der Sortieranlage der Klägerin tätig. Für seine Tätigkeit stellte er der Klägerin ab Juni 2007 bis zuletzt am 02.05.2008 Rechnungen aus. Er hatte am 25.09.2007 ein Gewerbe im Bereich "Dienstleistungen im Bereich Sortierarbeiten und Kleintransporte" angemeldet. Auf Befragung durch die Beklagte meldete er sich nicht.

Der 1983 geborene Beigeladene zu 2. (Ch. Do.) war ebenfalls auf der Sortieranlage der Klägerin tätig. Für seine Tätigkeit stellte er der Klägerin seit Februar 2005 bis Mai 2007 Rechnungen aus. Ein Gewerbe hatte er nicht angemeldet. Auf Befragung durch die Beklagte teilte er telefonisch mit (Blatt 32 der Verwaltungsakte), er habe keine Unterlagen mehr. Er habe sich "nicht unbedingt selbständig" gefühlt. Er habe Rechnungen schreiben müssen. Die Mutter des Beigeladenen zu 2. teilte der Beklagten telefonisch (vgl Blatt 32 der Verwaltungsakte) mit, die Klägerin habe die Maschine zur Verfügung gestellt, das Team habe damit auskommen müssen um zu Erfolg zu kommen.

Der 1937 geborene Beigeladene zu 10. (E. W.) war von April 2006 bis Mai 2007 auf der Sortieranlage der Klägerin tätig. Für seine Tätigkeit stellte er der Klägerin Rechnungen aus. Ein Gewerbe hat er nicht angemeldet. Auf Befragung durch die Beklagte meldete er sich nicht. Er bezieht eine Altersrente.

A. E. (geb 1965) war auf der Sortieranlage der Klägerin tätig. Für seine Tätigkeit stellte er der Klägerin erstmals für August 2007 bis zum Jahresanfang 2008 Rechnungen unter der Bezeichnung "Dienstleistungszentrum Alb" aus. Er hatte seit 21.11.2005 ein Gewerbe im Bereich "Dienstleistungen jeglicher Art (Möbelmontage, Kücheneinbau, Trockenbau und Hausmeisterservice)" angemeldet. Am 07.02.2006 meldete er das Gewerbe vom Haupt- zum Nebengewerbe und zum 01.01.2008 das Nebengewerbe in ein Hauptgewerbe ("Dienstleistungen [Fahrdienst, Hausmeisterservice, Telefonservice]") um. Die Bundesagentur für Arbeit hatte ihm einen Existenzgründerzuschuss ("Ich-AG") vom 21.11.2005 bis 20.11.2006, 21.11.2006 bis 20.011.2007 und vom 21.11.2007 bis 20.11.2008 gewährt. Auf Befragen der Beklagten gab er telefonisch an, mit einer Ich-AG selbständig zu sein; er habe für die Klägerin Akten vernichtet, Fließen zerschlagen, Grünlagen gepflegt. In einem von ihm am 25.02.2008 unterschriebenen Fragebogen der Beklagten (Blatt 18 der Verwaltungsakte) gab er ua an, mehrere Auftraggeber zu haben, nicht am Betriebssitz des Auftraggebers zu arbeiten, keine wöchentlichen Arbeits- oder Anwesenheitszeiten einhalten zu müssen, Gewerbesteuern zu zahlen, ein häusliches Arbeitszimmer zu haben, keinen Arbeitnehmer zu beschäftigen, die Arbeitszeit frei einteilen zu können, in Form von Autowerbung für sein Unternehmen Werbung zu machen und die Preise frei gestalten zu können.

In der Zeit vom 04.08.2008 bis 14.05.2009 führte die Beklagte bei der Klägerin eine Betriebsprüfung durch, die die Beitragsabführung im Zeitraum vom 01.01.2004 bis zum 31.12.2007 umfasste. Nach Anhörung der Klägerin am 15.05.2009 setzte die Beklagte mit Bescheid vom 10.07.2009 für den Prüfzeitraum und die Beigeladenen zu 1., 2. und 10. eine Nachforderung an Gesamtsozialversicherungsbeiträgen und Umlagen iHv 23.946,25 EUR fest. Zur Begründung verwies sie darauf, es sei festgestellt worden, dass die von der Klägerin als selbständig beurteilten Beigeladenen zu 1, 2 und 10 im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung tätig geworden seien. Dagegen liege hinsichtlich von A. E. während des Bewilligungszeitraums nach § 421l SGB III vom 21.11.2005 bis zum 20.11.2008 kein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vor.

Mit ihrem Widerspruch vom 07.08.2009 machte die Klägerin geltend, die streitgegenständliche Sortiertätigkeit sei sowohl selbständig als auch nichtselbständig ausführbar. Eine Haftungsübernahme habe insoweit bestanden, als im Falle einer Ablehnung der sortierten Ware durch die jeweilige Papierfabrik eine kostenfreie Nachsortierung erforderlich gewesen sei. Auch zeige die Tatsache, dass zwei der Personen ihre Tätigkeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist beendet hätten, dass diese selbständig gewesen seien. Es seien Rechnungen erstellt worden wobei das Gewicht des sortierten Materials entscheidend für die Höhe der Vergütung gewesen sei. Auch habe sich der Beigeladene zu 1., nachdem er erst ohne eigene Mitarbeiter tätig gewesen sei, ab August 2007 entschlossen, eigene Mitarbeiter einzusetzen. Die Arbeiten hätten zwar an ihrer Sortieranlage ausgeführt werden müssen, eine zeitliche Bindung habe dagegen nicht bestanden, es habe den Personen in Absprache mit den Kollegen frei gestanden ihre Arbeitszeit zu gestalten. Ein Urlaubsanspruch oder eine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle habe nicht bestanden. Zudem seien die Personen aufgefordert worden, ggf ein Gewerbe anzumelden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10.12.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Versicherungs- und Beitragspflicht in der Sozialversicherung sei nicht vom Willen der Beteiligten abhänge, sondern bestimme sich ausschließlich unter Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse nach gesetzlichen Vorgaben. Im vorliegenden Fall würden nach den Gesamtumständen die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung überwiegen. Bei den Sortierarbeiten handele es sich um einfache Tätigkeiten, die eine besondere Berufsausbildung bzw Qualifizierung nicht erforderten, sie hätten nur mit den von der Antragsgegnerin zur Verfügung gestellten Betriebsmitteln ausgeführt werden können. Auch aufgrund der Entlohnung nach Gewicht lasse sich ein Unternehmerrisiko nicht ableiten, da auch Arbeitnehmer im Rahmen von Akkordarbeiten die Möglichkeiten hätten den Stücklohn aufgrund eigener Arbeitsleistungen zu beeinflussen. Dafür, dass der Beigeladene zu 1. die Arbeiten mit eigenen Mitarbeitern ausgeführten habe, ergäben sich keine Anhaltspunkte. Auch die Gewerbeanmeldung stelle lediglich die Rechtsfolge einer selbständigen Tätigkeit dar, begründe aber nicht eine solche.

Am 12.01.2010 hat die Klägerin beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage erhoben, die das SG mit Urteil vom 25.01.2011 abgewiesen hat. Für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit spreche vorliegend zwar, dass die Beigeladenen zu 1., 2. und 10. nach Angaben der Klägerin nicht in deren Betrieb eingegliedert gewesen seien, insbesondere keinen zeitlichen Vorgaben hinsichtlich der Ausübung der Tätigkeit unterlegen hätten, sondern dass sie rein nach der sortierten Altpapiermenge und erst nach Rechnungsstellung bezahlt worden seien. Hinzu komme, dass ein Teilanspruch auf Urlaub oder Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bestanden haben solle und dass die Tätigkeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist beendet werden konnte. Auch die Möglichkeit der Zurückweisung der sortierten Ware mit der daraus folgenden Verpflichtung zur Nachsortierung sei grds ein Indiz für eine selbstständige Tätigkeit. Diesen Indizien stehe jedoch entgegen, dass selbst eine eingeschränkte Verweisungsbefugnis nicht die Fremdbestimmtheit einer Arbeit ausschließe. Anhaltspunkte für eine Fremdbestimmtheit seien die örtliche Gebundenheit in Verbindung mit der auch nur in geringem Maße vorhandenen zeitlichen Gebundenheit. Dies ergebe sich daraus, dass die Sortieranlage immer von mindestens zwei Personen habe bedient werden müssen und dass deshalb trotz Fehlens fester Arbeitszeiten immer eine Absprache mit anderen Mitarbeitern erforderlich gewesen sei. Hinzu komme, dass sich die Beigeladenen zu 1., 2. und 10. nach Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung bezüglich der Arbeitszeiten mit den übrigen Mitarbeitern hätten absprechen müssen, da diese nicht gleichzeitig mit den übrigen Mitarbeiter an der Anlage arbeiten sollten. Hinzu komme, dass zwar eine Pflicht zur Nachsortierung bei fehlerhafter Sortierung bestanden habe und es auch möglich gewesen sei, zu bestimmen, welcher Container von welcher Arbeitsschicht sortiert worden sei. Allerdings habe die Klägerin auch angegeben, dass eine Nachsortierung bei fehlerhafter Sortierung nicht immer unbedingt von den Mitarbeitern habe durchgeführt werden müssen, die die fehlerhafte Sortierung zu verantworten gehabt hätten. Für eine nichtselbstständige Tätigkeit spreche auch die Art der auszuführenden Arbeiten, bei der es sich um einfache Arbeiten gehandelt habe. Die Verrichtung solcher einfacher, routinemäßig sich wiederholenden Arbeiten deute in der Regel auf eine abhängige Beschäftigung hin. Zudem liege es in der Natur solch einfacher Arbeiten, dass sich - wie im vorliegenden Fall - fachliche Weisungen des Arbeitgebers in der Regel auf eine Einweisung zu Beginn der Tätigkeit beschränkten. Hinzu komme, dass die von den Beigeladenen zu 1., 2. und 10. auszuführenden Tätigkeiten nur ein Teilbereich des gesamten Tätigkeitsspektrums umfasst hätten. So seien lediglich einfache Sortierarbeiten ausgeführt worden, während die übrigen Mitarbeiter der Klägerin noch zusätzliche Tätigkeiten verrichtet hätten, wie zB das Pressen des Papiers und das Entfernen des aussortierten Materiales. Auch fehle ein Unternehmerrisiko. Denn eigenes Kapital oder sonstige Betriebsmittel hätten die Beigeladenen zu 1., 2. und 10. nicht eingesetzt. Auch aus der Entlohnung nach Gewicht der sortierten Materialien lasse sich nicht zwingend ein Unternehmerrisiko ableiten. Denn die Möglichkeit, den Stücklohn aufgrund eigener Arbeitsleistungen selbst zu beeinflussen, hätten auch Arbeitnehmer, die Akkordarbeiten ausführten. Auch das angeführte Haftungsrisiko in Form erforderlicher Nachsortierarbeiten bei Zurückweisung der sortierten Ware führe nicht zur Annahme eines Unternehmerrisikos. Zum einen sei eine Nachsortierung nicht immer erforderlich, zum anderen könne die Haftung für Verschulden bei fehlerhafter Ausführung einer übertragenen Tätigkeit ihre Grundlage auch in dem einem Beschäftigungsverhältnis zu Grunde liegenden Arbeitsverhältnis haben. Auch das Vorhandensein einer Gewerbeanmeldung (Beigeladener zu 1.) führe auch nicht zur Annahme einer selbstständigen Tätigkeit. Die Gewerbeanmeldung stelle lediglich die Rechtsfolge einer selbstständigen Tätigkeit dar, könne jedoch nicht zur Begründung einer solchen führen. Dasselbe gelte auch für den fehlenden Urlaubsanspruch sowie die fehlende Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Dass der Beigeladene zu 1. die Arbeiten ab August 2007 unter Einsatz eigener Angestellter verrichtet habe, hätte nicht nachgewiesen werden können. Vielmehr habe die Klägerin in der mündlichen Verhandlung sogar vorgetragen, es sei nicht sicher, ob der Beigeladene zu 1. eigene Mitarbeiter gehabt habe oder ob dieser selbst die Arbeiten ausgeführt habe. Auch die Auszahlung der Vergütung in der Form einer Rechnungsstellung führe nicht zwangsläufig zu einer anderen Beurteilung, zumal sich Anhaltspunkte dafür fänden, dass die gestellten Rechnungen einheitlich für die Beigeladenen zu 1., 2. und 10. erstellt worden seien. Anders lasse sich kaum erklären, dass die in der Akte der Beklagten befindlichen Rechnungen der verschiedenen Personen auffallend ähnlich formuliert seien. Auch spreche die Tatsache, dass nach Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung die Beigeladenen zu 1., 2. und 10. in der Stunde lediglich 10 bis 12 EUR verdient hätten, eher gegen eine selbstständige Tätigkeit. Denn bei einer selbständigen Tätigkeit müssten hieraus noch erforderliche Aufwendungen zur Krankenversicherung und Altersvorsorge bestritten werden, was bei diesem geringen Verdienst kaum vorstellbar sei.

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 02.03.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 01.04.2011 beim SG, beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) am 11.04.2011 eingegangen, Berufung eingelegt. Zutreffend sei das SG davon ausgegangen, dass die Beigeladenen zu 1., 2. und 10. nicht im Betrieb der Klägerin eingegliedert gewesen seien, da insbesondere keine zeitlichen Vorgaben hinsichtlich der Ausübung ihrer Tätigkeit bestanden hätten. Vielmehr seien diese rein nach der sortierten Altpapiermenge und erst nach Rechnungsstellung bezahlt worden. Irrig gehe das SG aber davon aus, dass die eingeschränkte Verweisungsbefugnis nicht die Fremdbestimmtheit einer Arbeit ausschließe. Die "feste Örtlichkeit" ergebe sich bereits aus der Eigenart der Tätigkeit, da diese zwangsläufig auf einer Sortieranlage zu erfolgen habe. Es könne nicht per se davon ausgegangen werden, dass jegliche Tätigkeit an einer fest mit dem Grund und Boden eines Unternehmens verbundenen Anlage automatisch dazu führe, dass es sich bei der Tätigkeit um eine nichtselbständige Tätigkeit handele. Hinsichtlich der zeitlichen Gebundenheit habe es lediglich der Absprachen zwischen den jeweiligen Gewerbetreibenden bedurft und nicht mit den Mitarbeitern der Klägerin. Dass im Rahmen der Pflicht zur Nacherfüllung bei fehlerhafter Sortierung teilweise auch vor Ort in der Nähe der entsprechenden Papierfabrik nachsortiert worden sei, stelle lediglich eine Maßnahme der Schadensminderung dar. Auch dass es sich um einfache Arbeiten handele, begründe keinen Anhaltspunkt für eine nicht selbstständige Tätigkeit. Vielmehr bestärke die Tatsache, dass die Tätigkeiten der Beigeladenen zu 1., 2. und 10. lediglich einen Teilbereich des gesamten Tätigkeitsspektrums der Berufungsklägerin umfasst hätten, gerade, dass eine Eingliederung in den Betrieb der Klägerin nicht erfolgt sei. Das Unternehmerrisiko der Beigeladenen zu 1., 2. und 10. ergebe sich aus dem Erfordernis der Nachsortierung; die Haftung für Verschulden bei fehlerhafter Ausführung einer übertragenen Tätigkeit sei im Falle eines Arbeitsverhältnisses an gänzlich andere Voraussetzungen geknüpft. Insbesondere scheide eine Haftung für Verschulden bei fehlerhafter Ausführung der Tätigkeit durch Arbeitnehmer wegen § 619a BGB regelmäßig aus. Im Übrigen sei der Umstand, dass die Tätigkeit von Beigeladenen zu 1., 2. und 10. persönlich ausgeführt worden sei, kein gewichtiges Indiz für die Verneinung einer selbstständigen Tätigkeit. Soweit das SG der Ansicht sei, eine Vergütung von lediglich 10 bis 12 EUR/Stunde spreche eher gegen eine selbständige Tätigkeit, so sei darauf hinzuweisen, dass sich die Angaben in der mündlichen Verhandlung darauf bezogen hätten, dass die Anlage auf einen Mindestdurchsatz von vier Tonnen pro Stunde bei angenommenen vier Sortierkräften ausgerichtet sei. Dass nicht lediglich eine Vergütung von 10 bis 12 EUR erzielt werden könne, ergebe sich bereits aus der Akte der Beklagten. Die erzielten Erlöse der Beigeladenen zu 1., 2. und 10. seien im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit angemessen und ausreichend. So habe der Beigeladene zu 1. im Jahr 2007 im Juni 636,15 EUR, im Juli 2.643,87 EUR, im August 2.105.21 EUR, im September 2.336,13 EUR, im Oktober 4.155,16 EUR, im November 4.787,73 EUR und im Dezember 3.467,36 EUR verdient. Hinsichtlich der Beigeladenen zu 2. und 10. erkläre sich der geringere Umsatz dadurch, dass diese nicht in vollem Umfang tätig gewesen seien. Des Weiteren seien die Gewerbeanmeldung, der fehlende Urlaubsanspruch und die fehlende Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall Indizien dafür, dass die Beigeladenen zu 1., 2. und 10. nicht in den Betrieb der Berufungsklägerin eingegliedert gewesen seien.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 25.01.2011 und den Bescheid der Beklagten vom 10.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.12.2009 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beigeladenen zu 3. und 4. beantragen schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Die weiteren Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Die Beklagte hat ausgeführt, eine betriebliche Eingliederung liege vor, wenn der Betroffene die Arbeitsleistung in einer fremdbestimmten Arbeitsorganisation erbringe. Dies könne sich zeigen, indem der Betroffene Weisungen von Seiten des Betriebs erhalte, indem er unmittelbar mit anderen Mitarbeitern des Betriebes zusammenarbeite, indem er Einrichtungen bzw Arbeitsmittel des Betriebes nutze oder indem er anderweitig in die betrieblichen Abläufe integriert sei. Aufgrund der technischen Umstände könnten die Sortierarbeiten nur von mehreren Arbeitskräften gleichzeitig ausgeübt werden. Es hätten deshalb Gruppen gebildet werden müssen, um eine bestimmte Gesamtleistung zu erbringen. Gerade die Gruppenarbeit sei jedoch kennzeichnend für eine Arbeitnehmertätigkeit. Dadurch sei generell auch eine Gewährleistung des Einzelnen nach dem "Verursacherprinzip" auszuschließen. Unabhängig davon, ob die Nachsortierarbeiten bezahlt worden seien oder nicht, hätten diese eine Arbeitsleistung im Rahmen einer Arbeitnehmertätigkeit dargestellt. Auch dürfe das Einkommensrisiko nicht mit dem "Unternehmerrisiken" gleichgestellt werden. Dieses Risiko, nämlich keine Arbeit und damit keinen Lohn zu bekommen, trage jeder Beschäftigte. Es sei deshalb nicht dazu geeignet, eine selbständige Tätigkeit zu begründen. Das Unternehmerrisiko sei dagegen durch den Einsatz finanzieller Mittel geprägt und zum anderen auch durch das Risiko des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft, wenn offen bleibe, ob der Arbeitende für seine Tätigkeit überhaupt Entgelt erhalte. Auch der unregelmäßige Einsatz von Arbeitskräften bedinge keine selbständige Tätigkeit. Selbst wenn man von einem gewissen unternehmerischen Risiko ausgehe, sei dies nur dann ein Indiz für eine Selbständigkeit, wenn dem auch unternehmerische Chancen gegenüberstünden. Solche seien bei der hier zu beurteilenden Tätigkeit jedoch nicht zu erkennen.

Die Beigeladenen zu 3. und 4. sowie 5. und 6. haben mitgeteilt, sie hielten das Urteil des SG für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Ante des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der beklagten Bezug genommen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Klägerin eingeräumt, dass auch nachmittags gelegentlich festangestellte Mitarbeiter eingesetzt worden sind, wenn dies durch einen krankheitsbedingten Ausfall der "Selbständigen" erforderlich geworden ist.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig, jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Gegenstand der isolierten Anfechtungsklage (§ 42 Abs 1 Satz 1 SGG) ist der Bescheid der Beklagten vom 10.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.12.2009, mit dem die Beklagte Gesamtsozialversicherungsbeiträge und Umlagen iHv 23.946,25 EUR wegen sozialversicherungspflichtiger abhängiger Beschäftigung der Beigeladenen zu 1., 2. und 10. im streitigen Zeitraum (hinsichtlich des Beigeladenen zu 1.: 02.06.2007 bis zum 30.04.2008; hinsichtlich des Beigeladenen zu 2.: 14.02.2005 bis zum 16.05.2007; hinsichtlich des Beigeladenen zu 10.: 01.04.2006 bis 16.05.2007) festgesetzt hat. Dieser Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Nach § 28p Abs 1 Satz 5 SGB IV erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung nach § 28p Abs 1 Satz 1 SGB IV Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern. Nach § 28p Abs 1 Satz 1 SGB VI prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen. Die nach diesen Vorschriften beim Kläger durchgeführte Prüfung hat ergeben, dass die Klägerin ua ihrer Meldepflicht nach § 28a Abs 1 Nr 1 SGB IV, ihrer Pflicht nach § 28d Satz 1, § 28e Abs 1 Satz 1 und § 28h Abs 1 SGB IV zur Abführung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die Beigeladenen zu 1, 2. und 10. für den streitigen Zeitraum und seinen Aufzeichnungs- und Nachweispflichten nach § 28f SGB IV nicht nachgekommen ist. Die Beklagte hat die Gesamtsozialversicherungsbeiträge daher von der Klägerin zu Recht nachgefordert.

Die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1., 2. und 10. im Unternehmen der Klägerin ist versicherungspflichtig in der gesetzlichen Kranken-, Renten-, sozialen Pflege- und Arbeitslosenversicherung. Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie seit 01.01.1995 auch in der Pflegeversicherung der Versicherungs- und daraus folgend auch der Beitragspflicht (zur Versicherungspflicht vgl § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB XI, § 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI und § 24 Abs 1 und § 25 Abs 1 SGB III). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind gemäß § 7 Abs 1 Satz 2 SGB IV in der seit 01.01.1999 geltenden Fassung des Art 1 Nr 1 a des Gesetzes zur Förderung der Selbständigkeit vom 20.12.1999 (BGBI I 2000, 2) eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (vgl hierzu und zu Nachfolgendem: Senatsurteil vom 18.05.2010, L 11 KR 1423/08, juris).

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann, insbesondere bei Diensten höherer Art, eingeschränkt sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.

Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Dieses bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen, zu denen die rechtlich relevanten Umstände gehören, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben (vgl BSG, 11.03.2009, B 12 KR 21/07 R, juris; BSG, 04.07.2007, B 11a AL 5/06 R, SozR 4 - 2400 § 7 Nr 8 = juris; BSG, 24.01.2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4 - 2400 § 7 Nr 7 = juris). Deshalb kann zwar eine an sich rechtlich bestehende Abhängigkeit durch die tatsächlichen Verhältnisse so überlagert sein kann, dass eine Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinne ausscheidet (BSG, 17.05.2001, B 12 KR 34/00 R, SozR 3-2400 § 7 Nr 17 = juris; BSG, 08.12.1987, 7 RAr 25/86, juris; BSG, 07.09.1988, 10 RAr 10/87, SozR 4100 § 141b Nr 41 = juris). Andererseits ist die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich, solange die Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist, die Rechtsmacht also noch besteht, selbst wenn von dieser tatsächlich kein Gebrauch gemacht wird (BSG, 08.09.1990, 11 RAr 77/89, SozR 3-2400 § 7 Nr 4 = juris).

Zur Überzeugung des Senats steht gemessen an diesen Grundsätzen und unter Berücksichtigung und Würdigung einer Gesamtschau aller Umstände des vorliegenden Falles fest, dass die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1., 2. und 10. im Betrieb der Klägerin in der streitigen Zeit als abhängige Beschäftigung zu qualifizieren ist, weshalb die Beigeladenen zu 1., 2. und 10. in der gesetzlichen Kranken-, Renten, sozialen Pflege- und Arbeitslosenversicherung in der streitigen Zeit versicherungspflichtig sind. Die Merkmale, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen, überwiegen vorliegend eindeutig. Dies hat das SG mit zutreffender Begründung festgestellt.

Ein schriftlicher Vertrag wurde zwischen der Klägerin und den Beigeladenen zu 1., 2. und 10. nicht geschlossen. Diese waren aufgrund einer mündlichen Abrede an der Sortieranlage der Klägerin tätig und haben für diese die dort anfallenden Sortierarbeiten, einschließlich der ggf erforderlich werdenden Nacharbeiten, erledigt. Die tatsächlichen Verhältnisse sind daher zunächst dadurch gekennzeichnet, dass die Beigeladenen zu 1., 2. und 10. Arbeiten, die - auch wenn die Klägerin neben der Sortieranlage noch weitere Geschäftsfelder betrieb, so eine Ballenpresse und eine Aktenvernichtung - zum typischen Unternehmensgeschäft der Klägerin gehören, unter Einschluss von ggf erforderlich werdenden Nacharbeiten wegen von ihnen selbst oder anderen Mitarbeitern der Klägerin verursachter unsauberer Sortierarbeit für die Klägerin erledigt haben. Gerade diese Nach(sortier)arbeiten, die auf Weisungen der Klägerin auch vor Ort bei einer Papierfabrik erledigt werden mussten, zeigen, dass die Beigeladenen zu 1., 2. und 10. für die Klägerin tätig geworden sind. Denn nach außen hin traten sie auch dort für die Klägerin in Erscheinung, auch hat die Klägerin deren Aufwendungen nach außen hin geltend gemacht. Auch soweit die Nachsortierung durch Fremdfirmen im Auftrag und für Rechnung der Klägerin, die ihre Aufwendungen wiederum bei den Beigeladenen zu 1., 2. und 10. in Rechnung stellte, erfolgte, zeigt, dass die Klägerin nach außen hin nicht nur für ihre Mitarbeiter sondern auch für die Beigeladenen zu 1., 2. und 10. auftrat, sodass diese nach außen hin nicht in Erscheinung treten konnten. Die Beigeladenen zu 1., 2. und 10. waren im Wesentlichen auf dem Betriebsgelände der Klägerin sowie unter Nutzung der Betriebsstoffe und Betriebsmittel (Sortiermaschine) sowie der Rohstoffe (Altpapier) der Klägerin tätig. Selbst wenn die Beigeladenen zu 1., 2. und 10. nicht auf dem Betriebsgelände der Klägerin tätig waren (zB bei einer Nachsortierung in einem Papierwerk), haben sie an den Produkten und Materialien der Klägerin und in deren Auftrag gearbeitet. Eigene Produktionsmittel, -stätten oder eigenes Kapital war zur Erledigung der Arbeiten nicht erforderlich; solches hatten die Beigeladenen zu 1., 2. und 10. auch nicht. Zwar konnten die die Beigeladenen zu 1., 2. und 10. die Übernahme von Tätigkeiten ablehnen, den zeitlichen Umfang und die Dauer ihrer Tätigkeit bestimmen, so hatten sie einen Schlüssel zum Betriebsgelände und zur Sortieranlage und konnten daher grds ihre Arbeit einteilen, doch waren sie nicht vor den Weisungen der Klägerin frei. Denn zunächst stellt schon die Weisung der Klägerin, nicht mit anderen - festangestellten - Mitarbeitern zusammen, also nicht vormittags, zu arbeiten, eine verbindliche Weisung dar. Des Weiteren hatte die Klägerin zu bestimmen, welche Rohstoffe in welcher Art zu sortieren waren. Das Weisungsrecht zeigt sich vor allem auch darin, dass die Klägerin gerade bei Nacharbeiten zu bestimmen hatte, wer - es musste nicht unbedingt derjenige sein, der falsch bzw unsauber sortiert hatte -, wo - es konnte das Betriebsgelände der Klägerin oder eine Papierfabrik sein - und wie - zu denken ist an eine komplette Neusortierung bzw nur an ein teilweises Sortieren - diese Arbeiten auszuführen hatte. Damit unterlagen die Beigeladenen zu 1., 2. und 10. einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht der Klägerin. Dass das Weisungsrecht angesichts der eher einfach gearteten Tätigkeit und der Erfahrungen der Beigeladenen zu 1., 2. und 10. nur selten auszuüben war, spricht nicht gegen das Bestehen einer solchen Weisungsbefugnis. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Rechtsmacht hierzu bestanden hatte; dass dem so war sieht der Senat aber gerade anhand des Beispiels der Nachsortierungen als erwiesen an.

Auch ist der Senat davon überzeugt, dass die Beigeladenen zu 1., 2. und 10. in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert waren. Betrieb in diesem Sinne ist jede organisatorische Einheit, innerhalb der mit Hilfe sächlicher oder sonstiger Mittel ein bestimmter arbeitstechnischer Zweck fortgesetzt verfolgt wird (BSG, 04.06.1998, B 12 KR 5/97 R, SozR 3-2400 § 7 Nr 13 = juris). Eine Eingliederung liegt vor, wenn die Arbeiten fremdbestimmt sind und sie in einer von einer anderen Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes erfolgen; dies gilt nicht nur für höhere Dienste (dazu vgl BSG, 24.09.1992, 7 RAr 12/92, SozR 3-4100 § 168 Nr 8 = juris; BSG, 03.02.1994, 12 RK 84/92, SozR 3-2940 § 3 Nr 2 = juris). Maßgebend ist damit der betriebsorganisatorische Zusammenhang, in dem eine bestimmte Tätigkeit steht (Seewald in Kasseler Kommentar, § 7 SGB IV Rdnr 64, 73. Ergänzungslieferung 2012). Entscheidend ist also, ob die tätig werdende Person Glied eines fremden Betriebes ist oder im Mittelpunkt eines eigenen Unternehmens steht (BSG, 26.02.1960, 3 RK 41/57, SozR Nr 16 zu § 165 RVO = juris; vgl auch Seewald aaO). Vorliegend wurden die Beigeladenen zu 1., 2. und 10. ausschließlich als unselbständiges Glied innerhalb der Betriebsabläufe der Klägerin tätig. Ohne die Klägerin und deren Betriebsorganisation, Betriebsanlagen und Betriebsmittel und -stoffe konnten die Beigeladenen zu 1., 2. und 10. keinerlei Tätigkeit ausüben. Auch mussten sie, da nicht mehr als maximal vier bis sechs Personen gleichzeitig arbeiten konnten, die Betriebsabläufe der Klägerin und deren sonstiger Mitarbeiter beachten und entsprechende Weisungen der Klägerin befolgen. Auch wenn die Klägerin darauf geachtet hat, dass nur eigene Mitarbeiter einerseits und die Beigeladenen zu 1.,2. und 10. andererseits zusammen arbeiteten, so zeigen die Ausführungen in der mündlichen Verhandlung auch, dass es keine strikte Trennung gegeben hatte. Denn bei einem kurzfristigen Ausfall eines der Beigeladenen zu 1., 2. oder 10. hat die Klägerin zur Aufrechterhaltung der "Produktion" eigene Mitarbeiter eingesetzt. Daher bestand immer das Bedürfnis, die Beigeladenen zu 1., 2. und 10. zu überwachen, zu koordinieren und ggf Fehlzeiten aufzufangen. Damit wurden die Beigeladenen zu 1., 2. und 10. wie eigene Mitarbeiter der Klägerin eingesetzt und es steht zur Überzeugung des Senats fest, dass diese Beigeladenen in die Arbeitsorganisation und damit den Betrieb der Klägerin fest eingegliedert waren.

Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass die Beigeladenen zu 1., 2. und 10. kein eigenes Personal hatten; das Vorbringen der Klägerin hinsichtlich der Beschäftigung eigener Mitarbeiter durch den Beigeladenen zu 1. konnte weder nachgewiesen werden, noch hat sie dies vor dem SG und auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat noch so mit Sicherheit angeben können. Vertragsstrafen waren nicht vereinbart und die Durchführung von Werbemaßnahmen oder ein eigenständiges Auftreten am Markt durch die Beigeladenen zu 1., 2. oder 10. hinsichtlich der vorliegend streitigen Tätigkeit in der Papiersortierung konnte der Senat weder feststellen noch wurde dies von der Klägerin oder einem der Beigeladenen zu 1., 2. oder 10. geltend gemacht.

Die Beigeladenen zu 1., 2. und 10. hatten ein für die selbständige Tätigkeit typisches Unternehmerrisiko, nämlich nicht nur Arbeitskraft, sondern auch Arbeitsmittel und Kapital mit der Gefahr des Verlustes aufzuwenden, zu keinem Zeitpunkt zu tragen. Denn weder hatten sie eigenes Kapital noch eigene Arbeitsmittel, Betriebsmittel oÄ eingesetzt um ihre Tätigkeit zu verrichten. Vielmehr beschränkte sich ihr "Risiko" darauf, Arbeiten erbringen zu müssen, die lediglich entsprechend ihrer geleisteten Menge (Tonnen an sortiertem Papier) und anhand des Tagespreises vergütet wurden. Auf dieser Basis haben die Beigeladenen zu 1., 2. und 10. jedoch Zahlungsansprüche gegen die Klägerin erworben; dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig. Der Verlust dieser Zahlungsansprüche, bei denen es sich nach Überzeugung des Senats um Lohnansprüche handelt, durch Nichterfüllung seitens des Arbeitgebers oder dessen Insolvenz sind aber keine typischen Arbeitgeber- sondern auch typische Arbeitnehmerrisiken. Auch die Bezahlung entsprechend einer geleisteten Menge oder einer abgeleisteten Zeit sind keine typischen Merkmale einer selbständigen Tätigkeit. Dass für Nachsortierungen keine Beträge gezahlt worden sein sollen, wäre angesichts des Umstandes, dass der verursachende Mitarbeiter nicht auch die Nachsortierung durchführen musste, eher zweifelhaft. Insoweit steht aber auch § 619a BGB einer Inanspruchnahme von Arbeitnehmern bei zu vertretenden Pflichtverletzungen nicht entgegen. Soweit die von der Klägerin aufgewandten Kosten für Nachsortierungen durch Fremdfirmen den Beigeladenen zu 1., 2. und 10. in Rechnung gestellt worden waren, spricht dies bei der Gesamtschau aller Umstände sozialversicherungsrechtlich nicht gegen eine abhängige Beschäftigung; über die zivilrechtliche Wirksamkeit diesen Vorgehens brauchte der Senat nicht zu entscheiden.

Soweit auch eine ordnungsgemäße Buchführung und die laufende Entrichtung von Umsatzsteuer aus den Einnahmen, eine Gewerbeanmeldung sowie die Beantragung einer Betriebsnummer, die Haftung für Mangel- und Mangelfolgeschäden oder die Abführung von Mehrwertsteuer als Indizien für eine selbständige Tätigkeit herangezogen werden, so ist darauf hinzuweisen, dass diese Umstände - insbesondere liegt nur hinsichtlich des Beigeladenen zu 1. eine entsprechende Gewerbeanmeldung vor, die Beigeladenen zu 2. und 10. hatten kein Gewerbe angemeldet - nicht eine selbständige Tätigkeit begründen, sondern sich daraus ergebende rechtliche Folgerungen darstellen. Von der Erfüllung vermeintlich bestehender Pflichten kann aber nur bedingt - wie das SG zutreffend zur Gewerbeanmeldung ausgeführt hat - auf das Vorliegend der die Pflichten begründenden selbständigen Tätigkeit geschlossen werden.

Im Hinblick auf die genannten Indizien, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen, ist es nur von untergeordneter Bedeutung, dass typische Merkmale einer abhängigen Beschäftigung wie zB festes Monatsgehalt, Urlaubsregelung und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall fehlen. Diese Gesichtspunkte sprechen zwar, wenn sie vorliegen, für eine abhängige Beschäftigung. Fehlen sie, so bedeutet dies aber nicht, dass bereits deshalb keine abhängige Beschäftigung mehr gegeben ist. Die Formen, in denen sich abhängige Beschäftigung entfalten, sind in den vergangenen Jahren viel flexibler geworden. Die Orientierung der Sozialversicherungspflicht an den vor Jahrzehnten noch üblichen Modalitäten einer Festanstellung wird den heute existierenden flexiblen Arbeitsverhältnissen nicht mehr gerecht (vgl Urteil des Senats vom 14.02.2012, L 11 KR 3007/11, juris).

Unter Berücksichtigung und Bewertung sämtlicher Umstände des Einzelfalles iS einer Gesamtbewertung ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Umstände deutlich überwiegen, vor allem gewichtiger sind. Daher konnte der Senat feststellen, dass die Beigeladenen zu 1., 2. und 10. im jeweils maßgeblichen und von der Beklagten zutreffend festgesetzten Zeitraum abhängig beschäftigt und damit sozialversicherungspflichtig waren; Geringfügigkeit iSd § 8 SGB IV liegt nicht vor. Auch dass der Beigeladene zu 10. wegen seines Altersrentenbezugs nicht auf Einkommen bzw eine Beschäftigung angewiesen war, steht der Annahme einer abhängigen Beschäftigung nicht entgegen. Da es sich nach Überzeugung des Senats um eine abhängige Beschäftigung gehandelt hat, liegt auch eine selbständige Tätigkeit iSd § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VI nicht vor.

Aus der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, Renten-, sozialen Pflegeversicherung und der Arbeitslosenversicherung folgt auch die Beitragspflicht (§§ 223 Abs 1 und 2, 226 Abs 1 Satz 1 Nr 1, 241 ff, 253 SGB V; §§ 54 Abs 1 und 2, 55, 57, 60 Abs 1 SGB XI; §§ 157, 158, 161 Abs 1, 162 Abs 1 Nr 1, 173, 174 Abs 1 SGB VI; §§ 341, 342, 348 Abs 1 und 2 SGB III). Danach ist beitragspflichtig das Arbeitsentgelt aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung (§ 226 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V; § 57 Abs 1 SGB XI; § 162 Nr 1 SGB VI; § 342 SGB III). Die Beklagte hat die Beiträge nach eigener Prüfung durch den Senat zutreffend festgesetzt; auch waren insoweit keine Einwände seitens der Klägerin erhoben worden. Zutreffend wurden auch die Umlagen festgesetzt.

Die Klägerin hat daher als Arbeitgeberin der sozialversicherungspflichtigen Beigeladenen zu 1., 2. und 10. den daraus resultierenden Gesamtsozialversicherungsbeitrag iSd § 28d SGB IV zu zahlen (§ 28e Abs 1 SGB IV). Inwieweit er zumindest den vom Beigeladenen zu 1. ursprünglich zu tragenden "Arbeitnehmeranteil" noch auf diesen abwälzen kann, hat sie mit den Beigeladenen zu 1., 2. und 10. unter Beachtung des § 28g SGB IV zu klären.

Die Kostenentscheidung zu Lasten der Klägerin beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO, da weder er noch die Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen im Berufungsverfahren - mit Ausnahme derjenigen der Beigeladenen zu 3. und 4. - sind ihr nicht aufzuerlegen, weil diese keine Anträge gestellt und damit auch kein Prozessrisiko auf sich genommen haben (§ 197a Abs 1 SGG iVm §§ 154 Abs 3, 162 Abs 3 VwGO).

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 2, § 47 GE.tskostengesetz. Die Höhe des Streitwerts entspricht dem geltend gemachten Betrag der Gesamtsozialversicherungsbeiträge von 23.946,25 EUR.
Rechtskraft
Aus
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