L 11 KR 2938/12 NZB

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 KR 4391/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 2938/12 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 24.01.2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten im Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die gemäß § 145 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Beschwerde ist zulässig. Wegen der fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung im Urteil des Sozialgerichts (SG) vom 24.01.2012 lief gemäß § 66 Abs 2 SGG die Jahresfrist, die die Klägerin eingehalten hat. Die Beschwerde ist aber unbegründet. Denn die Berufung ist nicht zuzulassen.

Die Berufung bedarf gemäß § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG in der ab 1. April 2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 24 des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes (BGBl I 2008, 444) der Zulassung im Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 EUR nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs 1 Satz 2 SGG).

Vorliegend ist der Beschwerdewert nicht erreicht, da die Klägerin Kosten für eine photodynamische Therapie (PDT) in Höhe von insgesamt 421,17 EUR geltend macht.

Eine Berufungszulassung durch das SG kann nicht in der insoweit fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung im Urteil vom 24.01.2012 gesehen werden. Denn die für eine zulassungsfreie Berufung übliche Rechtsmittelbelehrung ist keine Entscheidung über die Zulassung, sondern eine falsche Belehrung, die nur dazu führt, dass die Jahresfrist des § 66 Abs 2 S 1 SGG gilt (BSG SozR 3-1500 § 158 Nr und Nr 3).

Gemäß § 144 Abs 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 2. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Gründe für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 144 Abs 2 Nr 1 SGG. Dies ist nur der Fall, wenn eine Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 144 RdNr 28). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann nicht, wenn sie bereits höchstrichterlich entschieden ist oder durch Auslegung des Gesetzes eindeutig beantwortet werden kann (BSG, 11.03.2009, B 6 KA 31/08 B, juris mwN).

Die streitige Frage, ob Kosten für eine PDT von der Beklagten übernommen werden können, ist bereits höchstrichterlich geklärt. Ambulant durchgeführte Pharmakotherapien unterliegen dem Erlaubnisvorbehalt des § 135 Abs 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) auch dann, wenn die eingesetzten Präparate keine Zulassung nach dem AMG benötigen, wie das beispielsweise bei Rezepturarzneien oder anderen Arzneimitteln der Fall ist, die für den einzelnen Patienten auf besondere Anforderung hergestellt werden (BSG 23.07.1998, B 1 KR 19/96 R, BSGE 82, 233 = SozR 3-2500 § 31 Nr 5 = juris (Jomol); BSG 28.03.2000, B 1 KR 11/98 R, BSGE 86, 54 = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 = juris (ASI)). "Neu" ist eine Behandlungsmethode, wenn sie - wie die PDT bei der vorliegend angewandten Indikation - nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) für vertragsärztliche Leistungen enthalten ist (BSG 05.05.2009, B 1 KR 15/08 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 16 = juris RdNr 22 mwN). So liegt es hier. Der GBA hat bislang über die Anwendung der PDT mit der lichtsensibilisierenden Creme (ALA 20 % in Unguentum leniens) in der vorliegend streitigen Indikation nicht entschieden; ein entsprechender Antrag, der Voraussetzung für ein Verfahren vor dem GBA wäre, ist bislang nicht gestellt worden. Der in der Anlage I Richtlinien "Methoden vertragsärztliche Versorgung" Nr 8 anerkannte Anwendungsbereich der PDT betrifft die altersabhängige feuchte Makuladegeneration mit subfovealer klassischer chorioidaler Neovaskularisation (Neubildung von Blutgefäßen) und der in Nr 11 anerkannte Anwendungsbereich betrifft die PDT mit Verteporfin bei subfovealer chorioidaler Neovaskularisation (CNV) aufgrund von pathologischer Myopie und bestkorrigiertem Visum von mindestens 0,2 bei der entsprechenden Indikationsstellung und einer bestimmten Läsionsgröße. Mangels positiver Empfehlung des GBA war die PDT - und ist es immer noch - bei der vorliegenden Indikation daher nicht Bestandteil des Leistungskatalogs der GKV und darf zu Lasten der Beklagten von der Klägerin nicht beansprucht noch vom Universitätsklinikum F. geleistet werden.

Etwas anderes folgt auch nicht aus den durch Art 1 Nr 1 GKV-Versicherungsstrukturgesetz vom 22.12.2011 (BGBl I S 2983) mit Wirkung ab 01.01.2012 neu eingefügten § 2 Abs 1a Satz 1 SGB V. Danach können Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine von § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Nach der Gesetzesbegründung kann eine wertungsmäßig einer lebensbedrohlichen Erkrankung vergleichbare Erkrankung auch vorliegen, wenn nach den konkreten Umständen des Einzelfalles der nicht kompensierbare Verlust eines wichtigen Sinnesorgans innerhalb eines kürzeren überschaubaren Zeitraumes droht (BT-Drucks 17/6906, S 53). Unabhängig von der Frage, ob nun diese Regelung in § 2 Abs 12 SGB V die bisherige, durch Auslegung ermittelte Rechtslage konkretisiert oder ob jetzt ab 01.01.2012 der Anspruch auf Krankenbehandlung erweitert wird, liegen die Voraussetzungen von § 2 Abs 1a SGB V nicht vor. Zum einen besteht keine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung oder eine zumindest wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung, zum anderen stehen vorliegend nach dem Gutachten des MDK vom 31.05.2010 allgemein anerkannte Behandlungsmethoden zur Verfügung.

Neue Gesichtspunkte, die zu einer erneuten Klärungsbedürftigkeit der grundsätzlich bereits entschiedenen Rechtsfrage führen könnten (vgl Leitherer, aaO, § 160 RdNr 8b f mwN), hat die Klägerin nicht vorgetragen.

Divergenzgründe im Sinne von § 144 Abs 2 Nr 2 SGG oder ein Verfahrensmangel im Sinne von § 144 Abs 2 Nr 3 SGG sind weder ersichtlich noch geltend gemacht.

Mit der Ablehnung der Beschwerde wird das Urteil des SG rechtskräftig (§ 145 Abs 4 Satz 4 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht anfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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