L 9 R 5151/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 739/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 5151/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. Oktober 2004 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1970 geborene Kläger ist im Oktober 1980 aus der Türkei in die Bundesrepublik Deutschland zugezogen. Im Alter von zwei Jahren zog er sich eine Oberarmfraktur links mit oberer Plexuslähmung zu. In Deutschland absolvierte er von 1989 bis 1994 eine Ausbildung zum Maschinenbaumechaniker und war von 1994 bis 1998 als Schweißer sowie von Oktober 1998 bis zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.01.2003 als CNC-Fräser bei der Firma S. in K. beschäftigt. Im Anschluss daran bezog er Sozialleistungen, vom 22.04.2004 bis 27.02.2005 Arbeitslosengeld und seit 01.03.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Versicherungsverlauf der Beklagten vom 26.07.2012 Bezug genommen).

Am 06.02.2003 beantragte er die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung hat er angegeben, sein linker Arm sei nicht einsatzfähig und Einschränkungen bestünden auch rechtsseitig wegen eines Supraspinatussyndroms.

Zuvor waren ihm auf seinen Antrag vom 29.08.2001 Leistungen zur medizinischen Rehabilitation bewilligt worden. Im Heilverfahren-Entlassungsbericht (HV-EB) vom 29.11.2001 waren als Diagnosen eine leichte depressive Episode ohne somatisches Syndrom, eine Agoraphobie mit Panikstörung, ein Zustand nach Oberarmfraktur links mit oberer Plexuslähmung im Alter von zwei Jahren und eine Arthralgie rechtes Schultergelenk bei Fehlstatik angegeben worden. Der Kläger war nach dem stationären Aufenthalt vom 17.10.2001 bis 21.11.2001 als arbeitsfähig und unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkung für leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten mit sechs Stunden und mehr am Tag leistungsfähig entlassen worden.

Den Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 07.08.2003 unter Berücksichtigung eines chirurgischen Gutachtens von Dr. S. vom 31.07.2003 sowie eines nervenärztlichen Zusatzgutachtens von Dr. G. vom 21.07.2003 ab. Dr. S. stellte eine hochgradige Gebrauchsminderung des linken Armes bei Plexusparese nach kindlichem Unfall und zeitweise auftretende Belastungsbeschwerden in der rechten Schulterregion ohne strukturellen pathologischen Befund fest. Außerdem - unter Berücksichtigung des nervenärztlichen Zusatzgutachtens - eine Dysthymie. Unter Berücksichtigung näher dargelegter qualitativer Leistungseinschränkungen könnten leichte bis mittelschwere Arbeiten auch in vollem zeitlichem Umfang weiterhin verrichtet werden. Er nahm insoweit Bezug auf das Leistungsbild, welches im Rahmen der Berufsfindung und Arbeitserprobung im Berufsförderungswerk (BFW) H., dessen Abschlussbericht beigezogen wurde (Berufsfindung und Arbeitserprobung vom 14.05.2003 bis 27.05.2003) im Mai 2003 festgestellt worden war.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16.02.2004 wies die Beklagte den hiergegen erhobenen Widerspruch zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 23.02.2004 Klage zum Sozialgericht (SG) Karlsruhe erhoben.

Der Kläger hat geltend gemacht, quasi seit März 2000 arbeitsunfähig krankgeschrieben zu sein. Er sei nicht einmal in der Lage, einfache und leichte Hausarbeiten zu verrichten. Er habe Schmerzen im gesamten Rücken, die in die Beine und Arme ausstrahlten, und auch in den Händen zu Taubheit und Missempfindungen führten. Berücksichtige man die im Gutachten genannten Einschränkungen, gebe es keine Tätigkeit auf dem Arbeitsmarkt, die noch in Frage käme. Er hat hierzu u.a. das Schreiben des Integrationsamtes des Landeswohlfahrtsverbandes B. vom 04.12.2002 vorgelegt, in dem dieses einer ordentlichen personenbedingten Kündigung des Arbeitsverhältnisses zugestimmt hatte, und außerdem das Attest des Orthopäden Dr. L. vom 23.01.2001 (entzündliche Schultersteife rechts; Omarthrose - der Patient erhalte unter antiphlogistischer Medikation eine krankengymnastische mobilisierende Übungsbehandlung) und vom 17.05.2001 (Impingementsyndrom beider Schultergelenke mit Rechtsbetonung) sowie des Arztes für Psychiatrie S. vom 08.06.2001 (Beschwerden träten als depressive Verstimmungsreaktion und als vegetatives Erschöpfungsbild in Erscheinung).

Das SG hat Beweis erhoben durch das Einholen sachverständiger Zeugenaussagen beim Orthopäden Dr. L. sowie beim Facharzt für Allgemeinmedizin E. und dem Psychiater S. Der Facharzt für Allgemeinmedizin E. hat mitgeteilt (Schreiben vom 17.05.2004), den Kläger seit dem 27.10.2000 regelmäßig, ca. einmal alle drei Monate behandelt zu haben. Der Kläger habe über eine depressive Verstimmung, z. B. über Schlaflosigkeit, Schmerzen am ganzen Körper, Kraftlosigkeit, Einschränkungen der Armbewegungen links, über Rückenschmerzen und Konzentrationsstörungen geklagt. Es seien eine deutliche Minderung der seelischen Kräfte bezüglich der Depressionen und eine Einschränkung des linken Armes bei Supination und Hochrenkung des Armes festzustellen gewesen. Außerdem bestünden chronisch rezidivierende Lumbalgien. Der Kläger sei seines Erachtens in der Lage, leichte Tätigkeiten ohne schweres Heben und Ziehen ohne dauernde Konzentration ca. sechs Stunden am Tage auszuüben. Der Orthopäde Dr. L. hat unter dem 18.05.2004 angegeben, der Kläger habe über eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung in beiden Schultergelenken mit Rechtsbetonung sowie im April 2003 über HWS-Beschwerden mit radikulärer Ausstrahlung links geklagt. Bezüglich der Schultergelenksproblematik rechts habe ein Impingementsyndrom realisiert werden können bei einer zusätzlichen Omarthrose. Links habe ein Zustand nach Traktionsparese des Plexus brachialis und Zustand nach einer Voroperation bestanden. Als Ursache der Cervikobrachialgie links habe sich bei korrespondierenden neurologischen Ausfallerscheinungen eine Bandscheibenprotrusion C5/6 feststellen lassen. Im Laufe der Behandlung habe keine zufriedenstellende Befundverbesserung erzielt werden können. Er hat eine erneute fachspezifische Beurteilung für erforderlich gehalten. Der Psychiater S. hat unter dem 23.06.2004 über eine Behandlung des Klägers seit dem 08.05.2001 berichtet. Er hat den Feststellungen von Dr. G., insbesondere der Diagnose einer nach dem Verlauf langwährenden affektiven Störung im Sinne einer Dysthymie zugestimmt. Auch nach seinen Verlaufseindrücken sei die spezifische pharmakologische Behandlung, wie dies im sozialmedizinischen Gutachten belegt worden sei, wohl weitgehend blockiert worden. Er stimme der dortigen Leistungseinschätzung zu.

Das SG hat weiter Beweis erhoben durch das Einholen eines fachorthopädischen Gutachtens bei Dr. J., K. In seinem Gutachten vom 16.07.2004 hat er eine Minderentwicklung des linken Armes nach frühkindlicher Armplexusverletzung festgestellt, weshalb eine relevante Schulterbeweglichkeit linksseitig aktiv nicht bestehe. Darüber hinaus bestünden Bewegungseinschränkungen im Ellenbogen- und Handgelenk sowie in den Fingergelenken links, weshalb der linke Arm/die linke Hand nur noch als Hilfsarm/Hilfshand eingesetzt werden könne. Im Bereich der rechten oberen Extremität habe sich bei freier Schultergelenksbeweglichkeit kein relevanter Befund erheben lassen. Zeichen einer vorliegenden Impingementsymptomatik habe er nicht finden können, lediglich am rechten äußeren Ellenbogengelenk habe ein diskreter Reizzustand ohne Provokationsschmerz betreffend die Unterarmbeuge- und Streckmuskulatur bestanden. Die Gebrauchsfähigkeit der rechten Hand sei nicht eingeschränkt gewesen. Ein in den Unterlagen vermutetes Supinatorlogensyndrom rechts habe sich nach seiner klinischen Untersuchung nicht bestätigen lassen. Durch die Verletzung des oberen Arm-Nervenplexus links sei es während der Wachstumsphase zu einem Fehlwuchs gekommen, des Weiteren zu muskulären Funktionsverlusten. Hieraus resultiere die vorliegende Fehlstatik des Oberkörpers mit Schulterschiefstand, leichter linkskonvexer Ausbiegung der Brustwirbelsäule und zudem stehe die Wirbelsäule gering aus dem Lot. Die Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule sei in allen Ebenen altersentsprechend frei gewesen und auch röntgenologisch und kernspintomografisch seien keine wesentlichen krankhaften Befunde zu erheben gewesen. Nervenwurzelbedingte neurologische Ausfälle seien weder im Bereich der oberen noch der unteren Extremitäten festzustellen gewesen, noch bestünden Hinweise auf eine vorliegende Nervenwurzelreizung. Im Bereich der unteren Extremitäten habe sich bei freien Gelenksbeweglichkeiten und regelrecht entwickelter Muskulatur kein auffälliger krankhafter Befund erheben lassen. Danach könne der Kläger noch leichte und zeitweise mittelschwere körperliche Tätigkeiten mit Heben und Tragen von Lasten bis 10 kg rechts zugemutet werden, wobei linksseitig nur ein Hilfsarm bzw. eine Hilfshand vorliege, sodass schwere Handarbeit, Überkopfarbeit oder die Fingermotorik links belastende Tätigkeiten nicht mehr möglich seien. Des Weiteren sollten Wirbelsäulenzwangshaltungen, wiederkehrende Arbeiten in Form vornübergeneigter Körperhaltungen sowie Arbeiten auf Leitern und Gerüsten vermieden werden. Unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen könne der Kläger die normalen täglichen und wöchentlichen Arbeitszeiten bewältigen.

Unter dem 28.07.2004 teilte der Psychiater S. mit, in Ergänzung seiner Stellungnahme gebe er bekannt, dass eine wesentliche Änderung und eine bisher nicht zum bekannten Symptombild gehörende Befindlichkeitsverschlechterung eingetreten sei. Die akute Beschwerdenlage sei im Sinne einer psychotischen Destabilisierung zu werten.

Mit Gerichtsbescheid vom 27.10.2004 hat das SG die Klage abgewiesen.

Gegen den ihm am 28.10.2004 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 12.11.2004 Berufung eingelegt. Er hält daran fest, dass sowohl die auf orthopädischem Gebiet vorliegenden Einschränkungen als auch diejenigen auf psychiatrischem Gebiet die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung rechtfertigten.

Der Senat hat zunächst Beweis erhoben durch das Anhören der Zeugen E. und S ... Wegen der gemachten Aussagen wird auf Blatt 24 und 28 der Senatsakten verwiesen. Der Kläger hat sich am 11.11.2004 auf Überweisung des Psychiaters S. zu einer ambulanten Untersuchung in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie M. befunden. In ihrem Bericht vom 17.11.2004 haben Dr. K. und Dr. N. ausgeführt, dass es im Rahmen des einmaligen Kontaktes nicht möglich gewesen sei, sicher eine Diagnose zu stellen. Aufgrund des Gesamtbildes erscheine die Verdachtsdiagnose einer dissoziativen Störung mit anamnestischen stuporösen und paroxysmalen Anteilen am Wahrscheinlichsten zu sein. Zur weiteren differenzialdiagnostischen Abklärung (Ausschluss einer hirnorganischen Beeinträchtigung im Rahmen eines MRT) müsse der Kläger stationär behandelt werden. Diese Abklärung ist dann im Rahmen eines stationären Aufenthaltes des Klägers vom 18.05.2005 bis 14.06.2005 im psychiatrischen Zentrum N. (PZN), W. erfolgt. Im Entlassungsbericht vom 20.06.2005 haben Dr. S. und Dr. Z. die Diagnose einer paranoiden Schizophrenie angegeben. Der Kläger sei zur muttersprachlichen Behandlung mit einem Krankheitsbild gekommen, in dem die negativen Symptome einer Schizophrenie wie Affekt- und Interessenverarmung im Vordergrund gestanden hätten. Darüber hinaus habe er von Wahnideen in Form von Gedanken lesen, von optischen und akustischen Halluzinationen berichtet. Im Stationsalltag sei er überwiegend angepasst gewesen, jedoch teilnahmslos und habe keine Kontakte geknüpft. Er sei in einem wenig gebesserten Zustand entlassen worden. Abgesehen von Einschränkungen im Bereich des linken Armes waren weitere pathologische Befunde nicht zu erheben.

Der Senat hat hierauf Dr. B., H., mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Unter dem 09.06.2006 hat Dr. B. mitgeteilt, der Kläger sei sehr deutlich unwillig/dysphorisch gewesen. Aus seiner nervenärztlicher Sicht sei bei kritischer Würdigung der Angaben in den überlassenen Akten ohne vernünftigen Zweifel anzunehmen, dass dieses Verhalten zumindest teilweise nicht krankheitsbedingt sei. Er gehe davon aus, dass der Kläger sich unter der Voraussetzung einer zumutbaren Willensanspannung wesentlich kooperativer Verhalten könne. Dies berücksichtigend habe er entschieden, die Mitteilung des Klägers, dass er wieder gehen wolle, zu respektieren und die gutachterliche Untersuchung abzubrechen.

Der Kläger hat einen Befundbericht des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. H., H., vom 14.12.2005 vorgelegt, welcher auf den Arztbrief des PZN Bezug nimmt. An der Diagnose einer paranoiden Schizophrenie könne auch bei Durchsicht des Briefes von Dr. Z. nicht gezweifelt werden.

Der Senat hat daraufhin Prof. Dr. E., L., mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Prof. Dr. E. und Dr. C. haben ausgeführt, dass es im Rahmen eines zweistündigen Kontaktes nicht möglich gewesen sei, sicher eine Diagnose zu stellen. Auf Grund der deutlichen Sprachbarriere werde zur weiteren differenzialdiagnostischen Untersuchung und Begutachtung eine stationäre Aufnahme im Zentrum für Psychiatrie in W. empfohlen.

Hierauf hat der Senat Prof. Dr. B., W., beauftragt, ein Gutachten nach stationärer Aufnahme von bis zu drei Tagen zu erstatten. Hierauf teilte Prof. Dr. B. mit, zunächst sei erforderlich, dass sich der Kläger einer psychiatrischen (auch medikamentösen) Behandlung ggf. auch stationär unterziehe. Erst nach Remission einer möglicherweise bestehenden floriden schizophrenen Episode könnten die gestellten Beweisfragen beantwortet werden.

In seinen sachverständigen Zeugenaussagen vom 14.03.2007 und 03.07.2007 hat der behandelnde Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. H. zur Behandlung des Klägers seit 18.10.2005 ausgeführt und an der Diagnose an der paranoiden schizophrenen Psychose festgehalten. Im psychopathologischen Befund sei der Kläger wach und unscharf orientiert, deutlich würden Konzentrationsstörungen, der Verdacht auf Merkstörungen, ohne Hinweis auf höhergradige mnestische Funktionsstörungen. Im Kontakt sei er distanziert, teilweise misstrauisch, psychomotorisch teilweise unruhig, teilweise gehemmt, in der Stimmung gedrückt, affektarm. Der Gedankengang sei verlangsamt, eingeengt, inhaltlich bestehe der Verdacht auf Wahnerleben, Eigenbeziehung, akustische Halluzinationen. Ichstörungen seien derzeit nicht sicher zu explorieren. Es bestehe eine deutlich verminderte Belastbarkeitsspanne mit rascher Ermüdbarkeit im Sinne eines Residuums, ohne akute Eigen- oder Fremdgefährdung. Auf Grund des frustralen Therapieverlaufes habe er dem Kläger erneut dringend eine muttersprachlich geführte Fachbehandlung angeraten. Derzeit sei ein Antrag auf Kostenübernahme beim Krankenversicherer gestellt worden. Diese Behandlung könnte z. B. in der M.-Klinik in K., S., durchgeführt werden.

Hierauf hat der Senat auf Antrag der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens angeordnet (Beschlüsse vom 15.08.2007 und 11.02.2008). Am 04.11.2008 hat der Kläger mitgeteilt, dass es zu einer stationären Behandlung in der M.-Klinik nicht gekommen sei, weil die M.-Klinik "aus diagnostischen Gründen" seine Aufnahme in der Klinik abgelehnt habe.

In seiner auf Veranlassung des Senats beigezogenen sachverständigen Zeugenaussage vom 19.01.2009 hat Dr. H. die weiteren Behandlungsdaten mitgeteilt und ausgeführt, der Krankheitsverlauf sei gleichförmig. Diagnostisch müsse von einer chronischen Schizophrenie ausgegangen werden. Der Kläger werde durchgängig neuroleptisch und psychiatrisch behandelt, bei residualem Verlauf hätten akute Exazerbationen verhindert werden können. Unter Vorlage eines ärztlichen Kurzbriefes des Städtischen Klinikums K. vom 20.01.2009 hat der Kläger darauf hingewiesen, vom 16.01.2009 bis 20.01.2009 wegen eines Impingements an der rechten Schulter behandelt worden zu sein.

Der Senat hat Beweis erhoben, durch das Einholen eines fachpsychiatrischen Gutachtens bei Dr. S., W. Er hat unter dem 23.07.2009 und unter Auswertung der über den Kläger am PZN geführten Krankengeschichte sowie unter Berücksichtigung von zwei ausführlichen fachpsychiatrischen Explorationen und Untersuchungen am 10.06. und 15.06.2009 sein Gutachten erstattet. Außerdem erfolgte eine fremdanamnestische Exploration der den Kläger zur Untersuchung begleitenden Ehefrau. Der Sachverständige hat ausgeführt, das vom Kläger angegebene psychopathologische Querschnittsprofil sei keinem bekannten psychiatrischen Krankheitsbild zuzuordnen. Die groben Zeitgitterstörungen, die Desorientiertheit sowie die schwere Konzentrationsdefizienz seien allenfalls in Einklang zu bringen mit einer schweren demenziellen Entwicklung oder einer schweren Intelligenzminderung, was beides auszuschließen sei. Die deutliche Auffälligkeit im Simulationstest nach Rey spreche ebenso wie die gezeigte kognitive Defizienz - im Kontrast zu dem durchaus auch funktionalen Alltagsverhalten, wie es von der Ehefrau berichtet worden sei - für eine nicht authentische Symptompräsentation. Auch die psychotisch anmutenden Beschwerdepräsentationen - Stimmen hören, Bewegung von Gegenständen im Raum, Verfolgungserleben, Überzeugung, andere könnten seine Gedanken lesen etc. - seien in dieser Konstellation und Darstellungsweise definitiv ungewöhnlich. Auffällig sei, dass sich der Proband bereits ohne spezifische Nachfrage ausführlich über (pseudo-)psychotische Gedankenbildungen und Wahrnehmungsveränderungen geäußert habe, während seine Ehefrau von ihm noch nie etwas über solche Erlebnis- bzw. Denkweisen gehört habe. Auch der aktuell behandelnde Nervenarzt Dr. H. beschreibe in seinen Stellungnahmen keine Produktivsymptomatik (wie Wahrnehmungsstörungen und Wahnerleben) vielmehr solche Symptombildungen, die allenfalls als Negativsymptome eines psychotischen Prozesses zu deuten wären. Solche Negativsymptome seien allerdings nosologisch definitiv mehrdeutig und keinesfalls für sich schon Zeichen einer psychotischen Erkrankung. Auffällig sei auch, dass Aussagen des Klägers über Wahnerleben bzw. Wahrnehmungsstörungen sich ausschließlich in ärztlichen Aufnahme- bzw. Einzelgesprächen sowie eines Visitengespräches ergäben. Die Angaben zur Fremdbeeinflussung, zum Verfolgungserleben sowie weiteren psychotischen Wahrnehmungsstörungen passten definitiv nicht zu dem von Pflegeseite während des Aufenthalts im PZN mehrfach täglich dokumentierten Verhaltens im vierwöchigen Beobachtungsintervall. Hier werde vielmehr durchgängig ein ruhiges, zurückhaltendes, distanziertes Kontaktverhalten beschrieben, gelegentlich misstrauische Anspannung und gedrückte Stimmung, zu keinem Zeitpunkt - außerhalb ärztlicher Kontakte - seien irgendwelche impulsiven Handlungen oder Verhaltensweisen festgehalten, die auf Desorientierung oder psychotische Fremdbeeinflussung hinweisen würden. Vom Stimmenhören habe der Kläger ausschließlich in Einzelgesprächen gegenüber Ärzten bzw. bei Visiten berichtet, ein Aufschreien werde lediglich zur Abschlussvisite am 13.06.2005 dokumentiert. Es sei ferner zu beobachten, dass der Kläger wenige Wochen nach der hochgradig auffälligen Präsentation gegenüber Dr. K. in M. Anfang Dezember 2004 vom Neurologen Dr. S. in K. ambulant untersucht worden sei. Gegenstand dieser Untersuchung seien Schmerzen und Bewegungsbeeinträchtigungen im Bereich der oberen Extremitäten gewesen. Im Befundbericht fänden sich keinerlei Hinweise auf irgendeine Verhaltensweise, die im Entferntesten auf eine kognitive Defizienz oder einen psychotischen Prozess hinweisen könnten. Insgesamt ergebe sich also das Bild, dass eine schillernde und grob auffällige psychopathologische Symptomatik allein gegenüber Psychiatern gezeigt werde. Sowohl die nur episodische Schilderung bizarrer pseudo-psychotischer und kognitiver Fehlfunktionen in spezifischen Situationen als auch das schillernde und keinem Krankheitsbild zuzuordnende Querschnittsprofil wiesen klar auf fehlende Authentizität der angegebenen Beschwerden hin. Die vom Probanden im Rahmen der Begutachtung angegebenen Beschwerden und psychopathologischen Auffälligkeiten seien als nicht authentisch zu bewerten und zumindest weit überwiegend nicht krankheitsbedingt. Es sei wahrscheinlich, dass unter den nicht authentischen Beschwerdeschilderungen durchaus eine gewisse depressive Symptomatik vorliege, etwa im Sinne der vor Auftreten der psychotischen Destabilisierung bereits langjährig vorbestehenden Dysthymie. Eine solche Erkrankung sei durchaus mit dem von der Ehefrau beschriebenen Alltagsverhalten des Klägers in Einklang zu bringen. Eine solche Diagnose könne jedoch nur als Verdachtsweise gestellt werden, weil das präsentierte Bild die Feststellung und diagnostisch eindeutige Zuordnung einer tatsächlichen psychischen Störung nicht zulasse. Nach den erhobenen Befunden sei keine Erkrankung nachzuweisen gewesen, die eine quantitative Leistungsfähigkeit reduzieren könne. Läge tatsächlich eine dysthyme Störung vor, so würde diese allein keine quantitative Leistungsminderung begründen können.

Der Senat hat hierauf versucht, die Behandlungsunterlagen des Dr. H. beizuziehen, um diese dem Sachverständigen zur Verfügung zu stellen. Hierauf hat Dr. H. telefonisch mitgeteilt, dass sich aus seinen Behandlungsunterlagen nichts ergebe, was er nicht schon als sachverständiger Zeuge ausgesagt habe. Unter dem 22.10.2009 er darauf hingewiesen, dass nur über eine muttersprachlich geführte psychiatrisch/psychosomatische Behandlung im stationären Rahmen eine dezidierte Aufklärung des psychiatrischen Krankheitsbildes möglich sei.

In seiner vom Senat veranlassten ergänzenden Stellungnahme hat Dr. S. ausgeführt, dass eine strikte Indikation für eine neuerliche Begutachtung im stationären Setting nicht erkannt werden könne. Sofern dennoch eine Begutachtung im stationären Rahmen durchgeführt werden sollte, sollten gezielte Anstrengungen für eine Beschwerdevalidierung unternommen werden. Dann könne auch eine mehrtätige stationäre Begutachtung noch einmal zusätzliche Informationen zur Klärung der Streitfrage bringen.

Der Kläger hat einen Bericht des Klinikums L., Bad B., vom 04.08.2010 vorgelegt, wo er sich vom 20.07.2010 bis 04.08.2010 in stationärer Behandlung befunden hat (Diagnosen: Cervikobrachialgie beidseits, Zustand nach Unfall mit Plexusverletzung links als Kind mit frozen shoulder, Zustand nach Rotatorenmanschettenverletzung rechte Schulter, Myogelosen der Schultergürtelmuskulatur, Uncovertrebralarthrose, Spondylarthrose der HWS, Bandscheibenprotrusion C5/6, Spondylarthrose der LWS, beginnende Coxarthrose beidseits, Diarrhoe ohne Erregernachweis [evtl. psychogen], Angststörungen, Depression). Unter einer multimodalen Schmerztherapie sei es zu einer guten Besserung der Schmerzen entsprechend der NAS von 7-8/10 bei Aufnahme auf 3-4/10 bei Entlassung und einer leichten Stimmungsaufhellung gekommen. Ferner liegt der Bericht des Städtischen Klinikums K. vom 27.08.2010 vor wegen einer Behandlung am 27.08.2010 aufgrund von seit vier bis fünf Tagen bestehender Kraftlosigkeit im rechten Arm. Es war darauf hingewiesen worden, dass 2009 eine Arthroskopie der rechten Schulter wegen Schmerzen durchgeführt worden und der Kläger danach schmerzfrei gewesen sei. Ferner hat der Neurologe und Psychiater Dr. R. unter dem 14.09.2010 über eine Schwäche am rechten Arm bei der Elevation rechts berichtet.

Die Beklagte hat eine beratungsärztliche sozialmedizinische Stellungnahme des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. H. vorgelegt, der ausgeführt hat, einen weiteren Sachaufklärungsbedarf sehe er nicht.

Der Kläger hat weitere Befundunterlagen vorgelegt (Bericht des Dr. H. vom 26.01.2009 [Diagnosen: paranoide Schizophrenie, Mundtrockenheit, depressive Episode], "Einwilligung in einen ärztlichen Eingriff", 30.09.2010, Dr. R., Diagnose: Wurzelreizsyndrom C4 rechts sowie Wurzelkompressionssyndrom C7 rechts und Spinalkanalstenose HWK 4/5 und 5/6, geplante Maßnahme: Entfernung des Wirbelkörpers HWK 5 und Einbringung eines Wirbelkörperersatzes sowie Entfernen der Bandscheiben HWK 3/4 und 6/7 und Ersatz mittels Bandscheibenersatz). Der Senat hat Dr. R. und Dr. L. als sachverständige Zeugen gehört. Dr. R. hat unter dem 07.02.2012 mitgeteilt, dass sich der Kläger nur am 14.09. und 21.09.2010 in seiner ambulanten Sprechstunde befunden habe. Es sei eine Schwäche des Armes rechts beim Heben sowie einen Zustand nach Kinderlähmung linker Arm diagnostiziert worden. In der veranlassten Untersuchung der Halswirbelsäule (MRT vom 17.09.2010) habe sich eine neu aufgetretene beginnende rechtsseitige foraminale Stenose im Segment C5/6 mit einer Irritation der rechten C6-Wurzel infolge einer Retrospondylose gezeigt. Es sei eine Überweisung zum Facharzt für Orthopädie und zum Facharzt für Neurochirurgie veranlasst worden. Von dort lägen keine Berichte vor. Dr. L. hat unter dem 08.02.2012 ausgeführt, seit September 2010 liege ein zervikales radikuläres Reizsyndrom bei Foraminastenosierung der Halswirbelsäule sowie eine depressive Entwicklung vor. Beim letzten Kontakt am 02.02.2012 habe sich eine Schultersteife rechts und Adduktorentendopathie linkslateral gezeigt. Die vorhandene zervikale radikuläre Reizsymptomatik sowie die depressive Entwicklung wirkten sich negativ auf eine berufliche Tätigkeit aus. Der Grund hierfür seien Projektionsschmerzen in beide Arme sowie eine zunehmende Depression mit Leidensdruck. Auf Grund des zervikalen radikulären Reizsyndroms und aus rein orthopädischer Sicht seien auch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkes nur noch unter sechs Stunden täglich möglich.

Die Beklagte hat eine weitere sozialmedizinische Stellungnahme des Dr. H. vorgelegt, der daran festgehalten hat, dass sich für das Leistungsvermögen keine neuen Aspekte ergäben.

Schließlich haben die Bevollmächtigten des Klägers die Verordnung von Krankenhausbehandlung des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. H. vorgelegt und haben auf Anfrage unter dem 21.06.2012 mitgeteilt, dass eine stationäre Behandlung nicht erfolgt sei.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. Oktober 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 7. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Februar 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung des Klägers bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, weil der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres bzw. bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI -). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).

Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres bzw. bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).

Darüber hinaus ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI generell nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigten (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Eine volle Erwerbsminderung liegt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch dann vor, wenn der Versicherte täglich mindestens drei bis unter sechs Stunden erwerbstätig sein kann, der Teilzeitarbeitsmarkt aber verschlossen ist (Gürtner in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand Oktober 2011, § 43 SGB VI Rn. 58 und 30 ff.).

Der Kläger ist, an diesem gesetzlichen Maßstab orientiert, zur Überzeugung des Senats nicht voll erwerbsgemindert.

Eine Erwerbsminderung des Klägers, das heißt ein Absinken seiner beruflichen und körperlichen Leistungsfähigkeit auf ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als sechs Stunden täglich, lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht belegen. Dies ergibt sich im Wesentlichen aus der Gesamtwürdigung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen, insbesondere der Gutachten von Dr. G. und S., die der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet, sowie der Gutachten von Dr. J. und Dr. S.

Ausgehend hiervon und unter Berücksichtigung der Berichte des PZN vom 13.06.2005 und der der behandelnden Ärzte S. und Dr. H. ist nicht nachgewiesen, dass der Kläger an einer die Erwerbsfähigkeit wesentlich beeinträchtigenden Erkrankung auf psychiatrischem Fachgebiet leidet. Dies hat der gerichtliche Sachverständige Dr. S. schlüssig und überzeugend dargelegt. Von einer erstmals im Rahmen des stationären Aufenthaltes im PZN gestellten Diagnose einer paranoiden Schizophrenie ist entgegen den Ausführungen des behandelnden Psychiaters Dr. H., der sich dieser Diagnose angeschlossen hatte, nicht auszugehen. Vielmehr ist das vom Kläger angegebene psychopathologische Querschnittsprofil keinem bekannten psychiatrischen Krankheitsbild zuzuordnen. Der Kläger ist - wie Dr. S. schilderte - gepflegt gekleidet zum Termin erschienen, zeigte sich im Kontaktverhalten teils zurückhaltend, teils mit erkennbar effektorientiertem Auftreten. Der Antrieb wirkte gehemmt, es kam einmalig zu einem impulshaft erscheinenden Aufschreien eines unartikulierten Lautes, worauf der Kläger angab, hierzu von einer "Stimme" motiviert worden zu sein. In kognitiver Hinsicht war die Vigilanz ungemindert und das Bewusstsein klar, gleichwohl aber hat sich der Kläger nur auf die eigene Person orientiert gezeigt, zu Ort, Zeit und Situation aber unzutreffende Beurteilungen abgegeben und biographische Basisdaten als nicht zur Verfügung stehend beschrieben (Alter, Geburtsdatum und -Ort, Dauer der Ehe, Geburtsdaten der Kinder, Beruf der Eltern). Die Mnestik war grob gestört, sowohl in Bezug auf das Kurz- als auch auf das Langzeitgedächtnis mit gravierenden Zeitgitterstörungen. Auffassung und Konzentrationsvermögen waren als grob defizitär demonstriert worden, in affektiver Hinsicht bestand ein misstrauisch wirkendes Interaktionsverhalten, ein mürrisch verstimmter Affekt bei fehlender Schwingungsfähigkeit und verarmten Ausdrucksverhalten. Spontan hat der Kläger über ein ganzes Spektrum von psychotischen Fehlwahrnehmungen sowie religiös gefärbten Wahnideen berichtet (kommunikative Beziehung zu "Jesus", der ihm auch Befehle gebe, optische Halluzinationen, Gedankenausbreitung, Fremdbeeinflussungserleben). Die groben Zeitgitterstörungen, die Desorientiertheit sowie die schwere Konzentrationsdefizienz könnten - wie der Sachverständige erläuterte - allenfalls mit einer schweren demenziellen Entwicklung oder einer schweren Intelligenzminderung in Einklang gebracht werden. Beides kann jedoch im Falle des Klägers ausgeschlossen werden, was nicht zuletzt auch durch die auffälligen Befunde in Testverfahren (Simulationstest nach Rey) und die Fremdanamnese (Ehefrau) bestätigt wird. Eine nicht authentische Symptompräsentation ergibt sich ebenfalls für die psychotisch anmutenden Beschwerdeangaben (z.B. Stimmen hören, Verfolgungserleben, Überzeugung, andere könnten seine Gedanken lesen). Unter Auswertung der Aktenlage und der von ihm beigezogenen Krankengeschichte des PZN hat Dr. S. belegen können, dass diese ausschließlich gegenüber Psychiatern gezeigt wird. Die nur episodische Schilderung bizarrer pseudo-psychotischer und kognitiver Fehlfunktionen in spezifischen Situationen als auch das schillernde und keinem bekannten Krankheitsbild zuzuordnende Querschnittsprofil weisen damit klar auf eine fehlende Authentizität der angegebenen Beschwerden hin. Weil damit auch keine dissoziative Störung im Sinne der ICD-10-Kategorie F44 erklärt werden kann, ist auch für den Senat die Wertung nachvollziehbar und überzeugend, dass die angegebenen Beschwerden und psychopathologischen Auffälligkeiten weit überwiegend nicht krankheitsbedingt sind. Soweit der Sachverständige eine tatsächlich vorliegende Dysthymie (wie sie im Übrigen bereits Dr. G. in seinem Gutachten im Juli 2003 beschrieben hat) nicht auszuschließen vermochte, ergibt sich hieraus für die zu entscheidende Frage einer hierdurch bedingten Einschränkung der zeitlichen Leistungsfähigkeit keine andere Beurteilung. Dr. S. hat darüber hinaus in der vom Senat angeforderten ergänzenden Stellungnahme nochmals ausführlich und überzeugend dargelegt, dass die vorliegenden Befundberichte von Dr. H. ebenfalls nicht den Nachweis einer schizophrenen Störung erbringen und dass für die von ihm zur Klärung des Sachverhaltes für erforderlich gehaltene Begutachtung im stationären Setting keine strikte Indikation besteht. Eine solche Veranlassung zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen sieht auch der Senat nicht, nachdem dem Sachverständigen die Auswertung der Krankengeschichte im PZN über einen vierwöchigen stationären Aufenthalt des Klägers möglich gewesen ist und unter Heranziehung dieser Unterlagen eine Beurteilung erfolgen konnte.

Eine quantitative Leistungsminderung lässt sich auch nicht aufgrund der Einschränkungen auf orthopädischem Fachgebiet begründen. Insoweit verweist der Senat zunächst auf die Gutachten von Dr. S. und Dr. J., welche zwar eine hochgradige Gebrauchsminderung des linken Armes bei Plexusparese festgestellt haben, weshalb nach den Ausführungen von Dr. J. die linke obere Extremität nur noch eine Hilfshand bzw. ein Hilfsarm eingesetzt werden kann. Dabei ist die aktive Beweglichkeit im linken Schultergelenk aufgehoben, eine Restfunktion der linken Hand jedoch noch - wie Dr. S. ausgeführt hat - erhalten, denn sie kann zum Festhalten, Führen und Stabilisieren von Gegenständen körpernah eingesetzt werden, so auch im Rahmen der Alltagsverrichtungen (etwa beim Aus- und Ankleiden). Dies bestätigt auch das Gutachten von Dr. J., der ausgeführt hat, dass es in ellenseitiger Stabilisierung des linken Handgelenkes zu einer überraschend guten Kraftentfaltung beim Händegriff und Spitzgriff kommt. Eine Minderung der Gefühlsempfindung war weder rechts noch links festzustellen. Darüber hinaus war bei der Begutachtung von Dr. J. im Juli 2004 - abgesehen von einem diskreten Reizzustand am rechten äußeren Ellenbogengelenk - an der rechten oberen Extremität kein relevanter Befund (keine Impingementsymptomatik, keine Beschwerden, keine Gebrauchseinschränkung der rechten Hand) zu erheben. Gleiches gilt für die Beweglichkeiten an der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule (altersentsprechend frei) und die röntgenologische und kernspintomographische Untersuchung der Wirbelsäule. Nervenwurzelbedingte neurologische Ausfälle waren ebenfalls nicht festzustellen. Unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen sind dem Kläger noch leichte und zeitweise mittelschwere körperliche Tätigkeiten mit Heben und Tragen von Lasten bis zu 10 kg rechts 6 Stunden und mehr am Tag zumutbar und möglich. Qualitative Einschränkungen ergeben sich darüber hinaus nur im Hinblick auf schwere Handarbeit, Überkopfarbeiten oder die Fingerfeinmotorik links belastende Tätigkeiten. Wiederkehrende Zwangshaltungen für die Wirbelsäule, wiederkehrende Arbeiten in vornübergeneigter Körperhaltung sowie Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sind darüber hinaus zu meiden.

Weder in quantitativer noch in qualitativer Hinsicht ist aufgrund der im Bericht des Klinikums L., Bad B., vom 04.08.2010 beschriebenen Gesundheitsstörungen eine Verschlimmerung eingetreten. Soweit dort Angststörungen und Depression angesprochen werden, kann auf das Gutachten von Dr. S. verwiesen werden. Ein neuer Sachverhalt ergibt sich insofern nicht. Gleiches gilt für die auf orthopädischem Fachgebiet beschriebenen, teilweise auch neu aufgetretenen Gesundheitseinschränkungen. Denn der dort wiedergegebene körperliche Untersuchungsbefund beschreibt ein noch unauffälliges Gangbild mit uneingeschränktem Zehen- und Hackengang. Das Aus- und Ankleiden erfolgte linksseitig armschonend, das Einnehmen der untersuchungsbedingten Lagen und Stellungswechsel erfolgte selbstständig. Die Rotation der HWS wurde ebenso wie das Seit-, Rück- und Vorneigen als endgradig schmerzhaft eingeschränkt beschrieben. Es konnte ein Muskelhartspann im Schulter-Nackenbereich mit Myogelosen festgestellt werden. Die Schulterbeweglichkeit rechts war unter Schmerzangabe bei der Abduktion noch bis 140°, die Rotation bis 60°, das Vorheben bis 160° und damit allenfalls mäßig bis endgradig eingeschränkt beschrieben worden. Die Kraftentfaltung rechts war nicht eingeschränkt. Auch für die linke obere Extremität fanden sich keine über die bekannten Einschränkungen hinausgehenden Beeinträchtigungen. Bei nahezu aufgehobener Schulterbeweglichkeit war eine Kraftentfaltung von 3/5 am gesamten Arm ohne Sensibilitätsstörungen noch nachweisbar. In der Bildgebung fanden sich rechts zudem unauffällige Strukturen des rechten Schultergelenkes im Bereich der Rotatorenmanschette, ohne Nachweis von Verkalkungen. Es ergab sich lediglich eine Insertionstendinose des Delta-Muskels rechts.

Eine wesentliche Verschlimmerung lässt sich auch nicht für die in der Folge geltend gemachte Schwäche des rechten Armes begründen, der nach dem Bericht von Dr. R. kurz nach dem stationären Aufenthalt in Bad B., aktiv nur noch bis kurz unter die Horizontale hat angehoben werden können. Dr. R. wurde aber nach dem 21.09.2010 vom Kläger nicht mehr konsultiert, wie er in seiner vom Senat beigezogenen sachverständigen Zeugenaussage mitteilte. Soweit der den Kläger behandelnde Orthopäde Dr. L. in der ebenfalls vom Senat beigezogenen sachverständigen Zeugenaussage eine zeitliche Leistungseinschränkung aufgrund eines cerviculären radikulären Reizsyndromes bei Foraminastierung der Halswirbelsäule (im MRT vom 17.09.2010 als beginnende rechtsseitige foraminale Stenose im Segment C 5/6 beschrieben) und einer zunehmenden Depression mit Leidensdruck beschreibt, vermag dies den Senat ebenfalls nicht zu überzeugen, zumal der Zeuge als Auswirkungen lediglich Projektionsschmerzen in beide Arme nennt. Ein wohl offensichtlich bereits vor zwei Jahren angedachter operativer Eingriff im Bereich der HWS (vgl. die vorgelegte Einwilligung zu einem solchen bei Dr. R. vom 30.09.2010) hat offensichtlich ebenso wenig stattgefunden, wie die von Dr. H. verordnete Krankenhausbehandlung. Soweit Dr. L. noch von einer rechtsseitigen Schultersteife spricht, ist darauf hinzuweisen, dass entsprechende Beschwerden in unregelmäßigen Abständen beschrieben werden, bei in bildgebenden Verfahren aber unauffälligen Befunden (siehe zuletzt Bericht der L. Klinik). Diese Beschwerden sind aber offensichtlich einer Behandlung zugänglich und liegen nicht auf Dauer vor. So sind solche Beschwerden bereits von Dr. S. als zeitweise auftretende Überlastungsbeschwerden der rechten Schulterregion ohne strukturellen pathologischen Schaden gewürdigt worden, ohne dass ein Anhalt für eine nun dauerhaft eingetretene Einschränkung besteht. Der Kläger klagte etwa bereits im März 2001 gegenüber den Orthopäden Dres. N. über seit drei Monaten anhaltende Schmerzen und Kraftlosigkeit in der rechten Schulter, ohne dass ein wesentlicher pathologischer Befund festzustellen gewesen wäre. In den St. V.-Kliniken K. wurde bei einer ambulanten Behandlung des Klägers am 05.07.2001 eine Rotatorenmanschettenruptur und ein Impingementsymptomatik rechts ausgeschlossen (Bericht vom 10.07.2001, Bl. 107 der Akten). Mit Dr. H. in dessen sozialmedizinischer Stellungnahme vom 01.03.2012, den der Senat als qualifizierten Beteiligtenvortrag verwertet, sind damit auch nach Auffassung des Senats dauerhafte Einschränkungen, die Auswirkungen auf die quantitative Leistungsfähigkeit erwarten ließen, nicht nachgewiesen.

Ausgehend von einem erhaltenen sechsstündigen Leistungsvermögen muss auch keine konkrete Verweisungstätigkeit benannt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) liegt eine volle Erwerbsminderung ausnahmsweise selbst bei einer mindestens sechsstündigen Erwerbsfähigkeit dann vor, wenn der Arbeitsmarkt wegen besonderer spezifischer Leistungseinschränkungen als verschlossen anzusehen ist. Dem liegt zugrunde, dass eine Verweisung auf die verbliebene Erwerbsfähigkeit nur dann möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten. Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist für einen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbaren Versicherten wie den Kläger mit zumindest sechsstündigem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten erforderlich, wenn die Erwerbsfähigkeit durch mehrere schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen oder eine besonders einschneidende Behinderung gemindert ist (vgl. BSG Urteil vom 19.10.2011, B 13 R 78/09 veröffentlicht in Juris). Eine Verweisungstätigkeit braucht erst dann benannt zu werden, wenn die gesundheitliche Fähigkeit zur Verrichtung selbst leichter Tätigkeiten in vielfältiger, außergewöhnlicher Weise eingeschränkt ist. Hinsichtlich der vorhandenen qualitativen Beschränkungen hängt das Bestehen einer Benennungspflicht im Übrigen daher entscheidend von deren Anzahl, Art und Umfang ab, wobei zweckmäßigerweise in zwei Schritten - einerseits unter Beachtung der beim Restleistungsvermögen noch vorhandenen Tätigkeitsfelder, andererseits unter Prüfung der "Qualität" der Einschränkungen (Anzahl, Art und Umfang) - zu klären ist, ob hieraus eine deutliche Verengung des Arbeitsmarktes resultiert (vgl. BSG a.a.O. mit weiteren Nachweisen). Eine spezifische Leistungseinschränkung liegt nach der Rechtsprechung des BSG jedenfalls dann nicht vor, wenn ein Versicherter noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ohne Heben und Tragen von Gegenständen über 5 kg, ohne überwiegendes Stehen und Gehen oder ständiges Sitzen, nicht in Nässe, Kälte oder Zugluft, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen, ohne besondere Anforderungen an die Fingerfertigkeit und nicht unter besonderen Unfallgefahren zu verrichten vermag (BSG 27.04.1982, 1 RJ 132/80, SozR 2200 § 1246 Nr. 90). Der Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit bedarf es nicht, wenn Tätigkeiten wie das Verpacken leichter Gegenstände, einfache Prüfarbeiten oder die leichte Bedienung von Maschinen noch uneingeschränkt möglich ist.

Unter Berücksichtigung dessen wird den Einschränkungen des Klägers nach Überzeugung des Senats bereits im Wesentlichen durch die Berücksichtigung nur leichter Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Rechnung getragen, wie dies oben bereits dargelegt wurde. Dadurch werden weder vollschichtige Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeschlossen noch ist der Kläger hierdurch – gerade im Vergleich mit einem von der Rechtsprechung im Bereich der spezifischen Leistungseinschränkungen anerkannten Einarmigen - so eingeschränkt, dass der Arbeitsmarkt als verschlossen angesehen werden müsste. Schließlich ist der Kläger noch in der Lage, Gegenstände, die mehr als 5 kg wiegen, zuzureichen, zu transportieren, zu reinigen, zu sortieren oder zu verpacken. Weitere qualitative Einschränkungen wie Anforderungen an die Geh- und Stehfähigkeit, besondere Anforderungen an das Umfeld des Arbeitsplatzes etc. sind insoweit nicht zu berücksichtigen. So belegen die Untersuchungen bei Dr. S. und Dr. J., dass von einer funktionellen Einarmigkeit nicht ausgegangen werden kann. Nur Tätigkeiten, die mit dem Hantieren schwerer Gegenstände verbunden sind und die mit beiden Händen sicher platziert oder entfernt werden müssen, sind ihm nicht mehr möglich. Damit ist die gesundheitliche Fähigkeit zur Verrichtung leichter Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nach Überzeugung des Senats aber noch nicht in so vielfältiger Weise und/oder in so erheblichem Umfange eingeschränkt, dass von der Verschlossenheit des allgemeinen Arbeitsmarktes ausgegangen werden müsste. Unter Berücksichtigung der beschriebenen Einschränkungen auf orthopädischem Fachgebiet ist nicht ersichtlich, weshalb Tätigkeiten als Pförtner an einer Nebenpforte, als Museumswärter oder die Beschäftigung bei einem Wach- und Schließdienst nicht zumutbar sein sollten. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger zuletzt als CNC-Fräser gearbeitet hat. Diese Tätigkeit umfasste primär das Programmieren und Überwachen von CNC-Maschinen mit automatischer Materialzufuhr und war dem Kläger nur deshalb nicht weiter zumutbar, weil auch Entgratungsarbeiten anfielen.

Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27.10.2004 war daher zurückzuweisen. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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