L 8 SB 5390/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 12 SB 3075/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 5390/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 27.09.2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft anstelle des bisher festgestellten Grades der Behinderung (GdB) von 40.

Die im Jahr 1960 geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige. Sie beantragte erstmals im April 2007 die Feststellung ihrer Behinderung beim Beklagten. Dieser stellte mit Bescheid vom 19.7.2007 einen GdB von 40 wegen einer Depression, funktioneller Organbeschwerden, einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und des Ileosacralgelenks, Muskulären Verspannungen sowie einer Funktionsstörung durch beidseitige Fußfehlform fest. Der dagegen gerichtete Widerspruch hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 12.11.2007).

Am 23.12.2008 beantragte die Klägerin eine Änderung der bisherigen Entscheidung. Dazu teilte sie mit, dass zwischenzeitlich ein Fibromyalgiesyndrom diagnostiziert worden sei. Außerdem leide sie an einer behinderten Nasenatmung, einem Tinnitus, einer somatoformen Schmerzstörung und Beschwerden in der Wirbelsäule.

Der Beklagte zog Unterlagen der behandelnden Ärzte bei. Die Klägerin war bei den Orthopäden Dr. Go. und V. wegen akuter Lumbalgien und ISG Blockierungen in Behandlung. Im Oktober 2008 beschrieben sie ein Fibromyalgie-Syndrom, eine rezidivierende Lumbalgie, eine Entzündung der Ellenbogengelenke, Beschwerden in Schultern und Nacken, Beschwerden in den Hüftgelenken, ein chronisches Schmerzsyndrom und äußerten den Verdacht auf eine somatoforme Schmerzstörung (Bericht vom 29.10.2008). Eine neurologische Abklärung ergab keinen richtungsweisenden Befund (Bericht von Dr. P. vom 04.11.2008).

Der HNO-Arzt Dr. Schw. berichtete über in Abhängigkeit von der Nasenatmung und im Bereich der Nasennebenhöhlen immer wieder auftretende Ohrgeräusche. Es bestehe eine Hochtoninnenohrschwerhörigkeit beidseits (Bericht vom 17.10.2008).

Die Klägerin war vom 12.9.2007 bis 24.10.2007 in Rehabilitation in der Abteilung für Psychosomatik der Klinik am S. in Bad N ... Dort wurde sie mit Schmerzen in der Schulter, dem gesamten Rücken und im rechten Fuß aufgenommen. Weiterhin habe sie häufig Magenschmerzen und Blähungen. Sie wirkte depressiv und gefühlsverflacht. Aufmerksamkeit, Auffassung und Merkfähigkeit waren grob klinisch unauffällig. Der Antrieb war herabgesetzt und es bestanden Ein- und Durchschlafstörungen. Es wurde eine ambulante psychiatrische Behandlung als indiziert angesehen (Entlassungsbericht vom 09.11.2007).

Mit Bescheid vom 18.2.2009 lehnte der Beklagte eine Änderung der bisherigen Entscheidung ab. Dagegen erhob die Klägerin am 17.3.2009 Widerspruch, den der Beklagte zum Anlass nahm, den behandelnden Psychiater Dr. G. um einen Befundbericht zu bitten. Er teilte mit, es bestünden ängstlich-depressive Verstimmungen und Schlafstörungen, die wegen erhöhter privater Belastungen wechselhaft seien (Bericht vom 23.05.2009).

Der HNO-Arzt Dr. Schw. teilte mit Bericht vom 22.05.2009 mit, dass ein Ohrgeräusch rechts bei 4000 Hz im schwellennahen Bereich angegeben werde. Rechts bestehe eine Schallleitungs-/Schallempfindungsschwerhörigkeit, links eine geringgradige Innenohrschwerhörigkeit. Er übersandte sein Audiogramm.

Der Orthopäde Dr. V. teilte in seinem Bericht vom 09.06.2009 ein chronisches Schmerzsyndrom, eine somatoforme Schmerzstörung, Nackenschultermyalgie, Coxalgie beidseits, Fibromyalgie-Syndrom, rezidivierende Lumbalgien, Epicondylitis sowie einen hochgespannten Spreizfuß beidseits mit. Von ihm übersandte Befunde des Neurologen Dr. H. zeigten eine diskrete Spinalkanalstenose in Höhe des 4. und 5. Lendenwirbelkörper (LWK) und leicht schmerzhafte Fibromyalgiepunkte.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17.8.2009 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.

Dagegen erhob die Klägerin am 15.9.2009 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG), das den behandelnden Psychiater Dr. G. schriftlich als sachverständigen Zeugen befragte. Er teilte mit, dass die Klägerin sich im Abstand von zwei bis drei Monaten bei ihm in Behandlung befinde. Sie klage über seit Jahren bestehende ängstlich-depressive Verstimmungen, häufige Kopfschmerzen und Schlafstörungen. Später seien innere Unruhe, Nervosität und schnelle Aufregungen mit Schmerzsymptomatik dazugekommen. Das sei im Verlauf im Wesentlichen unverändert geblieben. Es sei eine unruhige Psychomotorik, eine nachlässige Merkfähigkeit und Konzentrationsfähigkeit sowie eine verminderte Stresstoleranz aufgefallen. Er behandle die Klägerin mit Psychopharmaka; außerdem fänden lösungsorientierte Gespräche statt. Dies hätte jedoch bisher nur eine geringe Besserung bewirkt. Ihre Anpassungsfähigkeit, Stresstoleranz und Belastbarkeit seien deutlich vermindert. Die depressive Symptomatik führe zu rascher Erschöpfung (Aussage vom 03.12.2009).

Das SG befragte weiterhin Dr. V. schriftlich als sachverständigen Zeugen. Er gab in seiner Aussage vom 21.12.2004 an, dass die Klägerin seit 2002 unter Kreuzschmerzen, seit 2006 unter Folgen der Fußdeformität leide. Ein Fersensporn bestehe seit 2007. Im August 2007 sei dann eine Fibromyalgie diagnostiziert worden. Seit Juli 2006 bestünden Schulter-Nacken-Beschwerden, wiederkehrende Kopfschmerzen seit 2006. Im November 2007 sei ein Tennisarm dazugekommen, im Oktober 2008 sei ein chronifiziertes Schmerzsyndrom und eine somatoforme Störung festgestellt worden. Führend seien die Beschwerden seitens der Fibromyalgie, insbesondere die Schulter-Nacken-Armschmerzen einschließlich der beidseitigen Tennisarme und die Rückenschmerzen. Die Greiffunktion sei beeinträchtigt, Überkopfarbeiten nicht mehr möglich. Durch die Schmerzen sei der Schlaf gestört.

Das SG holte (von Amts wegen) ein orthopädisches und ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten ein. Der Orthopäde Dr. We. stellte in seinem Gutachten vom 08.05.2010 eine altersentsprechend normale Beweglichkeit der Halswirbelsäule (HWS) fest. Die Klägerin gebe diffuse Druckschmerzen an verschiedenen Punkten der Wirbelsäule an. Der Finger-Boden-Abstand sei mäßig erhöht, die Messwerte nach Ott und Schober seien zufriedenstellend. Auch über die Lenden (LWS)- und Brustwirbelsäule (BWS) würden diffuse Druckschmerzen angegeben. Bewegungsschmerzen bestünden nicht. Das Gangbild sei unauffällig. Die Klägerin halte den linken Daumen gestreckt, hier bestehe eine ältere Ruptur der Daumenbeugersehne. Dr. We. kam zu dem Ergebnis, dass ein chronisches Wirbelsäulensyndrom bei mäßig degenerativen Lendenwirbelsäulenveränderungen ohne objektivierbare periphere Nervenwurzelreizerscheinungen und zufriedenstellender Wirbelsäulenbeweglichkeit vorliege. Weiterhin bestehe eine geringe Handfunktionsstörung bei altem Abriss der Daumenendgelenksbeugersehne links und Teilverknöcherungen im Daumensattelgelenk rechts, eine leichte Fußfehlform beidseits ohne wesentliche Funktionsbeeinträchtigungen sowie der Verdacht auf eine Somatisierungsstörung. Eine Kniegelenksarthrose und ein Kniegelenksreizzustand hätten ausgeschlossen werden können. Für die Wirbelsäulenbeschwerden sei ein GdB von 20, für die Funktionsstörungen der Hände ein solcher von 10 anzunehmen. Die Fußfehlform bedinge keinen GdB von wenigstens 10.

Beim Neurologen und Psychiater K.C. M. beschrieb die Klägerin Schmerzen im Nacken in die Schultern ausstrahlend, ein Kribbeln in den Fußsohlen und geschwollene Hände. Sie wache morgens auf und sei erschöpft. Sie könne wegen der Schmerzen in den Gelenken nicht weit gehen. K.C. M. erhob eine ausführliche Anamnese über den Tagesablauf der Klägerin. Die Stimmungslage sei gedrückt, bei Hinweisen auf ihre Mitwirkungspflichten reagiere die Klägerin gereizt, bei bestimmten Themen sei auch eine ausgeglichene Stimmung wahrnehmbar. Im Kontakt mit dem hinzugezogenen Dolmetscher zeige die Klägerin eine lebhafte Mimik und Gestik. Es bestünden aufgrund der Tests sichere Hinweise auf eine Simulation kognitiver Defizite. Neurologische Defizite insbesondere im Zusammenhang mit dem geklagten Wirbelsäulenbeschwerden seien nicht erkennbar. K.C. M. kam in seinem Gutachten vom 31.05.2010 zur Diagnose einer depressiven Reaktion und Somatisierungsneigung bei familiären Konflikten. Die Klägerin habe zwar schwere Symptome geschildert, die aber nicht mit ihrem Verhalten in der Untersuchungssituation übereinstimmten. Auch die eingesetzten Medikamente sprächen nach ihrer Dosierung eher gegen eine schwere Symptomatik. Dafür sei ein GdB von 30 ausreichend. Unter Berücksichtigung der orthopädischen Beschwerden bestehe weiterhin ein GdB von 40.

Die Klägerin legte einen Entlassungsbericht der Z.-Klinik für konservative Orthopädie und Verhaltensmedizin vom 8.7.2010 vor. Dort war sie in Rehabilitation. Bei der dortigen Aufnahme schilderte sie im Wesentlichen dieselben Beschwerden wie bei der Untersuchung durch K.C. M. Auch dort wurde die Beweglichkeit der Wirbelsäule als im Wesentlichen unbeeinträchtigt dargestellt. Die Klägerin leide unter Schmerzen in Wirbelsäule, Schultern, Beinen und Knien. Es bestehe morgens ein Taubheitsgefühl in den Händen, das bei Schütteln der Hände nachlasse. Es wurde erneut eine rezidivierende depressive Störung als Reaktion auf häusliche Schwierigkeiten und eine somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert. Die soziale Integration der Klägerin sei durch ihre eingeschränkten Deutschkenntnisse behindert.

Vom 22.06. bis 21.07.2011 war die Klägerin in stationärer Behandlung in der Tagesklinik M. des psychiatrischen Zentrums N ... Dort berichtete die Klägerin, dass sie sich sozial sehr isoliert fühle, ihre Kontakte beschränkten sich auf die Kinder, ihre Ehe sei schwierig (Vorläufiger Entlassungsbericht vom 21.07.2011).

Mit Urteil vom 27.9.2011 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, dass der GdB für die psychische Störung mit einem GdB von 30 ausreichend bewertet sei. Die Klägerin leide unter mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten. Die orthopädischen Beeinträchtigungen seien mit einem GdB von 20 für die Wirbelsäule und 10 für die Funktionsbeeinträchtigung der Hände ausreichend berücksichtigt, die Fußfehlform begründe keinen GdB von wenigstens 10. Das Urteil wurde den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 8.11.2011 zugestellt.

Am 07.12.2012 hat die Klägerin Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, das SG habe sich nicht ausreichend mit den Entlassungsberichten der Z.-Klinik und des psychiatrischen Zentrums N. auseinandergesetzt. Sie leide an einer schweren depressiven Störung.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 27.9.2011 sowie den Bescheid des Beklagten vom 18.2.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.8.2009 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Grad der Behinderung der Klägerin mit mindestens 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 27.9.2011 zurückzuweisen.

Zur Begründung schließt er sich den Ausführungen im angefochtenen Urteil an und verweist auf eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. B. vom 03.05.2012, der darauf hingewiesen hat, dass die Klägerin einer wiederholt angeregten Psychotherapie in ihrer Muttersprache ablehnend gegenüberstehe. Das weise auf einen nicht besonders hohen Leidensdruck hin.

Der Senat hat zur Aufklärung des Sachverhalts den ausführlichen Entlassungsbericht der Psychiatrischen Klinik des Psychiatrischen Zentrums N. vom 08.02.2012 beigezogen. Danach hat die Klägerin berichtet, sie sei oft nervös, habe Konzentrationsstörungen und weine viel. Sie habe oft Schmerzen in den Gelenken und der Wirbelsäule, ihre Hände schliefen oft ein. Sie leide unter Einschlafstörungen. Im Gespräch sei die Konzentration unauffällig gewesen. Die Stimmung sei gedrückt, die Schwingungsfähigkeit aber erhalten. Die Klägerin sei medikamentös behandelt worden, das habe zu einer leichten Besserung geführt.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Prozessakte des Landessozialgerichts, die Akte des Sozialgerichts Mannheim und einen Band Schwerbehindertenakten des Landratsamts N. , die Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig. Das Gericht kann gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten dieser Verfahrensweise zugestimmt haben.

Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass der Klägerin kein höherer GdB als 40 zusteht.

Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 17 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. In diesem Zusammenhang waren bis zum 31.12.2008 die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3 3870 § 4 Nr. 1).

Seit 01.01.2009 ist an die Stelle im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten AHP die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 16 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB. In den VG ist ebenso wie in den AHP (BSG, Urteil vom 01.09.1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22) der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Dadurch wird eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht (ständige Rechtsprechung des Senats).

Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 Seite 10 der VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP).

Nach diesen Kriterien sind die Beeinträchtigungen der Klägerin im psychischen Bereich mit einem GdB von 30 ausreichend berücksichtigt. Nach Nr. 3.7 VG sind Neurosen, Persönlichkeitsstörungen und Folgen psychischer Traumen, die sich als stärker behindernde Störungen darstellen, mit einem GdB von 30 bis 40 zu bewerten. Dabei werden stärker behindernde Störungen solche mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit wie z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen bezeichnet. Erst bei schweren Störungen wie z.B. schweren Zwangskrankheiten wird ein höhergradiger GdB angenommen. Die Klägerin leidet an einer somatoformen Schmerzstörung, die sich in Schmerzen am Rücken, an den Beinen und Knien sowie an den Schultern und Schulterblättern ausdrücken. Darüber hinaus besteht eine Depression, die zu einem sozialen Rückzug geführt hat. Weder aus dem Entlassungsbericht der Z.-Klinik noch aus demjenigen der Psychiatrischen Klinik in M. ergibt sich aber eine schwere Störung. Vielmehr sprach die Erkrankung der Klägerin auf Psychopharmaka gut an. Die fehlende soziale Integration der Klägerin beruht auch nach den dortigen Erkenntnisse nicht in erster Linie auf ihrer psychischen Erkrankung sondern vor allem auch auf ihren mangelnden Deutschkenntnissen und ihrer Unfähigkeit, sich neue Interessengebiete zu erschließen. Eine schwere psychische Störung ist daraus nicht zu schließen. Innerhalb des deshalb gegebenen Rahmens ist ein GdB von 30 angemessen aber auch ausreichend. Wie Dr. B. zu Recht ausgeführt hat, scheint der Leidensdruck der Klägerin nicht besonders groß zu sein. Sie führt - auch bei Dr. G. - keine ambulante Psychotherapie durch. Bei diesem ist sie alle zwei bis drei Monate in ambulanter psychiatrischer Behandlung. Die Behandlung wird ausschließlich mit niedrig dosierten Psychopharmaka durchgeführt. Das alles spricht zwar für eine stärker behindernde Störung, die aber im unteren Bereich der Bewertungsstufe liegt.

Die Wirbelsäulenbeschwerden sind mit einem GdB von 20 und die Beschwerden in den Händen mit einem solchen von 10 ausreichend bewertet. Die Beschwerden durch die Fußfehlform bedingen keinen GdB von wenigstens 10. Insofern wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des Sozialgerichts Mannheim verwiesen. Die Klägerin hat dazu nichts Neues vorgetragen.

Die im Verwaltungsverfahren vorgetragenen Einschränkungen auf HNO-ärztlichem Fachgebiet bedingen ebenfalls keinen GdB von wenigstens 10. Die Klägerin litt 2007/2008 unter einer behinderten Nasenatmung, die ausweislich der vorliegenden HNO-ärztlichen Befunde erfolgreich therapiert wurde. Die Ohrgeräusche treten nur gelegentlich auf, es bestand insofern ein Zusammenhang zur behinderten Nasenatmung. Weiterhin besteht eine leichtgradige Hochtonschwerhörigkeit, die nach Teil B Nr. 5.2 VG keinen GdB zur Folge hat.

Die Behinderungen der Klägerin bedingen einen GesamtGdB von 40. Ausgehend von dem GdB von 30 für die psychischen Einschränkungen wird der GdB durch die Beeinträchtigung von Seiten der Wirbelsäule um 10 auf 40 erhöht. Eine Erhöhung auf 50 ist in Anbetracht der nur sehr gering ausgeprägten Bewegungseinschränkungen im Bereich der Wirbelsäule und der Tatsache, dass auch diese Behinderung sich vor allem in Schmerzen ausdrückt, die bereits in der somatoformen Schmerzstörung berücksichtigt sind, nicht gerechtfertigt. Auch der GdB von 10 für die Funktionsstörung der Hände wirkt sich nicht weiter erhöhend aus.

Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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