L 3 AL 3715/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 15 AL 2473/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 3715/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 26. Juli 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Erteilung eines Vermittlungsgutscheins (§ 421g Drittes Buch Sozialgesetzbuch [SGB III]) streitig.

Der 1974 geborene Kläger war ab dem 01.05.2006 als Angestellter im Kredit- und Wert-papierbereich der S. AG in der Niederlassung E. beschäftigt. Am 23.11.2007 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 31.03.2008.

Am 26.11.2007 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Mit Bescheid vom 08.01.2008 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld ab dem 24.11.2007 mit einer Anspruchsdauer von 360 Tagen.

Im Rahmen der zum Arbeitsgericht Stuttgart erhobenen Kündigungsschutzklage (31 Ca 9529/07) schlossen die Arbeitsvertragsparteien am 28.05.2008 einen Vergleich mit u.a. folgendem Inhalt:

1. Die Parteien stellen außer Streit, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund arbeitgeberseitiger ordentlicher fristgerechter Kündigung vom 23.11.2007 mit Ablauf des 30.09.2008 sein Ende nehmen wird.

4. Der Kläger wird ab sofort unter Fortzahlung seiner vertragsgemäßen Bezüge widerruflich freigestellt.

5. Die Beklagte verpflichtet sich, das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß bis zum Beendigungszeitpunkt 30.09.2008 abzurechnen und den sich ergebenden Nettobetrag abzüglich etwaiger auf Sozialversicherungsträger übergegangener Ansprüche an den Kläger auszubezahlen ...

Am 29.05.2008 teilte der Arbeitgeber der Beklagten telefonisch mit, der Kläger werde aufgrund des arbeitsgerichtlichen Vergleichs nahtlos weiterbeschäftigt, bezüglich des Anspruchsübergangs wurde um weitere Veranlassung gebeten. Gleichfalls am 29.05.2008 teilte der Kläger der Beklagten telefonisch den Abschluss des arbeitsgerichtlichen Vergleichs mit, er werde bis zum 30.09.2008 weiterbeschäftigt. In dem Aktenvermerk über das Telefongespräch mit dem Kläger ist u.a. vermerkt: "Kunde teilt mit, dass Vergleich geschlossen wurde und dass er deswegen nicht zum heutigen Termin kommen wird. Vergleich wird eingereicht, sobald er vorliegt. Wird bis zum 30.09.2008 bei der Firma S. in Frankfurt weiterbeschäftigt, bleibt arbeitssuchend, auf § 37b wird hingewiesen".

Die Beklagte hob daraufhin mit Bescheid vom 29.05.2008 die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 24.11.2007 auf und machte gegenüber dem Arbeitgeber einen Anspruchsübergang gemäß § 143 SGB III i.V.m. § 115 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) hinsichtlich des bis zum 31.05.2008 gezahlten Arbeitslosengeldes geltend.

Mit Schreiben vom 18.06.2008 an den Arbeitgeber nahm die Beklagte Bezug auf ihre Mitteilung vom 08.01.2008, wonach sie nach § 143 Abs. 3 bzw. 143a Abs. 4 SGB III zahle. Durch die zuerkannten Ansprüche ruhe der Anspruch auf Arbeitslosengeld. Für die Zeit vom 16.02.2008 - 31.05.2008 sei Arbeitslosengeld nach § 143 Abs. 3 bzw. § 143a Abs. 4 SGB III in Höhe von 5.838,56 EUR gezahlt worden. Dieser Betrag sei von den vom Arbeitgeber zu erfüllenden Ansprüchen einzubehalten und zu überweisen.

Am 26.09.2008 meldete sich der Kläger erneut bei der Beklagten mit Wirkung zum 01.10.2008 arbeitslos. Im Antragsformular gab er an, er sei ab 01.11.2008 in Arbeit. Die Beklagte bewilligte daraufhin mit Bescheid vom 21.10.2008 Arbeitslosengeld ab dem 01.10.2008.

Mit Schreiben vom 10.10.2008, bei der Beklagten am 20.10.2008 eingegangen, teilte der Kläger mit, ab dem 01.11.2008 habe er einen neuen Arbeitgeber.

Bei einer Vorsprache am 20.10.2008 beantragte der Kläger die Ausstellung eines Ver-mittlungsgutscheins. Mit Bescheid vom 10.12.2008 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Hier-gegen erhob der Kläger am 22.12.2008 Widerspruch mit der Begründung, es sei ihm durchaus bewusst, dass der Vermittlungsgutschein nur nach einer Arbeitslosigkeit von mindestens 2 Mo-naten ausgestellt werde. Es sei jedoch sein eigener Wunsch gewesen, die neue Arbeit so schnell wie möglich zu beginnen.

Mit Bescheid vom 28.01.2009 lehnte die Beklagte den "Antrag vom 10.12.2008 auf einen Vermittlungsgutschein" ab mit der Begründung, der Kläger sei nicht innerhalb der letzten 3 Monate vor Beantragung des Vermittlungsgutscheins mindestens 2 Monate arbeitslos gewesen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 05.03.2009 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers vom 21.12.2008, eingegangen am 22.12.2008/29.01.2009, gegen den Bescheid vom 28.01.2009 zurück.

Am 09.04.2009 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, bereits mit Schreiben vom 02.03.2008 einen Vermittlungsgutschein beantragt zu haben. Das SG hat eine schriftliche Stellungnahme des Sachbearbeiters des Beklagten Schwarz vom 15.03.2010 eingeholt, auf die Bezug genommen wird.

Mit Urteil vom 26.07.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe am 20.10.2008 den Antrag auf Erteilung eines Vermittlungsgutscheines gestellt. Anhaltspunkte für eine frühere Antragstellung seien nicht ersichtlich. Innerhalb der dem 20.10.2008 vorausgehenden dreimonatigen Rahmenfrist sei der Kläger lediglich 19 Tage vom 01.10.2008 bis zum 19.10.2008 arbeitslos gewesen. In der Zeit vom 20.07.2008 bis 30.09.2008 sei er nicht beschäftigungslos gewesen, da der Arbeitgeber ihn nur widerruflich von der Arbeitsleistung freigestellt habe. Innerhalb der Rahmenfrist habe deshalb keine mindestens zweimonatige Arbeitslosigkeit vorgelegen.

Gegen das am 02.08.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 29.08.2011 Berufung eingelegt. Er trägt vor, er sei sich mit seinem damaligen Arbeitgeber bei Abschluss des Aufhebungs-vertrages am 28.05.2008 darüber einig gewesen, dass er bis zur Beendigung seines Arbeits-verhältnisses am 30.09.2008 seine Beschäftigung nicht mehr aufnehmen müsse und solle. Die Einschränkung "widerrufliche" Freistellung sei allein deshalb in den Aufhebungsvertrag aufgenommen worden, weil zum damaligen Zeitpunkt noch das Risiko bestanden habe, dass der Arbeitgeber im Falle einer unwiderruflichen Freistellung nicht mehr verpflichtet gewesen sei, Sozialversicherungsbeiträge für ihn abzuführen. Der Arbeitgeber habe auch mit Schreiben vom 09.07.2008 anlässlich der Ablehnung eines Bezugsrechts von Essensmarken ausgeführt, dass man ihn bis zum 30.09.2008 nicht mehr arbeiten lassen wolle. Diese Freistellung sei auch zu keiner Zeit widerrufen worden. Der damalige Arbeitgeber habe von vorneherein unmiss-verständlich erklärt, dass die vereinbarte Freistellung nicht widerrufen werde, da er den Kläger auf keinen Fall weiter für sich arbeiten lassen wolle. Zudem habe er bereits am 02.03.2008 bei der Beklagten den Antrag auf einen Vermittlungsgutschein gestellt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 26. Juli 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 28. Januar 2009 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 05. März 2009 zu verpflichten, ihm einen Vermittlungsgutschein auszustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, eine Antragstellung vor dem 20.10.2008 sei nicht erfolgt. Bei Beantragung des Vermittlungsgutscheines am 20.10.2008 sei der Kläger bereits vermittelt gewesen. Zudem sei die Arbeitslosigkeit des Klägers aufgrund der widerruflichen Freistellung entfallen, so dass Arbeits¬losigkeit erst zum 01.10.2008 (wieder) eingetreten sei.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Akten des Arbeitsgerichts Stuttgart sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug ge-nommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungs-ausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Mit der Klage macht der Kläger die Ausstellung eines Vermittlungsgutscheins geltend. Die Rechtsnatur des Vermittlungsgutscheins ist streitig. Nach der Rechtsprechung des BSG stellt dieser jedenfalls keine Zusicherung im Sinne von § 34 SGB X dar, die Vermittlungsprovision zu zahlen, da der Vermittlungsgutschein dem zu Vermittelnden und nicht dem Vermittler ausgestellt wird (BSG, Urteil v. 06.04.2006 - B 7a AL 56/05 R - juris Rn. 16). Der Ver-mittlungsgutschein dient jedoch nicht lediglich der Vorbereitung der nachfolgenden Sachentscheidung über die Zahlung einer Vergütung an den Vermittler, sondern stellt bereits verbindlich feststellt, dass die persönlichen Förderungsvoraussetzungen des Arbeitnehmers vor¬liegen. Mit ihm wird insoweit bereits eine verbindliche Teilregelung getroffen. Dies rechtfertigt es, ihn als feststellenden Verwaltungsakt zu qualifizieren (Brandts in: Niesel, SGB III, 5. Aufl. 2010, § 421g Rn. 7, 9; a.A. Urmersbach in: Eicher/Schlegel, SGB III, Stand Mai 2012, § 421g Rn. 29).

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung eines Vermittlungsgutscheines. Nach § 421g Abs. 1 Sätze 1, 2 und 5 SGB III in der hier maßgeblichen, bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung (a.F.) des Gesetzes zur Förderung der zusätzlichen Altersvorsorge und zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch vom 10.12.2007 (BGBl. I S. 2838) ( ganz aufgehoben ab dem 01.04.2012 durch Art. 2 Nr. 90 des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt v. 20.12.2011, BGBl. I S. 2854, modifiziert in § 45 SGB III ) haben Arbeitnehmer, die Anspruch auf Arbeitslosengeld haben und nach einer Arbeitslosigkeit von 2 Monaten innerhalb einer Frist von 3 Monaten noch nicht vermittelt sind, oder die eine Beschäftigung ausüben oder zuletzt ausgeübt haben, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme oder als Strukturanpassungsmaßnahme nach dem 6. Abschnitt des 6. Kapitels gefördert wird oder wurde, Anspruch auf einen Vermittlungsgutschein. Die Frist geht dem Tag der Antragstellung auf einen Vermittlungsgutschein unmittelbar voraus. Der Vermittlungsgutschein gilt für einen Zeitraum von jeweils 3 Monaten.

1. Dahingestellt bleiben kann, ob der Kläger bereits am 02.03.2008 einen Antrag auf Erteilung eines Vermittlungsgutscheins gestellt hat. Denn selbst bei einer - nicht nachgewiesenen - Antragstellung zu diesem Zeitpunkt hätte der Vermittlungsgutschein gem. § 421g Abs. 1 Satz 5 SGB III a.F. für einen Zeitraum von 3 Monaten, somit lediglich bis zum 02.06.2008 gegolten. Die Dauer der Gültigkeit berechnet sich nach § 26 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 187 Abs. 2 und § 188 Abs. 2 BGB sowie § 40 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I). Der Tag der Beantragung des Vermittlungsgutscheins ist in die Berechnung der Frist einzubeziehen. Innerhalb dieses Zeitraums ist eine Vermittlung nicht erfolgt.

2. Auch unter Zugrundelegung einer Antragstellung am 20.10.2008 sind die Voraussetzungen für die Erteilung eines Vermittlungsgutscheins nicht erfüllt. Denn innerhalb der Rahmenfrist, die danach vom 21.07.2008 bis zum 20.10.2008 gereicht hat, war der Kläger lediglich vom 01.10.2008 bis zum 20.10.2008 und damit nur 20 Tage, nicht jedoch mindestens 2 Monate arbeitslos.

Arbeitslos ist gemäß § 119 Abs. 1 SGB III ein Arbeitnehmer, der

1. nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit), 2. sich bemüht, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden (eigene Bemühungen) und 3. den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit).

Bis zum 30.09.2008 war der Kläger nicht arbeitslos, wie das SG zutreffend ausgeführt hat. Beschäftigungslosigkeit im leistungsrechtlichen Sinne ist mit der tatsächlichen Nichtbe-schäftigung des Versicherten unabhängig vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeits-verhältnisses im arbeitsrechtlichen Sinne gegeben (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. BSG, Urteil vom 25.04.2002 - B 11 AL 65/01 R - juris). Vorübergehend nicht in einem Beschäfti¬gungsverhältnis steht ein Arbeitnehmer schon dann, wenn das bisherige Beschäftigungs¬verhältnis sein tatsächliches Ende gefunden hat und eine neue Beschäftigung noch nicht wieder aufgenommen worden ist. Ein Beschäftigungsverhältnis im leistungsrechtlichen Sinne ist damit trotz eines rechtlich noch bestehenden Arbeitsverhältnisses und unabhängig von der Dienst¬bereitschaft des Arbeitnehmers bereits dann nicht mehr gegeben, wenn die Arbeitsleistung tatsächlich nicht erbracht wird, weil der Arbeitgeber auf seine Verfügungsbefugnis (sein Direktionsrecht) ausdrücklich verzichtet hat oder das Arbeitsverhältnis aufgrund einer von ihm ausgesprochenen Kündigung als beendet ansieht und weitere Dienste des Arbeitnehmers nicht annimmt und damit konkludent auf sein Direktionsrecht verzichtet hat (vgl. BSG, Urteil vom 05.02.1998 - B 11 AL 55/97 R - juris). Der Arbeitgeber hat auf seine Verfügungsbefugnis verzichtet, wenn er mit dem Zeitpunkt der Freistellung tatsächlich endgültig auf seine Verfügungsbefugnis dem Arbeitnehmer gegenüber verzichtet, wenn er also trotz fortbestehenden Arbeitsverhältnisses auf die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung auch dann verzichtet, wenn er zur Gewährung der von ihm geschuldeten Leistung verpflichtet bleibt. Dies ist bei einer widerruflichen Freistellung nicht der Fall, weil sich der Arbeitgeber in einem solchen Fall gerade die Rechtsmacht vorbehält, die Arbeitskraft des Arbeitnehmers und damit die ihm geschuldete Arbeitsleistung doch noch abzurufen. Die Widerrufsmöglichkeit entspricht in ihrer Wirkung einer fortbestehenden Verfügungsbefugnis des Arbeitgebers (Söhngen in Eicher/Schlegel, SGB III, § 119 Rn. 56).

Dementsprechend hat die Beklage auch, nachdem ihr mitgeteilt worden war, das Arbeits-verhältnis bestehe bis zum 30.09.2008 weiter, mit Bescheid vom 29.05.2008 die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 24.11.2007 aufgehoben.

Zu keiner anderen Beurteilung führt der Vortrag des Klägers, im arbeitsgerichtlichen Vergleich sei lediglich deshalb eine widerrufliche Freistellung vereinbart worden, weil zum damaligen Zeitpunkt für den Kläger noch das Risiko bestanden habe, dass der Arbeitgeber im Falle einer unwiderruflichen Freistellung nicht mehr verpflichtet gewesen sei, Sozialversicherungsbeiträge für ihn abzuführen. Denn maßgeblich ist allein, dass aufgrund dieser Regelung der Arbeitgeber auf sein Direktionsrecht nicht endgültig verzichtet hatte.

Im Übrigen ist die Rechtsauffassung des Klägervertreters unzutreffend, zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses habe noch das Risiko bestanden, dass der Arbeitgeber im Falle einer unwiderruflichen Freistellung nicht mehr zur Abführung der Sozialversicherungsbeiträge für den Kläger verpflichtet gewesen sei. Zwar wurde im Anschluss an ein Urteil des BSG vom 25.04.2002 (B 11 AL 65/01 R - SozR 3-4300 § 144 Nr. 8; bestätigt durch BSG, Urteil vom 18.12.2003 - B 11 AL 35/03 R - SozR 4-4300 § 144 Nr. 6) die Auffassung diskutiert, die Versicherungspflicht in der Sozialversicherung sei aufgehoben, weil es an einer tatsächlichen Arbeitsleistung fehle, wenn es z.B. nach einer Arbeitgeberkündigung oder nach Abschluss eines Aufhebungsvertrags zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in gegenseitigem Einvernehmen zu einer unwiderruflichen, bezahlten Freistellung von der Arbeit komme. Diese Auffassung entsprach jedoch nicht der ständigen Rechtsprechung des BSG, wonach der Begriff des Beschäftigungsverhältnisses in der Sozialversicherung funktionsdifferenziert, d.h. im Leistungs¬recht der Arbeitslosenversicherung unabhängig und unter Umständen anders als im Zusammen¬hang mit der Frage nach der Versicherungspflicht und dem Beitragsrecht, auszulegen ist (vgl. Schlegel, Versicherungs- und Beitragspflicht bei Freistellung von der Arbeit, NZA 2005, S. 972). Ständiger Rechtsprechung des BSG entsprach vielmehr, dass der in leistungsrechtlicher Sicht beschäftigungslos gewordene Arbeitnehmer in der Zeit, in der er von seinem Arbeitgeber freigestellt ist, aber gleichwohl Arbeitsentgelt erhält, im Sinne der Tatbestände über die Versicherungs- und Beitragspflicht abhängig Beschäftigter bleibt und eine tatsächliche Arbeitsleistung bei derartigen Freistellungstatbeständen nicht erforderlich ist.

Unabhängig hiervon ist der Anspruch auf Erteilung eines Vermittlungsgutscheins unter Zugrundelegung des Normzwecks zu verneinen. Ein Vermittlungsgutschein zur Beauftragung eines privaten Arbeitsvermittlers soll dann erteilt werden, wenn die Vermittlungsbemühungen der Bundesagentur für Arbeit in einem bestimmten Zeitraum erfolglos geblieben sind. Im vorliegend streitigen Zeitraum wäre dies der Fall gewesen, wenn der Arbeitnehmer nach einer Arbeitslosigkeit von 2 Monaten innerhalb einer Frist von 3 Monaten vor der Beantragung des Vermittlungsgutscheins noch nicht vermittelt gewesen wäre. Eine teleologische Auslegung der Norm ergibt, dass somit zunächst Vermittlungsbemühungen der Bundesagentur durchzuführen waren. Durch das Tatbestandsmerkmal der Arbeitslosigkeit wird auf die Verpflichtung der Bundesagentur zur Durchführung von Vermittlungsmaßnahmen hingewiesen.

Durch die telefonischen Mitteilungen des Klägers und des Arbeitnehmers am 29.05.2008 durfte und konnte die Beklagte davon ausgehen, dass aufgrund des arbeitsgerichtlichen Vergleichs die Arbeitslosigkeit des Klägers auch im leistungsrechtlichen Sinne beendet war. Sowohl die Beauftragte des Arbeitgebers als auch der Kläger hatten der Beklagten mitgeteilt, dass der Kläger aufgrund des arbeitsgerichtlichen Vergleichs bis zum 30.09.2008 weiter beschäftigt werde. Weder der Arbeitgebervertreter noch der Kläger hatten angegeben, dass eine Wieder-aufnahme der Beschäftigung nicht mehr vorgesehen sei. Dies konnte auch dem am 16.06.2008 vorgelegten arbeitsgerichtlichen Vergleich nicht entnommen werden, da darin nur eine widerrufliche Freistellung vereinbart worden war. Dementsprechend hat die Beklagte mit Bescheid vom 29.05.2008 die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld aufgehoben, mit der Begründung "Aufnahme einer Beschäftigung". Dieser Aufhebungsbescheid ist bestandskräftig geworden. Die Beklagte hat die Bewilligung damit nicht lediglich wegen des Ruhens des Anspruchs wegen der Klärung von Arbeitsentgelt nach § 143 SGB III angeordnet. Damit bestand für den Kläger in der Folgezeit bis zur erneuten Arbeitslosmeldung zum 01.10.2010 kein Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht nur deshalb, weil dieser wegen der Gewährung von Arbeitsentgelt geruht hätte. Die Beklagte hatte vielmehr die Bewilligung dem Grunde nach bestandskräftig aufgehoben.

Der Kläger hat darüber hinaus ausweislich Vermerks der Beklagten am 29.05.2008 telefonisch mitgeteilt, es sei ein Vergleich geschlossen worden, weshalb er nicht zum heutigen Termin der Arbeitsvermittlung kommen werde. Er werde bis zum 30.09.2008 bei der Firma S. in Frankfurt weiterbeschäftigt. Erst daraufhin wurde die Arbeitslosmeldung zum 26.11.2007 am 29.05.2008 gelöscht. Damit durfte die Beklagte die Erklärungen des Klägers dahingehend auslegen, dass dieser zunächst bis zum 30.09.2008 nicht mehr arbeitslos sei. Zwar ist im Vermerk vom 29.05.2008 festgehalten, der Kläger bleibe arbeitssuchend. Gleichzeitig ist jedoch vermerkt, der Kläger sei auf § 37b SGB III a.F. hingewiesen worden. Danach hat eine persönliche Arbeitslos-meldung spätestens drei Monate vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu erfolgen. Eine persönliche Arbeitslosmeldung des Klägers ist jedoch erst wieder am 26.09.2008 erfolgt. Dem-entsprechend fanden in der Folgezeit ab dem 29.05.2008 - anders als in der Zeit bis zum Abschluss des arbeitsgerichtlichen Vergleichs - auch keine intensiven Vermittlungsbemühungen mehr statt. Es ist deshalb insgesamt als treuwidrig zu werten, wenn der Kläger zunächst mitteilt, er werde weiterbeschäftigt, sodann aber einen Vermittlungsgutschein beantragt, ohne zuvor auf entsprechende Vermittlungsbemühungen der Beklagten hinzuwirken.

Die Berufung des Klägers war deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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