L 11 R 4528/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 6 R 1034/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 4528/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 27.07.2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten im Überprüfungsverfahren darüber, ob die Beklagte dem Kläger ab dem 01.03.1998 große Witwerrente zahlen muss.

Der 1933 in der Stadt W. (Staatsgebiet der früheren UdSSR) geborene Kläger ist Witwer der am 13.05.1935 ebenfalls in W. geborenen und am 26.02.1998 verstorbenen M. S. (im Folgenden: Versicherte). Die Ehe wurde am 22.05.1954 geschlossen (Heiratsurkunde vom 20.06.1957). Die Versicherte hatte drei 1954, 1955 und 1959 in der UdSSR geborene Kinder. Am 14.08.1996 siedelte der Kläger zusammen mit der Versicherten in die Bundesrepublik Deutschland über, wo beide als Spätaussiedler im Sinne des Bundesvertriebenengesetzes (BVG) anerkannt wurden.

Seit dem 01.09.1996 bezieht der Kläger von der Beklagten eine Altersrente für langjährig Versicherte (Bescheid vom 12.11.1997). Dieser Rente lagen insgesamt 29,0765 Entgeltpunkte (EP) für anrechenbare Zeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG) zugrunde (EP für Beitragszeiten 28,0097 und EP für beitragsfreie Zeiten 1,0668). Die Versicherte erhielt vom 14. bis 31.08.1996 eine Altersrente für Frauen, wobei die Beklagte die nach dem FRG ermittelten EP in Höhe von 26,3636 auf den Höchstwert von 25 EP begrenzte (Bescheid vom 04.11.1997). Ab dem 01.09.1996 erhielt die Versicherte Altersrente für Frauen mit einer Begrenzung auf 20 EP.

Nach dem Tod der Versicherten berechnete die Beklagte die Rente des Klägers ab dem 01.03.1998 neu und begrenzte die EP nunmehr auf 25 EP (Bescheid vom 04.06.1998). Am 27.10.2000 beantragte der Kläger im Hinblick auf den "Vorlagebeschluss des Bundessozialgerichts vom 16.12.1999" die Neuberechnung seiner Rente ohne Kürzung der EP für FRG-Zeiten, wobei er gleichzeitig das Ruhen des Verfahrens beantragte.

Auf seinen Antrag vom 06.03.1998 hin bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 15.06.1998 Witwerrente ab dem 01.03.1998. Eine Rentenzahlung sei jedoch nicht möglich, da keine EP zugrunde gelegt werden könnten. Zur Begründung wurde ausgeführt, nach § 22b Abs 1 FRG würden für einen Berechtigten höchstens 25 EP für FRG-Zeiten zugrunde gelegt. Dabei erfolge die Berücksichtigung dieser EP vorrangig bei der Rente aus eigener Versicherung. Da er bereits eine eigene Versichertenrente beziehe, in der 25 EP enthalten seien, die auf FRG-Zeiten entfielen, könnten bei seiner Witwerrente keine FRG-EP mehr angerechnet werden. Da die Versicherte keine zusätzlichen Beitragszeiten in Deutschland zurückgelegt habe, könnten auch keine sonstigen EP zugrunde gelegt werden. Eine Rentenzahlung komme daher nicht in Betracht. Gegen diesen Bescheid hat der Kläger keinen Rechtsbehelf eingelegt.

Am 22.07.2004 beantragte der Kläger erneut die Gewährung einer Witwerrente. Diesen Antrag wertete die Beklagte als Überprüfungsantrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Mit Bescheid vom 03.08.2004 lehnte die Beklagte die Rücknahme bzw Änderung des Bescheids vom 15.06.1998 ab. Die Begrenzungsregelung des § 22b Abs 1 FRG sei zwischenzeitlich vom Gesetzgeber rückwirkend zum 07.05.1996 klargestellt worden. Daraus folge, dass auch bei Hinterbliebenenrenten der Höchstwert für Renten insgesamt auf 25 EP begrenzt sei. Mit dem rückwirkenden Inkrafttreten der Gesetzesänderung habe der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass er die Auslegung der Begrenzungsregelung bereits von Anfang an so habe verstanden wissen wollen. Den hiergegen am 25.10.2004 eingelegten Widerspruch des Klägers, den dieser nicht begründet hatte, wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 14.02.2005 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 16.03.2005 zunächst Klage beim SG Karlsruhe erhoben, das die Klageschrift an das zuständige Sozialgericht Freiburg (SG) weiterleitete. Zur Begründung hat der Kläger ausgeführt, die dem Grunde nach bewilligte Witwerrente sei auszuzahlen. Nach dem FRG in der bei der erstmaligen Antragstellung geltenden Fassung komme entsprechend der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) eine Begrenzung der EP für die Hinterbliebenenrente nicht in Betracht. Hieran könne auch die mit Gesetz vom 21.07.2004 erfolgte Änderung des § 22b FRG nichts ändern. Ein Gesetz könne nicht rückwirkend in Kraft gesetzt werden. Weiter hätten EP für Kindererziehungszeiten sowie Ersatz- bzw Anrechnungszeiten bei der Ermittlung der EP nach dem FRG außer Betracht bleiben müssen.

Mit Urteil vom 27.07.2006 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Bescheid vom 15.06.1998 sei rechtmäßig. Zwar habe es in der Sozialgerichtsbarkeit unterschiedliche Auffassungen gegeben, ob § 22b FRG im vorliegenden Fall eine Begrenzung der EP zulasse. Durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz sei jedoch § 22b Abs 1 FRG mit Wirkung vom 07.05.1996 neu gefasst worden. Nach dem Willen des Gesetzgebers solle das RV-Nachhaltigkeitsgesetz auch den vorliegenden Fall erfassen. Der Gesetzgeber habe ausnahmsweise eine Norm mit echter Rückwirkung in Kraft gesetzt. Die Versicherte habe keinerlei Beitrags- oder beitragsfreie Zeiten in Deutschland zurückgelegt, die auf die Rentenhöhe Einfluss hätten. Damit seien auch die in der UdSSR zurückgelegten Kindererziehungszeiten ausschließlich wegen § 15 FRG anrechenbar, weshalb auch diesbezüglich § 22b FRG Anwendung finde. Gleiches gelte für die beitragsfreien Zeiten (insbesondere Anrechnungszeiten). Ohne die Geltung des FRG hätte die Versicherte keinerlei EP erworben. Damit seien auch die beitragsfreien Zeiten als Zeiten nach dem FRG im Sinne des § 22b FRG anzusehen.

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 10.08.2006 zugestellte Urteil des SG hat der Kläger am 31.08.2006 Berufung beim SG zum Landessozialgericht (LSG) eingelegt (zunächst geführt unter L 11 R 4601/06) und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, das SG habe übersehen, dass es vorliegend um die rückwirkende Aufhebung eines Verwaltungsaktes gehe, der eine Leistung gewährt habe. Die gewährte Witwerrente sei nicht rechtswidrig gewesen. Die rückwirkende Änderung eines Gesetzes verstoße eindeutig gegen Art 14 Grundgesetz (GG) und verletze das Vertrauensschutzprinzip. Der rechtskräftige Verwaltungsakt sei zu dem Zeitpunkt, zu dem er erlassen worden sei, nicht rechtswidrig gewesen. Die Beklagte habe daher die Witwerrente mit Wirkung vom 01.10.1999 nicht zurücknehmen dürfen.

Nachdem der Senat aufgrund übereinstimmenden Antrags der Beteiligten im Hinblick auf die Vorlagebeschlüsse des 13. Senats des BSG zum Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vom 29.08.2006 (B 13 RJ 47/04 R ua) durch Beschluss vom 28.12.2006 das Ruhen des Verfahrens angeordnet und die Beklagte unter Hinweis auf den Beschluss des BVerfG vom 21.07.2010 (1 BvL 11/06 ua) am 17.09.2010 das Verfahren wieder aufgerufen hat, ist der Kläger dabei verblieben, dass die Nichtauszahlung der anerkannten Rente mit Art 14 GG nicht in Einklang zu bringen sei. Er habe auf die Bestandskraft des Bewilligungsbescheids vertrauen dürfen. Darüber hinaus habe die Beklagte nicht berücksichtigt, dass die Versicherte Zeiten zurückgelegt habe, die gemäß § 250 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) als Ersatzzeiten anerkannt worden seien. Ihr sei eine Altersrente für Frauen unter Zugrundelegung von Zeiten der Internierung und Verschleppung sowie von Kindererziehungszeiten gewährt worden. Darüber hinaus seien weitere Zeiten der Schwangerschaft und des Mutterschutzes berücksichtigt worden. Dies führe dazu, dass die EP nach dem FRG, soweit sie von Ersatzzeiten umrahmt seien, nicht mehr gekürzt werden dürften.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 27.07.2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 03.08.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.02.2005 zu verpflichten, den Bescheid vom 15.06.1998 abzuändern und ihm ab 01.03.1998 Witwerrente zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf den Beschluss des BVerfG vom 21.07.2010.

Der Senat hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß § 153 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als unbegründet zurückzuweisen. Die Beteiligten erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte der Versicherten und der Verwaltungsakte des Klägers Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144, 151 Abs 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 03.08.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.02.2005 (§ 95 SGG) ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, den bindend gewordenen Bescheid vom 15.06.1998 abzuändern und dem Kläger Witwerrente ab dem 01.03.1998 zu zahlen.

Nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuchs (des SGB) längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht (§ 44 Abs 4 Satz 1 SGB X). Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme vom Beginn des Jahres angerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird (Satz 2). Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraums, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag (Satz 3).

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger unter Berücksichtigung des § 44 Abs 1 Satz 3 SGB X Anspruch auf Witwerrente bereits seit 01.03.1998 geltend machen kann, nachdem er den hier streitgegenständlichen Überprüfungsantrag erst am 22.07.2004 gestellt hat. Dem Kläger steht jedenfalls in der Sache seit dem 01.03.1998 bis heute kein Anspruch auf Witwerrente zu. Denn ihm sind nicht im Sinne von § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X Sozialleistungen zu Unrecht vorenthalten worden. Die Neufassung des § 22b Abs 1 Satz 1 FRG durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz vom 21.07.2004 (BGBl I, 1791) steht einem erfolgreichen Zugunsten-verfahren entgegen (vgl hierzu ausführlich BSG, 20.07.2011, B 13 R 36/10 R sowie B 13 R 39/10 R, B 13 R 40/10 R, B 13 R 41/10 R, B 13 R 49/10 R; 25.01.2011, B 5 R 47/10 R; jeweils veröffentlicht in juris).

Der Kläger, der als Spätaussiedler nach § 4 BVG anerkannt ist und dessen Rechtsstellung in der gesetzlichen Rentenversicherung sich nach dem FRG richtet (vgl § 13 BVG), kann gemäß § 1a FRG seine Rechte in der gesetzlichen Rentenversicherung nach den in der Bundesrepublik Deutschland geltenden allgemeinen Vorschriften geltend machen (vgl § 14 FRG), soweit sich aus den dieser Bestimmung nachfolgenden Vorschriften nichts anderes ergibt. Nach § 46 Abs 2 Nr 2 SGB VI haben Witwer, die - wie vorliegend der Kläger - nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwerrente, wenn sie das 47. Lebensjahr vollendet haben. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger dem Grunde nach. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig. Der Monatsbetrag der Rente ergibt sich nach § 64 Nr 1 SGB VI ua aus den EP. Da die Versicherte Beitragszeiten nur in den Vertreibungsgebieten zurückgelegt hat und die Anwartschaft allein aus in den Vertreibungsgebieten zurückgelegten Zeiten erworben worden ist, ist § 22b Abs 1 FRG zu berücksichtigen. Diese Vorschrift in der mit Wirkung vom 07.05.1996 (Art 15 Abs 3 RV-Nachhaltigkeitsgesetz) durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz, formal modifiziert durch das Gesetz zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 09.12.2004 (BGBl I, 3242), geltenden Fassung lautet: Für anrechenbare Zeiten nach diesem Gesetz (FRG) werden für Renten aus eigener Versicherung und wegen Todes eines Berechtigten insgesamt höchstens 25 EP der allgemeinen Rentenversicherung zugrunde gelegt (Satz 1). Hierbei sind zuvor die EP der knappschaftlichen Rentenversicherung mit dem Wert 1,3333 zu multiplizieren (Satz 2). Die EP aus der Rente mit einem höheren Rentenartfaktor sind vorrangig zu berücksichtigen (Satz 3).

Danach können für eine Witwerrente ab dem 01.03.1998 keine EP berücksichtigt werden. Denn der Kläger bezieht seit dem 01.09.1996 (Bescheid vom 12.11.1997) Regelaltersrente. Dieser ihm bewilligten Rente liegen bereits 25 EP nach dem FRG zugrunde (vgl zuletzt Rentenbescheid vom 04.06.1998). Der Rentenartfaktor für persönliche EP ist bei den Altersrenten mit 1,0 höher (vgl § 67 Nr 1 SGB VI) als die Rentenartfaktoren mit 0,6 (seit 01.01.2002 mit 0,55) bei großen Witwerrenten nach Ablauf des sogenannten Sterbevierteljahres für persönliche EP in der allgemeinen Rentenversicherung (§ 67 Nr 6 SGBVI). Indem bei der Altersrente des Klägers bereits 25 EP für Zeiten nach dem FRG zu berücksichtigen waren, war damit die Höchstpunktzahl erreicht, die § 22b Abs 1 Satz 1 FRG neuer Fassung (nF) für ein Zusammentreffen von Renten aus eigener Versicherung und wegen Todes höchstens zulässt. Damit war für eine große Witwerrente kein Monatsbetrag der Rente (§ 64 SGBVI) festzustellen.

Die rückwirkende Inkraftsetzung des § 22b Abs 1 Satz 1 FRG nF zum Stichtag 07.05.1996 durch Art 15 Abs 3 RV-Nachhaltigkeitsgesetz ist verfassungsgemäß. Dies hat das BVerfG mit Beschluss vom 21.07.2010 (BVerfGE 126, 369, 388 f) auf die bereits genannten Vorlagebeschlüsse des BSG mit Gesetzeskraft entschieden (vgl § 13 Nr 11 iVm § 31 Abs 2 Satz 1 BVerfG); hieran ist der Senat gebunden.

Zwar hat das BVerfG in seiner Entscheidung vom 21.07.2010 eine verfassungsrechtliche Bewertung hinsichtlich solcher Personen, denen bereits eine Hinterbliebenenrente ohne die Begrenzung auf 25 EP bestandskräftig gewährt wurde, ausdrücklich offen gelassen (BVerfGE 126, 369, 387). Der Kläger unterfällt aber nicht diesem Personenkreis. Denn die mit Bescheid vom 15.06.10998 dem Grunde nach anerkannte große Witwerrente hatte die Beklagte von vornherein in gleicher Weise auf 25 EP begrenzt, wie dies später in § 22b Abs 1 Satz 1 FRG nF (rückwirkend ab 07.05.1996) ausdrücklich angeordnet worden war. Mithin ist auch der Klägerin im Sinne der Entscheidung des BVerfG "nie bestandskräftig eine Hinterbliebenenrente ohne Begrenzung auf 25 EP gewährt worden" (aaO).

Auch die Regelung selbst steht im Einklang mit dem Grundgesetz. Das BVerfG hat im genannten Beschluss vom 21.07.2010 auf eine Verfassungsbeschwerde hin entschieden, dass die Regelung in § 22b Abs 1 Satz 1 FRG nF mit dem GG in Einklang steht (BVerfGE 126, 369, 391 ff). Dem hat sich das BSG angeschlossen (Urteile vom 20.07.2011, aaO). Auch der Senat hält § 22b Abs 1 Satz 1 FRG nF für verfassungsmäßig. Ob - was das BVerfG offengelassen hat - etwas Anderes gelten müsste, wenn ein Hinterbliebenenrentenanspruch sowohl auf Zeiten nach dem FRG als auch auf Bezugszeiten in einer deutschen Rentenversicherung beruhen würde, kann der Senat offenlassen, da die Versicherte nur Versicherungszeiten hat, die allein auf Zeiten nach dem FRG beruhen. Soweit der Kläger geltend macht, dass sowohl von ihm als auch von der Versicherten Ersatzzeiten (§ 250 SGB VI) zurückgelegt worden seien, ändert dies jedenfalls nichts daran, dass bei der Rente des Klägers 25 EP aufgrund von FRG-Zeiten nach den §§ 15, 16 FRG berücksichtigt wurden. Diese FRG-Zeiten stehen Zeiten einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung im Bundesgebiet gleich und schließen nach § 250 SGB VI die Anrechnung von zeitgleichen Ersatzzeiten aus. Im Übrigen handelt es sich bei Ersatzzeiten nicht um Beitragszeiten in der deutschen Rentenversicherung. Ohne Berücksichtigung von anrechenbaren Zeiten nach dem FRG ergäbe sich im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung der Ersatzzeiten als beitragsfreie Zeiten (§ 54 Abs 4 iVm § 71 Abs 1 SGB VI) ohnehin ein Gesamtleistungswert von 0 und somit auch 0 EP für die gegebenenfalls vorliegende Ersatzzeit mit der Folge, dass allein aus den Ersatzzeiten kein Zahlungsanspruch resultieren kann (vgl BSG, 20.07.2011, B 13 R 36/10 R, juris Rdnr 27). Gleiches gilt auch für Kindererziehungszeiten und Zeiten der Schwangerschaft und des Mutterschutzes, die allesamt in der UdSSR zurückgelegt wurden.

Soweit der Kläger einen "Verstoß gegen Europarecht" geltend macht, weist der Senat darauf hin, dass ein Verstoß gegen die Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht vorliegt, da ihr Anwendungsbereich nicht eröffnet ist. Denn Art 51 Abs 1 Satz 1 der Grundrechtecharta setzt voraus, dass die Durchführung des Rechts der Union in den Mitgliedsstaaten betroffen ist. Die Gewährung von Renten für Aussiedler, die aus der UdSSR nach Deutschland gekommen sind, berührt die Durchführung des Rechts der Union jedoch nicht, denn das FRG ist nicht in Umsetzung von Unionsrecht ergangen und wird auch sonst nicht durch unionsrechtliche Vorschriften determiniert (BSG, 20.07.2011, B 13 R 49/10 R, juris Rdnr 22). Auch ein Verstoß gegen Art 1 des Protokolls Nr 1 (Schutz des Eigentums) zur EMRK ist nicht ersichtlich. Denn nur soweit Sozialleistungsansprüche im nationalen Recht bereits begründet worden sind, fallen sie in den Anwendungsbereich von Art 1 des Protokolls Nr 1 der EMRK. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor (vgl hierzu BSG, aaO).

Soweit der Kläger vorgetragen hat, die Beklagte habe die Witwerrente "mit Wirkung vom 01.10.1999" nicht zurücknehmen dürfen und er habe auf die Bestandskraft des Bewilligungsbescheids vertrauen dürfen, geht dies offensichtlich an der Sache vorbei. Denn die Beklagte hat vorliegend den Bescheid über die Witwerrente vom 15.06.1998 nicht aufgehoben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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