Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AL 1586/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 4999/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im vorliegende Verfahren ist u.a. ein beantragter Erlass einer Forderung gegenständlich.
Der am 18.01.1975 geborene Kläger, der sich seit dem 13.09.2011 in Untersuchungshaft befindet, stand mit Unterbrechungen im langjährigen Bezug von Leistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Die Bewilligung von Arbeitslosengeld, das der Kläger bezogen hatte, wurde z.T. nachträglich aufgehoben und das gezahlte Arbeitslosengeld zurückge¬fordert. Zur beruflichen Wiedereingliederung gewährte die Beklagte dem Kläger ferner in den Jahren 2007 bis 2009 mehrfach Mobilitätshilfen in Form von Darlehen. Gegen die Rückforderung der Darlehensbeträge und die Aufhebung der Arbeitslosengeldbewilligung führte und führt der Kläger vor dem Sozialgericht Karlsruhe (SG) und dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) zahlreiche Rechtsstreitigkeiten gegen die Beklagte. Zum 06.10.2010 belief sich die (Rest-) Forderung der Beklagten gegen den Kläger u.a. auf Beträge von 1.465, 68 EUR und 4.645,80 EUR. Tilgungen auf die ursprünglich höheren Forderungen wurden seitens des Klägers nicht geleistet, weswegen die Beklagte in Zeiten, in denen der Kläger Arbeitslosengeld bezog, zuletzt bis zum 20.05.2011, gegen dieses aufgerechnet hatte. Die Aufrechnungen, die Anordnungen der sofortigen Vollziehbarkeit derselben waren und sind Gegenstand zahlreicher weiterer Verfahren des Klägers.
Am 28.09.2010 beantragte der Kläger den Erlass der "angeblichen" Ansprüche. Die Geltend-machung der Ansprüche sei, so der Kläger, offensichtlich unbillig, da die Forderungen zum Teil auf Versäumnissen der Beklagten beruhten, aufgrund eines laufenden Insolvenz¬verfahrens nicht einziehbar seien, seine Eingliederungsmöglichkeiten durch die Betreibung erheblich behindert würden und schließlich offen sei, ob die Forderungen aufgrund der von ihm erklärten Aufrechnungen nicht untergegangen seien. Ob die Forderungen bereits verjährt seien, habe er noch nicht geprüft.
Mit Bescheid vom 06.10.2010 lehnte die Beklagte den Erlass der Forderungen ab. Sie führte hierzu an, die Einziehung der bestehenden Forderungen sei nicht unbillig. Unbilligkeit liege dann nicht vor, wenn die Möglichkeit bestehe, mit Sozialleistungen aufzurechnen bzw. zu verrechnen. Da dies bis zur Grenze der Sozialhilfebedürftigkeit möglich sei, im Übrigen eine Existenzgefährdung nicht erkennbar sei, komme ein Erlass der Forderung nicht in Betracht.
Den hiergegen am 12.10.2010 unter der Begründung erhobenen Widerspruch, die Beklagte habe ihr Ermessen nicht ausgeübt und durch die laufende Aufrechnung werde Hilfebedürftigkeit i.S.d. Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) verursacht, wies die Beklagte mit Widerspruchs¬bescheid vom 26.09.2011 zurück. Sie führte hierzu aus, die Einziehung der Forderungen sei weder aus persönlichen noch aus sachlichen Gründen unbillig. Der Einwand des Klägers, die Forderungen gründeten auf Versäumnissen der Beklagten, sei lediglich die Einschätzung des Klägers. Der Kläger habe im Rahmen der Rechtsstreitigkeiten gegen die Aufrechnungen seine Hilfebedürftigkeit nie belegt. Der zeitliche Ablauf seit der Entstehung der Forderungen gründe darin, dass der Kläger kaum Anstrengungen unternommen habe, die Forderungen zu begleichen. Soweit sich der Kläger auf den Einwand der Verjährung berufe, greife dieser nicht durch, weil die Verjährung durch die Einlegung der Rechtsbehelfe und -mittel gehemmt werde. Auch werde die wirtschaftliche Existenz durch die Beitreibung von Forderungen nicht gefährdet, da der Lebensunterhalt des Klägers durch SGB II- Leistungen gesichert werde.
Bereits am 07.04.2011 hat der Kläger "Klage" und "Untätigkeitsklage" beim Oberlandesgericht Karlsruhe erhoben, die von dort am 13.04.2011 an das SG weitergeleitet wurde. Die Beklagte habe über seinen Antrag vom 28.09.2010 nicht entschieden. Im Verwaltungsverfahren gelte der Beschleunigungsgrundsatz.
Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten.
Nachdem das SG einen vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzanspruch mit Beschluss vom 31.08.2011 abgetrennt hat, hat es, nach Anhörung der Beteiligten (Schreiben vom 11.05.2011, dem Kläger zugestellt am 13.05.2011), die Klage mit Gerichtsbescheid vom 13.10.2011 abgewiesen. Zu Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, Befangen-heitsgesuche des Klägers, die dieser während des Verfahrens am 26.04.2011 und am 30.08.2011 gestellt habe, hinderten es nicht daran, in der Sache zu entscheiden, da diese offensichtlich rechtsmissbräuchlich seien. Die Anträge zielten einzig darauf ab, den Kammervorsitzenden vom vorliegenden Verfahren auszuschließen, um die Bearbeitung des Verfahrens durch einen anderen Richter zu erreichen. Auch inhaltlich führe die Klage für den Kläger nicht zum Erfolg. Die vom Kläger erhobene Untätigkeitsklage sei bereits deswegen unzulässig, weil die Beklagte bereits durch Bescheid vom 06.10.2010 über den Antrag vom 28.09.2010 entschieden habe. Der Antrag auf Erlass der Forderungen sei unbegründet, da der Versicherungsträger gemäß § 76 Abs. 2 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) Ansprüche nur dann erlassen dürfe, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Die Beklagte habe dies, so das SG unter Verweis auf den Widerspruchsbescheid vom 26.09.2011, ermessensfehlerfrei verneint. Anhaltspunkte für eine Ermessensreduktion auf Null seien nicht ersichtlich. Da das Verhalten der Beklagten nicht rechtswidrig gewesen sei, sei der Feststellungsantrag unbegründet, der Antrag auf zügige Entscheidungen der Beklagten sei, in Ermangelung eines Rechtsschutz¬bedürfnisses, bereits unzulässig.
Gegen den am 18.10.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 08.11.2011 beim SG Berufung eingelegt. Zu deren Begründung bringt er vor, mangels Begründung sei bereits nicht ersichtlich, ob die Beklagte überhaupt ihr Ermessen ausgeübt habe. Im Übrigen habe das SG unzulässigerweise selbst über seine Befangenheitsgesuche entschieden.
Der Kläger beantragt (zweckdienlich gefasst),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. Oktober 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, seinen Antrag vom 28. September 2010 zu verbescheiden, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 06. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. September 2011 zu verurteilen, die ihr gegen ihm zustehenden Forderungen zu erlassen, festzustellen, dass das Verhalten der Beklagten rechtswidrig war und die Beklagte zu verurteilen, zukünftige Anträge zügig unter Beachtung des Beschleunigungsgrundsatzes zu verbescheiden.
Die Beklagte hat sich im Berufungsverfahren nicht geäußert.
Der Senat hat dem Kläger die Möglichkeit eröffnet, Einsicht in die Verfahrens- und Verwaltungsakten zu nehmen, indem er die Akten in die Justizvollzugsanstalt S. übersandt hat. Der Kläger hat hiervon am 01.06.2012 Gebrauch gemacht. Unter dem 27.06.2012 hat der Senat, auf einen Antrag des Klägers hin, ein Vorführungsersuchen an die Justizvollzugsanstalt S. gerichtet.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz, die bei der Beklagten für den streitgegenständlichen Vorgang geführte Verwaltungsakte, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 18.07.2012 wurden, sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 18.07.2012 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung führt für den Kläger nicht zum Erfolg.
Der Senat konnte über die Berufung entscheiden, obschon der sich in Untersuchungshaft befindliche Kläger zu der mündlichen Verhandlung am 18.07.2012 nicht erschienen ist (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 21.09.2011 - L 3 AL 2514/10 -, Urteil vom 19.10.2011 - L 3 AL 3913/11 -; Beschlüsse des Bundessozialgerichts [BSG] vom 12.03.2012 in den vom Kläger dort betriebenen Verfahren - B 11 AL 43/11 BH - und - B 11 AL 44/11 BH -). Soweit der Kläger beantragt hat, ihn zur mündlichen Verhandlung vorzuführen, hat der Senat dem entsprochen und unter dem 27.06.2012 ein Vorführungsersuchen an die Justizvollzugsanstalt S. gerichtet. Wenn sich der Kläger, dessen persönliches Erscheinen nicht angeordnet war, nunmehr kurzzeitig - am Sitzungstag - dahingehend entscheidet, sich nicht ausführen zu lassen, ist er wie jeder andere Prozessbeteiligte zu behandeln, dem das Erscheinen zur mündlichen Verhandlung freigestellt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 21.06.1983 - 4 RJ 3/83 - veröffentlicht in juris); der Senat ist nicht daran gehindert ist, in der Sache zu entscheiden.
Die form- und fristgerecht eingelegte (vgl. § 151 Abs. 1 SGG) Berufung ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Soweit der Kläger eine Untätigkeitsklage i.S.d. § 88 Abs. 1 SGG erhoben hat, war diese bereits unzulässig, da die Beklagte über den Antrag des Klägers vom 28.09.2010 bereits mit Bescheid vom 06.10.2010 entschieden hatte.
Soweit der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, den Anträgen zu entsprechen, er mithin den Erlass der gegen ihn bestehenden Forderungen geltend macht, hat das SG die Klage im Ergebnis gleichfalls zu Recht abgewiesen. Ob, wie vom SG ausgeführt, die Ermessens-entscheidung der Beklagten zutreffend war, kann dabei offen bleiben, da bereits die tatbe-standlichen Voraussetzungen für den Erlass der Erstattungsansprüche der Beklagten gegen den Kläger nicht erfüllt sind. Gemäß § 76 Abs. 2 Nr. 3 SGB IV darf ein Versicherungsträger Ansprüche nur erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Die Vorschrift stellt eine Ausnahme von dem in § 76 Abs. 1 SGB IV normierten Grundsatz dar, dass die Versicherungsträger dazu verpflichtet sind, ihre Einnahmen rechtzeitig und vollständig zu erheben. Hierzu zählen, als "sonstige Einnahmen" i.S.d § 20 Abs. 1 SGB IV u.a. auch Erstattungsansprüche nach § 50 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) (vgl. Seewald in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Bd. 1, § 20 SGB IV, Rn. 5, Stand: Januar 2010).
Das Prinzip der rechtzeitigen und vollständigen Einnahmeerhebung darf nicht durch eine zu großzügige Auslegung der Erlassvoraussetzungen unterlaufen werden. Denn mit dem Erlass wird gegenüber dem Schuldner auf einen bestehenden Anspruch ganz oder teilweise verzichtet. Der Anspruch erlischt; seine spätere Geltendmachung ist ausgeschlossen. Der Erlass begünstigt damit den Einzelnen zu Lasten der Versichertengemeinschaft. Es ist zwischen den Interessen des Versicherungsträgers sowie der Verpflichtung aus § 76 Abs. 1 SGB IV, Einnahmen rechtzeitig und vollständig zu erheben, und den Individualinteressen des Zahlungspflichtigen abzuwägen. Dies erfordert enge Maßstäbe (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.12.2005 - L 8 AL 4537/04 - veröffentlicht in juris). In diesem Zusammenhang ist das von § 76 SGB IV zugrunde gelegte Interesse des Versicherungsträgers und das in Bezug genommene und in die Abwägung eingestellte Interesse der Versichertengemeinschaft allein finanzieller Art. Sonstige Kriterien können allenfalls bei der Beurteilung des Vorliegens einer Unbilligkeit aus sachlichen Gründen Berücksichtigung finden.
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die Einziehung der Forderung weder aus persönlichen noch aus sachlichen Gründen unbillig. Der Erlass aus persönlichen Billigkeitsgründen kann insbesondere dann in Betracht gezogen werden, wenn die Erfüllung des Anspruchs für den Zahlungspflichtigen unzumutbar, d.h. existenzbedrohend oder zumindest in hohem Maße existenzgefährdend ist (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.12.2005, a.a.O.). Die Gefährdung muss hierbei i.d.R. dauerhaft sein; eine nur vorübergehende Gefährdung genügt allenfalls dann, wenn der vorübergehenden Notlage durch eine Stundung nicht ausreichend begegnet werden kann. Dies ist zur Überzeugung des Senats beim Kläger nicht der Fall. Der Kläger hat bereits nicht substantiiert vorgetragen, warum er gerade durch die Einziehung der Forderungen der Beklagten in eine wirtschaftliche Notlage gerät. Der Kläger bezog, bis zu seiner Inhaftierung, Leistungen nach dem SGB II, durch die sein Lebensunterhalt gesichert war. Einer möglicherweise bestehenden schlechten wirtschaftlichen Situation kann der Kläger nach seiner Haftentlassung dadurch begegnen, dass er eine Erwerbstätigkeit aufnimmt, wie er dies vor seiner Inhaftierung regelmäßig, wenn auch jeweils nur kurzzeitig, bereits unternommen hat. Dass dem Kläger - mutmaßlich - aktuell und in überschaubarer Zukunft keine liquiden Mittel zur Verfügung stehen, die Forderung auf einmal zu bedienen, rechtfertigt die Annahme einer Unbilligkeit aus persönlichen Gründen nicht, da insofern eine Ratenzahlung vereinbart werden kann. Da überdies allein eine erhebliche wirtschaftliche Belastung oder eine fehlende wirt¬schaftliche Leistungsfähigkeit den Erlass der Forderung aus persönlichen Gründen nicht rechtfertigen können (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.12.2005, a.a.O.), geht auch der Einwand des Klägers zur Begründung seines Antrages, wegen eines laufenden Insol¬venzverfahrens seien die Forderungen nicht einziehbar, fehl. Da in einem Insolvenzverfahren durch einen Erlass ausschließlich die übrigen Gläubiger des Klägers begünstigt würden, ist ein Erlass von Ansprüchen während des Insolvenzverfahrens nicht begründet (vgl. Baier in Sozial Krankenversicherung/Pflegeversicherung, Stand Jan. 2005, § 76 SGB IV, Rn. 14). Der Vortrag, durch die Beitreibung der offenen Forderungen würden die Eingliederungschancen des Klägers erheblich behindert, führt gleichfalls nicht zur Annahme einer Unbilligkeit, da ungeachtet dessen, dass die Eingliederungschancen des Klägers einzig durch seine häufigen Arbeits¬platzwechsel beeinträchtigt sind, nicht ersichtlich ist, aus welchen Gründen eine Forderung i.H.v. 6.111,49 EUR Einfluss auf die Erlangung eines Arbeitsplatzes haben soll. Ferner berücksichtigt der Senat, dass die, die Unbilligkeit begründende Situation den Erlass nur dann rechtfertigt, wenn sie durch die Einziehung des Anspruchs verursacht oder entscheidend mitverursacht wird oder die mögliche Behebung der Notlage verhindert; mithin der Erlass jedenfalls geeignet sein muss, die Situation entscheidend zu verändern (Baier, a.a.O.). Da indes die Forderungen der Beklagten gegenüber möglichen Schadensersatzforderungen Dritter wegen (vermeintlicher) Betrugshand¬lungen derart marginal sind, dass eine ggf. bestehende wirtschaftliche Existenzgefährdung nicht durch die Erstattungsforderung der Beklagten, sondern anderweitig bedingt ist - die dem Kläger vorgeworfenen Straftaten, die Hintergrund der Inhaftierung sind, haben nach den gerichtsbe-kannten Medienveröffentlichungen einen Schaden von ca. 600.000,- EUR verursacht - wird durch den Erlass der Forderungen der Beklagten die vermeintliche wirtschaftliche Notlage des Klägers nicht wesentlich beeinflusst. In Zusammenschau der persönlichen Gründe des Klägers dafür, die Forderung erlassen zu erhalten, ist, nach einer Abwägung mit den Interessen und der gesetzlichen Verpflichtung der Beklagten an der Beitreibung der Forderung, eine Einziehung der Forderung zur Überzeugung des Senats nicht unbillig. Der Senat berücksichtigt hierbei auch, dass der Kläger aus den von ihm erzielten Arbeitseinkünften und erhaltenen Abfin-dungszahlungen, trotz Kenntnis um die bestehenden Forderungen, keinerlei (freiwillige) Tilgung geleistet hat.
Ein Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen ist angezeigt, wenn die Geltendmachung eines Anspruches zwar dem Wortlaut einer Vorschrift entspricht, aber nach dem Zweck des zugrunde liegenden Gesetzes nicht (mehr) zu rechtfertigen ist, weil er dessen Wertungen zuwiderläuft. Umstände, die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des gesetzlichen Tatbestandes einer Vorschrift hingegen bewusst in Kauf genommen hat, können dagegen keine sachliche Unbilligkeit begründen (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12.11.2008 - L 30 AL 18/07 - veröffentlicht in juris). Soweit sich der Kläger darauf beruft, die Forderungen der Beklagten resultierten aus deren eigenen Versäumnissen, vermag dies eine sachliche Unbilligkeit nicht zu begründen, da insbesondere bei der Prüfung der Unbilligkeit im Rahmen des § 76 Abs. 2 Nr. 3 SGB IV die Umstände, die zum Erstattungsbetrag geführt haben, nicht zu berücksichtigen sind (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.12.2005, a.a.O.). Der Hinweis des Klägers darauf, dass die Ansprüche viele Jahre zurück lägen - den Einwand der Verjährung hat der Kläger nicht erhoben, vielmehr hat er in seinem Antrag vom 28.09.2010 ausdrücklich ausgeführt, er prüfe, ob die Ansprüche verjährt seien, um im Gerichtsverfahren sodann keine weiteren Angaben hierzu zu tätigen - führt gleichfalls nicht zu einer Unbilligkeit aus sachlichen Gründen. § 52 Abs. 2 SGB X ordnet vielmehr für unanfechtbare Verwaltungsakte, die der Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Ansprüche dienen, eine Verjährung innerhalb von 30 Jahren an. Dem hierin zum Ausdruck kommenden Gedanken, Erstattungsbeträge innerhalb von 30 Jahren vollstrecken zu können, würde die Annahme einer Unbilligkeit aus sachlichen Gründen bei einem weit kürzeren Zeitraum zu wider laufen, weswegen eine sachliche Unbilligkeit auch aus dem zeitlichen Abstand heraus nicht begründet ist.
Da mithin die Einziehung der Forderung nicht unbillig ist, erweist sich der Bescheid der Beklagten vom 06.10.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.09.2011 als rechtmäßig.
Der daneben vom Kläger formulierte Antrag, festzustellen, dass das Verhalten der Beklagten sei rechtswidrig gewesen sei, ist bereits deswegen unzulässig, weil über die Rechtmäßigkeit des Handelns, vorliegend der Ablehnung des beantragten Erlasses, im Rahmen der vom Kläger verfolgten Anfechtungs- und Leistungsklage zu entscheiden ist (vgl. Keller, in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 55, Rn. 19a).
Mit dem Begehren, die Beklagte zu verpflichten, zukünftige Anträge zügig, unter Beachtung des Beschleunigungsgrundsatzes, zu verbescheiden, macht der Kläger vorbeugenden Rechtsschutz geltend. Ein solcher erfordert jedoch, dass der Betroffene ein gerade auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzinteresse darlegt, das regelmäßig nicht gegeben ist, solange er auf den nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden kann. (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 15.11.1995 - 6 RKa 17/95 - veröffentlicht in juris). Da jedoch nicht ersichtlich ist, das ein Zuwarten zu nicht ohne Weiteres revidierbaren Nachteilen beim Kläger führen würde, kann dieser kein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis für sich reklamieren; der Antrag ist, wie vom SG zutreffend entschieden, bereits unzulässig.
Der angefochtene Gerichtsbescheid unterliegt im Übrigen auch keinen Verfahrensfehlern. Soweit der Kläger hierzu angeführt hat, das SG habe unzulässigerweise selbst über seine Befangenheitsgesuche entschieden, ist dies nicht zu beanstanden, da, wie in den zahlreichen Verfahren des Klägers bereits vielfach vom Senat entschieden wurde, das SG berechtigterweise selbst über die Befangenheitsgesuche des Klägers vom 26.04.2011 und vom 30.08.2011 entschieden hat.
Die Berufung ist mithin zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im vorliegende Verfahren ist u.a. ein beantragter Erlass einer Forderung gegenständlich.
Der am 18.01.1975 geborene Kläger, der sich seit dem 13.09.2011 in Untersuchungshaft befindet, stand mit Unterbrechungen im langjährigen Bezug von Leistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Die Bewilligung von Arbeitslosengeld, das der Kläger bezogen hatte, wurde z.T. nachträglich aufgehoben und das gezahlte Arbeitslosengeld zurückge¬fordert. Zur beruflichen Wiedereingliederung gewährte die Beklagte dem Kläger ferner in den Jahren 2007 bis 2009 mehrfach Mobilitätshilfen in Form von Darlehen. Gegen die Rückforderung der Darlehensbeträge und die Aufhebung der Arbeitslosengeldbewilligung führte und führt der Kläger vor dem Sozialgericht Karlsruhe (SG) und dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) zahlreiche Rechtsstreitigkeiten gegen die Beklagte. Zum 06.10.2010 belief sich die (Rest-) Forderung der Beklagten gegen den Kläger u.a. auf Beträge von 1.465, 68 EUR und 4.645,80 EUR. Tilgungen auf die ursprünglich höheren Forderungen wurden seitens des Klägers nicht geleistet, weswegen die Beklagte in Zeiten, in denen der Kläger Arbeitslosengeld bezog, zuletzt bis zum 20.05.2011, gegen dieses aufgerechnet hatte. Die Aufrechnungen, die Anordnungen der sofortigen Vollziehbarkeit derselben waren und sind Gegenstand zahlreicher weiterer Verfahren des Klägers.
Am 28.09.2010 beantragte der Kläger den Erlass der "angeblichen" Ansprüche. Die Geltend-machung der Ansprüche sei, so der Kläger, offensichtlich unbillig, da die Forderungen zum Teil auf Versäumnissen der Beklagten beruhten, aufgrund eines laufenden Insolvenz¬verfahrens nicht einziehbar seien, seine Eingliederungsmöglichkeiten durch die Betreibung erheblich behindert würden und schließlich offen sei, ob die Forderungen aufgrund der von ihm erklärten Aufrechnungen nicht untergegangen seien. Ob die Forderungen bereits verjährt seien, habe er noch nicht geprüft.
Mit Bescheid vom 06.10.2010 lehnte die Beklagte den Erlass der Forderungen ab. Sie führte hierzu an, die Einziehung der bestehenden Forderungen sei nicht unbillig. Unbilligkeit liege dann nicht vor, wenn die Möglichkeit bestehe, mit Sozialleistungen aufzurechnen bzw. zu verrechnen. Da dies bis zur Grenze der Sozialhilfebedürftigkeit möglich sei, im Übrigen eine Existenzgefährdung nicht erkennbar sei, komme ein Erlass der Forderung nicht in Betracht.
Den hiergegen am 12.10.2010 unter der Begründung erhobenen Widerspruch, die Beklagte habe ihr Ermessen nicht ausgeübt und durch die laufende Aufrechnung werde Hilfebedürftigkeit i.S.d. Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) verursacht, wies die Beklagte mit Widerspruchs¬bescheid vom 26.09.2011 zurück. Sie führte hierzu aus, die Einziehung der Forderungen sei weder aus persönlichen noch aus sachlichen Gründen unbillig. Der Einwand des Klägers, die Forderungen gründeten auf Versäumnissen der Beklagten, sei lediglich die Einschätzung des Klägers. Der Kläger habe im Rahmen der Rechtsstreitigkeiten gegen die Aufrechnungen seine Hilfebedürftigkeit nie belegt. Der zeitliche Ablauf seit der Entstehung der Forderungen gründe darin, dass der Kläger kaum Anstrengungen unternommen habe, die Forderungen zu begleichen. Soweit sich der Kläger auf den Einwand der Verjährung berufe, greife dieser nicht durch, weil die Verjährung durch die Einlegung der Rechtsbehelfe und -mittel gehemmt werde. Auch werde die wirtschaftliche Existenz durch die Beitreibung von Forderungen nicht gefährdet, da der Lebensunterhalt des Klägers durch SGB II- Leistungen gesichert werde.
Bereits am 07.04.2011 hat der Kläger "Klage" und "Untätigkeitsklage" beim Oberlandesgericht Karlsruhe erhoben, die von dort am 13.04.2011 an das SG weitergeleitet wurde. Die Beklagte habe über seinen Antrag vom 28.09.2010 nicht entschieden. Im Verwaltungsverfahren gelte der Beschleunigungsgrundsatz.
Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten.
Nachdem das SG einen vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzanspruch mit Beschluss vom 31.08.2011 abgetrennt hat, hat es, nach Anhörung der Beteiligten (Schreiben vom 11.05.2011, dem Kläger zugestellt am 13.05.2011), die Klage mit Gerichtsbescheid vom 13.10.2011 abgewiesen. Zu Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, Befangen-heitsgesuche des Klägers, die dieser während des Verfahrens am 26.04.2011 und am 30.08.2011 gestellt habe, hinderten es nicht daran, in der Sache zu entscheiden, da diese offensichtlich rechtsmissbräuchlich seien. Die Anträge zielten einzig darauf ab, den Kammervorsitzenden vom vorliegenden Verfahren auszuschließen, um die Bearbeitung des Verfahrens durch einen anderen Richter zu erreichen. Auch inhaltlich führe die Klage für den Kläger nicht zum Erfolg. Die vom Kläger erhobene Untätigkeitsklage sei bereits deswegen unzulässig, weil die Beklagte bereits durch Bescheid vom 06.10.2010 über den Antrag vom 28.09.2010 entschieden habe. Der Antrag auf Erlass der Forderungen sei unbegründet, da der Versicherungsträger gemäß § 76 Abs. 2 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) Ansprüche nur dann erlassen dürfe, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Die Beklagte habe dies, so das SG unter Verweis auf den Widerspruchsbescheid vom 26.09.2011, ermessensfehlerfrei verneint. Anhaltspunkte für eine Ermessensreduktion auf Null seien nicht ersichtlich. Da das Verhalten der Beklagten nicht rechtswidrig gewesen sei, sei der Feststellungsantrag unbegründet, der Antrag auf zügige Entscheidungen der Beklagten sei, in Ermangelung eines Rechtsschutz¬bedürfnisses, bereits unzulässig.
Gegen den am 18.10.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 08.11.2011 beim SG Berufung eingelegt. Zu deren Begründung bringt er vor, mangels Begründung sei bereits nicht ersichtlich, ob die Beklagte überhaupt ihr Ermessen ausgeübt habe. Im Übrigen habe das SG unzulässigerweise selbst über seine Befangenheitsgesuche entschieden.
Der Kläger beantragt (zweckdienlich gefasst),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. Oktober 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, seinen Antrag vom 28. September 2010 zu verbescheiden, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 06. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. September 2011 zu verurteilen, die ihr gegen ihm zustehenden Forderungen zu erlassen, festzustellen, dass das Verhalten der Beklagten rechtswidrig war und die Beklagte zu verurteilen, zukünftige Anträge zügig unter Beachtung des Beschleunigungsgrundsatzes zu verbescheiden.
Die Beklagte hat sich im Berufungsverfahren nicht geäußert.
Der Senat hat dem Kläger die Möglichkeit eröffnet, Einsicht in die Verfahrens- und Verwaltungsakten zu nehmen, indem er die Akten in die Justizvollzugsanstalt S. übersandt hat. Der Kläger hat hiervon am 01.06.2012 Gebrauch gemacht. Unter dem 27.06.2012 hat der Senat, auf einen Antrag des Klägers hin, ein Vorführungsersuchen an die Justizvollzugsanstalt S. gerichtet.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz, die bei der Beklagten für den streitgegenständlichen Vorgang geführte Verwaltungsakte, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 18.07.2012 wurden, sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 18.07.2012 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung führt für den Kläger nicht zum Erfolg.
Der Senat konnte über die Berufung entscheiden, obschon der sich in Untersuchungshaft befindliche Kläger zu der mündlichen Verhandlung am 18.07.2012 nicht erschienen ist (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 21.09.2011 - L 3 AL 2514/10 -, Urteil vom 19.10.2011 - L 3 AL 3913/11 -; Beschlüsse des Bundessozialgerichts [BSG] vom 12.03.2012 in den vom Kläger dort betriebenen Verfahren - B 11 AL 43/11 BH - und - B 11 AL 44/11 BH -). Soweit der Kläger beantragt hat, ihn zur mündlichen Verhandlung vorzuführen, hat der Senat dem entsprochen und unter dem 27.06.2012 ein Vorführungsersuchen an die Justizvollzugsanstalt S. gerichtet. Wenn sich der Kläger, dessen persönliches Erscheinen nicht angeordnet war, nunmehr kurzzeitig - am Sitzungstag - dahingehend entscheidet, sich nicht ausführen zu lassen, ist er wie jeder andere Prozessbeteiligte zu behandeln, dem das Erscheinen zur mündlichen Verhandlung freigestellt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 21.06.1983 - 4 RJ 3/83 - veröffentlicht in juris); der Senat ist nicht daran gehindert ist, in der Sache zu entscheiden.
Die form- und fristgerecht eingelegte (vgl. § 151 Abs. 1 SGG) Berufung ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Soweit der Kläger eine Untätigkeitsklage i.S.d. § 88 Abs. 1 SGG erhoben hat, war diese bereits unzulässig, da die Beklagte über den Antrag des Klägers vom 28.09.2010 bereits mit Bescheid vom 06.10.2010 entschieden hatte.
Soweit der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, den Anträgen zu entsprechen, er mithin den Erlass der gegen ihn bestehenden Forderungen geltend macht, hat das SG die Klage im Ergebnis gleichfalls zu Recht abgewiesen. Ob, wie vom SG ausgeführt, die Ermessens-entscheidung der Beklagten zutreffend war, kann dabei offen bleiben, da bereits die tatbe-standlichen Voraussetzungen für den Erlass der Erstattungsansprüche der Beklagten gegen den Kläger nicht erfüllt sind. Gemäß § 76 Abs. 2 Nr. 3 SGB IV darf ein Versicherungsträger Ansprüche nur erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Die Vorschrift stellt eine Ausnahme von dem in § 76 Abs. 1 SGB IV normierten Grundsatz dar, dass die Versicherungsträger dazu verpflichtet sind, ihre Einnahmen rechtzeitig und vollständig zu erheben. Hierzu zählen, als "sonstige Einnahmen" i.S.d § 20 Abs. 1 SGB IV u.a. auch Erstattungsansprüche nach § 50 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) (vgl. Seewald in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Bd. 1, § 20 SGB IV, Rn. 5, Stand: Januar 2010).
Das Prinzip der rechtzeitigen und vollständigen Einnahmeerhebung darf nicht durch eine zu großzügige Auslegung der Erlassvoraussetzungen unterlaufen werden. Denn mit dem Erlass wird gegenüber dem Schuldner auf einen bestehenden Anspruch ganz oder teilweise verzichtet. Der Anspruch erlischt; seine spätere Geltendmachung ist ausgeschlossen. Der Erlass begünstigt damit den Einzelnen zu Lasten der Versichertengemeinschaft. Es ist zwischen den Interessen des Versicherungsträgers sowie der Verpflichtung aus § 76 Abs. 1 SGB IV, Einnahmen rechtzeitig und vollständig zu erheben, und den Individualinteressen des Zahlungspflichtigen abzuwägen. Dies erfordert enge Maßstäbe (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.12.2005 - L 8 AL 4537/04 - veröffentlicht in juris). In diesem Zusammenhang ist das von § 76 SGB IV zugrunde gelegte Interesse des Versicherungsträgers und das in Bezug genommene und in die Abwägung eingestellte Interesse der Versichertengemeinschaft allein finanzieller Art. Sonstige Kriterien können allenfalls bei der Beurteilung des Vorliegens einer Unbilligkeit aus sachlichen Gründen Berücksichtigung finden.
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die Einziehung der Forderung weder aus persönlichen noch aus sachlichen Gründen unbillig. Der Erlass aus persönlichen Billigkeitsgründen kann insbesondere dann in Betracht gezogen werden, wenn die Erfüllung des Anspruchs für den Zahlungspflichtigen unzumutbar, d.h. existenzbedrohend oder zumindest in hohem Maße existenzgefährdend ist (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.12.2005, a.a.O.). Die Gefährdung muss hierbei i.d.R. dauerhaft sein; eine nur vorübergehende Gefährdung genügt allenfalls dann, wenn der vorübergehenden Notlage durch eine Stundung nicht ausreichend begegnet werden kann. Dies ist zur Überzeugung des Senats beim Kläger nicht der Fall. Der Kläger hat bereits nicht substantiiert vorgetragen, warum er gerade durch die Einziehung der Forderungen der Beklagten in eine wirtschaftliche Notlage gerät. Der Kläger bezog, bis zu seiner Inhaftierung, Leistungen nach dem SGB II, durch die sein Lebensunterhalt gesichert war. Einer möglicherweise bestehenden schlechten wirtschaftlichen Situation kann der Kläger nach seiner Haftentlassung dadurch begegnen, dass er eine Erwerbstätigkeit aufnimmt, wie er dies vor seiner Inhaftierung regelmäßig, wenn auch jeweils nur kurzzeitig, bereits unternommen hat. Dass dem Kläger - mutmaßlich - aktuell und in überschaubarer Zukunft keine liquiden Mittel zur Verfügung stehen, die Forderung auf einmal zu bedienen, rechtfertigt die Annahme einer Unbilligkeit aus persönlichen Gründen nicht, da insofern eine Ratenzahlung vereinbart werden kann. Da überdies allein eine erhebliche wirtschaftliche Belastung oder eine fehlende wirt¬schaftliche Leistungsfähigkeit den Erlass der Forderung aus persönlichen Gründen nicht rechtfertigen können (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.12.2005, a.a.O.), geht auch der Einwand des Klägers zur Begründung seines Antrages, wegen eines laufenden Insol¬venzverfahrens seien die Forderungen nicht einziehbar, fehl. Da in einem Insolvenzverfahren durch einen Erlass ausschließlich die übrigen Gläubiger des Klägers begünstigt würden, ist ein Erlass von Ansprüchen während des Insolvenzverfahrens nicht begründet (vgl. Baier in Sozial Krankenversicherung/Pflegeversicherung, Stand Jan. 2005, § 76 SGB IV, Rn. 14). Der Vortrag, durch die Beitreibung der offenen Forderungen würden die Eingliederungschancen des Klägers erheblich behindert, führt gleichfalls nicht zur Annahme einer Unbilligkeit, da ungeachtet dessen, dass die Eingliederungschancen des Klägers einzig durch seine häufigen Arbeits¬platzwechsel beeinträchtigt sind, nicht ersichtlich ist, aus welchen Gründen eine Forderung i.H.v. 6.111,49 EUR Einfluss auf die Erlangung eines Arbeitsplatzes haben soll. Ferner berücksichtigt der Senat, dass die, die Unbilligkeit begründende Situation den Erlass nur dann rechtfertigt, wenn sie durch die Einziehung des Anspruchs verursacht oder entscheidend mitverursacht wird oder die mögliche Behebung der Notlage verhindert; mithin der Erlass jedenfalls geeignet sein muss, die Situation entscheidend zu verändern (Baier, a.a.O.). Da indes die Forderungen der Beklagten gegenüber möglichen Schadensersatzforderungen Dritter wegen (vermeintlicher) Betrugshand¬lungen derart marginal sind, dass eine ggf. bestehende wirtschaftliche Existenzgefährdung nicht durch die Erstattungsforderung der Beklagten, sondern anderweitig bedingt ist - die dem Kläger vorgeworfenen Straftaten, die Hintergrund der Inhaftierung sind, haben nach den gerichtsbe-kannten Medienveröffentlichungen einen Schaden von ca. 600.000,- EUR verursacht - wird durch den Erlass der Forderungen der Beklagten die vermeintliche wirtschaftliche Notlage des Klägers nicht wesentlich beeinflusst. In Zusammenschau der persönlichen Gründe des Klägers dafür, die Forderung erlassen zu erhalten, ist, nach einer Abwägung mit den Interessen und der gesetzlichen Verpflichtung der Beklagten an der Beitreibung der Forderung, eine Einziehung der Forderung zur Überzeugung des Senats nicht unbillig. Der Senat berücksichtigt hierbei auch, dass der Kläger aus den von ihm erzielten Arbeitseinkünften und erhaltenen Abfin-dungszahlungen, trotz Kenntnis um die bestehenden Forderungen, keinerlei (freiwillige) Tilgung geleistet hat.
Ein Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen ist angezeigt, wenn die Geltendmachung eines Anspruches zwar dem Wortlaut einer Vorschrift entspricht, aber nach dem Zweck des zugrunde liegenden Gesetzes nicht (mehr) zu rechtfertigen ist, weil er dessen Wertungen zuwiderläuft. Umstände, die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des gesetzlichen Tatbestandes einer Vorschrift hingegen bewusst in Kauf genommen hat, können dagegen keine sachliche Unbilligkeit begründen (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12.11.2008 - L 30 AL 18/07 - veröffentlicht in juris). Soweit sich der Kläger darauf beruft, die Forderungen der Beklagten resultierten aus deren eigenen Versäumnissen, vermag dies eine sachliche Unbilligkeit nicht zu begründen, da insbesondere bei der Prüfung der Unbilligkeit im Rahmen des § 76 Abs. 2 Nr. 3 SGB IV die Umstände, die zum Erstattungsbetrag geführt haben, nicht zu berücksichtigen sind (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.12.2005, a.a.O.). Der Hinweis des Klägers darauf, dass die Ansprüche viele Jahre zurück lägen - den Einwand der Verjährung hat der Kläger nicht erhoben, vielmehr hat er in seinem Antrag vom 28.09.2010 ausdrücklich ausgeführt, er prüfe, ob die Ansprüche verjährt seien, um im Gerichtsverfahren sodann keine weiteren Angaben hierzu zu tätigen - führt gleichfalls nicht zu einer Unbilligkeit aus sachlichen Gründen. § 52 Abs. 2 SGB X ordnet vielmehr für unanfechtbare Verwaltungsakte, die der Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Ansprüche dienen, eine Verjährung innerhalb von 30 Jahren an. Dem hierin zum Ausdruck kommenden Gedanken, Erstattungsbeträge innerhalb von 30 Jahren vollstrecken zu können, würde die Annahme einer Unbilligkeit aus sachlichen Gründen bei einem weit kürzeren Zeitraum zu wider laufen, weswegen eine sachliche Unbilligkeit auch aus dem zeitlichen Abstand heraus nicht begründet ist.
Da mithin die Einziehung der Forderung nicht unbillig ist, erweist sich der Bescheid der Beklagten vom 06.10.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.09.2011 als rechtmäßig.
Der daneben vom Kläger formulierte Antrag, festzustellen, dass das Verhalten der Beklagten sei rechtswidrig gewesen sei, ist bereits deswegen unzulässig, weil über die Rechtmäßigkeit des Handelns, vorliegend der Ablehnung des beantragten Erlasses, im Rahmen der vom Kläger verfolgten Anfechtungs- und Leistungsklage zu entscheiden ist (vgl. Keller, in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 55, Rn. 19a).
Mit dem Begehren, die Beklagte zu verpflichten, zukünftige Anträge zügig, unter Beachtung des Beschleunigungsgrundsatzes, zu verbescheiden, macht der Kläger vorbeugenden Rechtsschutz geltend. Ein solcher erfordert jedoch, dass der Betroffene ein gerade auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzinteresse darlegt, das regelmäßig nicht gegeben ist, solange er auf den nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden kann. (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 15.11.1995 - 6 RKa 17/95 - veröffentlicht in juris). Da jedoch nicht ersichtlich ist, das ein Zuwarten zu nicht ohne Weiteres revidierbaren Nachteilen beim Kläger führen würde, kann dieser kein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis für sich reklamieren; der Antrag ist, wie vom SG zutreffend entschieden, bereits unzulässig.
Der angefochtene Gerichtsbescheid unterliegt im Übrigen auch keinen Verfahrensfehlern. Soweit der Kläger hierzu angeführt hat, das SG habe unzulässigerweise selbst über seine Befangenheitsgesuche entschieden, ist dies nicht zu beanstanden, da, wie in den zahlreichen Verfahren des Klägers bereits vielfach vom Senat entschieden wurde, das SG berechtigterweise selbst über die Befangenheitsgesuche des Klägers vom 26.04.2011 und vom 30.08.2011 entschieden hat.
Die Berufung ist mithin zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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