L 11 KR 22/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 1966/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 22/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
"Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung haben derzeit (Behandlungen bis März 2011) keinen Anspruch auf ambulante Behandlung der aktinischen Keratose mittels Photodynamischer Therapie (PDT).
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 07.12.2010 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Im Streit steht die Erstattung der Kosten für die Behandlung einer aktinischen Keratose mittels Photodynamischer Therapie (PDT).

Der 1951 geborene, bei der Beklagten versicherte Kläger litt unter einer flächenhaften aktinischen Keratose an Decolleté, Rücken, Armen, Beinen, Händen und Gesicht. Seit ca 1995 steht der Kläger wegen dieser Erkrankung in hautärztlicher Behandlung. Es erfolgten Therapien mittels Vitamin A-Säure, Solaraze®, Kryotherapie (Kältetherapie), Aldara® und Efudix®. Seit Mai 2009 mussten mehrere Basalzellkarzinome entfernt werden. Die PDT bei aktinischer Keratose wurde bislang nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) empfohlen. Ein Antrag zur Prüfung dieser Methode liegt derzeit nicht vor (Stand: 16.01.2012).

Mit Schreiben vom 18.12.2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für eine PDT. Seinem Antrag fügte er ein Schreiben der Hautklinik des Universitätsklinikums H. bei, wonach die PDT aufgrund des ausgeprägten flächenhaften Befundes und der erfolglos durchgeführten Vortherapien indiziert sei. Mit Bescheid vom 26.01.2010 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die beantragte PDT sei vom GBA nicht anerkannt. Eine Kostenübernahme könne daher nicht erfolgen. Hiergegen legte der Kläger am 04.02.2010 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 30.04.2010 zurückgewiesen wurde. Der GBA habe nur bei bestimmten Augenerkrankungen die PDT zugelassen. Zur Behandlung einer aktinischen Keratose stünden in der vertragsärztlichen Versorgung die chirurgische Exzision, die Kryotherapie, die Kürretage (Ausschabung) mit oder ohne Elektrodesikkation (Austrocknung) sowie verschiedene pharmakologische Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung.

Die PDT wurde ambulant im Universitätsklinikum H. vom 22.03.2010 bis 25.06.2010 durchgeführt. Das Klinikum rechnete gegenüber dem Kläger auf Basis der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) ab. Es forderte einen Betrag in Höhe von insgesamt 3.360,00 EUR.

Am 28.05.2010 hat der Kläger beim Sozialgericht Mannheim (SG) Klage erhoben und zur Begründung ein Schreiben von Prof. E., Ärztlicher Direktor der Hautklinik des Universitätsklinikums H., vorgelegt, wonach die von der Beklagten benannten chirurgischen Maßnahmen (Exzision und Kürettage), die Kryotherapie und Elektrodesikkation aufgrund der ausgeprägten flächenhaften Schädigung nicht zielführend seien, da zu viele Läsionen einzeln behandelt werden müssten. Zudem böten diese Methoden keinen prophylaktischen Effekt. Zugelassene pharmakologische Behandlungsmöglichkeiten (Solaraze®, Aldara®, Efudix®) kämen auch nicht in Frage, da die Behandlungsflächen limitiert seien und nachteiliger Weise gesunde Hautstellen nicht ausgespart werden könnten. Zudem seien Therapien mit diesen Arzneimitteln bereits erfolglos durchgeführt worden. Die PDT sei daher Behandlungsmethode der ersten Wahl. Sie gehöre bereits zum Standardrepertoire der Behandlung nichtmelanozytärer Hauttumore. Die PDT werde als hoch effektive Methode zur Behandlung aktinischer Keratosen bewertet. Zudem biete sie ein exzellentes kosmetisches Ergebnis.

Das SG hat die Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Dr. W., Hautarzt, berichtete über die Behandlung der aktinischen Keratosen im Zeitraum von Mai bis Juli 2009. Er habe zwei Basalzellkarzinome beim Kläger entfernt. Aufgrund der Ausdehnung der aktinischen Keratosen sei eine PDT empfohlen worden. Die PDT gelte als Goldstandard, müsse als individuelle Gesundheitsleistung (IGL) vom Patienten jedoch selbst bezahlt werden. Der Hautarzt Dr. J. teilte mit, den Kläger im Jahr 2006 mittels Vitamin A-Säure behandelt zu haben. Seine Erfahrungen mit der PDT seien nicht positiv. Mangels guter Alternativtherapien könne diese Therapie versuchsweise zum Einsatz kommen. Aufgrund der Erkrankung bestünde ein erhöhtes Risiko an Krebs zu erkranken. Der Hautarzt Dr. B. berichtete über Behandlungen mit Solaraze®, Kryotherapie, Aldara® und Efudix® im Zeitraum von 2002 bis 2005. Die topischen Behandlungsmöglichkeiten seien ausgeschöpft gewesen. Einzig seien noch aufwändige Exzisionen mit Narbenfolge möglich gewesen. Die PDT sei vergleichsweise unkomplizierter und schonender. Die Erfolgsquoten seien hoch. Die PDT würde jedoch nur von privaten Krankenkassen übernommen. Als nächste Therapie hätte er dem Kläger eine PDT empfohlen. Der Kläger habe die Behandlung bei ihm jedoch abgebrochen. Aus der aktinischen Keratose könne sich Hautkrebs entwickeln.

Mit Urteil vom 07.12.2010 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 26.01.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.04.2010 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, eine weitere PDT als Sachleistung durchzuführen und die hierfür bislang angefallenen Kosten zu erstatten. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die PDT sei zwar eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode, die vom GBA bislang nicht zugelassen sei. Sie gehöre daher nicht zum Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Gleichwohl habe der Kläger in Anlehnung an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 06.12.2005 (1 BvR 347/98) einen Anspruch auf Behandlung mittels PDT bzw Kostenerstattung. Die aktinische Keratose sei eine schwere Krankheit mit nicht unerheblichem Risiko, an Hautkrebs zu erkranken. Spätestens bei Entstehen eines bösartigen Hautkrebs sei das Kriterium einer schweren, regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung erfüllt. In einer solchen Situation gebiete es die Prävention, schon im Vorfeld einem solchen Verlauf entgegenzuwirken. Dem Kläger könne es nicht zugemutet werden, mit der Durchführung der PDT so lange abzuwarten, bis tatsächlich eine manifeste Hautkrebserkrankung vorliege. Hinzu komme, dass beim Kläger große Flächen betroffen seien, so dass chirurgische Behandlungsverfahren und eine Kürretage zur umfassenden Behandlung von vornherein ausschieden. Die anerkannten medikamentösen Behandlungsmethoden seien erfolglos geblieben. Die PDT sei auch gut geeignet, die Hautveränderungen zu behandeln.

Vom 31.01.2011 bis 31.03.2011 fand eine weitere ambulante PDT im Universitätsklinikum H. statt. Hierfür forderte das Klinikum vom Kläger einen Betrag in Höhe von insgesamt 3.280,25 EUR.

Am 04.01.2011 hat die Beklagte beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, die Kriterien der Entscheidung des BVerfG vom 06.12.2005 seien nicht erfüllt. Es liege keine regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung vor. Das SG habe auf zukünftige ungewisse Ereignisse abgestellt. Dies reiche nicht, um eine notstandsähnliche Situation bejahen zu können. Zudem stünden schulmedizinische Behandlungsmethoden zur Verfügung. Allein die damit verbundene mögliche Narbenbildung könne nicht zum Erfolg der Klage verhelfen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 07.12.2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Beklagte verurteilt wird, dem Kläger 6.640,25 EUR zu zahlen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Er hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Zur Begründung hat der Kläger vorgetragen, es müsse die Verpflichtung der Beklagten, präventive Maßnahmen zu erbringen, berücksichtigt werden. Das Auftreten der großflächigen Hauterkrankung am ganzen Körper sei immer wieder zu befürchten. Die PDT führe auch zur vorbeugenden Linderung einer starken Belastung. Die aktinische Keratose könne Hautkrebs verursachen und bedürfe daher einer adäquaten Behandlung. Alle schulmedizinischen Behandlungen seien erfolglos geblieben. Aufgrund der Größe der betroffenen Hautpartien könnten chirurgische oder chemotherapeutische Maßnahmen nicht zum Einsatz kommen. Bereits mehrfach hätten Karzinome entfernt werden müssen. Die konkrete Gefahr für eine Hautkrebserkrankung sei sehr wahrscheinlich. Nur die PDT könne eine mainfeste Hautkrebserkrankung verhindern. Art 1 Grundgesetz (GG) sei verletzt, wenn ihn der Hautkrebs befallen würde. Es dürfe ihm nicht zum Nachteil gereichen, dass sich der GBA seit mehr als einem Jahr nicht zu der Effektivität und Wirksamkeit der PDT äußere. Die lange Entscheidungsdauer hindere nicht die Anwendung eines erprobten, aber noch nicht anerkannten Heilmittels. Der GBA müsse zudem den aktuellen Stand der medizinischen Erkenntnisse bei seinen Entscheidungen berücksichtigen. Die PDT sei mittlerweile eine Standardtherapie zur Behandlung von Hautumoren. Bereits seit fünf Jahren werde die PDT in der Augenheilkunde eingesetzt. Eine zwischenzeitlich erhobene Anschlussberufung hat der Kläger wieder zurückgenommen.

Das LSG hat weiter Beweis erhoben durch schriftliche Befragung von Prof. E. als sachverständigen Zeugen. Dieser teilte mit, der Kläger leide an einer multiplen flächenhaften aktinischen Keratose mit Feldkanzerisierung, die als Carcinoma in situ eine frühe Stufe des weißen Hautkrebses darstelle. Unbehandelt könnten diese in ein invasives Spinaliom übergehen. Es seien bereits mehrfach Karzinome in Form von Basaliome in sano operiert worden. Der erste Behandlungszyklus der PDT habe eine deutliche Verbesserung des gesamten Hautbildes herbeigeführt. Der zweite Zyklus dauere noch an. Durch die PDT würden gezielt die kranken Hautzellen mittels einer chemischen Reaktion zerstört. Das gesunde umliegende Gewebe werde geschont. Die Bestrahlung verursache Schmerzen, weshalb Schmerzmittel eingenommen werden müssten.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beauftragte das LSG Prof. Dr. S., Chefarzt einer Klinik für Dermatologie und Allergologie, mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens. Im Gutachten vom 20.02.2012 führte Prof. Dr. S. aus, er wende die PDT bei einer Vielzahl von Indikationen routinemäßig an. Er sei Vizepräsident der Europäischen Gesellschaft für PDT in der Dermatologie und maßgeblich an der Gestaltung der GOÄ-analog-Abrechnungsziffern beteiligt gewesen. Mittlerweile klinisch zugelassene Präparate zur PDT habe er im Zulassungsprozess wissenschaftlich begleitet.

Bei der Untersuchung des Klägers hätten sich keine aktinische Keratose und Hauttumore gezeigt. Aktuell bestünden ein seborrhoisches Ekzem und eine aktinische Porokeratose. In der Vergangenheit sei neben der aktinischen Porokeratose auch eine aktinische Keratose gesichert gewesen. Die Erkrankungen seien nicht lebensbedrohlich oder regelmäßig tödlich verlaufend. Bei aktinischen Keratosen handele es sich um eine aufgrund chronischer Lichtschäden auftretende maligne Entartung von Hautdeckzellen. Prinzipiell könnten diese in invasive Plattenepithelkarzinome übergehen. Es bestehe eine Wahrscheinlichkeit von 6 bis 8 %. Auch das Auftreten von Plattenepithelkarzionmen sei primär nicht zwingend lebensbedrohlich oder regelmäßig tödlich verlaufend. Bei frühzeitigem Erkennen könne durch eine operative Entfernung oder ein adäquates therapeutisches Vorgehen eine Heilung erzielt werden, insbesondere dann, wenn der Tumor nicht dicker als 2 mm in seiner vertikalen Ausbreitung sei.

Eine systematische Behandlung und Erforschung der aktinischen Porokeratose erfolge aufgrund der geringen Fallzahl nicht. Da es sich um eine chronische Erkrankung ohne Lebensbedrohung handele, genügten regelmäßige klinische Kontrollen, um das Auftreten aktinischer Keratosen oder anderer Hauttumore rechtzeitig zu erkennen. Die aktinische Keratose werde dagegen intensiv national und international erforscht. Es gebe nationale und internationale Leitlinien. Eine S3-Leitlinie (basierend auf dem höchsten Evidenzgrad) befinde sich in Vorbereitung. Es gebe zahlreiche gut evaluierte Behandlungsoptionen wie physikalische Therapiemaßnahmen (Exzision, Kürettage, Elektrodesikkation, Kryotherapie, Abtragung mittels Laser), medikamentöse Therapien (Solaraze®, Aldara®, Efudix®) und die PDT (Metvix®, Ameluz®, Alacare®). Es lägen gut dokumentierte klinische Studien vor, die die Wirksamkeit der jeweiligen Therapien belegten. Bei der feldgerichteten Behandlung, die bei einer ausgedehnten Feldkanzerisierung zur Anwendung komme, dominiere die Therapie mit Solaraze®. Nicht in allen Fällen komme es damit zu einer kompletten Abheilung. Diese Behandlung werde daher häufig mit einer nachfolgenden, läsionsgerichteten Behandlung kombiniert. Bei der läsionsgerichteten Behandlung kämen überwiegend die physikalischen Therapiemethoden zum Einsatz. In der Summe der Anwendungen ergebe sich eine gute Gesamtkontrolle der aktinischen Keratosen. Nach neueren Erkenntnissen sei es nur schwer möglich, mit einer einmaligen Behandlung eine komplette Heilung zu erzielen. Die Vorteile der PDT seien die hohe Heilungsrate, das ausgezeichnete kosmetische Ergebnis und die Minimierung der Schädigung normaler umgebender Haut. Außerdem würden auch kleinere, bislang nicht sichtbare Läsionen erfasst, woraus mittelfristig eine gute Kontrolle des Erkrankungsgeschehens resultiere. Das neuerliche Auftreten könne um etwa ein halbes Jahr hinausgezögert werden. Es sei zu vermuten, dass entsprechende Effekte mit anderen therapeutischen Maßnahmen, zB der Applikation von Imiquimod, möglich seien. Prinzipiell bestehe bei der Behandlung mittels PDT eine auf Indizien und wissenschaftlichen Studien begründete Aussicht auf komplette Heilung. Dies habe in den letzten Jahren zur Anerkennung der PDT als Standardtherapie in der Dermatoonkologie geführt. Die PDT mit den zugelassenen Präparaten (Metvix®, Ameluz®, Alacare®) sei jedoch lediglich für die Behandlung von aktinischen Keratosen milder bis mittlerer Ausprägung zugelassen, nicht für solche im Übergang zum Plattenepithelkarzinom. Für Letzteres sei die PDT kontraindiziert. Für die Behandlung der aktinischen Porokeratose sei die PDT nur eingeschränkt geeignet.

Sofern beim Kläger ein umfangreiches Befundbild mit multiplen aktinischen Keratosen an den beschriebenen Körperarealen bestanden habe (was mangels vorliegender Fotodokumentation nicht beurteilt werden könne), sei die PDT im Rahmen eines Gesamtbehandlungskonzeptes durchaus als sinnvoll zu erachten. Retrospektiv könne dies aber nur schwer beurteilt werden. Sollten milde bis mittlere aktinische Keratosen vorgelegen haben, sei die PDT eine therapeutische Option gewesen. Als Indiz für die Wirksamkeit möge die aktuelle fehlende aktinische Keratose gelten.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte und auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG zulässig und begründet. Das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Denn der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 26.01.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.04.2010 ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Behandlungen mittels PDT.

Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 iVm Abs 4 SGG) ist der die Gewährung einer Krankenbehandlung mittels einer PDT als Sachleistung ablehnende Bescheid der Beklagten vom 26.01.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.04.2010. Soweit der Kläger nach Ablehnung der Sachleistungserbringung sich die Krankenbehandlung selbst beschafft hat, wandelt sich das Begehren auf eine Kostenerstattung um. Streitgegenständlich ist die Kostenerstattung für die Behandlungen vom 22.03.2010 bis 25.06.2010 und vom 31.01.2011 bis 31.03.2011, nachdem der Kläger im Berufungsverfahren sein Begehren hierauf beschränkt hat.

Anspruch auf Kostenerstattung nach § 13 Abs 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) setzt in beiden Regelungsalternativen einen Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen die Krankenkasse voraus. Denn der Kostenerstattungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch. Er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben. Der Kläger hat jedoch keinen Sachleistungsanspruch nach § 27 Abs 1 SGB V.

Die vorliegend streitige Behandlung wurde ambulant in einem iSd § 108 Satz 1 Nr 1 SGB V zugelassenen Krankenhaus erbracht. Ob der Anspruch des Klägers bereits deshalb nicht gegeben ist, weil das Universitätsklinikum zur ambulanten Erbringung der streitgegenständlichen Leistung gar nicht berechtigt war, lässt der Senat offen. Der geltend gemachte Kostenübernahme- bzw Kostenerstattungsanspruch scheitert daran, dass die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Krankenbehandlung nicht erfüllt sind.

Nach § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst nach § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB V die (ambulante) ärztliche Behandlung. Gemäß § 28 Abs 1 Satz 1 SGB V umfasst die (ambulante) ärztliche Behandlung die Tätigkeit des Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. Insoweit entspricht die Vorgabe des § 28 Abs 1 Satz 1 SGB V auch dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs 1 Satz 1 SGB V, wonach die Leistungen der Krankenkassen der GKV ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen. Sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs 1 Satz 2 SGB V). Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen (§ 2 Abs 1 Satz 3 SGB V). Dies ist bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V nur dann der Fall, wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat.

Eine Behandlung auf der Grundlage von § 116b SGB V in der bis zum 01.01.2012 geltenden Fassung, bei der die rechtlichen Grenzen des § 135 SGB V nur in eingeschränktem Umfang gelten (BSG 27.03.2007, B 1 KE 25/06 R, SozR 4-2500 § 116b Nr 1), hat nicht stattgefunden.

Der Anwendung des § 135 SGB V steht nicht entgegen, dass bei der vorliegend streitigen Behandlung zugelassene Arzneimittel (Metvix®, Ameluz®, Alacare®) zur Anwendung kommen. Bei einer PDT kommt der Handhabung durch den Arzt für den Therapieerfolg ein mindestens ebenso großes Gewicht zu wie dem Wirkprinzip des in den Körper eingebrachten Stoffes. Die Behandlung geht über das schlichte Verabreichen eines Arzneimittels hinaus, weshalb die PDT als Behandlungsmethode anzusehen ist. Die arzneimittelrechtliche Zulassung genügt somit nicht. Es bedarf auch einer Empfehlung des GBA. Das Bundessozialgericht (BSG) hat dies bezogen auf eine PDT bei Augenerkrankungen bereits entschieden (Urteil vom 19.10.2004, B 1 KR 27/02 R, juris). Für die hier streitige dermatologische PDT gilt nichts anderes. Nach den aktenkundigen Befundunterlagen und den Ausführungen des Gutachters Prof. Dr. S. handelt es sich um eine Kombinationsbehandlung, die aus dem punktuellen Auftragen des Wirkstoffs auf der Hautveränderung und einer anschließenden Lichtbestrahlung besteht. Mit einer bloßen Verabreichung eines Medikaments ist dieser Vorgang nicht vergleichbar. Die PDT stellt somit auch im dermatologischen Anwendungsbereich eine Behandlungsmethode im Sinne des § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V dar. Es handelt sich zudem um eine "neue" Behandlungsmethode, da die PDT bei der vorliegenden Indikation nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) für vertragsärztliche Leistungen enthalten ist. Die PDT bedarf mithin der Empfehlung des GBA. Der GBA hat bislang jedoch über die Anwendung der PDT zur Behandlung aktinischer Keratosen nicht entschieden. Die PDT zur Behandlung aktinischer Keratosen ist deshalb vom Leistungsumfang der GKV nicht mit umfasst.

Ein Ausnahmefall, in dem es keiner positiven Empfehlung des GBA bedarf, liegt nicht vor. Ein Systemversagen wegen verzögerter Bearbeitung eines Antrags auf Empfehlung einer neuen Methode (vgl dazu BSG 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R, BSGE 97, 190) liegt nicht vor, da ein entsprechender Antrag bislang noch nicht gestellt wurde. Auch ein Seltenheitsfall ist nicht gegeben. Voraussetzung wäre ein singulärer Krankheitsfall, so dass generelle wissenschaftliche Aussagen zur Therapie der Krankheit infolge der geringen Zahl an Patienten so gut wie ausgeschlossen sind (BSG 19.10.2004, B 1 KR 27/02 R, BSGE 93, 236-252). Die aktinische Keratose ist keine seltene Erkrankung. Nach der Leitlinie "Aktinische Keratose" der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie (Stand 09/2004, abrufbar unter ww.ado-hompage.de) kommt diese Erkrankung bei hellhäutigen Menschen sehr häufig vor. In Europa leiden 34 % der Männer über 70 Jahren an dieser Hauterkrankung. Nach Angaben des Gutachters Prof. Dr. S. wird die aktinische Keratose intensiv national und international erforscht. Ein Seltenheitsfall liegt damit nicht vor. Die positive Empfehlung des GBA nach § 135 SGB V ist somit nicht entbehrlich.

Auch mittels einer grundrechtsorientierten Auslegung der Regelungen des SGB V kann vorliegend nicht auf das Erfordernis einer positiven Empfehlung des GBA nach § 135 SGB V verzichtet werden. Denn eine derartige verfassungskonforme Auslegung setzt ua voraus, dass eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung vorliegt (BVerfG 06.12.2005, 1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25-51; BSG 04.04.2006, B 1 KR 7/05 R, BSGE 96, 170-182; BSG 04.04.2006, B 1 KR 12/04 R, BSGE 96, 153-161; seit 01.01.2012: § 2 Abs 1a Satz 1 SGB V). Daran fehlt es vorliegend. Die aktinische Keratose ist selbst nicht lebensbedrohlich oder regelmäßig tödlich verlaufend. Dies hat der Gutachter Prof. Dr. S. bestätigt. Es besteht lediglich die Möglichkeit, dass sich Plattenepithelkarzinome entwickeln. Die Wahrscheinlichkeit hierfür besteht nach Ausführungen des Gutachters bei 6 bis 8 %. Der oben genannten Leitlinie "Aktinische Keratose" ist ein Wahrscheinlichkeitsgrad von etwa 10 % (6 bis 16 %) zu entnehmen. Dieses Risiko hatte sich beim Kläger noch nicht realisiert. Die entfernten Tumore stellten keine Plattenepithelkarzinome, sondern Basaliome dar. Aber auch Plattenepithelkarzinome sind primär nicht zwingend lebensbedrohlich oder regelmäßig tödlich verlaufend. Bei frühzeitiger Erkennung kann durch operative Entfernung eine Heilung erzielt werden. Dies entnimmt der Senat dem Sachverständigengutachten von Prof. Dr. S ... Es lag mithin vor Beginn der streitigen Behandlungen keine Erkrankung beim Kläger vor, die lebensbedrohlich oder regelmäßig tödlich verlaufend ist. Die aktinische Keratose ist auch nicht mit solchen Erkrankungen vergleichbar. Das BSG hat das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Krankheit und eine Gleichstellung selbst bei einem Prostatakarzinom im Anfangsstadium ohne Hinweise auf metastatische Absiedlungen verneint (Urteil vom 04.04.2006, B 1 KR 12/05 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 8). Es handele sich nicht um eine notstandsähnliche Extremsituation, in denen das Leistungsrecht der GKV aus verfassungsrechtlichen Gründen gegenüber den allgemein geltenden Regeln zu modifizieren wäre. Von einem solchen Fall ist auch vorliegend auszugehen.

Im Übrigen standen allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Untersuchungsmethoden zur Verfügung. Auch aus diesem Grund scheidet eine verfassungskonforme Auslegung des geltenden Rechts aus (BVerfG 06.12.2005, 1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25-51; BSG 04.04.2006, B 1 KR 7/05 R, BSGE 96, 170-182). Es gibt zahlreiche gut evaluierte Behandlungsoptionen wie physikalische Therapiemaßnahmen (Exzision, Kürettage, Elektrodesikkation, Kryotherapie, Abtragung mittels Laser) und medikamentöse Therapien (Solaraze®, Aldara®, Efudix®). Bei einer ausgedehnten Feldkanzerisierung, wie sie beim Kläger nach Lage der Akten vor der Behandlung mittels PDT vorlag, dominiert nach Angaben des Sachverständigen die Therapie mit Solaraze®. Diese Behandlung wird mit einer nachfolgenden, läsionsgerichteten physikalischen Therapie kombiniert. Es wird dadurch eine gute Gesamtkontrolle der aktinischen Keratosen erzielt. Nach Auffassung des Gutachters stellte die PDT nur "eine therapeutische Option" dar. Dem Gutachten kann nicht entnommen werden, dass es sich im Fall des Klägers um die einzige noch verbleibende Therapiemöglichkeit nach Ausschöpfung sämtlicher zugelassener Methoden handelte. Nach Aussage des Hautarztes Dr. B. wären noch Exzisionen möglich gewesen. Dass die PDT Vorteile gegenüber den zugelassenen Methoden aufweist (ua hinsichtlich der Narbenbildung), rechtfertigt allein keine Abweichung vom Leistungsumfang der GKV.

Ein Anspruch auf Kostenerstattung ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht daraus, dass medizinische Leistungen zur Verhütung von Krankheiten und Prävention (§§ 20 ff SGB V) zum Leistungsumfang der GKV zählen. Zum einen hängt die Möglichkeit der Bildung von Plattenepithelkarzinomen mit der behandlungsbedürftigen Grunderkrankung einer aktinischen Keratose zusammen, so dass die Maßnahmen der Krankenbehandlung nach § 27 SGB V und nicht den Vorsorgeleistungen nach §§ 20 ff SGB V zuzuordnen sind (vgl zur Abgrenzung BSG 16.11.1999, B 1 KR 9/97 R, BSGE 85, 132). Zum anderen unterliegen auch im Rahmen von Vorsorgeleistungen erbrachte neue Behandlungsmethoden dem Erlaubnisvorbehalt des § 135 SGB V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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