L 4 R 4275/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 R 8597/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 4275/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 5. September 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt im Berufungsverfahren noch Rente wegen Erwerbsminderung für die Zeit vom 23. Januar 2008 bis 14. Mai 2009.

Die am 1955 geborene Klägerin schloss in der ehemaligen DDR Berufsausbildungen als Frisörin (1971 bis 1973) und als Industriekauffrau (1977 bis 1979) ab. In den Monaten September und Oktober 1982 studierte sie an der Fachschule für Ökonomie P. in der Fachrichtung Materialwirtschaft. Sie war von 1973 bis zu ihrer Übersiedlung in das damalige Bundesgebiet im März 1984 zunächst in der ehemaligen DDR, danach mit Unterbrechungen durch Arbeitslosigkeit bis 30. April 2004 nach ihren Angaben als Sachbearbeiterin versicherungspflichtig beschäftigt. Ab 1. Juli 2004 war sie als freie Handelsvertreterin (Verkauf von Staubsaugern und Zubehör) selbstständig tätig. Die Beklagte befreite sie von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für Selbstständige mit einem Auftraggeber (Bescheid vom 4. August 2004) und ließ sie zur Entrichtung freiwilliger Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu (Bescheid vom 19. Juli 2004), die sie bis 31. Oktober 2006 entrichtete. Ihr angemeldetes Gewerbe änderte und erweiterte die Klägerin mehrmals, zuletzt im Juli 2005 in "Finanzcheck und Datenaufnahme (für Insolvenz- und Schuldnerhilfe), Büroservice, Erstellung von Visitenkarten, Vermittlung von Versicherungen und Bausparverträgen". Die Agentur für Arbeit S.-F. bewilligte der Klägerin vom 20. Oktober bis 31. Dezember 2006 Arbeitslosengeld sowie mit Bescheid vom 7. Februar 2007 für die Zeit vom 1. Januar bis 30. September 2007 einen Gründungszuschuss für die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit am 1. Januar 2007. Auf den Antrag der Klägerin vom 20. Februar 2007, in welchem sie ihre Tätigkeit mit Vertrieb von Versicherungen, Bausparverträgen und anderen Finanzdienstleistungen diverser Unternehmen beschrieb, befreite die Beklagte sie mit Bescheid vom 9. März 2007 für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis 1. Januar 2010 von der Versicherungspflicht als Selbstständige mit einem Auftraggeber. Unter anderem für die Zeiten vom 4. Februar bis 24. März und 15. April bis 16. Juni 2008 wurden der Beklagten Pflichtbeitragszeiten wegen des Bezugs von Entgeltersatzleistungen wegen Arbeitslosigkeit gemeldet.

Bei einem Sturz am 12. Oktober 2007 zog sich die Klägerin Frakturen des proximalen Endes des Humeruskopfes der rechten Schulter und des fünften Mittelfußknochens links zu, die am Folgetag operativ versorgt wurden. Am 6. Mai 2008 erfolgte die operative Entfernung der Metallplatte im Bereich der Schulter sowie der Zuggurtungen im Bereich der Schulter und des Mittelfußes (Berichte des Privatdozent Dr. G. vom 22. Oktober 2007 und 8. Mai 2008 über die stationären Behandlungen vom 12. bis 22. Oktober 2007 und 6. bis 8. Mai 2008).

Die Klägerin beantragte am 23. Januar 2008 Rente wegen Erwerbsminderung. Sie gab am 16. Juli 2009 gegenüber der Beklagten an, wegen des Unfalls vom 12. Oktober 2007 habe sie ihre selbstständige Tätigkeit nicht unterbrochen, jedoch zwischenzeitlich nur noch nebenberuflich ausgeübt und sich arbeitslos melden müssen. Eine Gewerbeabmeldung sei nicht erfolgt. Sie habe weiterhin an den Schulungen des Auftraggebers teilgenommen. Die Beklagte bewilligte der Klägerin zunächst eine ganztägige ambulante Leistung zur medizinischen Rehabilitation (Bescheid vom 19. Februar 2008), die vom 25. März bis 14. April 2008 mit der Zahlung von Übergangsgeld durch die Beklagte erfolgte und aus der die Klägerin arbeitsfähig entlassen wurde. Orthopäde Dr. Sc. nannte im Entlassungsbericht vom 15. April 2008 als Diagnosen eine Teilsteife und Schmerzen der rechten Schulter bei einem Zustand nach Plattenosteosynthese einer Humeruskopfmehrfragmentfraktur sowie Schmerzen des linken lateralen Vor- und Mittelfußes nach offener Zuggurtung einer Fraktur des fünften Mittelfußknochens. Die Klägerin sei im zuletzt ausgeübten Beruf (Industriekauffrau/Vermögensberaterin) und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt weiterhin vollschichtig einsetzbar. Tätigkeiten über Schulterhöhe seien nicht mehr leidensgerecht. Ausschließlich sitzende Tätigkeiten und Wirbelsäulenzwangshaltungen sollten vermieden werden. Trotz der vorhandenen Schmerzen im linken Fuß bestehe Wegefähigkeit. Weiter erhob die Beklagte den Befundbericht des Orthopäden Dr. M. vom 26. Juni 2009, der seinem Befundbericht ihm zugegangene Arztbriefe beifügte und angab, es bestünden Funktionseinschränkungen bei der Abduktion des rechten Armes (nur bis 90°) sowie Schmerzen beim Bewegen der Halswirbelsäule. Schließlich erstattete auf Veranlassung der Beklagten Orthopäde Dr. A. das Gutachten vom 2. August 2009. Bei der Klägerin bestünden eine posttraumatische Omarthrose rechts mit Einschränkung der Abduktion auf 90°, eine knöchern konsolidierte Fraktur des fünften Mittelfußknochens links, ein chronisches Halswirbelsäulen- und Lendenwirbelsäulensyndrom ohne neurologische Ausfälle, eine beginnende Dysplasiecoxarthrose mit Einschränkung der Innenrotation sowie eine beginnende retropatellar und medial betonte Gonarthrose beidseits. Die Klägerin leide vor allem unter ihrer fortgeschrittenen posttraumatischen Omarthrose. Insgesamt seien nur noch leichte körperliche Arbeiten im Wechsel zwischen gehenden, stehenden und sitzenden Aktivitäten sechs Stunden und mehr möglich. Schwere und mittelschwere körperliche Arbeiten, Heben und Tragen von Lasten über zehn kg sowie Zwangshaltungen der Kniegelenke und Wirbelsäule sollten nicht mehr durchgeführt werden. Diese Feststellungen würden seit 12. Oktober 2007 gelten.

Mit Bescheid vom 25. August 2009 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsminderung ab. Die Klägerin erhob Widerspruch. Sie sei ab 12. Oktober 2007 nicht voll arbeitsfähig gewesen. Sie habe ihre selbstständige Tätigkeit auf Teilzeit heruntergefahren, um die bisher absolvierten Prüfungen und Titel nicht zu verlieren sowie nicht in Insolvenz zu geraten. Auch habe sie sich für eine Tätigkeit mit einer Arbeitszeit von fünf Stunden arbeitsuchend gemeldet, wobei eine Vermittlung in ein Arbeitsverhältnis fast aussichtslos gewesen sei. Die Beratende Ärztin der Beklagten Dr. S. schloss sich der Beurteilung des Dr. A. an (Stellungnahme vom 28. September 2009). Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin zurück (Widerspruchsbescheid vom 23. November 2009). Nach der getroffenen sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung könnten mit dem vorhandenen Leistungsvermögen Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich im Rahmen einer Fünf Tage-Woche regelmäßig und auch der bisherige Beruf als Sachbearbeiterin in diesem Umfang ausgeübt werden. Der ärztliche Entlassungsbericht (des Dr. Sc. vom 15. April 2008) bestätige dies.

Die Klägerin erhob am 18. Dezember 2009 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG). Sie verwies auf die Begründung ihres Widerspruchs.

Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf den Widerspruchsbescheid entgegen.

Das SG hörte Orthopädin Dr. K.-St. als sachverständige Zeugin. Diese gab an (Auskunft vom 13. September 2010), sie habe die Klägerin im Jahre 2004 (viermal) und im Jahre 2009 (zweimal) behandelt. Es bestünden degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, der rechten Schulter und in der unteren Extremität, so dass nur noch leichte körperliche Tätigkeiten, vorzugsweise im Wechselrhythmus, möglich seien. Zu meiden seien schwere Hebe- und Tragearbeiten, Zwangshaltungen der Wirbelsäule, Überkopfarbeiten sowie Tätigkeiten in kniender oder hockender Position. Sie stimme der Leistungsbeurteilung des Gutachtens auch in zeitlicher Hinsicht zu.

Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 5. September 2011 ab. Die Klägerin sei nicht voll erwerbsgemindert. Sie sei mit gewissen Funktionseinschränkungen noch in der Lage, zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts sechs Stunden und mehr täglich auszuüben. Diese Überzeugung beruhe auf dem Gutachten des Dr. A. sowie der Aussage der sachverständigen Zeugin Dr. K.-St ... Anhaltspunkte für eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder für eine schwere spezifische Leistungseinschränkung lägen nicht vor. Auch eine teilweise Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bestehe nicht. Die Klägerin genieße Berufsschutz für eine Tätigkeit als Sachbearbeiterin in einem kaufmännischen Beruf. Sie sei noch in der Lage, zumindest leichte Tätigkeiten auch in diesem erlernten Beruf weiter auszuüben.

Gegen den ihren Prozessbevollmächtigten erster Instanz am 6. September 2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 3. Oktober 2011 Berufung eingelegt. Sie hat ihr Begehren auf Rente wegen Erwerbsminderung auf die Zeit vom 23. Januar 2008 bis 14. Mai 2009 beschränkt. Durch die Folgen ihres schweren Sturzes (am 12. Oktober 2007) sei sie (im genannten Zeitraum) nicht mehr in der Lage gewesen, ihren Beruf auszuüben. Die Begutachtung durch Dr. A. habe ein Jahre und neun Monate nach diesem Unfall stattgefunden. Sein Ergebnis, sie habe bereits rückwirkend für die Zeit ab 12. Oktober 2007 ihre letzte berufliche Tätigkeit in einem Umfang von sechs Stunden ausüben können, sei infrage zu stellen. Bei der Schwere ihrer Verletzungen und der langwierigen Rehabilitation sei sie nicht in der Lage gewesen, nach dem Unfall einer Tätigkeit im Umfang von sechs Stunden und mehr nachzugehen. Sie habe sich erst am 8. Mai 2009 dazu entschlossen, einen (weiteren) Gründungszuschuss zu beantragen und wieder voll in ihren Beruf einzusteigen. Dieser Gründungszuschuss sei ihr ab dem 15. Mai 2009 bewilligt worden (Bescheid der Agentur für Arbeit S.-F. vom 24. September 2009).

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 5. September 2011 und den Bescheid der Beklagten vom 25. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. November 2009 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr vom 23. Januar 2008 bis 14. Mai 2009 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, weiter hilfsweise Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Nach den medizinischen Unterlagen liege kein ununterbrochen aufgehobenes Restleistungsvermögen seit dem Unfall im Oktober 2007 vor.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegt und auch statthaft, weil die Klägerin mit der Berufung Leistungen für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr begehrt (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Im Berufungsverfahren ist nur noch darüber zu entscheiden, ob die Klägerin Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung für die Zeit vom 23. Januar 2008 bis 14. Mai 2009 hat. Denn die Klägerin hat ihr Begehren auf diesen Zeitraum beschränkt.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 25. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. November 2009 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, soweit er den Antrag der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsminderung für die im Berufungsverfahren noch streitige Zeit vom 23. Januar 2008 bis 14. Mai 2009 ablehnt. Für diesen Zeitraum hat die Klägerin weder Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung (1.) noch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (2.).

1. Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll oder teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Die Klägerin war in dem im Berufungsverfahren noch streitigen Zeitraum weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Dies steht zur Überzeugung des Senats aufgrund des von der Beklagten erhobenen Gutachtens des Dr. A., der Angaben der vom SG als sachverständige Zeugin gehörten Dr. K.-St. sowie des Entlassungsberichts des Dr. Sc. vom 15. April 2008 über die ambulante Rehabilitationsmaßnahme fest.

Die Klägerin litt in dem im Berufungsverfahren noch streitigen Zeitraum an rentenrelevanten Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Gebiet. Im Vordergrund standen die Folgen der bei dem Sturz am 12. Oktober 2007 erlittenen Frakturen des proximalen Endes des Humeruskopfes der rechten Schulter und des fünften Mittelfußknochens links. Aufgrund dieser Verletzungen besteht eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung der rechten Schulter. Die Abduktion ist auf 90° eingeschränkt. Die Fraktur des fünften Mittelfußknochens ist knöchern verheilt, ohne dass hieraus wesentliche Funktionseinschränkungen verblieben sind. Insbesondere ist das Gangbild flüssig ohne seitbetontes Schonhinken. Der Senat stützt sich insoweit auf das Gutachten des Dr. A ... Die Feststellungen des Dr. A. werden durch die Angaben des Dr. Sc. und der Dr. K.-St. bestätigt. Auch Dr. Sc. berichtete von einer Teilsteife der rechten Schulter mit einer bei Beginn der Behandlung eingeschränkten Abduktion von 75°. Dr. K.-St. beschrieb eine eingeschränkte Beweglichkeit der rechten Schulter mit einer Abduktion von 100°. Dr. Sc. nannte zwar noch ein diskretes linksseitige Hinken, ohne allerdings Einschränkungen hinsichtlich der Wegefähigkeit anzunehmen. Insoweit ist davon auszugehen, dass sich das Gangbild der Klägerin nach Ende der ambulanten Rehabilitationsmaßnahme weiter besserte, zumal Dr. K.-St. Einschränkungen hinsichtlich des Gangbildes nicht angab.

Zusätzlich bestehen bei der Klägerin ein leichter bis mittelgradiger paravertebraler Hartspann im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule mit einer jeweils endgradigen Bewegungseinschränkung, muskuläre Dysbalancen mit Verspannung der Schulter-Nackenmuskulatur, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule und Funktionseinschränkungen der Brust- und Lendenwirbelsäule, jedoch ohne sensible oder motorische Ausfälle. Auch dies ergibt sich aus dem Gutachten des Dr. A., dessen Feststellungen durch die Angaben der Dr. K.-St. ihre Bestätigung finden. Ferner bestehen noch degenerative Veränderungen im Bereich der Kniegelenke, wie sich sowohl aus dem Gutachten des Dr. A. als auch den Angaben der Dr. K.-St. ergibt.

Aus den Gesundheitsstörungen des orthopädischen Gebiets ergeben sich nach Überzeugung des Senats qualitative Leistungseinschränkungen. Nicht mehr zumutbar sind der Klägerin schwere Arbeiten sowie Arbeiten über Schulterhöhe, in Zwangshaltungen der Wirbelsäule und der Kniegelenke. Aufgrund der erhobenen Befunde ist die qualitative Leistungsbeurteilung durch Dr. A. für den Senat schlüssig, zumal ihr Dr. K.-St. ausdrücklich zustimmte und auch Dr. Sc. im Wesentlichen die gleichen qualitativen Leistungseinschränkungen nannte.

Aus den Gesundheitsstörungen des orthopädischen Gebiets ergibt sich nach Überzeugung des Senats jedoch keine quantitative Leistungseinschränkung. Die Klägerin war in dem noch streitigen Zeitraum in der Lage, zumindest leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder Arbeitshaltung in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Auch insoweit stützt sich der Senat auf die Leistungsbeurteilung des Dr. A., zumal auch insoweit sowohl Dr. K.-St. als auch Dr. Sc. von derselben quantitativen Leistungsfähigkeit der Klägerin ausgingen.

Eine andere Beurteilung ist nicht deshalb erforderlich, weil die Klägerin wegen des Krankenhausaufenthaltes vom 12. bis 22. Oktober 2007, der wegen der bei dem Sturz erlittenen Verletzungen erforderlich war, und möglicherweise auch einige Wochen danach einer Erwerbstätigkeit nicht nachgehen konnte. Der Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung setzt voraus, dass die rentenrelevanten Gesundheitsstörungen das Leistungsvermögen auf nicht absehbare Zeit einschränken (§ 43 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Auf nicht absehbare Zeit bedeutet einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten. Dies ist aus § 101 Abs. 1 SGB VI zu schließen, wonach in den ersten sechs Monaten der Leistungseinschränkung kein Leistungsanspruch besteht (zum bis 31. Dezember 1991 geltenden insoweit gleichlautenden § 1247 Abs. 2 Satz 1 Reichsversicherungsordnung [RVO]: Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 23. März 1977 - 4 RJ 49/76 - SozR 2200 § 1247 Nr. 16). Allein daraus, dass ein Versicherter wegen Verletzungen, die er bei einem Unfall erlitt, behandelt wird, lässt sich noch nicht ableiten, dass sein gesundheitliches Leistungsvermögen auf nicht absehbare Zeit eingeschränkt ist. Eine auf nicht absehbare Zeit bestehende gesundheitliche Einschränkung des Leistungsvermögens der Klägerin im Oktober 2007 vermag der Senat nicht festzustellen. Die Klägerin bezog ab 4. Februar 2008 Entgeltersatzleistungen wegen Arbeitslosigkeit. Denn der Beklagten wurde ab diesem Tag eine entsprechende Pflichtbeitragszeit gemeldet. Um Entgeltersatzleistungen erhalten zu können, musste sich die Klägerin der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stellen, was sie somit spätestens ab diesem Tag tat und dadurch zum Ausdruck brachte, dass sie spätestens an diesem Tag, möglicherweise auch bereits früher, zumindest wieder eine - gegebenenfalls auch einfachste - Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarkts ausüben konnte. Für die Beurteilung einer vollen oder teilweisen Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI kommt es nicht auf die zuletzt ausgeübte versicherungspflichtige Tätigkeit oder - wie im Fall der Klägerin nicht versicherungspflichtig ausgeübte - selbstständige Tätigkeit an, sondern maßgeblich ist, ob ein Versicherter - gegebenenfalls auch einfachste - Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts in einem zeitlichen Umfang von weniger als sechs Stunden ausüben kann.

2. Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit haben nach § 240 Abs. 1 SGB VI bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Erreichung der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Art. 1 Nr. 61 des RV-Altergrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, 554) auch Versicherte, die vor dem 02. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach dem die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderung ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Bisheriger Beruf im Sinne des § 240 SGB VI ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG in der Regel die letzte, nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit (z. B. BSG, Urteil vom 29. März 1994 - 13 RJ 35/93 - SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45; Urteil vom 18. Februar 1998 - B 5 RJ 34/97 R - SozR 3-2200 § 1246 Nr. 61; Urteil vom 20. Juli 2005 - B 13 RJ 19/04R - in Juris).

Die letzte versicherungspflichtig ausgeübte Tätigkeit der Klägerin war die bis 30. April 2004 dauernde versicherungspflichtige Beschäftigung als Sachbearbeiterin. Die ab 1. Juni 2004 ausgeübte selbstständige Tätigkeit scheidet als bisheriger Beruf im Sinne des § 240 SGB VI aus, weil die Klägerin in dieser Tätigkeit nicht versicherungspflichtig war. Aufgrund des unter 1.) dargestellten Leistungsvermögens war ein solches für die Tätigkeit als Sachbearbeiterin vorhanden. Auch insoweit folgt der Senat der Leistungsbeurteilung des Dr. A ...

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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