L 11 KR 2179/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 13 KR 3938/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 2179/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 29.04.2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Krankengeld (Krg) für die Zeit vom 09.05.2009 bis 26.07.2009 streitig.

Der 1981 geborene Kläger erlitt im Jahr 2000 bei Ausübung einer Hilfstätigkeit einen Arbeitsunfall. Die Berufsgenossenschaft anerkannte als unfallbedingte Verletzung eine folgenlos ausgeheilte Rückenprellung und unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit bis Oktober 2001 (Bescheid vom 21.04.2009). In den Jahren 2003 bis 2006 absolvierte der Kläger auf Veranlassung der Bundesagentur für Arbeit eine Ausbildung zum Bürofachhelfer. Seit 2007 sind ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 und die Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen anerkannt. Ab dem 09.08.2008 bezog der Kläger Arbeitslosengeld. Am 31.12.2008 erlitt er bei einem Verkehrsunfall Rippenserien- und Querfortsatzfrakturen an der Brust- und Lendenwirbelsäule. Bis zum 03.01.2009 befand sich der Kläger deshalb in stationärer Behandlung im Universitätsklinikum U ... In der Folgezeit wurde der Kläger von seinem Hausarzt Dr. W. und den Unfallchirurgen Dr. H. und Dr. K. arbeitsunfähig krankgeschrieben. Vom 11.02.2009 bis 08.05.2009 bezog er Krg. Im Anschluss war der Kläger bis 27.07.2009 bei der Beklagten ohne Anspruch auf Krg freiwillig versichert. Danach bezog er wieder Arbeitslosengeld bis zur Ausschöpfung seines Anspruchs.

Am 15.02.2009 teilte Dr. W. der Beklagten mit, der Kläger sei voraussichtlich noch zwei bis vier Wochen arbeitsunfähig. Auf Nachfrage gab er an, die Arbeitsunfähigkeit bestünde auf-grund des Verkehrsunfalls, nicht aufgrund des Arbeitsunfalls im Jahr 2000. Eine Rehabilitationsmaßnahme sei zur Beendigung der Arbeitsunfähigkeit sinnvoll (Schreiben vom 08.04.2009). Bereits am 02.04.2009 hatte die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg (DRV) den Antrag des Klägers auf Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation mangels Erforderlichkeit abgelehnt.

Die Beklagte schaltete daraufhin den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein. Gegenüber dem MDK gab Dr. W. am 20.04.2009 an, Arbeitsfähigkeit liege voraussichtlich in zwei bis drei Wochen wieder vor. Dr. W. vom MDK untersuchte den Kläger sodann und kam im Gutachten vom 27.04.2009 zu dem Ergebnis, dass der Kläger hinsichtlich leichter Tätig-keiten des allgemeinen Arbeitsmarktes leistungsfähig sei. Es bestünden Restbeschwerden auf-grund des Arbeitsunfalls im Jahr 2000 mit eingeschränkter LWS-Beweglichkeit und chronischer Schmerzsymptomatik. Die aktuelle Arbeitsunfähigkeit sei auf den Verkehrsunfall Ende 2008 zurückzuführen. Es bestünden noch diskrete Restbeschwerden am Thorax. Von einer weiteren Besserung sei auszugehen. Bereits zum jetzigen Zeitpunkt könne der Kläger leichte Tätigkeiten ohne schweres Heben und Tragen mit der Möglichkeit eines häufigen Lagewechsels (auch in der Begutachtungssituation sei nach 30 bis 45 Minuten eine deutliche Schmerz-symptomatik mit der Notwendigkeit eines Lagewechsels erkennbar gewesen), ohne ständige Wirbelsäulenzwangshaltungen, ohne Hocken, Klettern oder Knien ausüben. Eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme könne positive Aspekte geben, da der Kläger in den letzten Jahren auf dem Arbeitsmarkt nicht wirklich erfolgversprechend habe Fuß fassen können.

Am 29.04.2009 bescheinigte Dr. W. dem Kläger voraussichtliche Arbeitsunfähigkeit noch bis einschließlich 08.05.2009. Mit Bescheid vom 04.05.2009 stellte die Beklagte daraufhin fest, dass die Arbeitsunfähigkeit am 08.05.2009 ende. Über diesen Zeitpunkt hinaus bestünde kein Anspruch auf Krg. Hiergegen legte der Kläger am 07.05.2009 Widerspruch ein und legte eine Folgebescheinigung des Unfallchirurgen Dr. H. vom 07.05.2009 vor, wonach der Kläger bis voraussichtlich 22.05.2009 arbeitsunfähig sei. Die Beklagte schaltete daraufhin nochmals den MDK ein. Dieser forderte von Dr. H. aktuelle Befundberichte an. Im Schreiben vom 20.05.2009 verwies dieser auf seinen Arztbrief vom 11.05.2009, wonach aus unfallchirurgischer Sicht die Unfallfolgen ausgeheilt seien. Er habe die letzte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auf Druck des Klägers ausgestellt, da dieser andernfalls die Sprechstunde nicht verlassen hätte. Der MDK hielt daraufhin an seiner Leistungsbeurteilung fest (Gutachten vom 27.05.2009). Mit Widerspruchsbescheid vom 30.07.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Am 04.09.2009 hat der Kläger beim Sozialgericht Hamburg Klage erhoben. Mit Beschluss vom 26.10.2009 ist das Verfahren an das Sozialgericht Ulm (SG) verwiesen worden. Zur Begründung hat er vorgetragen, der im Gutachten des MDK beschriebene Lagewechsel habe seiner Arbeitsfähigkeit entgegengestanden. Es habe ein erheblich chronifiziertes Schmerzsyndrom vorgelegen. Er verwahre sich zudem gegen die Unterstellung von Dr. H. , er hätte ohne Erhalt einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung die Praxis nicht verlassen.

Das SG hat die medizinischen Unterlagen aus dem Klageverfahren gegen die Versorgungsver-waltung (S 2 SB 1383/09) sowie den Klageverfahren gegen die DRV (S 12 R 3855/07, S 1 R 3746/09) beigezogen. Es hat außerdem die Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Dr. H. hat angegeben, er habe den Kläger vom 02.03.2009 bis 12.06.2009 behandelt. Die vom Kläger geäußerten Beschwerden seien aus unfallchirurgischer Sicht nicht nachvollziehbar gewesen, weshalb er ihn an eine Schmerzambulanz weitergeleitet habe. Der Kläger habe die Behandlung dort abgebrochen. Seiner Meinung nach sei der Kläger in Bezug auf leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes arbeitsfähig gewesen. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei auf Drängen des Klägers ausgestellt worden. Beigefügt war ein Arztbrief vom 11.05.2009, dem zu entnehmen ist, dass auf Wunsch des Klägers eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt, ihm aber erklärt worden sei, dass diese vom Kostenträger vermutlich nicht anerkannt werde. Dr. W. berichtete gegenüber dem SG vom Behandlungsverlauf, der bis Juni 2009 angedauert habe. Zuletzt habe er bis zum 22.06.2009 Arbeitsunfähigkeit bescheinigt (Bescheinigung vom 22.05.2009). Dr. K. teilte mit, dass sich der Kläger wegen der Beschwerden infolge des Verkehrsunfalls erstmals am 18.06.2009 vorgestellt habe. Ab dem 22.06.2009 sei Arbeitsunfähigkeit bescheinigt worden.

Mit Urteil vom 29.04.2011 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Krg für die Zeit vom 09.05.2009 bis 26.06.2009. Maßstab für die Beurteilung, ob Arbeitsunfähigkeit vorliege, seien leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes. Diese Tätigkeiten habe der Kläger wieder ausüben können. Seine behandelnden Ärzte hätten zwar Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausgestellt. Diese Bescheinigungen seien aber nicht bindend. Dr. W. habe im Verfahren gegen die DRV (S 12 R 3855/07) am 19.01.2009 erklärt, der Kläger sei in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Dabei habe Dr. W. die Folgen des Verkehrsunfalls mit berücksichtigt. Dr. K. habe im Verfahren gegen die DRV (S 12 R 3855/07) mit Schreiben vom 03.09.2009 ausgeführt, eine Verbesserung oder Verschlechterung sei nicht eingetreten. Da sich der Kläger wieder dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt habe, sei davon auszugehen, dass er leichte Tätigkeiten wieder verrichten könne. Dies habe Dr. K. mit Auskunft vom 10.08.2010 im Verfahren S 1 R 3746/09 bestätigt. Gestützt werde die Leistungsbeurteilung von Dr. W.-V ... Sie habe am 10.09.2010 im Verfahren S 1 3746/09 erklärt, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers nicht gefährdet sei. Schließlich habe Dr. K. vom Universitätsklinikum U. bis zum Ende der Behandlung am 04.03.2009 keine Funktionsbeeinträchtigung festgestellt (Auskunft im Verfahren S 2 SB 1383/09). Vor diesem Hintergrund sei die Beurteilung des MDK im Gutachten vom 27.04.2009 überzeugend.

Gegen das Urteil hat der Kläger am 27.05.2011 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung ein-gelegt. Zur Begründung hat er vorgetragen, durch den Verkehrsunfall hätten sich seine chroni-schen Beschwerden infolge des Arbeitsunfalls verstärkt. Er sei daher stärker eingeschränkt ge-wesen als zuvor für leichte bis mittelschwere Arbeiten. Er habe infolge der Verletzungen durch den Verkehrsunfalls mittelschwere und schwere Tätigkeiten nicht mehr ausüben können. Die MDK-Gutachterin Dr. W. widerspreche sich selbst, wenn sie Arbeitsfähigkeit bescheinige und gleichzeitig schildere, dass nach 30 bis 45 min eine deutliche Schmerzsymptomatik mit der Erforderlichkeit eines Lagewechsels erkennbar gewesen sei. Auch leichte Tätigkeiten seien mit dieser Einschränkung nicht möglich gewesen. Seine behandelnden Ärzte hätten ihn bis 26.07.2009 krankgeschrieben. Trotzdem habe er sich gegenüber der Bundesagentur für eine Vermittlung in eine Beschäftigung zur Verfügung gestellt. Die Aussagen seiner Ärzte seien nicht in vollem Umfang gewürdigt worden. Dr. K. habe angegeben, dass seine Beschwerden glaubhaft seien. Dr. V. könne keine Beurteilung zum Leistungsvermögen im streitigen Zeitraum abgeben, da er erst ab dem 03.07.2009 dort in Behandlung gewesen sei und noch eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung von Dr. K. gehabt habe. Auch der Bericht seiner Unfallver-sicherung vom 20.03.2009 sei nicht berücksichtig worden. Danach sei eine Bewertung des Inva-liditätsgrades erst nach sechs Monaten möglich. Der Heilverlauf hätte abgewartet werden müs-sen. Er habe aber keine Rehabilitationsmaßnahme bewilligt bekommen. Zu berücksichtigen sei auch, dass ein GdB von 30 und eine Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen anerkannt seien. Dr. K. vom Universitätsklinikum U. habe im Verfahren gegen die Versorgungsver-waltung ausgesagt, der GdB werde auch noch nach fünf bis sechs Monaten nach dem Verkehrs-unfall 25 % betragen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 29.04.2011 und den Bescheid der Beklagten vom 04.05.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.07.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit vom 09.05.2009 bis 26.07.2009 Krankengeld in gesetzlicher Höhe nebst 4 % Zinsen hieraus zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat kann gemäß § 153 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) über die Berufung ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss entscheiden, da die Berufsrichter des Senats die Berufung einstimmig für unbegründet erachten und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halten.

Die nach den §§ 143, 151 Abs 1, 144 Abs 1 Satz 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte sowie statthafte Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.

Rechtsgrundlage des Anspruchs auf Krg sind die §§ 44 ff Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Nach § 44 Abs 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krg, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär behandelt werden. Der Anspruch auf Krg entsteht bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung von ihrem Beginn an, im Übrigen von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt (§ 46 Satz 1 SGB V). Versicherte erhalten Krg ohne zeitliche Begrenzung, für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit jedoch für längstens achtundsiebzig Wochen innerhalb von je drei Jahren, gerechnet vom Tage des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an (§ 48 Abs 1 Satz 1 SGB V). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bestimmt allein das bei Entstehen eines Krankengeldanspruchs bestehende Versicherungsverhältnis, wer in welchem Umfang als Versicherter Anspruch auf Krg hat (vgl BSG 05.05.2009, B 1 KR 20/08 R, SozR 4-2500 § 192 Nr 4; BSG 02.11.2007, B 1 KR 38/06 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 14).

Bei Personen, bei denen der Krankengeldanspruch erst während der Versicherung in der Kran-kenversicherung der Arbeitslosen (KVdA) nach § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V eintritt, ist für die Beur-teilung der Arbeitsunfähigkeit der Status als Arbeitsloser maßgeblich (stRspr, vgl BSG 04.04.2006, B 1 KR 21/05 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 9 mwN). Ein in der KVdA versicherter Ar-beitsloser ist arbeitsunfähig iS von § 44 Abs 1 Satz 1 SGB V, wenn er auf Grund gesundheitli-cher Einschränkungen nicht mehr in der Lage ist, Arbeiten zu verrichten, für die er sich der Arbeitsverwaltung zwecks Vermittlung zur Verfügung gestellt hat. Entscheidend für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit Arbeitsloser sind im Grundsatz alle Arbeiten, die dem Versicherten arbeitslosenversicherungsrechtlich zumutbar sind; insoweit ist die Zumutbarkeit auch krankenversicherungsrechtlich an § 121 Abs 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) zu messen (BSG 22.03.2005, B 1 KR 22/04 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 6). Danach hängt die Zumutbarkeit vom Umfang der Einkommenseinbußen ab, die mit einer Arbeitsaufnahme verbunden wären: In den ersten drei Monaten der Arbeitslosigkeit ist dem Arbeitslosen eine Minderung um mehr als 20 vH und in den folgenden drei Monaten um mehr als 30 vH des der Bemessung seines dem Arbeitslosengeld zu Grunde liegenden Arbeitsentgelts unzumutbar. Vom siebten Monat der Arbeitslosigkeit an ist dem Arbeitslosen eine Beschäftigung nur dann nicht zumutbar, wenn das daraus erzielbare Nettoarbeitsentgelt unter Berücksichtigung der mit der Beschäftigung zusammenhängenden Aufwendungen niedriger ist als das Arbeitslosengeld. Nicht nur ab dem siebten Monat der Arbeitslosigkeit, sondern schon in den ersten sechs Monaten der Arbeitslosigkeit sind Maßstab für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit damit alle Beschäftigungen, für die sich der Versicherte der Arbeitsverwaltung zwecks Vermittlung zur Verfügung gestellt hat und die ihm arbeitslosenversicherungsrechtlich zumutbar sind. Einen darüber hinausgehenden besonderen krankenversicherungsrechtlichen Berufsschutz gibt es (auch in den ersten sechs Monaten der Arbeitslosigkeit) nicht. Hat die Arbeitsverwaltung dem Arbeitslosen ein konkretes Arbeitsangebot nicht unterbreitet, liegt krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit vor, wenn der Arbeitslose gesundheitlich nicht (mehr) in der Lage ist, auch leichte Arbeiten in einem Umfang (zB vollschichtig) zu verrichten, für die er sich zuvor zwecks Erlangung des ALG-Anspruchs der Arbeitsverwaltung zur Verfügung gestellt hat. Ist der Arbeitslose zwar nicht mehr in der Lage, mittelschwere oder schwere, wohl aber noch leichte Arbeiten zu verrichten, beseitigt dies seine objektive Verfügbarkeit nicht. Abstrakter Ermittlungen, welche Arbeiten dem krankheitsbedingt leistungsgeminderten Arbeitslosen nach § 121 Abs 3 SGB III finanziell zumutbar sind, bedarf es nicht. Die Beklagte darf im Regelfall davon ausgehen, dass sich der Arbeitslose der Arbeitsverwaltung auch für leichte Arbeiten zur Verfügung gestellt hat (zum Ganzen BSG 04.04.2006, B 1 KR 21/05 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 9, mwN).

Der Kläger war auf Grund des Bezugs von Arbeitslosengeld gemäß § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V ab August 2008 in der KVdA versicherungspflichtig und erst ab dem 31.12.2008 arbeitsunfähig geworden, so dass maßgebliches Versicherungspflichtverhältnis die KVdA ist. Mangels gegen-teiliger Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass sich der Kläger jedenfalls für leichte Tätigkeiten in vollem Umfang der Vermittlung zur Verfügung gestellt hat, so dass es darauf ankommt, ob der Kläger ab dem 09.05.2009 solche Tätigkeiten wieder verrichten konnte.

Zur Überzeugung des Senats konnte der Kläger (spätestens) ab dem 09.05.2009 wieder leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig ausüben. Dies entnimmt der Senat den schlüssigen Ausführungen im Gutachten des MDK und den Aussagen der Ärzte des Klägers.

Der Kläger litt im fraglichen Zeitraum an Folgebeschwerden nach dem Arbeitsunfall im Jahr 2000 mit eingeschränkter Lendenwirbelsäulenbeweglichkeit und chronischer Schmerzsympto-matik sowie Restbeschwerden am rechten Thorax nach dem Verkehrsunfall Ende 2008 mit Rip-penserien- und Querfortsatzfrakturen an der Brust- und Lendenwirbelsäule. Dies entnimmt der Senat den insoweit übereinstimmenden Aussagen der behandelnden Ärzte des Klägers und dem Gutachten des MDK. Trotz dieser Erkrankungen konnte der Kläger jedenfalls ab dem 09.05.2009 wieder leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne schweres Heben und Tragen, mit der Möglichkeit eines häufigen Lagewechsels, ohne ständige Wirbelsäulen-zwangshaltungen, ohne Hocken, Klettern oder Knien ausüben. Mit diesem Leistungsbild war der Kläger arbeitsfähig. Dies gilt entgegen der Auffassung des Klägers auch mit Blick auf den erforderlichen Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen. Im MDK-Gutachten wird die Notwendigkeit eines Lagewechsels nach 30 bis 45 min beschrieben. Der Kläger bestätigte dies gegenüber dem Gericht im Erörterungstermin vom 22.06.2012. Er gab an, er habe damals nach ca 40 bis 45 min nicht mehr sitzen können. Nach einem kurzen Aufstehen und Umherlaufen habe er wieder sitzen können. Ein solches Leistungsvermögen ist mit leichten Tätigkeiten, insbesondere mit der vom Kläger erlernten Tätigkeit des Bürofachhelfers, vereinbar. Für eine entsprechende Leistungsfähigkeit spricht weiter, dass der Kläger selbst gegenüber dem MDK angab, sich die Aufnahme eines Studiums (für das er bereits angemeldet war) bzw die Aufnahme einer leichten Tätigkeit bei Erreichen eines stabilen Schmerzniveaus von 5 (auf einer Skala von 1 bis 10) vorstellen zu können. Ein derartiges Schmerzniveau hatte der Kläger nach eigenen Angaben unter Einnahme von Schmerzmitteln bereits im Zeitpunkt der Untersuchung erreicht. Das vom MDK beschriebene Leistungsbild ist auch deshalb schlüssig, weil der Kläger im Rahmen der Anamnese entsprechende Aktivitäten schilderte. Er gab an, im Haushalt mitzuhelfen (Spülmaschine einräumen, Wäsche aufhängen, Spülen etc) und sich intensiv mit "dem Papierkram" für seine versicherungsrechtlichen Ansprüche, Antragsschreiben, Einholen von Befundberichten und Attesten zu beschäftigen.

Die Angaben der behandelnden Ärzte des Klägers stehen dieser Leistungseinschätzung nicht entgegen. Dr. W. hatte dem Kläger Arbeitsunfähigkeit zunächst nur bis zum 08.05.2009 be-scheinigt. Im Anschluss attestierte er erst wieder ab dem 22.05.2009 Arbeitsunfähigkeit (letztmalig bis zum 22.06.2009), nachdem der Kläger von Dr. H. keine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mehr erhalten hatte. Dr. H. ist zudem der Auffassung, dass der Kläger schon ab dem 08.05.2009 wieder arbeiten konnte. Dies ergab seine Befragung als sachverständiger Zeuge. Die von Dr. H. ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bildet allein keinen Nachweis über das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit. Der Arbeitsunfähigkeitsbe-scheinigung kommt lediglich die Bedeutung einer gutachtlichen Stellungnahme zu (BSG 08.11.2005, B 1 KR 18/04 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 7). Zudem ist Dr. H. jedenfalls nachträglich wieder von seiner gutachtlichen Stellungnahme abgerückt. Auch die Aussagen der weiteren Ärzte stützen das Begehren des Klägers nicht. Dr. K. konnte nur Angaben zu der Zeit ab dem 18.06.2009 machen, da sich der Kläger erst zu diesem Zeitpunkt in seine Behandlung begab. Gleiches gilt für die Allgemeinärztin Dr. W.-V. , die den Kläger erst ab dem 03.07.2009 behandelte. Auch die Mitte Juni 2009 begonnene (und kurz darauf abgebrochene) Schmerztherapie ist für die Beurteilung, ob über den 08.05.2009 hinaus Arbeitsunfähigkeit be-stand, nicht aussagekräftig.

Schließlich standen der beim Kläger festgestellte GdB von 30 sowie die Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen der Ausübung jedenfalls leichter Tätigkeiten nicht entgegen. Der Grad der Behinderung selbst trifft keine Aussage über die Arbeitsfähigkeit und die Gleichstel-lung soll gerade die Erhaltung bzw das Erlangen eines geeigneten Arbeitsplatzes ermöglichen. Deshalb folgt auch aus der Aussage von Dr. K. (Universitätsklinikum U. ) im Verfahren gegen die Versorgungsverwaltung, der GdB werde auch noch nach fünf bis sechs Monaten nach dem Verkehrsunfall 25 % betragen, nicht das Bestehen von Arbeitsunfähigkeit. Soweit in verschiedenen Berichten (zB von der Unfallversicherung des Klägers vom 20.03.2009) angegeben wird, eine Bewertung des GdB bzw des Invaliditätsgrades könne erst nach sechs Monaten erfolgen, wird damit lediglich zum Ausdruck gebracht, dass hierfür dauerhafte Funktionsstörungen maßgeblich sind und solche nur dann vorliegen, wenn sie zumindest sechs Monaten bestehen bleiben. Das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit kann daraus nicht abgeleitet werden.

Damit war der Kläger als Arbeitsloser ab dem 09.05.2009 nicht mehr arbeitsunfähig. Ob zu einem späteren Zeitpunkt (bis 26.07.2009) wieder Arbeitsunfähigkeit eingetreten ist, kann dahinstehen. Denn am 09.05.2009 endete das Fortbestehen der Versicherungspflicht wegen Anspruchs auf Krg (§ 192 Abs 1 Nr 2 SGB V). Der Kläger war im streitigen Zeitraum ohne Anspruch auf Krg freiwillig versichert. Der Leistungsanspruch bestand auch nicht nach § 19 Abs 2 SGB V für den Monat nach Ende der Mitgliedschaft fort, da die freiwillige Versicherung Vorrang hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG stehen dem ausgeschiedenen Mitglied nachgehende Leistungsansprüche grundsätzlich nur solange zu, wie kein neues Versicherungsverhältnis begründet wird (BSG 06.11.2008, B 1 KR 37/07 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 15; BSG 26.06.2007, B 1 KR 8/07 R, SozR 4-2500 § 44 Nr. 12).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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