L 4 P 3594/12 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 26 P 2195/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 3594/12 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 23. Juli 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung eines in Pflegeversicherungsangelegenheiten fachkundigen Rechtsanwalts, hilfsweise die Bestellung eines "Prozessbetreuers" nach den §§ 1897 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) für das beim Sozialgericht Stuttgart (SG) anhängige Klageverfahren S 26 P 2195/10. In diesem Verfahren ist der Bescheid der Beklagten vom 10. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05. Mai 2010, mit dem die Beklagte den Antrag des Klägers auf Sachleistungen der Pflegeversicherung abgelehnt hat, im Streit.

Der am 1925 geborene Kläger ist bei der Beklagten pflegeversichert. Er beantragte bei der Beklagten im Januar 2010 (erneut) Sachleistungen der Pflegeversicherung. Die Beklagte erhob das Gutachten der Pflegefachkraft E. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) vom 16. Februar 2010, die einen täglichen (Soll )Hilfebedarf bei der Grundpflege von 15 Minuten feststellte, nämlich acht Minuten bei der Körperpflege und sieben Minuten bei der Mobilität. Darauf gestützt teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 18. Februar 2010 mit, dass sie beabsichtige, den Leistungsantrag abzulehnen, da in dem MDK-Gutachten angegeben worden sei, dass der Mindesthilfebedarf der Pflegestufe I in Höhe von täglich 46 Minuten nicht erreicht sei. Mit dem dagegen erhobenen Widerspruch berief sich der Kläger auf Mehrfachbeschädigungen und Multimorbidität (Schreiben vom 26. Februar 2010). Mit dem Hinweisschreiben vom 01. März 2010 übersandte die Beklagte dem Kläger eine Kopie des MDK-Gutachtens vom 16. Februar 2010. Der Kläger bestand danach (Schreiben vom 05. März 2010) im Hinblick auf seinen Widerspruch auf einem Prüfungsverfahren zur Pflegebedürftigkeit und Erteilung eines rechtsmittelfähigen Bescheids. Mit Bescheid vom 10. März 2010 lehnte danach die Beklagte den Leistungsantrag des Klägers ab. Mit Schreiben vom 26. März 2010 beantragte der Kläger die "Übermittlung des vollständigen Gutachtens des MDK vom 16. Februar 2010" und "Erteilung eines rechtsmittelfähigen, gerichtsverwertbaren Bescheids". Die Beklagte übersandte dem Kläger daraufhin mit dem weiteren Erläuterungsschreiben vom 29. März 2010 erneut das Gutachten vom 16. Februar 2010. Mit Widerspruchsbescheid vom 05. Mai 2010 wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss den Widerspruch des Klägers zurück.

Bereits am 12. April 2010 hatte der Kläger beim SG zunächst mit dem Antrag, seinen Widerspruch mit einem rechtsmittelfähigen Bescheid zu bescheiden, Klage erhoben (zunächst S 8 P 2195/10, nunmehr S 26 P 2195/10). Er trug vor, er sei ein 85-jähriger Schwerbehinderter mit Multimorbidität und werde von den "Sozialeinrichtungen" sach- und rechtswidrig drangsaliert. Obwohl von ihm seit seiner krankhaften Entlassung aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft eine Menge Befunde vorlägen und die Sozialdienste sämtlicher Krankenhäuser in Stuttgart Sozialleistungen beantragt hätten, werde nichts umgesetzt. Nach Erteilung des Widerspruchsbescheids hielt er an seinem Begehren auf Gewährung von Leistungen bei Pflegebedürftigkeit fest. Am 10. August 2010 beantragte der Kläger auch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines in Pflegeversicherungsangelegenheiten fachkundigen Rechtsanwalts, hilfsweise die Bestellung eines Prozessbetreuers nach den §§ 1897 ff. BGB. Er fügte eine Erklärung über die Entbindung der ihn behandelnden Ärzte von der ärztlichen Schweigepflicht bei und gab die Krankenhäuser, in denen er sich seit 2008 in Behandlung befunden habe, an.

Die Beklagte trat der Klage entgegen.

Mit Schreiben vom 24. November 2010 forderte das SG den Kläger auf, Belege über seine wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse bis spätestens 20. Dezember 2010 vorzulegen. Hierauf legte der Kläger am 15. Dezember 2010 ein Schreiben des M. O., Mitarbeiter des Bundestagsabgeordneten Dr. S. K., vom 14. Dezember 2010 vor, wonach sich der Kläger wegen seines Antrags auf Prozesskostenhilfe an das Büro des Bundestagsabgeordneten gewandt habe. Vorgelegt wurde der Bescheid über die Bewilligung von Grundsicherungsleistungen der Landeshauptstadt Stuttgart vom 30. November 2010. Über weitere Unterlagen verfügte der Kläger ausweislich des Schreibens von M. O. nicht. Mit Schreiben vom 01. Februar 2011 bat das SG den Kläger um Angabe der ihn behandelnden Ärzte und um Mitteilung, ob er die Beiordnung eines bestimmten Rechtsanwalts wünsche. Hierauf lehnte der Kläger den damaligen Vorsitzenden des SG als befangen ab. Den Befangenheitsantrag wies der erkennende Senat mit Beschluss vom 02. März 2011 zurück. Im Rahmen einer gegen den damaligen Vorsitzenden des SG erhobenen Dienstaufsichtsbeschwerde gab der Kläger als ihn behandelnden Arzt Dr. Dr. W., Stuttgart, an. Das SG hörte hierauf Dr. Dr. W. als sachverständigen Zeugen. Dieser teilte (Auskunft vom 30. Juli 2011) mit, dass er den Kläger zuletzt am 30. November 2010 behandelt habe und dem von Pflegefachkraft E. erstatteten Gutachten zustimme. Er fügte Entlassungsberichte Stuttgarter Krankenhäuser über stationäre Aufenthalte des Klägers im Wesentlichen wegen hypertensiver Krisen bei.

Auf den Antrag des seit 24. April 2011 im M.-hospital in S. in stationärer Behandlung befindlichen Klägers auf Leistungen der vollstationären Pflege vom 28. April 2011 übernahm die Beklagte für die Dauer der Unterbringung des Klägers in einer Kurzpflegeeinrichtung in der Zeit vom 24. Mai bis 20. Juni 2011 die pflegebedingten Leistungen, Aufwendungen der sozialen Betreuung sowie Leistungen der medizinischen Behandlungspflege bis zu einem Gesamtbetrag von EUR 1.510,10 (Bescheid vom 27. Mai 2011). Mit Bescheid vom 21. Juni 2011 bewilligte die Beklagte dem Kläger häusliche Pflegehilfe (Sachleistung) nach der Pflegestufe I ab 21. Juni 2011. Dem zu Grunde lag das Gutachten der Pflegefachkraft N. vom 28. April 2011, die einen grundpflegerischen Hilfebedarf von insgesamt 50 Minuten täglich (Körperpflege 28 Minuten, Ernährung drei Minuten, Mobilität 19 Minuten) annahm.

Mit Beschluss vom 23. Juli 2012 lehnte das SG den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab. Kosten für den Kläger entstünden allein für die Vertretung durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt. Einen solchen habe der Kläger nicht benannt. Grundsätzlich bestehe freie Anwaltswahl. Deshalb sei es ihm, dem SG, nicht möglich, selbstständig einen Anwalt zur Beiordnung auszuwählen und diesen durch Beschluss dem Antragsteller beizuordnen. Es sei nicht ersichtlich, dass der Kläger nicht in der Lage sei, einen solchen Anwalt zu benennen. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die Beiordnung eines Notanwalts in Betracht komme. Ein Anwalt könne dem Kläger daher nicht beigeordnet werden. Da das Verlagen auf Prozesskostenhilfe sich im sozialgerichtlichen Verfahren jedoch allein auf die Übernahme der Kosten für den Anwalt im vorliegenden Fall erstrecken könne, bestehe für die Gewährung von Prozesskostenhilfe kein Bedürfnis.

Gegen den am 08. August 2012 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 20. August 2012 Beschwerde zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Er sei nicht informiert gewesen, und habe deshalb nicht erscheinen können. Was Dr. K. vortrage, werde übernommen, was er vortrage, nicht.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 23. Juli 2012 aufzuheben und ihm für das Klageverfahren S 26 P 2195/10 vor dem Sozialgericht Stuttgart Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung eines in Pflegeversicherungsangelegenheiten versierten Rechtsanwalts, hilfsweise eines Prozessbetreuers zu gewähren.

Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt und sich nicht geäußert ...

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten, die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Vorprozessakte des SG S 8 P 2196/10 ER Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde des Klägers ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie ist auch nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der ab 01. April 2008 geltenden Fassung ausgeschlossen. Das SG hat den Antrag des Klägers nicht wegen Verneinung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse für die Prozesskostenhilfe abgelehnt, sondern weil für die Gewährung von Prozesskostenhilfe kein Bedürfnis bestehe. Dies führt nicht zum Ausschluss der Beschwerde.

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren S 26 P 2195/10 im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

Der Senat lässt offen, ob für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ein Rechtsschutzbedürfnis besteht, obwohl der Kläger keinen Anwalt benannt hat, denn der Bewilligung von Prozesskostenhilfe steht jedenfalls entgegen, dass der zugrunde liegenden Klage die hinreichende Erfolgsaussicht fehlt.

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Eine hinreichende Erfolgsaussicht ist gegeben, wenn bei summarischer Prüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht eine gewisse Erfolgsaussicht besteht. Ist ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance allerdings nur eine entfernte, ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abzulehnen (vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG] BVerfGE 81, 347; Bundessozialgericht [BSG] SozR 3-1500 § 62 Nr. 19). Im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens ist im begrenzten Maße auch eine vorweggenommene Beweiswürdigung zulässig (vgl. BVerfG, NJW 1997, 2745; Bundesgerichtshof [BGH] NJW 1994, 1160).

Nach diesen Kriterien kann die hier zugrunde liegende Klage des Klägers auf Gewährung von Sachleistungen der Pflegeversicherung für die Zeit von Januar 2010 bis 21. Juni 2011 aufgrund des derzeitigen Sach- und Streitstands keinen Erfolg haben. Zu entscheiden ist, ob dem Kläger ab Januar 2010 Sachleistungen der Pflegeversicherung zustehen. Denn mit dem Bescheid vom 10. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05. Mai 2010 hat die Beklagte dies abgelehnt. Nachdem zumindest bis 21. Juni 2011 der Kläger ausweislich über ihn erstatteter Gutachten in dieser Zeit keine Pflegesachleistungen in Anspruch nahm, sind in der Vergangenheit Kosten für häusliche Pflegehilfe nicht angefallen, so dass kein Anspruch auf Kostenerstattung besteht. Der Antrag des Klägers ist sachdienlich (§ 123 SGG) in einen solchen auf Pflegesachleistungen nach der Pflegestufe I für die Zukunft auszulegen. Insoweit fehlt es an einem Rechtsschutzbedürfnis für die Klage, da die Beklagte dem Kläger ab 21. Juni 2011 häusliche Pflegehilfe (Sachleistung) nach der Pflegestufe I bewilligte. Abgesehen davon ließ sich gestützt auf das von der Beklagten eingeholte Gutachten der Pflegefachkraft E. vom 16. Februar 2010, dem sich Dr. Dr. W. in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 30. Juli 2011 anschloss, zumindest bis April 2011 eine Sachleistung der Pflegeversicherung nach der Pflegestufe I auch (noch) nicht begründen.

Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Pflegesachleistungen ergeben sich aus § 36 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI). Gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 SGB XI haben Pflegebedürftige bei häuslicher Pflege Anspruch auf Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung als Sachleistung (häusliche Pflegehilfe). Nach Satz 3 wird häusliche Pflegehilfe durch geeignete Pflegekräfte erbracht, die entweder von der Pflegekasse oder bei ambulanten Pflegeeinrichtungen, mit denen die Pflegekasse einen Versorgungsvertrag abgeschlossen hat, angestellt sind. Auch durch Einzelpersonen, mit denen die Pflegekasse einen Vertrag nach § 77 Abs. 1 SGB XI abgeschlossen hat, kann häusliche Pflegehilfe als Sachleistung erbracht werden (Satz 4 a.a.O.).

Pflegebedürftig im Sinne von § 36 Abs. 1 Satz 1 SGB XI sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die im Einzelnen in § 14 Abs. 4 SGB XI genannt sind, auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen. Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI). Die Grundpflege umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI), der Ernährung (§ 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI) und der Mobilität (§ 14 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI). Zur Grundpflege zählt ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege beim Waschen, Duschen, Baden, der Zahnpflege, dem Kämmen, Rasieren, der Darm- und Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung beim mundgerechten Zubereiten der Nahrung und der Aufnahme der Nahrung sowie im Bereich der Mobilität beim selbstständigen Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, dem An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und dem Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung.

Das Ausmaß des Pflegebedarfs ist nach einem objektiven ("abstrakten") Maßstab zu beurteilen. Denn § 14 SGB XI stellt allein auf den Bedarf an Pflege und nicht auf die unterschiedliche Art der Deckung dieses Bedarfs bzw. die tatsächlich erbrachte Pflege ab (vgl. Bundessozialgericht - BSG - SozR 3-3300 § 14 Nr. 19). Bei der Bestimmung des erforderlichen Zeitbedarfs für die Grundpflege sind als Orientierungswerte die Zeitkorridore der Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI (Begutachtungs-Richtlinien) zu berücksichtigen. Diese Zeitwerte sind zwar keine verbindlichen Vorgaben; es handelt sich jedoch um Zeitkorridore mit Leitfunktion (Abschn. F Nr. 1 der Begutachtungs-Richtlinien; vgl. dazu BSG SozR 4-3300 § 23 Nr. 3 m.w.N.). Dabei beruhen die Zeitkorridore auf der vollständigen Übernahme der Verrichtungen durch eine Laienpflegekraft. Die Zeiten für den Hilfebedarf bei den einzelnen Verrichtungen beruhen regelmäßig auf Schätzungen, denen eine gewisse und auf wenige Minuten beschränkte Unschärfe nicht abgesprochen werden kann und die dennoch hinzunehmen sind (vgl. BSG, Urteil vom 10. März 2010 - B 3 P 10/08 R -, veröffentlicht in Juris).

Nach der im Prozesskostenhilfeverfahren gebotenen summarischen Prüfung ist nicht davon auszugehen, dass der Kläger in der Zeit vom Januar 2010 bis April 2011 die Voraussetzungen für Sachleistungen der Pflegeversicherung nach der Pflegestufe I erfüllte. Es fehlte zumindest bis April 2011 an dem für die Pflegestufe I erforderlichen Pflegebedarf von mindestens 46 Minuten. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Gutachten der Pflegefachkraft E. vom 16. Februar 2010, wonach sich der Hilfebedarf des Klägers im Bereich der Grundpflege auf 15 Minuten belief. Der den Kläger bis 30. November 2010 behandelnde Hausarzt Dr. Dr. W. hat sich dieser Einschätzung ausdrücklich angeschlossen. Pflegerelevant waren beim Kläger Mobilitätseinschränkungen bei nachlassenden Körperkräften, Polyarthrose, Polyneuropathie, ein Zustand nach Oberschenkelfraktur links, der osteosynthetisch versorgt ist, und rezidivierende hypertensive Entgleisungen. Dies führte dazu, dass der Händedruck des Klägers kraftgemindert war. Der Faustschluss war ihm jedoch noch möglich, auch Nacken- und Schützengriff waren durchführbar. Beim Bücken im Sitzen erreichte er mit den Händen das Schienbein. Der Kläger benötigte deshalb Hilfe beim Waschen des Rückens und der Beine und auch beim Kleiden des Unterkörpers und musste beim Stehen teilweise beaufsichtigt werden. Ein Pflegebedarf von mehr als 45 Minuten in der Grundpflege wurde durch die insoweit erforderlichen Hilfeleistungen jedoch noch nicht erreicht. Die Gutachterin E. hat für den Senat schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt, dass der Kläger im Bereich der Körperpflege nur der Hilfe in einem Umfang von acht Minuten und im Bereich der Mobilität in einem Umfang von sieben Minuten bedurfte. Zusätzlicher Hilfebedarf folgte auch nicht daraus, dass der Kläger insbesondere wegen hypertensiver Entgleisungen immer wieder akut im Krankenhaus versorgt werden musste. Die hypertensive Entgleisung beeinträchtigt den Kläger in dem Moment, in dem der Blutdruck entgleist, hinderte und hindert ihn aber nicht daran, in der übrigen Zeit außerhalb der hypertensiven Entgleisung die Verrichtungen der Grundpflege mit Ausnahme der erwähnten Einschränkungen täglich zu verrichten. Etwas anderes folgt für die Zeit vor Aufnahme des Klägers im M.-hospital S. im April 2011 auch nicht aus dem von Pflegefachkraft N. am 28. April 2011 erstatteten Gutachten. Das Gutachten bestätigt vielmehr, dass erst im Zusammenhang mit diesem erneuten stationären Aufenthalt sich aufgrund der fortschreitenden Altersschwäche ein Zeitbedarf für die Verrichtungen der Grundpflege von 50 Minuten, was den für die Pflegestufe I erforderlichen Zeitbedarf von 46 Minuten im Übrigen nur knapp übersteigt, erreicht wurde.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss kann nicht mit der (weiteren) Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
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