L 11 R 3401/12 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 7867/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 3401/12 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 18.07.2012 aufgehoben. Die Kosten der Begutachtung durch Dr. B. (Gutachten vom 14.02.2011) werden auf die Staatskasse übernommen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Gemäß § 109 Abs 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann die beantragte gutachtliche Anhörung eines bestimmten Arztes davon abhängig gemacht werden, dass der Kläger die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt. Nach dem Gesetz steht es somit im Ermessen des Gerichts, in welchem Umfang es die Kosten dem Kläger endgültig auferlegt. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens geht die Befugnis zur Ausübung des Ermessens in vollem Umfang auf das Beschwerdegericht über. Hierbei ist zu berücksichtigen, inwieweit das Gutachten den Rechtsstreit objektiv gefördert hat. Die Kosten eines nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens sind nur dann auf die Staatskasse zu übernehmen, wenn das Gutachten zusätzliche, für die Sachaufklärung bedeutsame Gesichtspunkte erbracht und diese damit objektiv gefördert hat. Dabei kann jedoch nicht in jedem neuen Gesichtspunkt ein Beitrag zur Sachaufklärung gesehen werden; es muss sich vielmehr um einen am Prozessziel des jeweiligen Antragstellers orientierten wesentlichen Beitrag gehandelt haben (st Rspr des Senats, vgl Beschluss vom 07.10.2009, L 11 R 3685/09).

Unter Heranziehung dieser Grundsätze sind die Kosten der Begutachtung durch Dr. B. auf die Staatskasse zu übernehmen, denn sein Gutachten hat, gemessen am Prozessziel des Klägers, nämlich Rente wegen Erwerbsminderung zu erhalten, einen wesentlichen Beitrag zur Sachaufklärung geleistet. Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass die Beteiligten in ihrem - den Rechtsstreit beendenden - Vergleich als Leistungsfall für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit den Tag der Untersuchung durch Dr. B. zugrunde gelegt haben.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten. Dies folgt aus § 67 Abs 1 Satz 2 iVm § 66 Abs 8 Gerichtskostengesetz (GKG). Diese Vorschriften sind auf die vorliegende Fallkonstellation entsprechend anwendbar. Nach § 10 GKG darf die Tätigkeit der Gerichte in weiterem Umfang als es die Prozessordnungen oder das GKG gestatten nicht von der Zahlung der Kosten abhängig gemacht werden. Für diejenigen sozialgerichtlichen Verfahren, in denen das GKG Anwendung findet, regelt § 17 GKG eine Vorschusspflicht für Auslagen. Die Regelung in § 109 SGG gibt den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ebenfalls das Recht, die Einholung des nach dieser Vorschrift beantragten Sachverständigengutachtens von der Zahlung eines Auslagenvorschusses abhängig zu machen. Beide Vorschriften - § 17 GKG für Verfahren nach § 197a SGG und § 109 SGG für Verfahren nach § 183 SGG - betreffen demnach vergleichbare Sachverhalte. Während das Verfahren der Beschwerde gegen die Anordnung einer Vorauszahlung in den vom GKG erfassten Verfahren in § 67 SGG geregelt ist, gelten für Beschwerden gegen Entscheidungen auf der Grundlage des § 109 SGG die Vorschriften in §§ 172 ff SGG. Im SGG ist jedoch keine Bestimmung enthalten, die die Kostentragung im Fall einer erfolgreichen Beschwerde bei der Entscheidung über die Anordnung des Kostenvorschusses oder die Übernahme der Kosten auf die Staatskasse regelt. Die Bestimmung des § 193 SGG ist nicht anwendbar, da das Verfahren, in dem zu entscheiden ist, ob die Kosten der Begutachtung auf die Staatskasse übernommen werden, kein Prozessverfahren, sondern ein parteieinseitiges Verfahren des Kostenrechts ist, in dem sich - wie bei der Prozesskostenhilfe (vgl hierzu BGH, Urteil vom 15. November 1983, NJW 1984, 740) - als Beteiligter nur der Antragsteller und das Gericht als Bewilligungsstelle gegenüberstehen. Daher ist es geboten, die Gesetzeslücke durch eine analoge Anwendung von § 67 Abs 1 Satz 2 iVm § 66 Abs 8 GKG zu schließen. Diese Vorschriften sind sachnäher als § 46 Abs 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten iVm § 467 der Strafprozessordnung, bei deren analoger Heranziehung man zu einer Erstattungspflicht der Staatskasse käme (Beschlüsse des erkennenden Senats vom 7. Oktober 2009 und vom 30. Oktober 2008 - L 11 R 3757/08 KO-B, Letzterer veröffentlicht in juris).

Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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