L 3 AS 2330/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 17 AS 1333/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 2330/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 28. April 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe der vom beklagten Grundsicherungsträger zu erstattenden Aufwendungen für die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten in 4 sogenannten "isolierten Vorverfahren".

Die Kläger lebten in den streitgegenständlichen Zeiträumen von August 2005 bis Mai 2008 in einer Bedarfsgemeinschaft und bezogen Arbeitslosengeld (Alg) II bzw. Sozialgeld vom Rechtsvorgänger des Beklagten (im Folgenden: Beklagter).

1. Mit Bescheid vom 26.10.2006 bewilligte der Beklagte den Klägern zu 1 - 4 Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.12.2006 - 31.05.2007. Hiergegen erhoben die Kläger zu 1 - 4 Widerspruch mit der Begründung, es seien nicht die vollen Unterkunftskosten berücksichtigt. In der Widerspruchsbegründung vom 30.11.2006 führten sie u.a. aus, die Kosten für eine Garage in Höhe von monatlich 43,46 EUR seien mit der Anmietung der Wohnung zwingend verbunden und deshalb als Kosten der Unterkunft in den Bedarf einzustellen.

Nachdem die Klägerin zu 1 die Geburt ihres Sohnes M. am 02.12.2006 mitgeteilt hatte, bewilligte der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 12.01.2007 für die Kläger zu 1 - 5 Leistungen für die Zeit vom 01.12.2006 - 31.05.2007.

Mit Änderungsbescheid vom 05.02.2007 setzte der Beklagte die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 01.03.2007 - 31.05.2007 neu fest.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21.02.2007 wies er den Widerspruch gegen den Bescheid vom 26.10.2006 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 12.01.2007 und 05.02.2007 wegen der Höhe der Kosten der Unterkunft und Heizung zurück. Zur Begründung führte er u.a. aus, die Kosten der Garage seien nicht als Unterkunftskosten zu übernehmen, da diese nicht der Unterkunft diene. Eine Kostenerstattung käme allenfalls in Betracht, wenn die Anmietung der Garage mit der Anmietung der Wohnung zwingend verbunden gewesen und es nicht möglich wäre, die Garage weiter zu vermieten. Entsprechende Nachweise hierfür seien nicht erbracht.

Hiergegen haben die Kläger am 27.02.2007 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben (S 3 AS 1176/07).

In der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 30.07.2008 schlossen die Kläger zu 1 und 5 des vorliegenden Verfahrens und der Beklagte einen Vergleich, in welchem sich der Beklagte bereit erklärte, den Bescheid vom 26.10.2006 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 12.01.2007 und 05.02.2007 dahingehend abzuändern, dass 43,46 EUR monatlich als Garagenkosten im Rahmen der Kosten der Unterkunft anerkannt werden. Der Beklagte übernahm die notwendigen außer¬gerichtlichen Kosten der Kläger.

2. Bereits zuvor hatte der Klägervertreter mit Schreiben vom 17.11.2006, beim Beklagten am 20.11.2006 eingegangen, die Überprüfung der Bewilligungsbescheide für Leistungen nach dem SGB II vom 01.01.2005 bis 30.11.2006 beantragt. Mit Schreiben vom 19.12.2007, beim Beklagten am 21.12.2007 eingegangen, erinnerte er diesen an seinen Überprüfungsantrag vom 17.11.2006.

Mit Änderungsbescheiden vom 31.01.2008 setzte der Beklagte die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeiträume vom 01.08.2005 - 30.11.2005, 01.12.2005 - 31.05.2006, 01.06.2006 - 30.11.2006 und 01.03.2008 - 31.05.2008 neu fest. Berücksichtigt wurden abweichende Nebenkosten, unberücksichtigt blieben weiterhin die Kosten für die Garage.

Gegen alle vier Bescheide erhoben die Kläger, vertreten durch ihren Bevollmächtigten, am 04.03.2008 Widerspruch jeweils mit dem Antrag, die tatsächlichen Kosten der Unterkunft, wie in der Begründung ausgeführt, in den Bedarf einzustellen. Zur Begründung wurde jeweils gleichlautend ausgeführt: "Die Unterkunftskosten sind nicht zutreffend in den Bedarf eingestellt. Insbesondere ist der Garagenzuschlag im Bedarf nicht berücksichtigt. In Bezug auf die sonstigen Kosten der Unterkunft bitte ich zunächst um Mitteilung, wie sich der im Bewilligungsbescheid berücksichtigte Betrag im einzelnen zusammensetzt."

Mit Bescheiden jeweils vom 16.12.2008 half der Beklagte den Widersprüchen ab. Hierbei berücksichtigte er jeweils bei den Kosten der Unterkunft die Garagenkosten in Höhe von monatlich 43,46 EUR und bewilligte weiter eine vom übersteigenden Einkommen der Kinder abzusetzende Pauschale in Höhe von monatlich 30,00 EUR.

Mit weiterem Schreiben gleichfalls vom 16.12.2008 teilte der Beklagte mit, für den Fall, dass mit den Bescheiden dem Widerspruch in vollem Umfang entsprochen worden sei, würden die im Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen auf Antrag erstattet.

3. Mit Kostennoten vom 14.01.2009 stellte der Bevollmächtigte der Kläger für jedes Widerspruchsverfahren Gebühren und Auslagen gemäß Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) in Höhe von 652,12 EUR in Rechnung. Zugrundegelegt wurden jeweils eine Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2400 Vergütungsverzeichnis (VV) RVG in Höhe von 240,00 EUR, eine Erhöhung gemäß Nr. 1008 VV RVG in Höhe von 288,00 EUR sowie eine Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20,00 EUR zzgl. MwSt. gemäß Nr. 7008 VV RVG.

Mit den vorliegend angefochtenen Kostenfestsetzungsbescheiden vom 11.02.2009 bewilligte der Beklagte jeweils 226,10 EUR als notwendige Aufwendungen. Hierbei legte er jeweils eine Geschäftsgebühr Nr. 2400 VV RVG in Höhe von 120,00 EUR, jedoch keine Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG zugrunde.

Mit Widerspruchsschreiben vom 10.11.2009, beim Beklagten jeweils ausweislich des handschriftlichen Vermerks am 17.02.2010 eingegangen, erhoben die Kläger Widerspruch. Mit Widerspruchsbescheiden jeweils vom 02.03.2010 half der Beklagte den Widersprüchen teilweise ab. Für die Verfahren bezüglich der ersten 3 Bewilligungsabschnitte anerkannte der Beklagte jeweils notwendige Aufwendungen in Höhe von 295,12 EUR (hälftige Gebühr Nr. 2400 VV RVG i.H.v. 120,00 EUR; Gebühr Nr. 1008 VV RVG Erhöhungsgebühr für 3 weitere Auftraggeber i.H.v. 108,00 EUR sowie Auslagenpauschale 20,00 EUR und MwSt.).

Für das Widerspruchsverfahren bezüglich des Bewilligungsabschnitts vom 01.03.2008 - 31.03.2008 anerkannte der Beklagte notwendige Aufwendungen in Höhe von 337,96 EUR (Erhöhungsgebühr Nr. 1008 VV RVG für 4 weitere Auftraggeber i.H.v. 144,00 EUR).

Die hiergegen jeweils zum SG erhobenen Klagen S 17 AS 1333/10, S 17 AS 1334/10, S 17 AS 1335/10 und S 17 AS 1336/10 hat das SG mit Beschluss vom 20.09.2010 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Az.: S 17 AS 1333/10 verbunden.

Mit Gerichtsbescheid vom 28.04.2011 hat das SG die Klagen abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die von dem Prozessbevollmächtigten für die Kosten der Widerspruchsverfahren getroffene Bestimmung sei nicht verbindlich, weil sie unbillig sei. Die Höhe der angefallenen Gebühren richte sich nach § 14 RVG. Danach bestimme bei Rahmengebühren der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Ein-kommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls ergebe sich eine allenfalls durchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit. Für sich genommen spreche die Höhe des umstrittenen Betrages für die Annahme einer Angelegenheit mit leicht überdurchschnittlicher Bedeutung unter Berücksichtigung der unmittelbaren tatsächlichen, ideellen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und rechtlichen Bedeutung. Für die Auftraggeber komme allenfalls eine durchschnittliche Bedeutung in Betracht. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass im Zeitpunkt der Widerspruchseinlegung bereits ein Klageverfahren anhängig gewesen sei, in welchem die Übernahme der Kosten für die Garage in einem anderen Bewilligungszeitraum streitig gewesen sei. Der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sei jeweils deutlich unterdurchschnittlich gewesen. Nach Aktenlage seien am selben Tag jeweils gleichlautende Widerspruchsschreiben, lediglich differenziert nach Bewilligungsabschnitten, ohne nähere Begründung übersandt worden. Bei sonst deutlich unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Kläger ergäben sich zwei deutlich unterdurchschnittliche und ein durchschnittlicher Gesichtspunkt. Vor diesem Hintergrund sei ein Ansatz von 120,00 EUR, also etwa 1/5 des Gebührenrahmens, angemessen.

Gegen den am 18.05.2011 zugestellten Gerichtsbescheid haben die Kläger am 06.06.2011 Berufung eingelegt. Sie tragen vor, Synergieeffekte, die sich daraus ergäben, dass mehrere Verfahren ähnlichen Inhaltes geführt würden, seien nach § 14 RVG nicht zu berücksichtigen. Die Vorschrift nenne klar und abschließend 4 Kriterien. Zudem lasse sich der "objektiv betriebene Aufwand intellektueller und sonstiger Art" nicht ohne Weiteres allein aus den Schriftsätzen ablesen. Die hier streitgegenständlichen Widersprüche hätten nur wegen gründlicher Recherche in der Sache eingelegt werden können. Die Sache selbst sei ausgesprochen unübersichtlich, was nicht zuletzt daran deutlich werde, dass der Berufungskläger Ziff. 5 in den Widerspruchsverfahren betreffend Ansprüche aus den Jahren 2005 und 2006 noch gar nicht habe beteiligt sein können. Für eine mindestens durchschnittliche Bedeutung der Sache spreche auch der Umfang der Verfahrensakten, die mittlerweile 3 Bände umfassten. Schließlich sei die Auffassung des SG nicht zutreffend, im Hinblick auf das bereits anhängige Klageverfahren sei den Klägern ein Zuwarten bis zu dessen Entscheidung zumutbar gewesen, da Verjährung gedroht habe.

Die Kläger beantragen,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 28. April 2011 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom 11. Februar 2009 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 02. März 2010 zu verurteilen, für die Widerspruchs-verfahren W 675/08, W 676/08, W 677/08 und W 678/08 jeweils 652,12 EUR zu erstatten.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Kläger ist zulässig. Die Berufung wurde zwar für A. (Kläger zu 4) und I. (Kläger zu 5) eingelegt, obwohl tatsächlich N. und C. die Kinder der Klägerin zu 1 und Beteiligte des Verfahrens sind. Die unrichtige Namensbezeichnung der Kläger zu 4 und 5 ist jedoch unbeachtlich, insbesondere da auch schon im angefochtenen Urteil die Namensbezeichnung der Kläger zu 4 und 5 falsch war.

Der gem. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erforderliche Wert des Beschwerdegegenstands von mehr als 750,- EUR ist vorliegend erreicht, da die Kläger die Erstattung weiterer außergerichtlicher Kosten in Höhe von insgesamt 1.385,16 EUR (4 x 652,12 EUR = 2.608,48 EUR abzüglich anerkannter Kosten i.H.v. 1.223,32 EUR) geltend machen.

Gegenstand des Verfahrens sind die vier Kostenfestsetzungsbescheide vom 11.02.2009 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 02.03.2010, mit denen der Beklagte die Rechtsan-waltsgebühren für das jeweilige Vorverfahren festgesetzt hat. Gegen diese Bescheide wenden sich die Kläger mit ihrem Begehren auf Erstattung höherer Gebühren für das Vorverfahren zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage.

Wird - wie hier in der Hauptsache - über die Kosten eines isolierten Vorverfahrens (§§ 78 ff SGG) gestritten, handelt es sich nicht um die Kosten des Verfahrens im Sinne von § 144 Abs. 4 SGG, bei denen die Berufung nicht statthaft ist (BSG, Urteil v. 25.01.2011 - B 5 R 14/10 R - juris).

Das beklagte Jobcenter ist als gemeinsame Einrichtung (§ 44b Abs. 1 Satz 1 SGB II) mit Wirkung vom 01.01.2011 kraft Gesetzes als (teil-)rechtsfähige öffentlich-rechtliche Gemein-schaft sui generis entstanden und ist gem. § 70 Nr. 1 SGG beteiligtenfähig (BSG, Urteil vom 18.01.2011 - B 4 AS 14/10 R - juris Rn. 9). Gem. § 76 Abs. 3 Satz 1 SGB II tritt die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisherigen beklagten Arbeitsgemeinschaft. Danach tritt bei einem Wechsel der Trägerschaft oder der Organi-sationsform der zuständige Träger oder die zuständige Organisationsform an die Stelle des bisherigen Trägers oder der bisherigen Organisationsform; dies gilt insbesondere für laufende Verwaltungs- und Gerichtsverfahren. Dieser kraft Gesetzes eintretende Beteiligtenwechsel wegen der Weiterent¬wicklung der Organisation des SGB II stellt keine unzulässige Klage-änderung im Sinne von § 99 SGG dar (BSG, Urteil v. 18.07.2007 - B 12 P 4/06 R - juris). Dementsprechend hat bereits das SG das Passivrubrum entsprechend berichtigt.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Rechtsgrundlage für einen Anspruch der Kläger auf Erstattung ihrer Aufwendungen ist § 63 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach hat, soweit der Widerspruch erfolgreich ist, der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Nach § 63 Abs. 2 SGB X sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts im Vorverfahren erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war. Gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 SGB X setzt die Behörde, die die Kostenentscheidung getroffen hat, auf Antrag den Betrag der zu erstattenden Aufwendungen fest. Gebühren und Auslagen im Sinne von § 63 Abs. 2 SGB X sind die gesetzlichen Gebühren. Aufwendungen der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung sind grundsätzlich auch die Gebühren und Auslagen, die ein Rechtsanwalt seinem Mandanten in Rechnung stellt. Diese Vergütung bemisst sich nach dem RVG sowie dem VV der Anlage 1 zum RVG (§ 2 Abs. 2 Satz 1 RVG).

§ 3 RVG sieht vor, dass in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen - wie hier - das Gerichtskostengesetz nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren entstehen (Abs. 1 Satz 1). Dies gilt entsprechend für eine Tätigkeit außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens (Abs. 2). Nach dem eigenständigen Gebührentatbestand für sozialrechtliche Angelegenheiten erhält der Rechtsanwalt für die Vertretung im Verwaltungsverfahren in bestimmten sozialrechtlichen Angelegenheiten u.a. eine Geschäftsgebühr. Rechtsgrundlage der Geschäfts¬gebühr ist Nr. 2400 VV RVG in der ab dem 01.07.2005 geltenden Fassung in Verbindung mit § 14 RVG.

Nach Nr. 2400 VV RVG umfasst die Geschäftsgebühr einen Betragsrahmen von 40 EUR bis 520 EUR. Eine Gebühr von mehr als 240 EUR kann aber nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war (sog Schwellengebühr). Innerhalb dieses Gebührenrahmens bestimmt der Rechtsanwalt nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Ver-mögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Die Literatur und ihr folgend die Rechtsprechung gesteht dem Rechtsanwalt darüber hinaus einen Spielraum von 20 % (Toleranzgrenze) zu, der von dem Dritten wie auch von den Gerichten zu beachten ist (BSG, Urteil vom 01.07.2009 - B 4 AS 21/09 R - juris Rn. 19 m.w.N.). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs. 1 Satz 4 RVG).

Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sind objektive Kriterien. Zu diesen treten die Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber sowie dessen Einkommens- und Vermögensverhältnisse als subjektive Kriterien hinzu. Darüber hinaus ist nach § 14 Abs. 1 Satz 3 RVG bei Verfahren, auf die Betragsrahmengebühren anzuwenden sind, ein besonderes Haftungsrisiko zu berücksichtigen, das aber wegen des im sozialgerichtlichen Verfahren herrschenden Amtsermittlungsgrundsatzes und der Möglichkeit von Überprüfungsanträgen in der Regel zu vernachlässigen ist (vgl. SG Kiel, Beschluss vom 01.06.2012 - S 21 SF 7/12 E).

Die Aufzählung der Bemessungskriterien in § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG ist nicht abschließend, so dass weitere, unbenannte Kriterien mit einbezogen werden können. Sämtliche heranzuziehende Kriterien stehen selbständig und gleichwertig nebeneinander (BSG, a.a.O., juris Rn. 21).

Ausgangspunkt für die Bemessung der Gebühr ist damit der Durchschnittsfall, welcher die Mittelgebühr rechtfertigt. Erst wenn die Kriterien des Durchschnittsfalls bekannt sind, kann entschieden werden, ob im konkreten Fall ein Abweichen von der Mittelgebühr nach oben oder unten angezeigt ist. Bei der Ermittlung des Durchschnittsfalls ist nicht nur auf ein durchschnittliches SGB II-Verfahren abzustellen, denn eine solchen Maßstab legen weder § 14 RVG noch das VV RVG zugrunde. Maßstab sind vielmehr alle Verfahren aus allen zur Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit zählenden Rechtsgebieten, in denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen, mithin kostenfreie Verfahren.

Es bedarf nicht der Einholung eines Gutachtens des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer über die Höhe der Gebühr nach § 14 Abs. 2 RVG, weil diese Regelung nur im Rechtsstreit zwischen Mandant und Rechtsanwalt, nicht hingegen im Prozess zwischen dem Gebührenschuldner (den Klägern) und dem erstattungspflichtigen (dem beklagten Grundsicherungsträger) anwendbar ist (BSG, a.a.O. - juris Rn. 14 m.w.N.).

1. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit war vorliegend jeweils deutlich unterdurchschnittlich.

Bei dem Umfang der anwaltlichen Tätigkeit ist der zeitliche Aufwand zu berücksichtigen, den der Rechtsanwalt tatsächlich in der Sache betrieben hat und den er davon objektiv auch auf die Sache verwenden musste. Unerheblich ist hierbei, wie lange das Vorverfahren als solches gedauert hat (BSG, a.a.O. - juris Rn. 28).

Die anwaltliche Tätigkeit bestand vorliegend im Abfassen von vier jeweils - bis auf das Aktenzeichen - gleichlautenden Schriftsätzen. Nicht zutreffend ist die Auffassung der Kläger, "Synergieefekte zur Gebührenminderung" seien in § 14 RVG nicht zu berücksichtigen, da die Vorschrift klar und abschließend vier Kriterien nenne. Nach der Rechtsprechung des BSG (BSG, a.a.O., juris Rn. 21) ist die Aufzählung der Bemessungskriterien in § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG bereits nach dessen Wortlaut ("vor allem") nicht abschließend, so dass auch weitere, unbenannte Kriterien mit einbezogen werden können. Ein solches Kriterium kann auch das Tätigwerden in einer Vielzahl gleich gelagerter Fälle sein. So hat das BSG in der angeführten Entscheidung ausgeführt (BSG, a.a.O., juris Rn. 30), werde ein mit der Sache bislang noch nicht befasster Rechtsanwalt mit der Durchführung des sozialrechtlichen Vorverfahrens beauftragt, komme es für den Umfang seiner Tätigkeit nicht nur auf die Zahl der gefertigten Schriftsätze an. Das BSG hat in dieser Entscheidung die Tätigkeit des Bevollmächtigten, der sich mit insgesamt sechs Schriftsätzen an den Beklagten gewandt und auf Verlangen Unterlagen beim Kläger angefordert hat, als durchschnittlich angesehen. Einem solchen Aufwand ist allein die Fertigung des Widerspruchsschreibens ohne weitere Begründung nicht gleichzustellen, zumal wenn der streitige Sachverhalt (Berücksichtigung eines mit der Wohnung angemieteten Garage bei den Kosten der Unterkunft) bereits Gegenstand weiterer Verfahren zwischen den Klägern und dem Beklagten war.

2. Auch die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit war unterdurchschnittlich. Streitig war jeweils lediglich, ob die Kosten der mit der Wohnung angemieteten Garage vom Beklagten als angemessene Kosten der Unterkunft zu übernehmen waren. Das BSG hat bereits im Jahr 2006 entschieden (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7 b AS 10/06 R - juris Rn. 28), bei der Prüfung der Angemessenheit der Unterkunftskosten sei zu beachten, dass § 22 Abs. 1 SGB II dem Hilfebedürftigen nur eine Wohnung mit bescheidenem Zuschnitt zugestehe. Die Kosten für eine Garage seien deshalb regelmäßig nicht zu übernehmen, es sei denn, die Wohnung sei ohne Garage nicht anmietbar und der Mietpreis halte sich bei fehlender "Abtrennbarkeit" der Garage noch innerhalb des Rahmens der Angemessenheit für den maßgeblichen Wohnort. Zu diesen Kriterien wurde in der Widerspruchsbegründung nichts vorgetragen.

Soweit zur Berufungsbegründung hierzu vorgetragen worden ist, die Sache selbst sei ausgesprochen unübersichtlich, was nicht zuletzt daran deutlich werde, dass bei der Abrechnung übersehen worden sei, dass der Berufungskläger zu 5) betreffend Ansprüche aus den Jahren 2005 und 2006 noch gar nicht beteiligt sein konnte, betrifft dies nicht die Schwierigkeit bei der Einlegung der Widersprüche, sondern allenfalls die Schwierigkeit bei der Abrechnung der Gebühren. Denn die Widersprüche betrafen allein die Übernahme der Kosten für eine Garage unabhängig von der Anzahl der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft.

Ein mehr als unterdurchschnittlicher Aufwand lässt sich auch nicht aus dem Umfang der beim Bevollmächtigten geführten Akten herleiten. Denn es ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich, dass sich diese Akten auf die Widerspruchsverfahren beziehen, deren Kosten hier streitig sind, da die Kläger in einer Vielzahl weiterer Verfahren von ihrem Bevollmächtigten vertreten werden.

Unzutreffend ist die von den Klägerin vertretene Rechtsauffassung, wenn die Klärung der streitigen Rechtsfrage abgewartet worden wäre, um danach einen Antrag auf Einleitung des Zugunstenverfahrens zu stellen, hätten die Berufungskläger zu 1 bis 4 ihre Ansprüche aus dem Jahr 2005 wegen der Frist gem. § 44 Abs. 4 SGB X verloren.

Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuchs längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme vom Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag (§ 44 Abs. 4 SGB X).

Vorliegend hat der Bevollmächtigte der Kläger mit Schreiben vom 17.11.2006, beim Beklagten am 20.11.2006 eingegangen, den Überprüfungsantrag gestellt. Allein schon hierdurch war eine rückwirkende Leistungserbringung auch für Ansprüche aus dem Jahr 2005 gewährleistet.

3. Die Bedeutung der Angelegenheit für die Kläger ist allenfalls durchschnittlich. Das BSG hat hierzu ausgeführt (BSG, a.a.O., juris Rn. 37), monatliche Euro-Beträge im einstelligen Bereich und für einen nur kurzen streitigen Zeitraum von längstens sechs Monaten hätten eine allenfalls durchschnittliche wirtschaftliche Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber. Im vorliegenden Verfahren waren die Kosten für eine Garage in Höhe von monatlich 43,46 EUR in Bewilligungszeiträumen von zwei mal sechs Monaten sowie von vier bzw. drei Monaten streitig. Diese Kosten waren in den ersten drei Bewilligungszeiträumen auf vier Kläger und im letzten Bewilligungszeitraum auf fünf Kläger aufzuteilen. In den ersten drei Bewilligungszeiträumen lag der anteilige Betrag je Kläger damit knapp über 10,- EUR, im letzten Bewilligungsabschnitt unter 10,- EUR.

Bei der Bedeutung der Angelegenheit für die Kläger sind allein die Kosten der Garagenmiete zu berücksichtigen. Nicht zu berücksichtigen ist, dass der Beklagte in den Abhilfebescheiden bei den Kindern der Klägerin zu 1) zudem eine Pauschale von 30,- EUR von dem zu berück-sichtigenden Einkommen abgezogen hat. Denn diese Berücksichtigung erfolgte nicht, weil dies im Widerspruch geltend gemacht worden war, sondern von Amts wegen im Rahmen der Überprüfung der Bescheide. Mit dem Widerspruch waren lediglich höhere Kosten der Unterkunft geltend gemacht worden.

4. Die Einkommens und Vermögensverhältnisse der Kläger sind weit unterdurchschnittlich. Sie sind vermögenslos und bestreiten ihren Lebensunterhalt ausschließlich durch Unterhalts-zahlungen des Vaters, Kindergeld sowie Leistungen nach dem SGB II.

Zwar werden in den allermeisten Fällen schlechte Einkommens- und Vermögensverhältnisse mit einer überdurchschnittlichen Bedeutung der Angelegenheit einhergehen, so dass eine Kom-pensation dieser Kriterien eintritt (BSG, a.a.O., juris Rn. 38). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall, da die Bedeutung der Angelegenheit für die Kläger - wie dargelegt - nicht weit über-durchschnittlich, sondern allenfalls durchschnittlich ist.

5. Unter Zugrundelegung eines deutlich unterdurchschnittlichen Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit, deutlich unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Kläger, einer unterdurchschnittlichen Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit und einer allenfalls durchschnittlichen Bedeutung der Angelegenheit für die Kläger ist die vom Bevoll-mächtigten der Kläger getroffene Bezifferung der Gebühren in Höhe der Schwellengebühr Nr. 2400 VV RVG in Höhe von jeweils 240 EUR gem. § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG unbillig und deshalb nicht verbindlich. Die Toleranzgrenze von 20 % (BSG, a.a.O. - juris Rn. 19) ist vorliegend überschritten mit der Folge, dass die angemessenen Gebühren durch den Beklagten festzusetzen sind. Dessen Gebührenansatz von 120,00 EUR, also etwa einem Fünftel des Gebührenrahmens für die Geschäftsgebühr, ist angesichts der genannten Kriterien nicht zu beanstanden, zumal bereits Rechtsstreitigkeiten mit gleichem Streitgegenstand, lediglich für andere Bewilligungszeiträume, geführt worden sind. Der Beklagte hat in den angefochtenen Widerspruchsbescheiden auch die Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG in zutreffender Höhe festgesetzt. Danach erhöht sich die Verfahrens- oder Geschäftsgebühr für jede weitere Person, bei Betragsrahmengebühren erhöhen sich der Mindest- und Höchstbetrag um 30 %.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 SGG.

7. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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