L 12 AL 5911/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 6 AL 660/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 5911/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 26. Mai 2004 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 61.596,05 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Arbeitslosengeld nebst Beiträgen zur Sozialversicherung gemäß § 128 Arbeitsförderungsgesetz (AFG), das die Beklagte in den Zeiten vom 2. Dezember 1996 bis 7. Januar 1997 und vom 7. Februar 1997 bis 28. Dezember 1998 dem früheren Arbeitnehmer Heinrich Wiese (im Folgenden: W.) gezahlt hat.

Die Klägerin stellt Öl- und Gasheizungen sowie Heizungssysteme her. Die Firma B. GmbH & Co. KG (im Folgenden: B.) war aufgrund Handelsvertretervertrag vom 9. Juni 1970 Alleinvertreterin der Klägerin für deren Erzeugnisse im Verkaufsgebiet Osnabrück-Detmold und führte die Bezeichnung "Werksvertretung". Den Vertrieb der Produkte der Klägerin, insbesondere Brenner für Heizkessel, führte B. im wesentlichen mit fünf Angestellten, darunter W., durch. Daneben führte B. in eigener Regie Wartungsverträge über die Wartung von Heizkesseln mit Endverbrauchern durch. Der Handelsvertretervertrag wurde durch Vereinbarung vom 13. Mai 1996 nach vorherigen Besprechungen zum 30. Juni 1996 beendet. In der Folge betreute die Klägerin das Verkaufsgebiet, das bislang von B. betreut wurde, in eigener Regie, indem sie eine Neuordnung der umliegenden Verkaufsgebiete vornahm und außer W. die anderen vier Mitarbeiter von B., die mit dem Vertrieb der Erzeugnisse der Klägerin beschäftigt gewesen waren, einstellte. Einer dieser Mitarbeiter wechselte zum 1. Juni 1996 zur Klägerin, zwei andere zum 1. Juli 1996, wobei einer zum 1. April 1997 wieder zu B. wechselte, der letzte zum 1. November 1996.

Der im August 1938 geborene, verheiratete W. war seit März 1963 bei der B. als Verkäufer im Außendienst im Raum Osnabrück versicherungspflichtig beschäftigt. Da es die Werksvertretung für die Klägerin nicht mehr gab, sind seine Arbeiten bei der B. ersatzlos entfallen. Am 27. März und 29. April 1996 kündigte die B. das Arbeitsverhältnis mit W. zum 31. Oktober bzw. 30. November 1996 unter Verweis darauf, dass eine Weiterbeschäftigung nicht möglich sei, da sie keine Vertriebstätigkeit mehr ausübe. Auf die Kündigungsschutzklage des W. stellte das Arbeitsgericht Osnabrück mit Urteil vom 5. November 1996 fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigungen nicht aufgelöst worden sei (1 Ca 251/96). Die Kündigungen seien sozial ungerechtfertigt im Sinne des § 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Dringende betriebliche Gründe im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG lägen nicht vor. Vielmehr sei der Betriebsteil, dem W. bei der B. zugehört habe, gemäß § 613a Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auf die dortige Streitverkündete, die Klägerin, übergegangen, so dass das Arbeitsverhältnis des W. mit der Klägerin fortbestehe.

Am 21. November 1996 meldete sich W. mit Wirkung zum 1. Dezember 1996 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Die Beklagte gewährte W., der in der Zeit vom 1. April 1996 bis 31. November 1996 ein Bruttoarbeitsentgelt von 78.226,03 DM erzielt hat, vom 2. Dezember 1996 bis 7. Januar 1997 Arbeitslosengeld in Höhe von 113,30 DM täglich nach einem Bemessungsgelt von 1.910 DM. Nach einem Kuraufenthalt des W. gewährte die Beklagte dem W. vom 7. Februar 1997 bis 31. Dezember1997 Arbeitslosengeld in gleicher Höhe weiter, vom 1. Januar 1998 bis 21. Dezember 1998 in Höhe von 99,66 DM täglich und ab 1. Januar 1999 in Höhe von 101,07 DM bei einem Bemessungsentgelt von 1.980 DM. Seit 1. September 1999 bezieht W. Altersrente wegen Arbeitslosigkeit.

Mit Schreiben vom 9. Juli 1996 erhob W. auch Klage gegen die Klägerin vor dem Arbeitsgericht Ulm mit dem Ziel, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihm und B. auf die Klägerin übergegangen sei (5 Ca 713/96).

Gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück legte die Klägerin Berufung ein. Sie berief sich u.a. darauf, dass ein Betriebsübergang nicht stattgefunden habe. Denn B. handle weiterhin mit Heizungssystemen, wenn auch nicht mit ihren. Die Kunden, die B. während der Handelsvertretung für sie akquiriert habe, seien von Anfang an ihre Kunden geworden, was sich aus dem Handelsvertreterverhältnis ergebe. Im Termin vom 30. April 1998 vor dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen (2 Sa 5/97) endete das Verfahren mit einem Vergleich, bei dem die Beteiligten auf der einvernehmlichen Grundlage, dass ein Betriebsübergang zur Klägerin nicht vorliege, das Ende des Arbeitsverhältnisses zwischen W. und der B. durch die Kündigung vom 29, April 1996 zum 30. November 1996 bei Zahlung einer Abfindung entsprechend §§ 9, 10 KSchG von 110.000 DM vereinbarten. Damit wurde auch das Verfahren vor dem Arbeitsgericht Ulm für erledigt erklärt.

Nach vorheriger Anhörung stellte die Beklagte mit Bescheiden vom 11. Dezember 1999, 2. Februar 2000 und 17. Februar 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. November 2000, zwei Bescheiden vom 16. November 2000 und Änderungsbescheid vom 22. Februar 2001 für die Zeit vom 2. Dezember 1996 bis 8. Januar 1997 und vom 7. Februar 1997 bis 31. Dezember 1998 die Erstattungspflicht der B. gemäß § 128 AFG fest. Die B. teilte mit, neben W. und den anderen drei Außendienstmitarbeitern seien weitere Personen in allen Abteilungen entlassen worden. Sie gehe deshalb davon aus, dass der Tatbestand des § 128 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 und 7 AFG gegeben sei. Das Arbeitsverhältnis sei durch sozial gerechtfertigte Kündigung beendet worden. Eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit als Reisender habe mangels Außendienst nach dem 30. Juni 1996 nicht mehr bestanden, ebenso wenig eine anderweitige Einsatzmöglichkeit im Betrieb. Mit Schreiben vom 5. Januar 1999 befragte die Beklagte W. insbesondere nach Zeiten der Arbeitsunfähigkeit nach dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses und dem Antrag oder Bezug anderer - im Einzelnen aufgeführter - Sozialleistungen. W. gab hierzu an, dass innerhalb des Zeitraums vom 7. Februar 1997 bis 31. Dezember 1998 keine Änderungen seines Gesundheitszustands eingetreten seien.

Die B. erhob Klage zum Sozialgericht Detmold (S 4 AL 216/00). Mit Gerichtsbescheid vom 23. April 2001 hob das Sozialgericht Detmold die streitigen Bescheide der Beklagten auf. Das Arbeitsverhältnis des W. mit der B. sei durch die am 29. April 1996 ausgesprochene ordentliche Kündigung beendet worden. Diese Kündigung sei durch den Vergleich vor dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen nicht ausgetauscht oder geändert worden. Daran ändere auch die vereinbarte Abfindung nichts. Für den Fall, dass kein Betriebsübergang vorliege, sei die Kündigung sozial gerechtfertigt. Im Fall eines Betriebsübergangs wäre die ausgesprochene Kündigung zwar sozial ungerechtfertigt, dann wäre allerdings nicht B., sondern die Klägerin erstattungspflichtig. Das Urteil wurde rechtskräftig.

Daraufhin hörte die Beklagte mit Schreiben vom 27. und 28. Juni 2001 die Klägerin zur Erstattungspflicht nach § 128 AFG an. Mit Bescheiden vom 13. September 2001 stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin fest, dass diese das dem W. in der Zeit vom 2. Dezember 1996 bis 8. Januar 1997 und vom 7. Februar 1997 bis 31. Dezember 1998 gewährte Arbeitslosengeld sowie die abgeführten Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung in Höhe von insgesamt 61.596,05 Euro zu erstatten habe und forderte den entsprechenden Betrag von der Klägerin. Die Beklagte gab an, es habe ein Betriebsübergang stattgefunden und damit sei das Arbeitsverhältnis auf die Klägerin übergegangen, so dass die Klägerin als tatsächliche Arbeitgeberin erstattungspflichtig sei. Den Widerspruch der Klägerin, nach deren Auffassung kein Betriebsübergang stattgefunden hat, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. Februar 2002 als unbegründet zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 14. März 2002 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben (S 6 AL 660/02). Der Bevollmächtigte der Klägerin hat vorgetragen, W. sei niemals Arbeitnehmer der Klägerin gewesen. Der von der Beklagten behauptete Betriebsübergang habe nicht stattgefunden. Dies ergebe sich aus dem vor dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen geschlossenen Vergleich. Die Verpflichtung zur Zahlung einer Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes sei darin nicht zu Lasten der Klägerin, sondern zu Lasten der B. geregelt. Die Identität des Betriebs werde nicht gewahrt und sie führe auch nicht neu fort, was B. vorher getan habe.

Durch Urteil vom 26. Mai 2004 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klage sei zulässig, aber unbegründet. Im einzelnen hat es ausgeführt:

Die Bescheide der Beklagten seien nicht zu beanstanden, die Klägerin zur Erstattung nach § 128 AFG i.V.m. § 431 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) und §§ 242x Abs. 6, Abs. 3 Nr. 1, 117 Abs. 2, Abs. 3 AFG verpflichtet. Danach habe der Arbeitsgeber, bei dem der Arbeitslose innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit, durch den nach § 104 Abs. 2 AFG die Rahmenfrist bestimmt werde, mindestens 720 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden habe, der Bundesanstalt für Arbeit (jetzt Bundesagentur für Arbeit) vierteljährlich das Arbeitslosengeld für die Zeit nach Vollendung des 58. Lebensjahres des Arbeitslosen, längstens für 624 Tage zu erstatten. Gemäß § 431 Abs. 1 S. 2 SGB III verlängere sich der Erstattungszeitraum für jeweils 6 Tage um 1 Tag, soweit in diesen Fällen (§ 242x Abs. 6 AFG) eine Erstattungspflicht für Zeiten nach dem 31. Dezember 1997 bestehe. Diese Voraussetzungen seien erfüllt. Die Beschäftigung des W. bei der B. sei der Klägerin zuzurechnen, da ein Betriebsübergang stattgefunden habe. Der Begriff des Betriebs bzw. des Betriebsteils werde nach Art. 1 I a der Richtlinie 77/187/EWG als eine auf Dauer angelegte wirtschaftliche Einheit definiert. Übergang sei nach Art. 1 I b der Richtlinie der Übergang einer ihre Identität bewahrenden wirtschaftlichen Einheit im Sinne einer organisierten Zusammenfassung von Ressourcen zur Verfolgung einer wirtschaftlichen Haupt- oder Nebentätigkeit. Der Begriff der wirtschaftlichen Einheit beziehe sich dabei auf eine organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Für Handels- und Dienstleistungsbetriebe, deren Betriebsvermögen hauptsächlich aus Rechtsbeziehungen bestehe, seien in erster Linie die immateriellen Betriebsmittel, das "Know-how" und der "Goodwill" entscheidend. Zur Überzeugung der Kammer sei durch die Kündigung des Handelsvertretervertrags eine wirtschaftliche Einheit von B. auf die Klägerin übergegangen. Denn die Klägerin habe den Betriebsteil des Vertriebs ihrer Produkte in einem bestimmten Verkaufsgebiet übernommen. Materielle Betriebsmittel seien beim Vertrieb von Produkten nicht entscheidend, sondern die gegenüber den Kunden auftretenden Außendienstmitarbeiter. Diese habe die Klägerin bis auf W. von B. willentlich übernommen. Diese Außendienstmitarbeiter stellten aufgrund der Tatsache, dass ihr Auftreten beim Kunden dafür entscheidend sei, ob ein Vertrag zustande komme, mit den Kenntnissen über Kunden und Verkaufsgebiet den wesentlichen Teil der Belegschaft dar. Unerheblich sei, dass die Mitarbeiter nach Ausschreibung von Stellenangeboten eingestellt worden seien. Ansonsten könne ein Betriebsübergang umgangen werden. Der Vertrieb der Produkte der Klägerin nach Kündigung des Handelsvertretervertrags unterscheide sich nicht wesentlich von dem Vertrieb davor. Im wesentlichen führe die Klägerin dieselbe Aufgabe weiter, wenn auch nun in eigener Regie. Durch Übernahme der meisten Außendienstmitarbeiter habe die Klägerin die immateriellen Betriebsmittel, das "Know-how" übernommen. Der Betriebsteil sei auch durch Rechtsgeschäft auf die Klägerin übergegangen, hierfür sei die Kündigung des Handelsvertretervertrags ausreichend. Damit sei die Beschäftigungszeit des W. bei B. der Klägerin zuzurechnen, die Klägerin treffe als Arbeitgeberin die Erstattungspflicht.

Anhaltspunkte für einen Ausschluss der Erstattungspflicht nach § 128 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz AFG lägen nicht vor. Die Klägerin könne sich auch nicht auf einen Befreiungstatbestand berufen. Insbesondere seien die Voraussetzungen des § 128 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AFG nicht erfüllt. Entgegen der Auffassung des SG Detmold sei das Arbeitsverhältnis nach Auffassung der Kammer nicht durch sozial gerechtfertigte Kündigung, sondern durch gerichtlichen Vergleich beendet worden. Der arbeitsgerichtliche Vergleich sei kein Abwicklungsvertrag, sondern ein Aufhebungsvertrag, der als neuer Rechtsgrund konstitutiv für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gewesen sei. Denn zusätzlich sei durch den Vertrag auch eine Abfindung vereinbart worden, auch der Wortlaut des Vergleichs spreche gegen einen reinen Abwicklungsvertrag. Selbst wenn es sich um einen reinen Abwicklungsvertrag handeln würde, lägen die Voraussetzungen des Befreiungstatbestandes nicht vor, da die Kündigung wegen des Betriebsübergangs gemäß § 613a Abs. 4 BGB unwirksam gewesen sei.

Die Höhe der Erstattungsforderung und der Erstattungszeitraum seien nicht zu beanstanden. Auch umfasse die Erstattungspflicht nur Zeiträume, in denen W. Leistungen objektiv zugestanden hätten. Anhaltspunkte für eine Sperrzeit seien nicht ersichtlich. Denn W. habe erst nach Eintritt der Beschäftigungslosigkeit den arbeitsgerichtlichen Vergleich geschlossen, so dass dieser nicht kausal für die Beschäftigungslosigkeit geworden sei. Der Erstattungsanspruch sei auch nicht verjährt, da die Verjährung erst vier Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres eintrete, in dem der Verwaltungsakt unanfechtbar geworden sei. Vor Unanfechtbarkeit des Bescheides laufe damit keine Verjährungsfrist. Auch eine Verwirkung sei nicht eingetreten. Die Beklagte habe keinen Vertrauenstatbestand gesetzt, dass sie nicht mehr gegen die Klägerin vorgehen werde.

Gegen das am 2. Juni 2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 30. Juni 2004 eingelegte Berufung der Klägerin. Das zunächst unter dem Aktenzeichen L 12 AL 2576/04 geführte Verfahren wurde durch Beschluss vom 18. Mai 2005 analog § 114 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsbeschwerden 1 BvR 620/01 und 1 BvR 846/02 ausgesetzt und am 13. Dezember 2010 wieder aufgegriffen.

Zur Begründung trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen seien sich W., B. und sie selbst darüber einig gewesen, dass der Arbeitsplatz des W. bei der B. entfallen sei und keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit bei der B. bestehe, ein Betriebsübergang zu ihr nicht vorliege. Mit dieser Erklärung habe W. dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses von der B. auf die Klägerin widersprochen und bestätigt, dass er zu keinem Zeitpunkt Arbeitnehmer der Klägerin geworden sei. Insoweit komme es auf die Frage des Betriebsübergangs von B. auf die Klägerin nicht mehr an.

Überdies sei aber ein Betriebsübergang auch nicht erfolgt. Es sei zwischen W. und B. durch Erklärung vor dem Landesarbeitsgericht rechtsverbindlich vereinbart worden, dass das zwischen ihnen bestehende Beschäftigungsverhältnis über den Zeitpunkt der Beendigung des Handelsvertretervertrags zum 30. Juni 1996 hinaus fortbestanden habe und die Klägerin in das Beschäftigungsverhältnis zwischen B. und W. nicht eingetreten sei. Darin liege ein Widerspruch des W. gegen den Betriebsübergang. Ein Arbeitnehmer müsse nicht gegen seinen Willen einen neuen Arbeitgeber akzeptieren. Auch tatsächlich sei der Übergang des Arbeitsverhältnisses des W. im Rahmen eines angeblichen Betriebsübergangs nie praktiziert worden. W. sei nach Ende des Handelsvertretervertrags am 30. Juni 1996 nicht von der Klägerin, sondern von B. weiterbeschäftigt worden bis zum Ablauf der Kündigungsfrist. W. sei zu keinem Zeitpunkt in rechtliche oder tatsächliche Beziehungen zur Klägerin getreten, so dass auch kein vollzogener Übergang des Arbeitsverhältnisses vorliege. An die schuldrechtliche Vereinbarung zwischen W. und B., wonach das Arbeitsverhältnis bei B. weiter bestanden habe, sei auch die Beklagte gebunden.

Auch tatsächlich sei ein Betriebsübergang nicht erfolgt. Es fehle zunächst an einem Betriebsteil "Vertrieb der Produkte der Klägerin". Für einen Betriebsteil sei der Übergang einer organisierten Gesamtheit von Personen und Sachen mit eigener Zielsetzung erforderlich. Eine bloße Betriebsfunktion genüge nicht. W. habe als Außendienstmitarbeiter nicht einer organisierten Gesamtheit von Personen und Sachen angehört, die ausschließlich mit dem Vertrieb von Produkten der Klägerin befasst gewesen sei. W. habe darüber hinaus noch weitergehende Aufgaben, insbesondere den Verkauf und die Vermittlung von Produkten der B. und anderer Unternehmen sowie die Bearbeitung des Kundendienstes außerhalb des Handelsvertretervertrags gehabt. Zu dem Mitarbeiterstab, den B. für die Erfüllung der Pflichten aus dem Handelsvertretervertrag eingesetzt habe, hätten nicht nur W. und die weiteren Außendienstmitarbeiter gehört, sondern zahlreiche weitere Mitarbeiter. Es liege auf der Hand, dass auch Mitarbeiter im Innendienst benötigt worden seien. Bei dem Vertrieb von Erzeugnissen stellten nicht die Außendienstmitarbeiter den wesentlichen Teil der Belegschaft dar. Genauso entscheidend sei auch die Betreuung der Kunden durch den Innendienst, die ordnungsgemäße Erstellung von Angeboten, die telefonische Betreuung von Kunden und der Kundendienste.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 26. Mai 2004 sowie die Bescheide der Beklagten vom 13. September 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 2002 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Der Senat konnte über die Berufung ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten dieser Verfahrensweise zugestimmt haben (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).

Die form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung ist angesichts des über 750 Euro liegenden Beschwerdegegenstandes statthaft (§ 143 SGG) und insgesamt zulässig, jedoch unbegründet. Die Bescheide der Beklagten vom 13. September 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 2002 sind rechtlich nicht zu beanstanden, das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Die Klägerin ist gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 AFG zur Erstattung des an W. geleisteten Arbeitslosengeldes für die Zeiträume vom 2. Dezember 1996 bis 7. Januar 1997 und vom 7. Februar 1997 bis 28. Dezember 1998 einschließlich der darauf entfallenden Beiträge zur gesetzlichen Kranken-, Renten- sowie zur sozialen Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 61.596,05 Euro verpflichtet. Das SG hat in der angefochtenen Entscheidung die maßgebenden Rechtsgrundlagen angegeben und die bestehende Erstattungspflicht unter korrekter Anwendung der maßgebenden Rechtsvorschriften umfassend dargestellt und die Bescheide der Beklagten zutreffend bestätigt. Insbesondere hat das SG auch unter Berücksichtigung der Einlassungen der Klägerin in nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen der B. und dem W. im Wege des Betriebsübergangs gemäß § 613a BGB von der B. auf die Klägerin übergegangen ist, die Klägerin damit erstattungspflichtige Arbeitgeberin im Sinne des § 128 AFG ist und ihr die Beschäftigungszeiten bei B. zugerechnet werden (vgl. hierzu auch BSG, Urteil vom 30. Juli 2006 - B 7a AL 32/05 R - Juris), dass der arbeitsgerichtliche Vergleich keinen reinen Abwicklungsvertrag darstellt, sondern konstitutiv für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses war, dass Befreiungstatbestände nicht ersichtlich sind, dass Fehler in der Berechnung und Lage des Erstattungszeitraums und der Erstattungshöhe nicht ersichtlich sind und dass der Erstattungsanspruch weder verjährt noch verwirkt ist. Der Senat sieht zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit von einer Begründung ab und verweist nach eigener Überprüfung auf die Ausführungen der Entscheidungsgründe (§ 153 Abs. 2 SGG).

Das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Insbesondere kann die Klägerin nicht damit gehört werden, dass sie sich mit B. und W. im Rahmen des arbeitsgerichtlichen Vergleichs vom 30. April 1998 darauf geeinigt habe, dass ein Betriebsübergang zu ihr nicht vorliege. Ein tatsächlich stattgefundener Betriebsübergang kann nicht nachträglich durch eine einvernehmliche Vereinbarung zwischen Betriebsveräußerer, Betriebserwerber und Arbeitnehmer beseitigt werden. Andernfalls wären hier Umgehungsgeschäfte zu den gesetzlichen Rechtsfolgen möglich. Auch könnte eine solche rechtsgeschäftliche Vereinbarung keine Bindung der Beklagten herbeiführen, eine solche kann auch ein arbeitsgerichtliches Urteil nicht begründen. Denn mangels besonderer gesetzlicher Regelungen entfalten für das Verwaltungs- und sozialgerichtliche Verfahren weder Entscheidungen der Arbeitsgerichte noch arbeitsgerichtliche Vergleiche Bindungswirkung (vgl. zur Feststellung arbeitsvertragswidrigen Verhaltens in Bezug auf Sperrzeiten: BSG, Urteil vom 15. Mai 1985 - 7 RA r 83/83 - SozR 4100 § 119 Nr. 26; BSG, Urteil vom 25. April 1990 - 1 RA r 106/89 - BSGE 67,26).

In dieser arbeitsgerichtlichen Vereinbarung liegt auch entgegen dem Vorbringen der Klägerin kein wirksamer Widerspruch des W. gegen den Betriebsübergang mit der Folge, dass dieser nicht stattgefunden hätte. W. hatte bereits im Juli 1996 Klage gegen die Klägerin auf Feststellung des Übergangs seines Arbeitsverhältnisses mit der B. auf die Klägerin erhoben und insoweit keineswegs dem Betriebsübergang widersprochen. Ein solcher Widerspruch kann auch nicht nachträglich konstruiert werden.

Soweit die Klägerin sich weiterhin darauf beruft, dass aus ihrer Sicht ein Betriebsübergang nicht stattgefunden hat, kann auch dies zu keiner anderweitigen Beurteilung führen. Ein Betriebsübergang im Sinne des § 613a BGB liegt auch vor, wenn ein Betriebsteil übergeht. Erforderlich ist insoweit, dass der Betriebsteil eine auf Dauer angelegte wirtschaftliche Einheit darstellt und als solche im Sinne einer organisierten Zusammenfassung von Ressourcen zur Verfolgung einer wirtschaftlichen Haupt- oder Nebentätigkeit übergeht. Diese Voraussetzungen erfüllt vorliegend der Betriebsteil der B., "Vertrieb von Produkten der Klägerin", der im Rahmen der bis 30. Juni 1996 bestehenden Handelsvertretung den Vertrieb von Produkten der Klägerin durchgeführt hatte. Hierfür ist, wie das SG zutreffend unter Darstellung auch der hierzu ergangenen Rechtsprechung des EuGH ausgeführt hat, ausreichend, dass die Klägerin nicht nur die Vertriebstätigkeit weiterführte, sondern auch den nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals, mithin die immateriellen Betriebsmittel, das "Know-how" übernommen hat. Anlass daran zu zweifeln, dass die B. nach Ende der Handelsvertretung keinen Vertrieb von Produkten der Klägerin mehr durchgeführt hat, hat der Senat nicht, insbesondere, nachdem mit dem Wegfall jeglicher Außendiensttätigkeit die Kündigung des W. begründet wurde und auch die weiteren Außendienstmitarbeiter nicht von B. weiterbeschäftigt wurden, sondern nach Ende der Handelsvertretung für die Klägerin tätig waren.

Der Senat kann sich vor diesem Hintergrund auch nicht davon überzeugen, dass W. bei B. auch noch mit ins Gewicht fallenden Aufgaben außerhalb des Vertriebs von Produkten der Klägerin beschäftigt gewesen sei, so dass er dem Betriebsteil "Vertrieb von Produkten der Klägerin" nicht zuzurechnen gewesen sei. Dies widerspricht auch dem übereinstimmenden Vortrag der B. und des W. im Rahmen des arbeitsgerichtlichen Verfahrens und der dort - unter Einbindung der Klägerin - getroffenen Vereinbarung, die darauf gründet, dass eine Weiterbeschäftigung des W. bei der B. mangels entsprechendem Arbeitsplatz gerade nicht mehr bestehe. Dort waren sich die Beteiligten darüber einig, dass der Arbeitsplatz des Klägers mangels anfallender Außendiensttätigkeiten bei B. weggefallen sei. Insgesamt bestehen damit wie vom SG zutreffend dargestellt, auch für den Senat keine Zweifel daran, dass der Betriebsteil "Vertrieb von Produkten der Klägerin" mit Beendigung der Handelsvertretung am 30. Juni 1996 von der B. auf die Klägerin übergegangen ist und als Folge dessen, das Arbeitsverhältnis des W. mit der B. auf die Klägerin übergegangen ist.

Damit sind die Bescheide der Beklagten insgesamt rechtmäßig.

Die Kostenentscheidung zu Lasten der Klägerin beruht auf § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Danach werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben, wenn - wie vorliegend - weder Kläger noch Beklagter zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht erfüllt.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a SGG i.V.m. §§ 25 Abs. 2 Satz 1, 13 Satz 1 GKG in der - angesichts der Berufungseinlegung am 30. Juni 2004 - noch bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung (Art. 8 des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (KostRMoG) i.V.m. Art. 1 §§ 71 ff KostRMoG). Die Höhe des Streitwerts entspricht der streitgegenständlichen Erstattungsforderung in Höhe von 61.596,05 Euro.
Rechtskraft
Aus
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