Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 R 626/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 504/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 23.01.2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die am 1961 geborene Klägerin ist t. Staatsangehörige und lebt seit Oktober 1977 in Deutschland. Sie hat keine Berufsausbildung absolviert und war zuletzt als Reinemachefrau versicherungspflichtig beschäftigt. Im Vordergrund der gesundheitlichen Beschwerden der Klägerin stehen ein Ganzkörperschmerz sowie eine Einschränkung der Herzfunktion nach Mitralklappenersatz im Jahre 1988.
Wie zuvor schon einen früheren Rentenantrag lehnte die Beklagte auch den Rentenantrag vom 20.08.2009 ab (Bescheid vom 21.09.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.01.2010) und stützte sich dabei auf das im früheren Rentenverfahren eingeholte Gutachten des Internisten Dr. S. (Untersuchung Januar 2009), der eine somatoforme Schmerzstörung, eine Fingerpolyarthrose beidseits sowie Rizarthrose ohne nennenswerte Einschränkung der Fingerfunktion und einen Zustand nach Mitralklappenersatz diagnostizierte und die Klägerin für in der Lage hielt, leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ebenso wie die Tätigkeit einer Putzfrau vollschichtig auszuüben. Die Tätigkeit solle ohne ständigen erhöhten Kraftaufwand der Hände und - wegen der Marcumareinnahme - ohne erhöhte Verletzungsgefahr erfolgen.
Das am 29.01.2010 angerufene Sozialgericht Stuttgart hat die Frauenärztin Dr. L.-B. (auch unter gynäkologischem Aspekt weiterhin vollschichtige Leistungsfähigkeit für eine Tätigkeit als Reinigungskraft) und den Internisten und Kardiologen Dr. von Sch. schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Dr. von Sch. hat über ein letztmalig im April 2009 durchgeführtes Belastungs-EKG mit einer Belastung bis zum Ende der 75-Watt-Stufe (Abbruch wegen Gelenkbeschwerden) berichtet und die Klägerin wegen der deutlich eingeschränkten Herzleistung nur noch in der Lage gesehen, drei bis sechs Stunden täglich leichte Tätigkeiten auszuüben. Hierzu hat Obermedizinalrat F. für die Beklagte darauf hingewiesen, dass die faktische Spitzenbelastbarkeit bis zur 75-Watt-Belastungsstufe dem Beginn mittelschwerer körperlichen Spitzenbelastbarkeit entspräche und es somit keine Begründung gebe, warum leichte Betätigungen im Berufsleben nicht möglich sein sollten.
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat das Sozialgericht das nervenärztliche Gutachten von Dr. O. eingeholt. Sie hat eine schwierige Exploration dokumentiert, weil die Klägerin nicht alles verstehe und sich auch nicht immer verständlich auf Deutsch ausdrücke. Im psychischen Befund hat sie einen unruhigen Antrieb, eine depressive Stimmung, eine nur leicht beeinträchtigte Schwingungsfähigkeit und Konzentrationsfähigkeit beschrieben, im Übrigen jedoch keine Auffälligkeiten gefunden. Einen sekundären Krankheitsgewinn hat sie nicht ausgeschlossen. Die Sachverständige hat eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine mittelgradige depressive Episode und eine Marcumarisierung diagnostiziert und (so die Klarstellungen im Berufungsverfahren) die Klägerin nur für in der Lage erachtet, drei bis unter sechs Stunden leichte Tätigkeiten, ohne häufiges Bücken, ohne einseitige Körperhaltung, ohne Überkopfarbeit, Zeitdruck und Schichtarbeit auszuüben. Zu diesem Gutachten hat die Beklagte zwei beratungsärztliche Stellungnahmen des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie B. vorgelegt, in der dieser darauf hingewiesen hat, dass die von der Sachverständigen vorgenommenen Testungen unvollständig seien, dass die Konsistenzprüfung der Schmerzangaben im Gutachten fehlen würde und dass der erhobene Befund keine depressive Symptomatik von quantitativer Leistungsrelevanz begründen würde.
Mit Gerichtsbescheid vom 23.01.2012 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und nach Darstellung der Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI -) ausgeführt, die Klägerin könne noch zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr täglich ausüben.
Hiergegen hat die Klägerin am 31.01.2012 Berufung eingelegt. Sie stützt sich auf die sachverständige Zeugenaussage von Dr. von Sch. und das Gutachten von Dr. O ...
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 23.01.2012 und den Bescheid vom 21.09.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.01.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Der Senat hat neben klarstellender Äußerungen von Dr. O. zur Leistungsbeurteilung auch eine schriftliche sachverständige Zeugenauskunft des die Klägerin seit Februar 2010 behandelnden Facharztes für Psychiatrie Dr. G. eingeholt, der von einer schweren depressiven Episode mit leichter Besserung durch Behandlung mit Antidepressiva berichtet und das Leistungsvermögen der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für leichte Tätigkeiten auf höchstens vier Stunden eingeschätzt hat. Weiter hat der Senat ein Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. P. eingeholt, der mit Hilfe einer Dolmetscherin die Klägerin untersucht, eine somatoforme Schmerzstörung, rezidivierende depressive Phasen, derzeit weitgehend kompensiert, sowie eine Angststörung diagnostiziert hat. Eine schwerwiegende depressive Symptomatik hat er ausgeschlossen und die Klägerin durchaus noch in der Lage gesehen, leichte körperliche Arbeiten hauptsächlich im Sitzen, abwechselnd im Stehen und Gehen, vollschichtig auszuüben. Vermieden werden sollten Tätigkeiten mit Akkordarbeit und Nachtschicht.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des SGG zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet. Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung zu Recht ab. Denn die Klägerin ist nicht erwerbsgemindert.
Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheides zutreffend die Rechtsgrundlagen für die hier in Rede stehende Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung dargelegt. Hierauf nimmt der Senat Bezug.
Wie das Sozialgericht vermag auch der Senat nicht von einer rentenrelevanten Einschränkung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens der Klägerin auszugehen. Vielmehr ist die Klägerin in der Lage, zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in wechselnder Körperhaltung, überwiegend auch im Sitzen, sechs Stunden und mehr auszuüben. Zu vermeiden sind im Hinblick auf die Medikation mit Marcumar Tätigkeiten mit erhöhter Verletzungsgefahr, im Hinblick auf die psychische Situation der Klägerin Tätigkeiten mit vermehrter Stressbelastung (z.B. Akkordarbeit und Nachtschicht), wegen der von Dr. S. diagnostizierten Fingerpolyarthrose Tätigkeiten, die einen ständigen erhöhten Kraftaufwand der Hände erfordern sowie in Bezug auf die Schmerzzustände Zwangshaltungen, häufiges Bücken sowie Überkopfarbeit.
Damit schließt sich der Senat hinsichtlich der qualitativen Leistungseinschränkungen der Beurteilung sämtlicher mit der Begutachtung der Klägerin beauftragter Gutachter (Dr. S. , Dr. O. , Dr. P. ) an, die hinsichtlich dieser qualitativen Einschränkungen in nur unerheblichem Umfang voneinander abweichen.
In Bezug auf das quantitative Leistungsvermögen folgt der Senat der Beurteilung von Dr. S. und Dr. P ... Beide haben übereinstimmend dargelegt, dass die Klägerin noch vollschichtig leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung der dargelegten qualitativen Einschränkungen ausüben kann.
Im Hinblick auf die kardiale Belastungssituation vermag der Senat keine zeitliche Leistungseinschränkung anzunehmen. Auch der die Klägerin behandelnde Kardiologe Dr. von Sch. hat das Leistungsvermögen der Klägerin auf drei bis sechs Stunden täglich eingeschätzt und damit ein Leistungsvermögen auch für sechs Stunden täglich bejaht. Von einer rentenrelevanten Leistungseinschränkung wäre aber erst bei einer Reduzierung des zeitlichen Leistungsvermögens auf unter sechs Stunden auszugehen. Der von Dr. von Sch. mitgeteilte Befund rechtfertigt auch keine andere Beurteilung. Hierauf hat Obermedizinalrat F. für die Beklagte zutreffend hingewiesen. Denn die Klägerin konnte im Belastungs-EKG bis zum Ende der 75-Watt-Stufe belastet werden. Dabei musste diese Belastung wegen Gelenkbeschwerden und nicht etwa wegen kardialer Beschwerden abgebrochen werden. Eine somit aus kardiologischer Sicht mögliche Belastung mit 75 Watt entspricht - so Obermedizinalrat F. - dem Beginn mittelschwerer körperlicher Belastbarkeit. Dementsprechend ist kein Grund ersichtlich, wegen der kardialen Situation der Klägerin von einer zeitlichen Leistungseinschränkung für leichte Tätigkeiten auszugehen. Damit verbleibt es bei der Leistungsbeurteilung von Dr. S. in seinem für die Beklagte erstatteten Gutachten.
Nicht zu folgen vermag der Senat den Ausführungen der gerichtlichen Sachverständigen Dr. O. in ihrem auf Antrag der Klägerin eingeholten nervenärztlichen Gutachten. Durchschlagende Zweifel an der Überzeugungskraft des Gutachtens bestehen schon deshalb, weil die Sachverständige - so selbst von ihr dokumentiert - im Rahmen der Exploration Verständigungsschwierigkeiten mit der Klägerin hatte: Die Klägerin hat nicht alles verstanden und sich auch nicht hinreichend in Deutsch ausdrücken können. Deshalb vermag der Senat nicht davon auszugehen, dass die Beurteilung von Dr. O. auf einer ausreichenden Grundlage beruht.
Keiner abschließenden Klärung bedarf die Frage, inwieweit die von der Sachverständigen durchgeführte testpsychologische Untersuchung zur Klärung des Vorliegens einer depressiven Symptomatik und zur Verifizierung der Schmerzzustände lückenhaft gewesen ist (so der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie B. in seinen von der Beklagten vorgelegten beratungsärztlichen Stellungnahmen) und inwieweit auch bei Anwendung der Testbögen sprachlich bedingte Verständnisprobleme aufgetreten sind. Denn insoweit ergibt sich aus dem Gutachten bereits nicht, welche konkreten Schlüsse die Sachverständige aus der durchgeführten Testung gezogen hat.
Dem entsprechend kommt dem von der Sachverständigen auf der Grundlage der Exploration dokumentierten Befund die maßgebende Bedeutung zu. Selbst wenn man insoweit die wegen der Verständnisschwierigkeiten dargelegten durchschlagenden Zweifel außer Acht lässt, lässt dieser Befund keinen Schluss auf eine depressive Symptomatik bzw. auf Schmerzzustände von quantitativer Leistungsrelevanz zu (so ebenfalls der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie B. ). Für den Nachweis einer erheblichen depressiven Störung - nach der Diagnose der Sachverständigen eine mittelgradige depressive Episode - reicht die bloße Dokumentation einer depressiven Stimmung nicht aus. Die übrigen, von der Sachverständigen dokumentierten Auffälligkeiten (leicht beeinträchtigte Schwingungsfähigkeit, leicht beeinträchtigte Konzentrationsfähigkeit, im Antrieb unruhig) deuten angesichts ihrer geringen Ausprägung ebenfalls nicht auf eine leistungslimitierende seelische Erkrankung hin. Sonstige Auffälligkeiten hat die Sachverständige nicht gefunden. Insbesondere ist die Merkfähigkeit und die Aufmerksamkeit nicht gestört gewesen. Auch im Hinblick auf die von der Sachverständigen diagnostizierte anhaltende somatoforme Schmerzstörung - und auch hierauf hat der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie B. hingewiesen - fehlen Beschreibungen, die eine wesentliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit durch diese Schmerzzustände belegen könnten. Insbesondere hat die Sachverständige keinerlei Auffälligkeiten in der Begutachtungssituation im Hinblick auf Sitzen, Ausgleichsbewegungen oder Wechsel der Körperposition beschrieben. Vor diesem Hintergrund vermag der Senat der Beurteilung der Sachverständigen, die Klägerin könne nur noch leichte Tätigkeiten drei bis unter sechs Stunden täglich verrichten, nicht zu folgen. Die Sachverständige hat ihre Einschätzung auch nicht begründet.
Demgegenüber folgt der Senat der Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen Dr. P. , der die Klägerin mit Hilfe einer Dolmetscherin untersucht hat. Den psychischen Befund hat der Sachverständige als allenfalls etwas melancholisch, in der affektiven Schwingungsfähigkeit jedoch nicht wesentlich eingeschränkt beschrieben. Aufmerksamkeit, Konzentration, Einstellung und Umstellung sind nicht erschwert gewesen. Lediglich im Antrieb ist die Klägerin etwas reduziert gewesen, durchaus aber auflockerbar und sie hat auch lächeln können. Dem entsprechend hat der Sachverständige eine schwerwiegende depressive Symptomatik ausgeschlossen.
In Bezug auf die geklagten Schmerzzustände hat der Sachverständige lediglich eine Ver- und Gespanntheit sowie eine Vorsicht bei den Bewegungen, ansonsten aber - wie schon Dr. O. - keine erheblichen Auffälligkeiten in der Untersuchungssituation dokumentiert.
Wesentliche Einschränkungen - weder durch eine depressive Stimmung noch durch Schmerzzustände - ergeben sich auch nicht aus den Angaben der Klägerin zum Tagesablauf und zum Freizeitverhalten. Sie stehe morgens zwischen fünf und sechs Uhr auf und frühstücke mit dem Ehemann, der aus der Nachtschicht zurückkomme. Danach gehe sie "ins Freie", mache Spaziergänge, wobei sie nach 40 Minuten Schmerzen habe. Sie koche, bemühe sich auch sonst, ihren Haushalt zu bewältigen und gehe mit ihrem Mann einkaufen. Zum Freizeitverhalten hat sie angegeben, sie gehe mit Freundinnen Kaffee trinken, am Wochenende gehe sie mit ihrem Mann regelmäßig ins Hallenbad, wenn ihre Kinder kommen, spiele sie mit den Enkelkindern. Die Klägerin ist nach eigenen Angaben in der Nachbarschaft integriert, hat auch deutsche Bekannte. Es besteht eine enge Beziehung zu ihren Angehörigen, sowohl jenen in Deutschland als auch jenen in der Heimat, wo sie eine Eigentumswohnung hat und wo sie zuletzt im August 2011 gewesen ist.
Wenn Dr. P. auf dieser Grundlage von einem jedenfalls für leichte Tätigkeiten vollschichtigen Leistungsvermögen ausgeht, ist dies überzeugend und widerlegt zugleich die Leistungsbeurteilung des behandelnden Psychiaters Dr. G ...
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die am 1961 geborene Klägerin ist t. Staatsangehörige und lebt seit Oktober 1977 in Deutschland. Sie hat keine Berufsausbildung absolviert und war zuletzt als Reinemachefrau versicherungspflichtig beschäftigt. Im Vordergrund der gesundheitlichen Beschwerden der Klägerin stehen ein Ganzkörperschmerz sowie eine Einschränkung der Herzfunktion nach Mitralklappenersatz im Jahre 1988.
Wie zuvor schon einen früheren Rentenantrag lehnte die Beklagte auch den Rentenantrag vom 20.08.2009 ab (Bescheid vom 21.09.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.01.2010) und stützte sich dabei auf das im früheren Rentenverfahren eingeholte Gutachten des Internisten Dr. S. (Untersuchung Januar 2009), der eine somatoforme Schmerzstörung, eine Fingerpolyarthrose beidseits sowie Rizarthrose ohne nennenswerte Einschränkung der Fingerfunktion und einen Zustand nach Mitralklappenersatz diagnostizierte und die Klägerin für in der Lage hielt, leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ebenso wie die Tätigkeit einer Putzfrau vollschichtig auszuüben. Die Tätigkeit solle ohne ständigen erhöhten Kraftaufwand der Hände und - wegen der Marcumareinnahme - ohne erhöhte Verletzungsgefahr erfolgen.
Das am 29.01.2010 angerufene Sozialgericht Stuttgart hat die Frauenärztin Dr. L.-B. (auch unter gynäkologischem Aspekt weiterhin vollschichtige Leistungsfähigkeit für eine Tätigkeit als Reinigungskraft) und den Internisten und Kardiologen Dr. von Sch. schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Dr. von Sch. hat über ein letztmalig im April 2009 durchgeführtes Belastungs-EKG mit einer Belastung bis zum Ende der 75-Watt-Stufe (Abbruch wegen Gelenkbeschwerden) berichtet und die Klägerin wegen der deutlich eingeschränkten Herzleistung nur noch in der Lage gesehen, drei bis sechs Stunden täglich leichte Tätigkeiten auszuüben. Hierzu hat Obermedizinalrat F. für die Beklagte darauf hingewiesen, dass die faktische Spitzenbelastbarkeit bis zur 75-Watt-Belastungsstufe dem Beginn mittelschwerer körperlichen Spitzenbelastbarkeit entspräche und es somit keine Begründung gebe, warum leichte Betätigungen im Berufsleben nicht möglich sein sollten.
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat das Sozialgericht das nervenärztliche Gutachten von Dr. O. eingeholt. Sie hat eine schwierige Exploration dokumentiert, weil die Klägerin nicht alles verstehe und sich auch nicht immer verständlich auf Deutsch ausdrücke. Im psychischen Befund hat sie einen unruhigen Antrieb, eine depressive Stimmung, eine nur leicht beeinträchtigte Schwingungsfähigkeit und Konzentrationsfähigkeit beschrieben, im Übrigen jedoch keine Auffälligkeiten gefunden. Einen sekundären Krankheitsgewinn hat sie nicht ausgeschlossen. Die Sachverständige hat eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine mittelgradige depressive Episode und eine Marcumarisierung diagnostiziert und (so die Klarstellungen im Berufungsverfahren) die Klägerin nur für in der Lage erachtet, drei bis unter sechs Stunden leichte Tätigkeiten, ohne häufiges Bücken, ohne einseitige Körperhaltung, ohne Überkopfarbeit, Zeitdruck und Schichtarbeit auszuüben. Zu diesem Gutachten hat die Beklagte zwei beratungsärztliche Stellungnahmen des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie B. vorgelegt, in der dieser darauf hingewiesen hat, dass die von der Sachverständigen vorgenommenen Testungen unvollständig seien, dass die Konsistenzprüfung der Schmerzangaben im Gutachten fehlen würde und dass der erhobene Befund keine depressive Symptomatik von quantitativer Leistungsrelevanz begründen würde.
Mit Gerichtsbescheid vom 23.01.2012 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und nach Darstellung der Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI -) ausgeführt, die Klägerin könne noch zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr täglich ausüben.
Hiergegen hat die Klägerin am 31.01.2012 Berufung eingelegt. Sie stützt sich auf die sachverständige Zeugenaussage von Dr. von Sch. und das Gutachten von Dr. O ...
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 23.01.2012 und den Bescheid vom 21.09.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.01.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Der Senat hat neben klarstellender Äußerungen von Dr. O. zur Leistungsbeurteilung auch eine schriftliche sachverständige Zeugenauskunft des die Klägerin seit Februar 2010 behandelnden Facharztes für Psychiatrie Dr. G. eingeholt, der von einer schweren depressiven Episode mit leichter Besserung durch Behandlung mit Antidepressiva berichtet und das Leistungsvermögen der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für leichte Tätigkeiten auf höchstens vier Stunden eingeschätzt hat. Weiter hat der Senat ein Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. P. eingeholt, der mit Hilfe einer Dolmetscherin die Klägerin untersucht, eine somatoforme Schmerzstörung, rezidivierende depressive Phasen, derzeit weitgehend kompensiert, sowie eine Angststörung diagnostiziert hat. Eine schwerwiegende depressive Symptomatik hat er ausgeschlossen und die Klägerin durchaus noch in der Lage gesehen, leichte körperliche Arbeiten hauptsächlich im Sitzen, abwechselnd im Stehen und Gehen, vollschichtig auszuüben. Vermieden werden sollten Tätigkeiten mit Akkordarbeit und Nachtschicht.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des SGG zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet. Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung zu Recht ab. Denn die Klägerin ist nicht erwerbsgemindert.
Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheides zutreffend die Rechtsgrundlagen für die hier in Rede stehende Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung dargelegt. Hierauf nimmt der Senat Bezug.
Wie das Sozialgericht vermag auch der Senat nicht von einer rentenrelevanten Einschränkung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens der Klägerin auszugehen. Vielmehr ist die Klägerin in der Lage, zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in wechselnder Körperhaltung, überwiegend auch im Sitzen, sechs Stunden und mehr auszuüben. Zu vermeiden sind im Hinblick auf die Medikation mit Marcumar Tätigkeiten mit erhöhter Verletzungsgefahr, im Hinblick auf die psychische Situation der Klägerin Tätigkeiten mit vermehrter Stressbelastung (z.B. Akkordarbeit und Nachtschicht), wegen der von Dr. S. diagnostizierten Fingerpolyarthrose Tätigkeiten, die einen ständigen erhöhten Kraftaufwand der Hände erfordern sowie in Bezug auf die Schmerzzustände Zwangshaltungen, häufiges Bücken sowie Überkopfarbeit.
Damit schließt sich der Senat hinsichtlich der qualitativen Leistungseinschränkungen der Beurteilung sämtlicher mit der Begutachtung der Klägerin beauftragter Gutachter (Dr. S. , Dr. O. , Dr. P. ) an, die hinsichtlich dieser qualitativen Einschränkungen in nur unerheblichem Umfang voneinander abweichen.
In Bezug auf das quantitative Leistungsvermögen folgt der Senat der Beurteilung von Dr. S. und Dr. P ... Beide haben übereinstimmend dargelegt, dass die Klägerin noch vollschichtig leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung der dargelegten qualitativen Einschränkungen ausüben kann.
Im Hinblick auf die kardiale Belastungssituation vermag der Senat keine zeitliche Leistungseinschränkung anzunehmen. Auch der die Klägerin behandelnde Kardiologe Dr. von Sch. hat das Leistungsvermögen der Klägerin auf drei bis sechs Stunden täglich eingeschätzt und damit ein Leistungsvermögen auch für sechs Stunden täglich bejaht. Von einer rentenrelevanten Leistungseinschränkung wäre aber erst bei einer Reduzierung des zeitlichen Leistungsvermögens auf unter sechs Stunden auszugehen. Der von Dr. von Sch. mitgeteilte Befund rechtfertigt auch keine andere Beurteilung. Hierauf hat Obermedizinalrat F. für die Beklagte zutreffend hingewiesen. Denn die Klägerin konnte im Belastungs-EKG bis zum Ende der 75-Watt-Stufe belastet werden. Dabei musste diese Belastung wegen Gelenkbeschwerden und nicht etwa wegen kardialer Beschwerden abgebrochen werden. Eine somit aus kardiologischer Sicht mögliche Belastung mit 75 Watt entspricht - so Obermedizinalrat F. - dem Beginn mittelschwerer körperlicher Belastbarkeit. Dementsprechend ist kein Grund ersichtlich, wegen der kardialen Situation der Klägerin von einer zeitlichen Leistungseinschränkung für leichte Tätigkeiten auszugehen. Damit verbleibt es bei der Leistungsbeurteilung von Dr. S. in seinem für die Beklagte erstatteten Gutachten.
Nicht zu folgen vermag der Senat den Ausführungen der gerichtlichen Sachverständigen Dr. O. in ihrem auf Antrag der Klägerin eingeholten nervenärztlichen Gutachten. Durchschlagende Zweifel an der Überzeugungskraft des Gutachtens bestehen schon deshalb, weil die Sachverständige - so selbst von ihr dokumentiert - im Rahmen der Exploration Verständigungsschwierigkeiten mit der Klägerin hatte: Die Klägerin hat nicht alles verstanden und sich auch nicht hinreichend in Deutsch ausdrücken können. Deshalb vermag der Senat nicht davon auszugehen, dass die Beurteilung von Dr. O. auf einer ausreichenden Grundlage beruht.
Keiner abschließenden Klärung bedarf die Frage, inwieweit die von der Sachverständigen durchgeführte testpsychologische Untersuchung zur Klärung des Vorliegens einer depressiven Symptomatik und zur Verifizierung der Schmerzzustände lückenhaft gewesen ist (so der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie B. in seinen von der Beklagten vorgelegten beratungsärztlichen Stellungnahmen) und inwieweit auch bei Anwendung der Testbögen sprachlich bedingte Verständnisprobleme aufgetreten sind. Denn insoweit ergibt sich aus dem Gutachten bereits nicht, welche konkreten Schlüsse die Sachverständige aus der durchgeführten Testung gezogen hat.
Dem entsprechend kommt dem von der Sachverständigen auf der Grundlage der Exploration dokumentierten Befund die maßgebende Bedeutung zu. Selbst wenn man insoweit die wegen der Verständnisschwierigkeiten dargelegten durchschlagenden Zweifel außer Acht lässt, lässt dieser Befund keinen Schluss auf eine depressive Symptomatik bzw. auf Schmerzzustände von quantitativer Leistungsrelevanz zu (so ebenfalls der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie B. ). Für den Nachweis einer erheblichen depressiven Störung - nach der Diagnose der Sachverständigen eine mittelgradige depressive Episode - reicht die bloße Dokumentation einer depressiven Stimmung nicht aus. Die übrigen, von der Sachverständigen dokumentierten Auffälligkeiten (leicht beeinträchtigte Schwingungsfähigkeit, leicht beeinträchtigte Konzentrationsfähigkeit, im Antrieb unruhig) deuten angesichts ihrer geringen Ausprägung ebenfalls nicht auf eine leistungslimitierende seelische Erkrankung hin. Sonstige Auffälligkeiten hat die Sachverständige nicht gefunden. Insbesondere ist die Merkfähigkeit und die Aufmerksamkeit nicht gestört gewesen. Auch im Hinblick auf die von der Sachverständigen diagnostizierte anhaltende somatoforme Schmerzstörung - und auch hierauf hat der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie B. hingewiesen - fehlen Beschreibungen, die eine wesentliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit durch diese Schmerzzustände belegen könnten. Insbesondere hat die Sachverständige keinerlei Auffälligkeiten in der Begutachtungssituation im Hinblick auf Sitzen, Ausgleichsbewegungen oder Wechsel der Körperposition beschrieben. Vor diesem Hintergrund vermag der Senat der Beurteilung der Sachverständigen, die Klägerin könne nur noch leichte Tätigkeiten drei bis unter sechs Stunden täglich verrichten, nicht zu folgen. Die Sachverständige hat ihre Einschätzung auch nicht begründet.
Demgegenüber folgt der Senat der Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen Dr. P. , der die Klägerin mit Hilfe einer Dolmetscherin untersucht hat. Den psychischen Befund hat der Sachverständige als allenfalls etwas melancholisch, in der affektiven Schwingungsfähigkeit jedoch nicht wesentlich eingeschränkt beschrieben. Aufmerksamkeit, Konzentration, Einstellung und Umstellung sind nicht erschwert gewesen. Lediglich im Antrieb ist die Klägerin etwas reduziert gewesen, durchaus aber auflockerbar und sie hat auch lächeln können. Dem entsprechend hat der Sachverständige eine schwerwiegende depressive Symptomatik ausgeschlossen.
In Bezug auf die geklagten Schmerzzustände hat der Sachverständige lediglich eine Ver- und Gespanntheit sowie eine Vorsicht bei den Bewegungen, ansonsten aber - wie schon Dr. O. - keine erheblichen Auffälligkeiten in der Untersuchungssituation dokumentiert.
Wesentliche Einschränkungen - weder durch eine depressive Stimmung noch durch Schmerzzustände - ergeben sich auch nicht aus den Angaben der Klägerin zum Tagesablauf und zum Freizeitverhalten. Sie stehe morgens zwischen fünf und sechs Uhr auf und frühstücke mit dem Ehemann, der aus der Nachtschicht zurückkomme. Danach gehe sie "ins Freie", mache Spaziergänge, wobei sie nach 40 Minuten Schmerzen habe. Sie koche, bemühe sich auch sonst, ihren Haushalt zu bewältigen und gehe mit ihrem Mann einkaufen. Zum Freizeitverhalten hat sie angegeben, sie gehe mit Freundinnen Kaffee trinken, am Wochenende gehe sie mit ihrem Mann regelmäßig ins Hallenbad, wenn ihre Kinder kommen, spiele sie mit den Enkelkindern. Die Klägerin ist nach eigenen Angaben in der Nachbarschaft integriert, hat auch deutsche Bekannte. Es besteht eine enge Beziehung zu ihren Angehörigen, sowohl jenen in Deutschland als auch jenen in der Heimat, wo sie eine Eigentumswohnung hat und wo sie zuletzt im August 2011 gewesen ist.
Wenn Dr. P. auf dieser Grundlage von einem jedenfalls für leichte Tätigkeiten vollschichtigen Leistungsvermögen ausgeht, ist dies überzeugend und widerlegt zugleich die Leistungsbeurteilung des behandelnden Psychiaters Dr. G ...
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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