L 8 U 4407/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 8 U 1733/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 4407/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16. September 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob beim Kläger eine als Berufskrankheit (BK) anzuerkennende bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule (BK-Nr. 2108) vorliegt und Verletztenrente zu gewähren ist.

Der 1938 geborene Kläger war vom 18.07.1967 bis zum 31.10.1993 als Reifenvulkaniseur im Bereich der Reifenvulkanisation bei der Firma M. R. AG & Co. in K. beschäftigt. Anschließend war er arbeitslos bis zum Bezug der Altersrente nach Arbeitslosigkeit ab 01.06.1998.

Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 24.04.2008 beantragte der Kläger bei der Beklagten, sein Wirbelsäulenleiden als Folge einer BK Nr. 2108 festzustellen und ihm deswegen Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren. Im Fragebogen gab der Kläger an, erstmals Wirbelsäulenbeschwerden ca. 1974 gehabt zu haben. Diese seien beim schweren Heben von Reifen aufgetreten. Bei seiner Tätigkeit als Reifenvulkaniseur habe er täglich laufend Lasten von einem Gewicht von 20 bis 30 kg gehoben und getragen und ca. 15 bis 20 mal am Tag hätten sie zu zweit Lasten mit 120 kg bewegt. 1989 sei er auf einen anderen Arbeitsplatz umgesetzt worden. Die M. R. gaben unter dem 09.09.2008 im Erhebungsbogen zur Ermittlung der Belastung der Wirbelsäule an, in der Reifenvulkanisation sei in einen Rohling (Bandage) ein Heizschlauch montiert worden. Die Rohlinge seien über ein Förderband gekommen. Der Kläger habe bei seiner Tätigkeit am Tag ca. 100 mal Lasten von zehn bis 15 kg gehoben oder getragen. Als technisches Hilfsmittel habe ein hydraulisches Hebewerkzeug zur Verfügung gestanden.

In der Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes zur Arbeitsplatzexposition - Wirbelsäulenerkrankung BK 2108 - vom 04.11.2008 wurde ausgeführt, auf einem Förderband seien Reifenrohlinge angeliefert worden und sie hätten am Ende des Förderbandes senkrecht in eine Mulde auf den Boden gestellt werden müssen. Das durchschnittliche Gewicht der Reifen habe bei ca. 70 kg mit BAG und ca. 50 kg ohne BAG gelegen. Der Kläger habe pro Schicht ca. 134 Reifen bearbeitet. Die Technik, die von den Mitarbeitern angewandt worden sei, habe darin bestanden, immer den Schwung des Förderbandes zur Bewegung des Reifenrohlings auszunutzen. So sei der Reifenrohling nie komplett gehoben worden, sondern z.B. aus der Bewegung heraus unter Einsatz des Oberschenkels bewegt worden.

Die Beklagte beauftragte den Arzt für Orthopädie Dr. S. mit der Erstattung eines Gutachtens. Dieser untersuchte den Kläger am 01.09.2009 und führte in seinem Gutachten vom 01.09.2009 aus, beim Kläger lägen überwiegend Erkrankungen der Hals- und Brustwirbelsäule mit einer verstärkten Rundung der Brustwirbelsäule (Kyphose) vor, also mit einem belastungsfernen Schwerpunkt. Von klägerischer Seite seien degenerative Veränderungen der Lendenwirbelsäule angegeben worden. Es fände sich aber kein einziger Befund, der auf eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule hinweisen könnte. Es seien keine neurologischen Ausfallerscheinungen an den Beinen aktenkundig und nicht einmal sogenannte Ischialgien. Es seien keine segmentalen pathologischen Befunde an der Lendenwirbelsäule beschrieben, sodass eine bandscheibenbedingte Erkrankung zu verneinen sei. Dies sei auch bei der jetzigen klinischen Untersuchung bestätigt worden. Es seien beigezogen worden Röntgen-Fremdaufnahmen vom 30.04.2004 von der Zentralklinik in Z., Computertomographien des Beckens vom 16.07.2004, der Zentralklinik in Z. über die Lendenwirbelsäule vom 28.02.2007, über die Brustwirbelsäule vom 12.03.2007 sowie von Becken und Bauchorganen vom Radiologiezentrum K. vom 28.03.2007. Hinzu komme, dass keine belastungsinduzierten Reaktionen an der Wirbelsäule, sogenannte Begleitspondylosen, zu finden seien, sodass eine Anerkennung einer Berufskrankheit nach BK-Nr. 2108 nicht zur Diskussion stehe. Darüber hinaus hätten entsprechend den Auswertungen der radiologischen Befunde die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule des Klägers in den letzten Jahren noch zugenommen, obwohl seit 1993 keiner belastenden Tätigkeit mehr nachgegangen worden sei. Der Schwerpunkt der Erkrankung spiele sich überwiegend an der mittleren Brustwirbelsäule ab, wo sich hochgradige degenerative Veränderungen zeigten mit einer verstärkten Rundung und an der Halswirbelsäule, die ebenfalls hochgradige degenerative Veränderungen einschließlich des Bandscheibengewebes aufweise, was wiederum den schicksalhaften Charakter der Wirbelsäulenerkrankung des Versicherten belege, zumal an der Halswirbelsäule keine äußere Einwirkung (schweres Heben und Tragen von Lasten auf den Schultern) aktenkundig sei. Er gelange zu dem Ergebnis, dass vorliegend keine bandscheibenbedingte Erkrankung nachzuweisen sei und außerdem keine belastungsinduzierten Reaktionen an der Wirbelsäule zu finden seien, keine sogenannte Begleitspondylose, weshalb eine Anerkennung einer BK nach Ziff. 2108 nicht zur Diskussion stehe. Entsprechend den Konsensempfehlungen handele es sich um die Konstellation A1, für die Konsens bestehe hinsichtlich einer Ablehnung als BK-Nr. 2108.

Mit Bescheid vom 12.01.2010 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Wirbelsäulenbeschwerden als Berufskrankheit nach Nr. 2108 ab. Die orthopädische Begutachtung habe ergeben, dass beim Kläger eine bandscheibenbedingte Lendenwirbelsäulenerkrankung nicht vorliege. Dies ergebe sich u.a. daraus, dass beim Kläger keine sogenannte Begleitspondylose (arthrotische Wirbelsäulenerkrankung) habe festgestellt werden können. Zudem bestünden beim Kläger neben Veränderungen der Lendenwirbelsäule ebenfalls Veränderungen der Hals- und Brustwirbelsäule, die zudem stärker als im Bereich der Lendenwirbelsäule ausgeprägt seien. Ein derartiger Befundverlauf sei nach arbeitsmedizinischer Erkenntnis bei einer beruflichen Verursachung aber nicht zu erwarten. Befunde im Sinne von neurologischen Ausfallerscheinungen als Beschwerdebild einer bandscheibenbedingten Erkrankung seien beim Kläger ebenfalls nicht erhoben worden. Insgesamt betrachtet liege beim Kläger eine Wirbelsäulenerkrankung vor, die sich nicht auf äußere Einwirkungen wie das Heben und Tragen schwerer Lasten zurückführen lasse.

Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 14.04.2010 zurückgewiesen.

Dagegen erhob der Kläger am 22.04.2010 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) mit dem Begehren, die Wirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 2108 anzuerkennen und ihm Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H. zu gewähren. Zur Begründung machte er geltend, die Wirbelsäulenbeschwerden seien ursächlich auf seine berufliche Tätigkeit bei der Firma M. R. AG K. zurückzuführen, bei der er von 1967 bis 1998 beschäftigt gewesen sei.

Die Beklagte trat der Klage mit dem Antrag auf Klagabweisung entgegen.

Mit Gerichtsbescheid vom 16.09.2011 wies das SG die Klage ab, da nach dem im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten des Dr. S. bereits das Schadensbild einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule nicht nachgewiesen sei. Ferner fehle es auch an mindestens zwei Segmenten der LWS betreffenden Begleitspondylosen. Die erheblichen degenerativen Veränderungen im Bereich der Halswirbelsäule seien als Indiz für eine schicksalhafte Erkrankung zu werten. Auch die Verschlimmerung der Wirbelsäulenbeschwerden nach Aufgabe der beruflichen Tätigkeit sei als weiteres Indiz gegen eine berufsbedingte Verursachung zu werten.

Gegen den - der Bevollmächtigten des Klägers gegen Empfangsbekenntnis am 22.09.2011 zugestellten - Gerichtsbescheid hat der Kläger am 23.09.2011 Berufung eingelegt und zur Begründung geltend gemacht, die Wirbelsäulenbeschwerden seien nicht schicksalshaft entstanden, sondern vielmehr ursächlich auf seine berufliche Tätigkeit bei der Firma M. R. AG & Co zurückzuführen. Er habe im Bereich der Reifenvulkanisation täglich während der gesamten Schicht Reifen mit einem jeweiligen Gewicht von 50 bis 70 kg heben und tragen müssen. Dabei sei auch ein etwa 13 kg schwerer Hammer zum Einsatz gekommen und es seien täglich ca. 134 Reifen gewesen. Aufgrund dieser schweren Arbeiten sei es ab 1974 zu Lendenwirbelsäulenbeschwerden gekommen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16. September 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. April 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Wirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) anzuerkennen und ihm Rente nach einer MdE von 20 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Akten des SG Karlsruhe und der Senatsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht Karlsruhe mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 12.01.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.04.2010, mit dem die Beklagte die Anerkennung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule als Berufskrankheit nach Nr.2108 der Anlage 1 zur BKV abgelehnt hat, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Siebtes Buch - SGB VII). Berufskrankheiten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkung verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Aufgrund dieser Ermächtigung in § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII hat die Bundesregierung die BKV vom 31. Oktober 1997 (BGBl. I, S. 2623) erlassen, in der derzeit u.a. folgende als Berufskrankheit anerkannte Krankheit aufgeführt ist:

Nr. 2108 Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.

Zur Feststellung einer Berufskrankheit muss generell die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweis, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen (vgl. BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 9/08 R - , veröffentlicht in juris). Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit. Abweichend von der früheren Verwendung des Begriffs der haftungsbegründenden Kausalität ist auch im Berufskrankheiten-Recht der ursächliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und den Einwirkungen nicht als haftungsbegründende Kausalität zu bezeichnen (vgl. BSG, Urteil vom 02.04.2009, aaO). Erst die Verursachung einer Erkrankung oder ihre wesentliche Verschlimmerung durch die der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Einwirkungen - in nachgewiesener Dauer und Intensität - begründet eine "Haftung". Ebenso wie die haftungsausfüllende Kausalität zwischen Gesundheits(-erst-)schaden und Unfallfolge beim Arbeitsunfall ist die haftungsausfüllende Kausalität zwischen der berufsbedingten Erkrankung und den Berufskrankheitenfolgen, die dann gegebenenfalls zu bestimmten Versicherungsansprüchen führen, bei der Berufskrankheit keine Voraussetzung des Versicherungsfalles.

Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 286); eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang spricht (BSGE 60, 58 m.w.N.; vgl. auch Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, Kommentar, E § 9 Rdnr. 26.2). Ein Kausalzusammenhang ist insbesondere nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Lässt sich eine Tatsache nicht nachweisen oder ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsache bzw. dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang für sich herleitet (BSGE 19,52, 53; 30,121, 123; 43, 110, 112). Nach dem Tatbestand der oben bezeichneten BK 2108 muss der Versicherte aufgrund einer Versichertentätigkeit langjährig schwer gehoben oder getragen bzw. in extremer Rumpfbeugehaltung gearbeitet haben. Durch die spezifischen der Versichertentätigkeit zuzurechnenden besonderen Einwirkungen muss eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule entstanden sein und noch bestehen. Zwischen der Versichertentätigkeit und den schädigenden Einwirkungen muss ein sachlicher Zusammenhang und zwischen diesen Einwirkungen und der Erkrankung muss ein (wesentlicher) Ursachenzusammenhang bestehen. Der Versicherte muss darüber hinaus gezwungen gewesen sein, alle gefährdenden Tätigkeiten aufzugeben. Als Folge dieses Zwangs muss die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit tatsächlich erfolgt sein. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, liegt eine BK 2108 nicht vor (BSG a.a.O.).

Im vorliegenden Fall ist die Einwirkungskausalität der versicherten Tätigkeiten des Klägers für eine BK nach Nr. 2108 zu bejahen.

Die für eine BK nach Nr. 2108 erforderliche haftungsbegründende Kausalität ist hingegen nicht wahrscheinlich.

Unter bandscheibenbedingten Erkrankungen der Lendenwirbelsäule sind chronische oder chronisch wiederkehrende Beschwerden mit Funktionseinschränkungen der Lendenwirbelsäule zu verstehen, die ursächlich auf eine Bandscheibenschädigung zurückzuführen sind oder mit einer solchen in einer kausalen Wechselbeziehung stehen (vgl. BSG Urteil vom 31.05.2005, SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2; Brandenburg, BG 1993, 791/794). Den Tatbestand der BK nach Nr. 2108 erfüllen nur solche Schäden der Wirbelsäule, die sich als das Resultat einer langjährigen schädigenden Einwirkung auf die Lendenwirbelsäule darstellen. Ein morphologisch objektivierbares Schadenssubstrat ist daher zwingend erforderlich. Die ausgelösten degenerativen Prozesse - zu denen anlagebedingte Wirbelsäulenstörungen und Fehlhaltungen nicht gehören - finden sich in durch bildgebende Verfahren objektivierbaren Formen wieder, die auch gemeinsam auftreten können: Chondrose, Osteochondrose, Spondylose, Spondylarthrose, Bandscheibenprotrusion und Bandscheibenprolaps. In den am 04.08.2005 veröffentlichten Konsensempfehlungen der interdisziplinären Arbeitsgruppe "Medizinische Beurteilungskriterien bei den Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule" (Trauma und Berufskrankheit 3, 2005, S. 211 ff.), die insoweit den derzeitigen Stand der medizinischen Wissenschaft widerspiegeln und die der Senat daher seiner Entscheidung zugrundegelegt, ist Grundvoraussetzung für die Anerkennung eines Ursachenzusammenhangs eine nachgewiesene bandscheibenbedingte Erkrankung, die ihrer Ausprägung nach altersuntypisch sein muss, bei ausreichender beruflicher Belastung mit plausibler zeitlicher Korrelation zur Entwicklung der bandscheibenbedingten Erkrankung (vgl. Konsensempfehlungen a.a.O., Nr. 1.4, S. 216). Danach spricht eine Betonung der Bandscheibenschäden an den unteren drei Segmenten der Lendenwirbelsäule eher für einen Ursachenzusammenhang der beruflichen Belastung, während ein Befall der Halswirbelsäule und/oder der Brustwirbelsäule je nach Fallkonstellation gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen kann. Für den Vergleich zwischen Lendenwirbelsäule und darüber gelegenen Wirbelsäulenabschnitten sind Chondrosen und Vorfälle maßgeblich (a.a.O.).

Die Untersuchung durch Dr. S. hat ergeben, dass beim Kläger bereits eine Bandscheibenschädigung nicht vorliegt. Nach Auswertung sämtlicher bildgebender Befunde liegen unauffällige Zwischenwirbelräume an der LWS vor. Eine geringfügige Höhenminderung des Bandscheibenraums bei L5/S1 ist nach überzeugender Beurteilung des Sachverständigen noch altersentsprechend und daher nicht pathologisch. Daraus folgt, dass eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule nicht vorliegt. Auch eine sogenannte Begleitspondylose (arthrotische Wirbelsäulenerkrankung) ist nicht gegeben. Darüber hinaus ist festgestellt worden, dass Veränderungen an der Hals- und Brustwirbelsäule vorlagen, die in erheblich stärkerem Maße ausgeprägt sind als Veränderungen der Lendenwirbelsäule. Schließlich sind Befunde im Sinne von neurologischen Ausfallerscheinungen als Beschwerdebild einer bandscheibenbedingten Erkrankung nicht erhoben worden. Eine Bandscheibenerkrankung der LWS ist nicht nachgewiesen. Außerdem wäre der berufsbedingte Zusammenhang einer solchen Erkrankung nicht wahrscheinlich. Die genannten Gesichtspunkte sprechen gegen eine berufsbedingte Verursachung der Beschwerden des Klägers an der Lendenwirbelsäule. Hiermit steht auch in Übereinstimmung, dass die Wirbelsäulenbeschwerden des Klägers in den letzten Jahren zugenommen haben. Diese Verschlimmerung nach Aufgabe der beruflichen Tätigkeit ist von Dr. S. als weiteres Indiz gegen eine berufsbedingte Verursachung gewertet worden. Dem stimmt der Senat zu und gelangt insgesamt zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen zur Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV in der Person des Klägers nicht erfüllt sind.

Anlass zur Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens besteht nicht, da der medizinische Sachverhalt ausreichend geklärt ist.

Nach alledem konnte die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben und sie war mit der Kostenentscheidung aus § 193 SGG zurückzuweisen.

Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht.
Rechtskraft
Aus
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