L 7 SO 1312/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 4 SO 4142/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 1312/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Februar 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Verpflichtung des Trägers der Sozialhilfe, dem Kläger die Aufwendungen zu erstatten, die durch die Behandlung eines nicht krankenversicherten Patienten in seinem Krankenhaus am 16. Januar 2007 entstanden sind.

Der am 1967 geborene Zoltan Toth (im Folgenden ZT), ungarischer Staatsangehöriger, war bis zum 31. Juni 2006 versicherungspflichtig beschäftigt. Arbeitslosengeld hat er danach nicht bezogen, war aber als freiwillig Versicherter Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung (AOK Baden-Württemberg). Der Krankenversicherungsschutz endete am 15. Januar 2007. Seine Ehefrau lebte mit dem gemeinsamen Kind in Ungarn; ZT wohnte in O. Landkreis Ortenaukreis, dem Zuständigkeitsbereich des Beklagten. Die Warmmiete für die Wohnung betrug EUR 300.-. Über sonstiges Einkommen oder Vermögen verfügte er nicht.

Am 16. Januar 2007 um 12.12 Uhr wurde ZT in das Zentrum für Psychiatrie des Klägers (ZPE), einer Anstalt des öffentlichen Rechts, zur stationären Behandlung auf der dortigen Suchtstation aufgenommen (Aufnahmediagnose: psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol: Abhängigkeitssyndrom (F10.2)). Der Stationsarzt hielt die sofortige Aufnahme aufgrund der Alkoholintoxikation für notwendig, da ZT ansonsten als latent eigen- und fremdgefährend einzuschätzen gewesen wäre (Stellungnahme des Arztes Loch vom 22. Januar 2007). Entsprechend dem beim ZPE üblichen Verfahren war jedoch in der Aufnahme das Versicherungsverhältnis des ZT vorab erfragt und von der AOK - unzutreffend - bestätigt worden. Erst am Folgetag erhielt der Kläger Kenntnis davon, dass das Krankenversicherungsverhältnis tatsächlich bereits am 15. Januar 2007 beendet war.

Auf einen durch den Kläger für ZT gestellten Antrag vom 17. Januar 2007 wurde diesem ab dem 17. Januar 2007 Arbeitslosengeld II nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bewilligt. Aufgrund des dadurch neu begründeten Versicherungsschutzes des ZT als Pflichtversicherter in der gesetzlichen Krankenversicherung übernahm die Krankenkasse die Behandlungskosten ab diesem Zeitpunkt.

Mit Schreiben vom 22. Januar 2007 teilte der Kläger dem Beklagten die notfallmäßige Aufnahme des ZT unter Hinweis auf nicht bestehenden Krankenversicherungsschutz mit und beantragte die Erstattung der Behandlungskosten als Nothelferkosten nach § 25 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII). Mit weiterem Schreiben vom 18. April 2007 begrenzte er den geltend gemachten Anspruch auf die Kosten für den 16. Januar 2007.

Mit Bescheid vom 21. Mai 2007 lehnte der Beklagte die Erstattung ab. Da ZT zu dem nach dem SGB II leistungsberechtigen Personenkreis gehöre, solange seine Erwerbsunfähigkeit nicht festgestellt sei, habe er keinen Anspruch auf Sozialhilfeleistungen nach dem SGB XII. Den dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juli 2008 als unbegründet zurück. Der Nothelferanspruch nach § 25 SGB XII könne sich nur auf Hilfen beziehen, die Leistungsberechtigten nach dem SGB XII gewährt würden. Hilfebedürftige wie ZT, die dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II seien, seien jedoch von Leistungen nach dem SGB XII ausgeschlossen. Bei rechtzeitigem Einsetzen der Sozialhilfe, auf das § 25 SGB XII abstelle, hätten ZT daher keine Sozialhilfeleistungen gewährt werden können, wie in der Anspruchsnorm vorausgesetzt. Des Weiteren wäre bei rechtzeitigem Einsetzen auf die vorrangige Selbsthilfe durch Stellung eines Antrags auf Arbeitslosengeld II verwiesen worden.

Hiergegen hat der Kläger am 15. August 2008 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben, mit der er die Erstattung der ihr am 16. Januar 2007 entstandenen Kosten i.H.v. EUR 254,82 zuzüglich Zinsen i.H.v. 5% über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit begehrt hat. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei § 25 SGB XII auch bei Nothilfe für Personen anzuwenden, die dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II seien. Es liege auch ein Eilfall im Sinne der Anspruchsnorm vor, da ZT wegen akuter Alkoholintoxikation zur Abwendung von Eigen- und Fremdgefährdung habe aufgenommen werden müssen. Eine zu enge Auslegung der Norm, wie sie insbesondere das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg bei einem Irrtum über das Bestehen von Krankenversicherungsschutz vertrete (Senatsurteil vom 21. Februar 2008 - L 7 SO 2688/07 -), widerspreche dem Zweck des § 25 SGB XII, da sie Hilfeleistungen Dritter in Eilfällen abschrecke. Vorliegend habe der Kläger außerdem bei Aufnahme den Krankenversicherungsschutz überprüft, aber eine falsche Auskunft erhalten. Der Irrtum sei daher unverschuldet. Nach dem gegenüber der Vorgängerregelung geänderten Wortlaut des § 25 SGB XII komme es ohnehin nicht (mehr) auf darauf an, ob rechtzeitig Hilfe vom Sozialhilfeträger hätte erlangt werden können, sondern nur noch auf das rechtzeitige tatsächliche "Einsetzen" der Sozialhilfe. Der Nothelferanspruch bestehe daher auch noch für die Zeit der "Säumigkeit" des Sozialhilfeträgers ab dessen Kenntnis von der Notlage. Auch wenn die Gesetzesmaterialien zu § 25 SGB XII gegen eine inhaltliche Änderung des Nothelferanspruches sprächen, sei dies angesichts des geänderten, tatsächlichen Wortlautes nicht relevant.

Mit Urteil vom 11. Februar 2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Senatsentscheidung vom 21. Februar 2008 (a.a.O.) folgend, hat es einen sozialhilferechtlichen Eilfall verneint. Für einen solchen reiche es nicht aus, dass die sofortige Aufnahme medizinisch indiziert gewesen sei. Vorliegend fehle es an der weiteren Voraussetzung der objektiven Unmöglichkeit, den Sozialhilfeträger einzuschalten. Der Kläger habe den Krankenversicherungsschutz bei der Aufnahme tatsächlich geprüft. Die medizinische Situation des ZT habe somit weder der Prüfung der wesentlichen Umstände für die Kostensicherheit noch der Einschaltung des Sozialhilfeträgers entgegengestanden.

Mit der vom Senat durch Beschluss vom 27. März 2012 (L 7 SO 1611/10 NZB) zugelassenen Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren weiter. Über sein bisheriges Vorbringen hinaus hat er vorgetragen, ZT sei halluzinierend mit einem Blutalkoholgrad von 2,1 Promille aufgenommen worden. Aufgrund eines früheren Aufenthalts im ZPE sei in seinen beim Kläger gespeicherten Patientendaten ein Krankenversicherungsschutz bei der AOK bis zum 30. September 2009 vermerkt gewesen. Dies sei bei einer telefonischen Anfrage bei der AOK am Aufnahmetag auch bestätigt worden. Erst am Folgetag, als ZT wieder ansprechbar gewesen sei, habe man vom Wegfall des Krankenversicherungsschutzes erfahren. Rechtlich sei zu beachten, dass nach ständiger sozialhilferechtlicher Rechtsprechung der Sozialhilfeanspruch nicht dadurch ausgeschlossen werde, dass der Hilfebedürftige bei Säumigkeit des Sozialhilfeträgers Hilfe Dritter in Anspruch nehme. Gerade bei der Behandlung psychisch kranker Patienten werde offenkundig, dass der Nothelfer nicht darauf verwiesen werden könne, dass der Patient seine laufenden Ansprüche gegenüber dem Sozialhilfeträger geltend machen könne; denn dies falle diesem Personenkreis krankheitsbedingt schwer oder es sei sogar unmöglich.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Februar 2010 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 21. Mai 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 2008 zu verurteilen, an ihn EUR 254,82 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und hat ergänzend ausgeführt, die Auffassung, § 25 SGB XII umfasse auch Ansprüche gegen den "säumigen" Sozialhilfeträger, entbehre jeglicher Rechtsgrundlage. Würde man dieser Auffassung folgen, bedürfte es keiner zeitnahen Anmeldung von Kostenerstattungsansprüchen mehr; die Gewährung von Nothelferkosten wäre in das Belieben der jeweiligen Einrichtung gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten, der Verfahrensakten des SG und des Senats sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger stehen Ansprüche als Nothelfer für die stationäre Behandlung des ZT im ZPE am 16. Januar 2007 nicht zu.

Hat jemand in einem Eilfall einem Anderen Leistungen erbracht, die bei rechtzeitigem Einsetzen von Sozialhilfe nicht zu erbringen gewesen wären, sind ihm die Aufwendungen in gebotenem Umfang zu erstatten, wenn er sie nicht aufgrund rechtlicher oder sittlicher Pflicht selbst zu tragen hat (§ 25 Satz 1 SGB XII). Nach Satz 2 gilt dies nur, wenn die Erstattung innerhalb angemessener Frist beim zuständigen Träger der Sozialhilfe beantragt wird.

Die Klage ist bereits wegen fehlender Passivlegitimation des Beklagten für die Erstattung der Nothilfekosten unbegründet. Die Passivlegitimation für den Erstattungsanspruch des Nothelfers trifft nach § 25 SGB XII den Sozialhilfeträger, der bei rechtzeitiger Kenntnis die Sozialhilfe zu gewähren gehabt hätte (vgl. zum Folgenden Senatsurteil vom 22. November 2007 - L 7 SO 5195/06 - (juris)). Bezogen auf diesen Zeitpunkt sind die Voraussetzungen einer Hilfegewährung durch den örtlich und sachlich zuständigen Sozialhilfeträger zu prüfen, wobei § 25 SGB XII eine hypothetische Betrachtung erfordert. Sinn des Gesetzes ist, "mit der Erstattungspflicht denjenigen Träger der Sozialhilfe zu belasten, der ohne das Eingreifen des Nothelfers die Kosten der gewährten Hilfe zu tragen gehabt hätte" (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), BVerwGE 114, 326 und 122, 360). Dies wäre grundsätzlich der Beklagte, da ZT vor Beginn der stationären Leistung seinen gewöhnlichen Aufenthalt in dessen Zuständigkeitsbereich hatte (§ 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII).

Nach § 98 Abs. 2 Satz 3 SGB XII hat aber in einem Eilfall der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich sich der Leistungsberechtigte tatsächlich aufhält, unverzüglich über die Hilfe zu entscheiden und vorläufig einzutreten mit der Folge, dass er die aufgewendeten Kosten von dem nach § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII für die stationäre Hilfe zuständigen Sozialhilfeträger des gewöhnlichen Aufenthalts des Hilfeempfängers, hilfsweise vom überörtlichen Träger erstattet verlangen kann (vgl. § 106 Abs. 1 SGB XII). Sinn dieser Vorschrift ist es, in einem Eilfall schnelle und effektive Hilfe durch einen ortsnahen Träger sicher zu stellen (vgl. zur Vorgängervorschrift des § 97 Abs. 2 Satz 3 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) die Gesetzesbegründung: BT-Drucks. 12/4401 S. 84 zu Nr. 17). Im Vorfeld des eigentlich zuständigen Trägers des gewöhnlichen Aufenthalts des Hilfebedürftigen wird daher eine Vorleistungszuständigkeit des Sozialhilfeträgers "vor Ort" angeordnet, damit dem Hilfebedürftigen im Eilfall unverzüglich von diesem - durch den tatsächlichen Aufenthalt einfach feststellbaren - Sozialhilfeträger geholfen wird. Wird der Hilfebedürftige, um ihm in einem Eilfall zu helfen, vor einem (möglichen) Einsetzen der Sozialhilfe über die Zuständigkeitsgrenzen mehrerer örtlich zuständiger Sozialhilfeträger hinweg transportiert, aktualisiert sich die Eilfallzuständigkeit deshalb jeweils neu (vgl. BVerwGE 114, 326). Zwar fixiert § 98 Abs. 1 SGB XII die örtliche Zuständigkeit des einmal zuständig gewordenen Sozialhilfeträgers "für die Regelung zumindest derjenigen Bedarfslagen, die im Verantwortungsbereich dieses Sozialhilfeträgers nicht nur entstanden und ihm zur Kenntnis gelangt sind, sondern von ihm auch durch Erledigung des Hilfefalles hätten beseitigt werden können" (vgl. BVerwGE 95, 60, 63 und BVerwG, Buchholz 436.0 § 97 BSHG Nr. 9). Diese Rechtsprechung bezieht sich indes auf entstandene und zur Kenntnis des Sozialhilfeträgers gelangte Bedarfslagen, die bereits vor einer Aufenthaltsveränderung bearbeitet werden konnten. Hieraus ist kein Grundsatz einer "Gesamtfallverantwortlichkeit" zu entnehmen, wonach alle Bedarfe eines Sozialhilfeempfängers unabhängig von Art und Entstehung generell vom Sozialhilfeträger am Wohnsitzort bzw. Ort des gewöhnlichen Aufenthalts zu decken wären. Vielmehr ist eine den Gesichtspunkten einer möglichst wirksamen sozialhilferechtlichen Betreuung, dem Schutzbedürfnis und der Eigenart der jeweiligen Bedarfslage Rechnung tragende Betrachtung geboten (BVerwGE 122, 260). Durch dieses Gesetzesverständnis wird auch gewährleistet, dass sich der Nothelfer, der in Eilfällen Hilfe gewährt hat, die eine Benachrichtigung des zuständigen Sozialhilfeträgers nicht zulassen, einer klaren und einfach handhabbaren Zuständigkeitsordnung gegenüber sieht. Indem er den Sozialhilfeträger am Ort der Eilhilfe für örtlich zuständig erklärt, ermöglicht der Gesetzgeber dem Hilfesuchenden und dem Nothelfer, den zuständigen Sozialhilfeträger alsbald in Kenntnis zu setzen und damit den Nothilfefall in einen Sozialhilfefall in der Verantwortung des zuständigen Trägers überzuleiten. Damit wird der besonderen Bedeutung des § 25 SGB XII, die spontane Hilfsbereitschaft freiwilliger Helfer in Eilsituationen im Interesse in Not geratener Menschen zu erhalten und zu stärken (vgl. BVerwGE 91, 245) Rechnung getragen. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass der Nothelfer mit seinem innerhalb angemessener Frist geltend zu machenden Aufwendungserstattungsanspruch nicht an unübersichtlichen Zuständigkeitsregelungen innerhalb der Sozialverwaltung scheitert oder unzumutbar belastet wird. Der Nothelfer soll sich im Interesse des in Not geratenen Bürgers auf die Gewährung der Nothilfe konzentrieren dürfen und nicht Kraft und Zeit auf die ansonsten u.U. sehr aufwendigen Ermittlungen des zuständigen Leistungsträgers verwenden müssen (vgl. BVerwGE 114, 326).

Nach dem vorstehend Ausgeführten kommt es nicht darauf an, dass ZT seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich des Beklagten hatte. Denn er ist in das ZPE, Landkreis Emmendingen, verbracht und erst dort stationär aufgenommen worden. Zuständiger Sozialhilfeträger i.S.d. § 25 SGB XII ist daher der Landkreis Emmendingen, nicht der Beklagte.

Der Senat hat vorliegend davon abgesehen, den zuständigen Sozialhilfeträger beizuladen (§ 75 Abs. 2 Alt. 2 SGG). Denn der vom Kläger geltend gemachte Anspruch besteht auch unabhängig von der Frage der Passivlegitimation nicht.

Die Behandlung bzw. die stationäre Aufnahme des ZT im ZPE erfüllt für die hier streitige Zeit nicht die Voraussetzungen eines sozialhilferechtlichen Eilfalles i.S.d. § 25 Satz 1 SGB XII. Das Tatbestandsmerkmal eines "Eilfalles" ist im Gesetz nicht weiter definiert und daher nach dem Zweck der Regelung zu bestimmen. Sinn der Regelung ist es, die spontane Hilfsbereitschaft Dritter im Interesse in Not geratener Menschen zu erhalten und zu stärken (BT-Drucks. III/1799 S. 61). Auf diese Weise soll Hilfe in Fällen sichergestellt werden, in denen Leistungen des Sozialhilfeträgers zu spät kämen oder wegen Zeitablaufs in Leere gingen (Bundessozialgericht (BSG) SozR 4-3500 § 25 Nr. 1; BVerwGE 114, 298). § 25 SGB XII erfasst somit eine spezielle sozialhilferechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag, in deren Rahmen der Nothelfer ein Geschäft des Sozialhilfeträgers führt, der bei rechtzeitiger Kenntnis die Hilfen zu erbringen hätte (BVerwGE 37, 133). Ist jedoch die Einschaltung des Sozialhilfeträgers objektiv möglich, entfällt die Rechtfertigung für eine solche Geschäftsführung ohne Auftrag; der Sozialhilfeträger wird in die Lage versetzt, die Hilfe selbst - ggf. durch den anderenfalls als Nothelfer handelnden Arzt - zu erbringen. Ein Eilfall im Sinne des § 25 SGB XII setzt daher voraus, dass nach den Umständen des Einzelfalles sofort geholfen werden muss und eine rechtzeitige Einschaltung des Sozialhilfeträgers objektiv nicht möglich ist. Das heißt, die Notwendigkeit sofortiger Hilfe lässt in der Regel keine Zeit, den zuständigen Sozialhilfeträger zu unterrichten und zunächst dessen Entschließung über die Gewährung der erforderlichen Hilfe als Sozialhilfe abzuwarten. Wie das BVerwG bereits zu § 121 BSGH entschieden hatte (BVerwGE 114, 298), reicht daher eine Notfallsituation im medizinischen Sinne nicht aus, um das Vorliegen eines sozialhilferechtlichen Eilfalles anzunehmen. Nötig ist vielmehr weiter, dass nach Lage der Dinge eine rechtzeitige Hilfe des Sozialhilfeträgers objektiv nicht zu erlangen gewesen wäre. Die Überprüfung der für die Kostensicherheit wesentlichen Umstände gehört dabei, soweit nach den Umständen möglich und zumutbar, auch bei der Aufnahme von Notfallpatienten zu den Obliegenheiten eines ordnungsgemäßen Krankenhausbetriebes; das Irrtums- und Fehleinschätzungsrisiko insoweit wird dem Nothelfer durch § 25 SGB XII nicht abgenommen. Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung des BVerwG, auch für die Regelung des § 25 SGB XII, an (vgl. bereits Senatsurteile vom 21. Februar 2008 - L 7 SO 2688/07 - und vom 17. April 2008 - L 7 SO 4117/07 -).

Zwar weicht § 25 Satz 1 SGB XII im Wortlaut leicht von der Vorgängerregelung des § 121 Satz 1 BSHG ab; dies gilt jedoch gerade nicht für das Tatbestandsmerkmal Eilfall. § 121 Satz 1 BSHG in der vom 1. Januar 1994 bis 31. Dezember 2004 geltenden Fassung vom 23. März 1994 traf folgende Bestimmung: "Hat jemand in einem Eilfall einem anderen Hilfe gewährt, die der Träger der Sozialhilfe bei rechtzeitiger Kenntnis nach diesem Gesetz gewährt haben würde, sind ihm auf Antrag die Aufwendungen in gebotenem Umfange zu erstatten, wenn er sie nicht aufgrund rechtlicher oder sittlicher Pflicht selbst zu tragen hat." Der Kläger verweist darauf, dass mit der unterschiedlichen Fassung des Wortlautes von "rechtzeitiger Kenntnis" zu "rechtzeitigem Einsetzen" von Sozialhilfe eine inhaltliche Änderung des Anspruches verbunden sei. Mit dem "Einsetzen" stelle der Gesetzgeber nun auf das tatsächliche Erbringen der Hilfe durch den Sozialhilfeträger ab, so dass ein Nothelferanspruch auch dann bestehe, wenn der Sozialhilfeträger zwar Kenntnis von der Notlage habe, aber "säumig" bleibe, also die Hilfe tatsächlich erst später erbringe. Dieses Begriffsverständnis vermag der Senat nicht zu teilen. Der Begriff des "Einsetzens" der Sozialhilfe wird auch in § 18 Abs. 1 SGB XII gebraucht. Danach setzt die Sozialhilfe, mit Ausnahme der Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, ein, sobald dem Träger der Sozialhilfe oder den von ihm beauftragten Stellen bekannt wird, dass die Voraussetzungen für die Leistung vorliegen. Das "Einsetzen" ist also mit der Kenntnis von der Notlage zwingend verknüpft. Auch in § 18 SGB XII geht es um die Bestimmung des Zeitpunktes, in dem der Sozialhilfeanspruch des Hilfebedürftigen bzw. die Zuständigkeit des Sozialhilfeträger entsteht. Diese wird durch die Kenntnis des Sozialhilfeträgers von der Notlage begründet; damit setzt die Sozialhilfe ein. Die Verantwortung für den Hilfefall geht auf den Sozialhilfeträger über; eine Notwendigkeit für eine spezielle sozialhilferechtliche Geschäftsführung besteht nicht mehr. Die Fortgeltung des Nothelferanspruches in bisherigem Umfang und Ausgestaltung entspricht auch der gesetzgeberischen Vorstellung. Eine Ausdehnung des Nothelferanspruches auf Aufwendungen in Zeiten nach Kenntnis des Sozialhilfeträgers zumindest mit Einverständnis des Hilfebedürftigen war bereits im Rahmen von Reformüberlegungen zu § 121 BSHG vorgeschlagen (Bundestagsausschuss für Gesundheit, BT-Drucks. 13/3904 S. 22), aber nicht ins Gesetz übernommen worden (vgl. Piepenstock in jurisPK-SGB XII, § 25 Rdnr. 44). Nach der amtlichen Begründung zum Gesetzentwurf des SGB XII (BT-Drucksache 15/1514 S. 58) sollte die Regelung inhaltsgleich den bisherigen § 121 BSHG übertragen. Eine Änderung in der Systematik des Nothelferanspruches im Rahmen der Sozialhilfe war daher nicht vorgesehen.

Ein Eilfall ist somit ausgeschlossen, wenn es dem Nothelfer oder dem in Notlage Befindlichen möglich ist, den Sozialhilfeträger von der Notlage zu unterrichten, so dass dieser selbst rechtzeitig helfen oder jedenfalls eine Hilfemöglichkeit prüfen kann. Dies folgt gerade auch aus dem weiteren Inhalt der Vorschriften, dass eine Erstattung nur von Leistungen vorgesehen ist, die bei rechtzeitigem Einsetzen nicht zu erbringen gewesen wären. Darüber hinaus wird es dem Sozialhilfeträger auf diese Weise ermöglicht, den Hilfefall ständig unter Kontrolle zu halten. Bei stationärer Aufnahme liegt daher nur so lange ein Eilfall vor, wie es der hilfebedürftigen Person oder dem Krankenhausträger nicht möglich oder zumutbar ist, den zuständigen Sozialhilfeträger über den Hilfefall zu unterrichten (vgl. Senatsurteile vom 21. Februar und 17. April 2008, a.a.O., m.w.N.; ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 27. Februar 2012 - L 20 SO 48/11 - (juris) m.w.N.; a.A. LSG Hamburg, Urteil vom 26. Oktober 2011 - L 5 SO 50/10 - (juris)).

Die weiteren Einwände des Klägers sind nach Auffassung des Senats nicht geeignet, dieses Normverständnis in Frage zu stellen. Die von ihm angeführte Entscheidung des BVerwG vom 5. Mai 1994 (5 C 43/91 - BVerwGE 96, 18) betrifft die Frage der Vererblichkeit von Sozialhilfeansprüchen. Zwar wird dort zum Fortbestehen von Sozialhilfeansprüchen Stellung genommen, wenn der Hilfebedürftige Leistungen Dritter in Anspruch genommen hat, um den Zeitraum bis zur tatsächlichen Hilfeleistung durch den Sozialhilfeträger zu überbrücken. Die rechtliche Gewährleistung des Sozialhilfeanspruchs wäre, so das BVerwG, unvollkommen, wenn der für den Sozialhilfeträger einspringende Dritte befürchten müsste, seine im Vertrauen auf die spätere Bewilligung der Sozialhilfe getätigten Aufwendungen nicht ersetzt zu erhalten, falls der Sozialhilfeträger von seiner Verpflichtung beim Tode des Hilfesuchenden frei würde. Denn allein die nachträgliche Gewährung der Sozialhilfeleistungen auch in diesem Fall und damit die Möglichkeit, diese Leistungen an den vorleistenden Dritten weiterzugeben, lasse erwarten, dass Dritthilfe als Überbrückungsmaßnahme tatsächlich auch erbracht werden werde. Daraus wird aber auch deutlich, dass ein eigenständiger Anspruch des die "Überbrückungshilfe" erbringenden Dritten gegen den Sozialhilfeträger auch dann nicht besteht, wenn der Sozialhilfeträger nach Kenntnis der Notlage nicht sofort tatsächlich Leistungen erbringt. Vielmehr steht der Sozialhilfeanspruch auch in diesen Fällen dem Hilfebedürftigen, bzw. ausnahmsweise (vgl. BVerwG a.a.O.) dessen Erben, zu. Dies entspricht gerade der oben vorgenommenen Abgrenzung im Bereich des § 25 SGB XII. Dass ein Verweis auf "nicht bereite" Mittel zur Abwendung einer Notlage nicht in Betracht kommt (Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 27. September 1995 - 6 S 2522/94 - (juris)), betrifft nicht die Auslegung des Begriffes des Eilfalles, sondern die weitere Anspruchsvoraussetzung des "hypothetischen Sozialhilfeanspruches" des Hilfebedürftigen. Im Übrigen ist diese Entscheidung, soweit sie die Definition eines sozialhilferechtlichen Eilfalles betrifft, durch die spätere Rechtsprechung des BVerwG (BVerwGE 114, 298) überholt.

Der Zweck des § 25 SGB XII, die spontane Hilfsbereitschaft Dritter im Interesse in Not geratener Menschen zu erhalten und zu stärken, erfordert es nicht, den Nothelferanspruch auf Zeiten auszudehnen, zu denen eine Information des Sozialhilfeträgers objektiv möglich und zumutbar ist. Mit der Kenntnis des Sozialhilfeträgers von der Notlage geht die Verantwortung für die Hilfeleistung auf den dafür zuständigen Träger über. Bei Hilfebedürftigkeit des Hilfesuchenden hat dieser einen Anspruch gegen den Sozialhilfeträger und zwar ab dem Zeitpunkt der Kenntnis. Die ihm ab diesem Zeitpunkt zufließende Hilfe kann er mithin an den Dritten, hier den Krankenhausträger, auskehren. Wie ausgeführt, entspricht es der ständigen sozialhilferechtlichen Rechtsprechung (vgl. u.a. die vom Kläger selbst angeführte Entscheidung BVerwGE 96, 18), dass dieser Sozialhilfeanspruch auch den Zeitraum zwischen Kenntnis und tatsächlicher Hilfeerbringung durch den Sozialhilfeträger umfasst. Ein Risiko des Dritten besteht insoweit nur, dass der Hilfebedürftige die erhaltene Leistung nicht weiterreicht. Fehlt es hingegen an der Hilfebedürftigkeit des Hilfesuchenden, hat dieser auch keinen Anspruch auf Sozialhilfe. Gleiches gilt, wenn die Hilfebedürftigkeit nicht festgestellt werden kann. Der Dritte, hier also der Krankenhausträger, trägt dann zwar das Risiko, auf den Kosten "sitzen zu bleiben". Dabei handelt es sich aber um ein allgemeines Liquiditätsrisiko, das unabhängig vom Notfall besteht. Dieses soll nach der gesetzlichen Wertung dem Krankenhausträger nicht abgenommen werden (BVerwGE 45, 131).

Der Kläger verweist weiter darauf, dass gerade bei der Behandlung psychisch kranker Patienten offenkundig werde, dass der Nothelfer nicht darauf verwiesen werden könnte, der Patient könne seine laufenden Ansprüche gegenüber dem Sozialhilfeträger geltend machen; denn dies falle diesem Personenkreis krankheitsbedingt schwer oder es sei sogar unmöglich. Selbst wenn man dieser pauschalen Behauptung folgen wollte, wäre zu beachten, dass diese Hindernisse durch eine Betreuung ausgeräumt werden können und es des Weiteren nach der vom Senat vertretenen Auslegung zunächst darum geht, dem Sozialhilfeträger Kenntnis von der Notlage zu verschaffen, was auch durch den Krankenhausträger erfolgen kann. Danach ist es Aufgabe des Sozialhilfeträgers, die notwendigen Feststellungen zu treffen. Selbst eines Antrages des Hilfebedürftigen bedarf es für die Hilfeleistung nicht (§ 18 Abs. 1 SGB XII).

Bei Anwendung der genannten Maßstäbe lag, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, bei Aufnahme des ZT ein Eilfall i.S.d. § 25 SGB XII nicht vor. Zwar war ZT nach den zuletzt erfolgten Angaben des Klägers bei Aufnahme im Delirium und somit nicht in der Lage, zu seinen Krankenversicherungsverhältnissen Auskunft zu geben. Nach dem eigenen Vortrag des Klägers hat dieser jedoch noch in der Aufnahme das Versicherungsverhältnis des ZT aufgrund vorab erfragt und von der AOK - unzutreffend - bestätigt worden. Die Abklärung der für die Kostensicherheit wesentlichen Umstände scheiterte somit nicht an dem Gesundheitszustand von ZT. Die Prüfung der Kostenträgerschaft war nicht unmöglich, sondern ist tatsächlich - allerdings mit falschem Ergebnis - erfolgt. Dieser Irrtum unterscheidet sich nicht von einem Irrtum über die Bonität des zu Behandelnden (zu dessen Unbeachtlichkeit BVerwGE 114, 298). Er verhindert subjektiv, nicht objektiv die Einschaltung des Sozialhilfeträgers. Es lag mithin gerade keine Situation vor, in der die Notwendigkeit sofortiger Hilfe keine Zeit ließ, den Sozialhilfeträger zu unterrichten.

Eine andere Auslegung des § 25 SGB XII ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger bzw. Ärzte in medizinischen Notfällen zur Hilfe verpflichtet sind. Dem Kläger ist zuzugestehen, dass seine zivilrechtlichen Ansprüche gegen schwer suchtkranke, obdach- und mittellose Patienten kaum durchzusetzen sind. Ein enteignungsgleicher Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb im Sinne des Artikels 14 Abs. 1 des Grundgesetzes liegt nicht vor. Entsprechend hat dies der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden für die Konstellation, dass die Hilfebedürftigkeit des Patienten wegen fehlender Einsicht in dessen Vermögensverhältnisse nicht festzustellen war und der Krankenhausträger deshalb auf seinen Kosten sitzen blieb (BGH, VersR 2005, 798). Insoweit bleibt dem Kläger nur, den Sozialhilfeträger rechtzeitig über den Hilfefall zu informieren und auf seine Patienten hinsichtlich der Durchsetzung von Sozialhilfeansprüchen einzuwirken. Denkbar ist insoweit auch, die Patienten Einverständniserklärungen unterschreiben zu lassen, dass die Auszahlung eventueller Sozialhilfeansprüche für die Zeit der stationären Behandlung durch Direktauszahlung an den Kläger befriedigt werden (vgl. Urteil des Senats vom 22. November 2007 - L 7 SO 5195/06 - (juris)).

Den ursprünglich verfolgten Zinsanspruch hat der Kläger zuletzt nicht mehr geltend gemacht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG (vgl. BSG SozR 4-1500 § 183 Nr. 7).

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG), liegen nicht vor. Im Hinblick auf die Ausführungen zur Gesetzesentwicklung ist der Senat, insoweit abweichend von seiner Einschätzung im Beschluss vom 27. März 2012, nicht mehr der Auffassung, der vom Kläger aufgeworfenen Frage zur Auslegung des Tatbestandsmerkmals "Einsetzen" komme grundsätzliche Bedeutung zu.
Rechtskraft
Aus
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