L 9 R 5265/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 13 R 3136/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 5265/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 27. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1951 geborene Kläger hat – nach seinen Angaben – eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker begonnen, aber nicht beendet. Seit 1973 war der Kläger als Kraftfahrer beschäftigt, zuletzt seit 1.2.1999 als Kraftfahrer für Tiefkühlkost. Seit 26.3.2007 war er wegen Schmerzen der rechten Hand und des rechten Armes arbeitsunfähig und bezog ab 27.4.2007 Krankengeld und ab 23.9.2008 Arbeitslosengeld. Der letzte Arbeitgeber des Klägers, die Firma H. & S., teilte unter dem 23.10.2007 mit, dass der Kläger bei ihnen als Lkw-Fahrer mit Führerschein Klasse C/CE beschäftigt gewesen sei, wobei es sich um eine angelernte Tätigkeit mit einer Anlernzeit von sechs Monaten gehandelt habe. Einen Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Rehabilitation vom 4.10.2007 lehnte die Beklagte am 16.10.2007 ab.

Am 28.1.2010 beantragte der Kläger die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung, da er seit dem 26.3.2007 wegen der rechten Hand und des rechten Ellenbogens keine Tätigkeiten mehr verrichten könne. Die Beklagte ließ den Kläger von dem Arzt für Chirurgie, Orthopädie und Sozialmedizin Dr. N. untersuchen. Dieser stellte beim Kläger im Gutachten vom 18.2.2010 folgende Diagnosen: • Unklares Schmerzsyndrom der rechten Hand mit eingeschränktem Faustschluss und leichter seitendifferenten Kraftminderung rechts • Hüftverschleißveränderungen beidseits ohne Beschwerden • Extensorensehnendegenerationsveränderungen des rechten Ellenbogens, derzeit ohne Bewegungseinschränkung, ohne sichere Reizzeichen, • Bluthochdruck, medikamentös eingestellt, ohne bekannte assoziierte Folgeerkrankungen, • Zustand nach Karpaltunnelspaltung links und rechts. Die letzte Tätigkeit als LKW-Fahrer mit Be-/Entladen und unter Belastung durch Temperatureinwirkungen könne der Kläger nur noch unter drei Stunden täglich verrichten. Leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung seien dagegen noch vollschichtig (sechs Stunden und mehr) zumutbar. Zu vermeiden seien festes/kräftiges, langanhaltendes Zupacken mit der rechten Hand, Tätigkeiten unter besonderen Anforderungen an die Fingerfein-/-grobmotorik sowie unter relevantem Vibrations-/Witterungseinfluss.

Mit Bescheid vom 4.3.2010 lehnte die Beklagter den Rentenantrag des Klägers ab, weil er noch in der Lage sei mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein. Der Kläger sei auch nicht berufsunfähig, weswegen er keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit habe. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte nach Einholung einer Stellungnahme bei Dr. H.-Z. vom 27.5.2010 mit Widerspruchsbescheid vom 10.8.2010 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 8.9.2010 Klage zum Sozialgericht (SG) Ulm erhoben, mit der er die Gewährung von Rente weiter verfolgt hat.

Das SG hat den behandelnden Arzt des Klägers schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört, Arztbriefe, u. a. des Schmerzzentrums G. vom 21.9.2009, beigezogen und ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten eingeholt.

Der Hausarzt des Klägers, der Internist Dr. W., hat unter dem 22.10.2010 über die Behandlungen des Klägers seit Mitte 2009 berichtet und erklärt, eine berufliche Tätigkeit als Kraftfahrer für Tiefkühlkost sei aufgrund der starken Belastung des rechten Handgelenks und der rechten Ellenbogenregion nicht mehr möglich, zumal auch die Kälteexposition bei Auslieferung der Tiefkühlware hinzukomme. Bis zum Auslaufen des Krankengeldes sei der Kläger arbeitsunfähig gewesen; seit Mitte 2009 seien keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausgestellt worden.

Der Neurologe und Psychiater Dr. K. hat beim Kläger im Gutachten vom 14.7.2011 Ellenbogenschmerzen rechts ohne neurologisches Korrelat diagnostiziert und ausgeführt, aktuell finde keine psychiatrische oder psychotherapeutische Therapie statt; die Medikation bestehe lediglich aus einer bedarfsweisen Einnahme von Ibuprofen als eher leichtem Schmerzmittel. Psychopharmaka seien bisher wohl nie eingesetzt worden. Bei der Begutachtung sei der psychopathologische Befund weitgehend unauffällig ohne Verlangsamung oder gravierende depressive Verstimmung gewesen. Eine eigenständige Schmerzerkrankung sei nicht zu erkennen. Entsprechend fänden auch keine häufigeren Arztbesuche statt und auch kein häufiger Wechsel medizinischer Therapien. Im Lokalbefund ergäben sich keine Hinweise auf ein CRPS (komplexes regionales Schmerzsyndrom) II. Bei den neurophysiologischen Untersuchungen habe sich kein ausreichendes organisches Korrelat für die geklagten Schmerzen ergeben. Die Reflexe am rechten Ellenbogen seien leicht herabgesetzt gewesen, da hier aufgrund der erst kurz zurückliegenden Operation (operativer Eingriff mit Entfernung eines Knochenvorsprungs am rechten Ellenbogen mit dem Ziel einer Schmerzlinderung) eine vermehrte Schmerzempfindlichkeit bei der Untersuchung bestanden habe. Eine sicher reproduzierbare Reflexdifferenz habe sich jedoch nicht gefunden. Auch die neurologischen Messwerte der Nerven am rechten Arm seien normal, ohne Hinweise auf eine periphere Nervenschädigung, gewesen. Es bestehe auf seinem Fachgebiet lediglich eine leichtgradige, mürrisch-gefärbte Verstimmung aufgrund chronischer Schmerzen im rechten Ellenbogen. Eine gravierende depressive Erkrankung oder eine somatoforme Störung lasse sich dagegen nicht begründen, so dass eine eigenständige Erkrankung auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet nicht vorliege. Vermeiden müsse der Kläger Tätigkeiten mit monotoner Körperhaltung, schwerem Heben und größeren Ansprüchen an die Gebrauchsfähigkeit des rechten Armes. Unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen könne der Kläger Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden täglich verrichten. Hierfür sprächen auch die erhaltenen Aktivitäten im Alltag und der regelmäßige Gebrauch eines Kraftfahrzeugs.

Mit Gerichtsbescheid vom 27.10.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert, weil er noch in der Lage sei, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Dies ergebe sich aus dem Gutachten des Dr. N. und des Dr. K. sowie den aus den Arztbriefen ersichtlichen Befunde. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf die Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Da er keine Ausbildung absolviert habe und zuletzt als angelernter LKW-Fahrer versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei, sei er als sog. einfacher Angelernter auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, die er noch ausüben könne, verweisbar. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen das am 4.11.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 30.11.2011 Berufung eingelegt und vorgetragen, angesichts seiner Schmerzen im rechten Arm sei sein Leistungsvermögen in rentenrelevantem Maße eingeschränkt. Er habe Schmerzen beim Heben vom Gegenständen, beim Tragen und auch bei Bewegungen. Hinzu komme nun noch, dass auch am linken Arm entsprechende Beschwerden eingetreten seien. Der behandelnde Orthopäde Dr. B. habe diesbezüglich eine Verkalkung festgestellt und eine Spritzentherapie eingeleitet, die keine Verbesserung gebracht habe. Auch im linken Arm kämen die Schmerzen immer wieder.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 27. Oktober 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 4. März 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert, aus der Berufungsbegründung ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte, die eine Änderung ihres bisherigen Standpunktes zuließen.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier vom Kläger beanspruchte Rente wegen voller und teilweiser Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit- §§ 43, 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) - dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung bzw. wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht besteht, weil der Kläger noch wenigstens sechs Stunden täglich leistungsfähig und nicht berufsunfähig ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren uneingeschränkt an, sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zurück.

Neue Gesichtspunkte ergeben sich auch nicht daraus, dass die Schmerzen, die zunächst vor allem rechts aufgetreten sind, nunmehr zeitweise auch links auftreten. Denn obwohl der Kläger sich aufgrund der Schmerzen der rechten Hand und des rechten Ellenbogens zu keinen Tätigkeiten mehr in der Lage sah (vgl. Rentenantrag), konnten gravierende Funktionseinschränkungen weder bei der gutachterlichen Untersuchung durch Dr. N. noch bei Dr. K. festgestellt werden. So lag bei der gutachterlichen Untersuchung durch Dr. N. die Fingerspanne der Finger 1 bis 5 bei 20 cm (Handspanne passiv 21 cm); die Schultergelenke und die Ellenbogengelenke waren beidseits frei beweglich, Nacken- und Schürzengriff waren unbeeinträchtigt. Die geltend gemachten Gesundheitsstörungen hinderten den Kläger auch nicht daran, die Kehrwoche durchzuführen und Salz auszustreuen, wie aus dem Gutachten von Dr. N. zu entnehmen ist. Gravierende Leistungseinschränkungen lassen sich ebenfalls nicht aus dem Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. K. entnehmen. So war der Kläger – trotz Ruhigstellung des rechten Armes im Gips nach einer kürzlich erfolgten Operation – in der Lage, sich selbstständig auszuziehen und Pkw zu fahren. Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerden des linken Armes gravierender wären als auf der rechten Seite, sind nicht vorhanden, so dass dadurch keine weitergehenden Funktionseinschränkungen hervorgerufen werden.

Nach alledem war der angefochtene Gerichtsbescheid des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung des Klägers musste deswegen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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