L 9 R 5381/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 2853/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 5381/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 25. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1965 geborene Klägerin kam 1974 aus der ehemaligen Sowjetunion in die Bundesrepublik Deutschland. Von September 1984 bis Dezember 1992 hat sie – nach ihren Angaben – verschiedene Tätigkeiten verrichtet. Von Dezember 1993 bis Juni 1995 wurde sie zur Bürokauffrau umgeschult. Nach Tätigkeiten als Bürokauffrau und Sachbearbeiterin von 1996 bis Februar 2001 arbeitete sie anschließend bis Mai 2006 als Verkäuferin und von Juli 2006 bis Juli 2008 (befristetes Arbeitsverhältnis) als Postzustellerin. Seit 26.10.2007 war sie arbeitsunfähig und bezog seit 8.12.2007 Krankengeld bzw. Arbeitslosengeld. Seit Oktober 2009 bezieht sie Arbeitslosengeld II.

Vom 8.4. bis 20.5.2008 befand sich die Klägerin zu einem Heilverfahren in der Vogelsbergkli-nik. Die dortigen Ärzte diagnostizierten bei der Klägerin im Entlassungsbericht vom 30.5.2008 eine rezidivierende mittelgradige depressive Episode, eine emotional instabile Persönlichkeitsakzentuierung, einen Zustand nach Alkoholabusus, Nikotinabusus sowie Sodbrennen. Sie entließen die Klägerin als arbeitsunfähig und führten aus, die Erwerbsfähigkeit der Klägerin sei vorübergehend vermindert. Aufgrund der Persönlichkeitsakzentuierung, den damit verbundenen Stimmungsschwankungen und der geringen Frustrationstoleranz sei der Klägerin geraten worden, keine gehobene Verantwortung für Personen oder Dinge zu übernehmen, da ihre Belastbarkeit in Stresssituationen herabgesetzt sei. Als Postzustellerin sei die Klägerin 6 Stunden und mehr einsatzfähig und könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mittelschwere Tätigkeiten ohne ständiges Stehen und Gehen und ohne Nachtschichten 6 Stunden und mehr verrichten.

Am 10.6.2008 beantragte die Klägerin, bei der ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 festgestellt ist, die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog einen Befundbericht der Klinik R. vom 1.11.2008 bei und ließ die Klägerin auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet untersuchen. Der Neurologe und Psychiater Dr. Z. stellte bei der Klägerin im Gutachten vom 8.4.2009 eine Alkoholabhängigkeit, eine Nikotinabhängigkeit, Adipositas sowie eine primär histrionische Persönlichkeit fest. Aus seiner Sicht sei die Erwerbsfähigkeit nicht aufgehoben, jedoch durch die Alkoholkrankheit gefährdet. Er rege eine medizinische Rehabilitationsbehandlung mit Entwöhnungsbehandlung bei Alkoholabhängigkeit an. Eine Berentung wegen Erwerbsunfähigkeit wäre zum jetzigen Zeitpunkt kontraproduktiv, da symptom-fixierend. Nach der Entwöhnungsbehandlung könne die Klägerin als Postzustellerin 6 Stunden und mehr arbeiten sowie leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne zu großen Termindruck und ohne Zugang zu Alkohol 6 Stunden und mehr verrichten.

Die Beklagte bewilligte der Klägerin daraufhin mit Bescheid vom 27.5.2009 eine Entwöhnungsbehandlung in der Klinik W. für die Dauer von 16 Wochen. Vom 28.7.2009 bis 12.8.2009 befand sich die Klägerin in dieser Klinik und brach dann diese Maßnahme vorzeitig ohne ärztliches Einverständnis ab. Zur Begründung gab sie "Heimweh" nach ihrem Partner und Belastungen durch den "Leerlauf" zwischen dem Therapieprogramm an. Die Alkoholabhängigkeit stehe – ihrer Ansicht nach – weniger im Vordergrund als ihre anderen Belastungen (Stimmung, interaktionelle Schwierigkeiten). Sie mache sich Sorgen um ihre Zukunft und glaube nicht, dass die beruflichen Therapiebausteine ihr helfen könnten. Sie möchte deswegen, dass ihrem Rentenwunsch entsprochen werde. Die dortigen Ärzte nannten im Entlassungsbericht vom 21.8.2009 folgende Diagnosen: Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol: Abhängigkeitssyndrom, emotional instabile Persönlichkeitsstörung, sonstige bipolare affektive Störungen, psychische und Verhaltensstörungen durch Tabak: Abhängigkeitssyndrom sowie Adipositas. Hinweise auf schwerwiegende internistische oder neurologische alkoholtoxische Folgeerkrankungen hätten sich nicht gefunden. Wegen des abrupten Therapieabbruchs sei auch keine Ent-lassuntersuchung möglich gewesen. Sie führten aus, nach zwei Behandlungswochen sei das psychische Leistungsvermögen der Klägerin schwer einschätzbar. Die Klägerin schildere verschiedene psychische Belastungen und sei der Ansicht, dass sie nicht länger als 2 bis 3 Stunden pro Tag arbeiten könne. Aus therapeutischen Gründen werde die Klägerin als arbeitsunfähig entlassen.

Die Ärzte der Klinik R. nannten im Befundbericht vom 11.12.2009 als Diagnosen: Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, sowie emotional instabile Persönlichkeitsstörung und vertraten die Ansicht, derzeit bestehe für einfache Tätigkeiten nur eine Belastbarkeit von unter 3 Stunden täglich. Für eine berufliche Rehabilitation sei derzeit ebenfalls keine ausreichende Belastbarkeit vorhanden.

Mit Bescheid am 10.2.2010 lehnte die Beklagte die Gewährung von Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung ab. Zur Begründung führte sie aus, bei der Klägerin seien ärztlicherseits eine Alkoholabhängigkeit, eine Nikotinabhängigkeit sowie eine Adipositas festgestellt worden. Mit dem vorhandenen Leistungsvermögen könne sie Tätigkeiten im Umfang von mindestens 6 Stunden täglich im Rahmen einer 5-Tage-Woche regelmäßig ausüben.

Hiergegen legte die Klägerin am 18.2.2010 Widerspruch ein. Die Beklagte holte Befundberichte bei der Diplom-Psychologin K. vom 28.4.2010 sowie bei dem Arzt H. von der Klinik R. vom 30.5.2010 (rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichte Episode, Alkoholabhängigkeit, gegenwärtig abstinent, emotional instabile Persönlichkeitsstörung, Übergewicht) ein und wies den Widerspruch nach einer Stellungnahme ihres Beratungsarztes vom 10.6.2010 mit Widerspruchsbescheid vom 2.8.2010 zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 30.8.2010 Klage zum Sozialgericht (SG) Reutlingen erhoben, mit der sie die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung weiter verfolgt.

Das SG hat den behandelnden Psychiater der Klägerin als sachverständigen Zeugen gehört und ein nervenärztliches Gutachten eingeholt.

Der Psychiater H. von der Klinik R. hat unter dem 12.1.2011 erklärt, er behandle die Klägerin seit 2.10.2008. Bei der Klägerin lägen eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichte Episode, eine Alkoholabhängigkeit, Abstinenz seit August 2009 mit gelegentlichen kurzzeitigen Rückfällen, eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung sowie ein leichtes Übergewicht vor. Aufgrund der Persönlichkeitsstruktur habe die Klägerin große Probleme in der Wahrnehmung und Interpretation der Gefühle und Äußerungen von Sozialpartnern, woraus immer wieder Konflikte resultierten. Sie neige deswegen rasch dazu, diese Konflikte als Ablehnung ihrer Person zu interpretieren, reagiere ihrerseits dann mit Ablehnung und Distanz und verarbeite diese Gefühle depressiv. Aufgrund der funktionellen Einschränkungen in Kombination mit der inzwischen als chronifiziert anzusehenden, eigenen krankheitswertigen Fixierung auf die Position, sich den Anforderungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht mehr stellen zu wollen/können, schätze er das Leistungsvermögen auch für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes derzeit und auf absehbare Zeit auf unter 3 Stunden täglich ein.

Der Neurologe und Psychiater Dr. S. hat im Gutachten vom 30.6.2011 bei der Klägerin eine Alkoholabhängigkeit sowie eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig remittiert, festgestellt. Bei der von ihm durchgeführten Begutachtung sei keine Depression, auch nicht vom Ausmaß einer leichten depressiven Episode oder einer Dysthymia, zu diagnostizieren gewesen. Der bei der jetzigen Begutachtung feststellbare schnelle Übergang auch in Weinen, die fehlende affektive Stabilität könne sowohl Ausdruck einer erhöhten Empfindlichkeit nach früher durchgemachten depressiven Episoden, aber auch Ausdruck einer Persönlichkeitsakzentuierung sein. Nach einer einmaligen Begutachtung sei es ausgesprochen schwierig eine Persönlichkeits-störung herauszuarbeiten. Da eine solche jedoch keine Krankheit sei, werde sie nicht bei den Diagnosen aufgeführt. Die Klägerin habe bei der jetzigen Begutachtung noch angegeben, Schmerzen zu empfinden und dass sie demnächst auch bezüglich einer Fibromyalgie untersucht werde. Bei der jetzigen Untersuchung sei ein deutlicher Gegensatz zwischen den Worten der Klägerin, Schmerzen zu empfinden und der tatsächlichen Verhaltensbeobachtung, einer stets entspannten, zu keinem Zeitpunkt schmerzgeplagten oder leidend wirkenden, stets mit überschlagenden Beinen, entspannt sitzenden und nie die Stellung wechselnden Klägerin feststellbar. Die Klägerin habe auch angegeben, nur gelegentlich ein Schmerzmittel einzunehmen. Es handle sich sicher nicht, auch nicht nach Aktenlage, um ein Krankheitsbild, bei dem auch nur irgendwelche Hinweise beispielsweise auf eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung vorlägen, ein psychiatrisches Störungsbild, das von anderen medizinischen Fachbereichen (z.B. Orthopäden, Rheumatologen) manchmal als Fibromyalgie bezeichnet werde. Die Klägerin habe noch angegeben, seit der Kindheit an einem Pica-Syndrom zu leiden, einer seltenen Essstörung, bei der Menschen Dinge essen, die allgemein als wenig genießbar gelten. Zu dieser Störung gebe es bislang in den Akten keinen Anhalt. Wenn diese Störung – wie von der Klägerin angegeben – seit der Kindheit bestehe, habe sie im Leben nicht zu wirklichen Beeinträchtigungen geführt, so dass sozialmedizinisch kein relevanter Krankheitswert erkennbar sei. Eine weitere (sichere) psychische Störung von Krankheitswert sei derzeit nicht zu diagnostizieren. Mit der emotional instabilen akzentuierten Persönlichkeit auch mit histrionischen Zügen habe die Klägerin viele Jahre und Jahrzehnte ihres Lebens gearbeitet, wenngleich es zu häufigeren Stellenwechseln kam. Entsprechend könnte die Klägerin auch mit ihrer Persönlichkeit weiter einer Tätigkeit nachgehen. Daran bestehe nach der bisherigen Lebens- und Arbeitsbiografie kein Zweifel. Aus den von der Klägerin vorgetragenen Schmerzen ohne regelmäßige Einnahme von Schmerzmedikamenten und ohne dass sie wirklich leidend oder geplagt gewirkt hätte, lasse sich keine relevante Beeinträchtigung des Leistungsvermögens ableiten. Die Klägerin sei in der Lage, mindestens 6 Stunden täglich einer regelmäßigen Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachzugehen. Arbeiten mit besonderer geistiger Beanspruchung und besonderer Verantwortung sowie in der Bier- und Spiri-tuosenproduktion und im Gastronomiegewerbe sollten ebenso wie Akkord- und Fließbandarbeiten vermieden werden.

Die Klägerin hat einen Arztbrief des Reha-Klinikums Bad S. vom 2.8.2011 vorgelegt, in dem als Diagnosen aufgeführt sind: Fibromyalgie-Syndrom, DD somatoforme Schmerzstörung vom Fibromyalgie-Typ, depressive Störung, Alkoholkrankheit und Schlafapnoesyndrom, sowie einen Arztbrief der Federseeklinik Bad B. vom 19.10.2011, in dem eine entzündliche rheumatische Erkrankung ausgeschlossen und ausgeführt wird, es sei davon auszugehen, dass die anhaltende somatoforme Schmerzstörung bei der Klägerin klinisch deutlich im Vordergrund stehe.

Mit Urteil vom 25.10.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Voraussetzungen für die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung lägen nicht vor. Das SG sei davon überzeugt, dass die Klägerin noch in der Lage sei, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in einem zeitlichen Umfang von mehr als 6 Stunden arbeitstäglich auszuüben. Dabei stütze es sich auf das schlüssige und überzeugende Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. S. Gestützt werde dies auch durch die Einschätzung des Gutachters im Verwaltungsverfahren Dr. Z., der ebenfalls zu der Einschätzung gelangt sei, dass die Klägerin noch 6 Stunden arbeitstäglich leichte Tätigkeiten ausüben könne. Dies decke sich im Übrigen auch mit den Befundberichten der Diplom-Psychologin K. vom 28.4.2010 sowie dem Befundbericht der Klinik R. vom 30.5.2010, die jeweils von Befundbesserungen berichteten. Das SG sehe sich an dieser Einschätzung auch nicht durch den Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik W. vom 21.8.2009 gehindert. Diese gebe zwar ein Leistungsvermögen von weniger als 3 Stunden täglich an. Die Ärzte schränkten dies jedoch selbst damit ein, dass sie angäben, dass aufgrund der kurzen Behandlungsdauer die Leistungsfähigkeit nur sehr schwer einschätzbar sei. Die Einschätzung des behandelnden Psychiaters H. vermöge das SG ebenfalls nicht zu überzeugen, zumal Dr. S. bei seiner Begutachtung keine Funktionsstörungen aufgrund persönlichkeitsstruktureller Defizite habe feststellen können. Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht aus den vorgelegten Befundberichten des Reha-Klinikums Bad S. sowie des Befundberichts der Federseeklinik Bad B ... Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen das am 7.11.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 6.12.2011 Berufung eingelegt und vorgetragen, sie halte das Urteil für rechtswidrig. Sie sei der Auffassung, dass bei ihr die Voraussetzungen für die beantragte Rente vorlägen. Der Verlauf ihrer Erkrankung über mehr als zwei Jahrzehnte sei nicht bzw. nicht ausreichend berücksichtigt worden. Ihr 23-jähriger Kampf gegen Depressionen und Sucht hätten sie so geschwächt, dass sie nicht mehr in der Lage sei, mehr als 3 Stunden täglich zu arbeiten. Ihren jetzigen Alltag könne sie nur deswegen noch bewältigen, weil sie keinen beruflichen Verpflichtungen ausgesetzt sei. Dies habe auch die Vogelsbergklinik erkannt, die sie als arbeitsunfähig entlassen habe und erst mittelfristig unter weiterer psychotherapeutischer Behandlung eine positive Erwerbsprognose gestellt habe. Hinsichtlich ihrer Schmerzen nehme sie nun zweimal täglich Lyrica ein. Ihr Psychiater H. unterstütze ihr Begehren nach wie vor. Aufgrund ihrer Persönlichkeitsstörung und ihrer sich verschlimmernden Schmerzerkrankung seien die Voraussetzungen für die begehrte Rente erfüllt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 25. Oktober 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10. Februar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. August 2010 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung ab 1. Januar 2009 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert, sie beziehe sich auf ihr bisheriges Vorbringen, die angefochtenen Bescheide sowie die zutreffenden Gründe des erstinstanzlichen Urteils.

Mit Verfügung vom 10.4.2012 hat der Senat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass das Urteil des SG nicht zu beanstanden sein dürfte und eine Entscheidung durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Betracht komme. Mit Verfügung vom 21.5.2012 ist mitgeteilt worden, dass es bei der Verfügung vom 10.4.2012 verbleibe, da aufgrund der vorliegenden ärztlichen Unterlagen der medizinische Sachverhalt aufgeklärt sei. Eine Entscheidung werde nicht vor dem 11.6.2012 ergehen. Diese Frist ist bis zum 25. 6.2012 verlängert worden.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das LSG - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Mit Schreiben vom 10.4. und 21.5.2012 hat der Senat die Beteiligten auch auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier von der Klägerin beanspruchte Rente wegen voller und teilweiser Erwerbsminderung - § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) - dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung oder teilweiser Erwerbsminderung nicht besteht, weil die Klägerin noch wenigstens sechs Stunden täglich leistungsfähig ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren uneingeschränkt an, sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück.

Ergänzend ist auszuführen, dass auch der Senat nach der Gesamtwürdigung der vorliegenden Unterlagen – ebenso wie das SG – nicht festzustellen vermag, dass das Leistungsvermögen der Klägerin, insbesondere aufgrund der auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen, auf unter 6 Stunden täglich für körperlich leichte Tätigkeiten ohne besondere geistige Beanspruchung und ohne besondere Verantwortung herabgesunken ist. Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat vor allem aufgrund des Sachverständigengutachtens des Neurologen und Psychiaters Dr. S. vom 30.6.2011 sowie des Gutachtens des Neurologen und Psychiaters Dr. Z. vom 8.4.2009 und der Ausführungen im Entlassungsbericht der Vogels-bergklinik vom 30.5.2008.

Bei der Klägerin liegt im Wesentlichen eine Alkoholabhängigkeit vor. Diese führt für sich genommen, wie Dr. S. zutreffend ausgeführt hat, noch zu keiner Leistungsminderung. Schwerwiegende internistische oder neurologische Folgeerkrankungen liegen bei der Klägerin bisher nicht vor, wie der Senat unter anderen dem Entlassungsbericht der Klinik Wilhelmsheim vom 21.8.2009 entnimmt, und die auch weder der behandelnde Psychiater H. noch der Gutachter Dr. Z. und auch nicht der Sachverständige Dr. S. festgestellt haben. Die rezidivierende depressive Störung war bei der gutachterlichen Untersuchung durch Dr. S. remittiert. Dr. Z. hatte ebenfalls keine gravierende depressive Störung bei der Klägerin festgestellt. Der behandelnde Psychiater H. hat unter dem 30.5.2010 und 12.1.2011 lediglich über leichte depressive Symptome berichtet.

Soweit der Psychiater H. – abweichend von der Beurteilung der Ärzte der Vogelsbergklinik, des Gutachters Dr. Z. und des Sachverständigen Dr. S. – ein Leistungsvermögen der Klägerin von unter 3 Stunden täglich annimmt und dies mit der Persönlichkeitsstruktur der Klägerin sowie mit ihrer Fixierung auf die Position, sich den Anforderungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht mehr stellen zu wollen/können bzw. ihrem Rentenbegehren begründet, vermag sich der Senat seiner Leistungsbeurteilung nicht anzuschließen. Denn Voraussetzung für die Rentengewährung sind Krankheiten oder Behinderungen, deren Funktionsbehinderungen das Leistungsvermögen auf unter 6 Stunden bzw. auf unter 3 Stunden täglich herabsetzen. Die von dem Psychiater H. genannte Persönlichkeitsstruktur der Klägerin, die er selbst nicht unter den Gesundheitsstörungen auflistet, stellt, wie sich für den Senat aus dem Gutachten von Dr. Z. und insbesondere von Dr. S. ergibt – keine derartige Störung von Krankheitswert dar, die zu einer quantitativen Einschränkung des Leistungsvermögens führen würde. Soweit die Klägerin, die sich selbst von ihrer Art her als offen und kontaktfreudig, begeisterungsfähig mit Stimmungsschwankungen beschreibt, Probleme bei der Wahrnehmung und Interpretation von Gefühlen und Äußerungen von Sozialpartnern hat, könnte dem im Arbeitsleben dadurch Rechnung getragen werden, dass sie einfache Tätigkeiten ausübt, bei denen häufiger Kontakt zu anderen Personen entfällt. Da die Antriebslage, die Stimmung – abgesehen von einer gewissen affektiven Instabilität –, der Denkablauf, das Konzentrationsvermögen und die Fähigkeit zur sozialen Interaktion und Kommunikation nicht gestört sind, vermag der Senat keine Funktionseinschränkungen bei der Klägerin festzustellen, die sie daran hindern würden, leichte Tätigkeiten 6 Stunden täglich zu verrichten.

Der Umstand, dass die Klägerin die für sie beste Lösung darin sieht, in Ruhe eine Rente zu beziehen und sich dabei etwas hinzuzuverdienen und somit den Anforderungen des allgemeinen Arbeitsmarktes bzw. der Leistungsträger zu entgehen, ist zwar nachvollziehbar, reicht aber – ebenso wie der Umstand, dass die Klägerin seit Jahren bzw. Jahrzehnten alkoholabhängig ist und unter rezidivierenden depressiven Symptomen leidet – für eine Rentengewährung nicht aus.

Die bei der Klägerin vorliegenden Schmerzen, bei denen eine entzündliche rheumatische Erkrankung ausgeschlossen und der Verdacht auf ein Fibromyalgie-Syndrom bzw. eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung geäußert wurde, setzen das Leistungsvermögen der Klägerin ebenfalls nicht auf Dauer auf unter 6 Stunden täglich herab. Vielmehr wurde der Klägerin – ausgehend von einem Fibromyalgie-Syndrom – ein regelmäßiges Bewegungstraining wie beispielsweise Fahrradfahren, Walking, Softaerobic und Schwimmen empfohlen. Anhaltspunkte dafür, dass leichte Tätigkeiten nicht mehr 6 Stunden täglich möglich sein sollen, lässt sich daraus nicht ableiten. Darüber hinaus hat Dr. S. bei seiner Begutachtung eine deutliche Diskrepanz zwischen den Worten der Klägerin, Schmerz zu empfinden, und ihrem Verhalten (stets entspannt, zu keinem Zeitpunkt schmerzgeplagt und leidend wirkend) festgestellt und aufgrund dessen keine Leistungseinschränkung angenommen.

Nach alledem ist das angefochtene Urteil des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung der Klägerin musste deswegen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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