L 13 AL 660/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 12 AL 1519/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AL 660/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 16. Januar 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Umzugskostenbeihilfe.

Die 1993 geborene Klägerin hat am 1. September 2009 eine betriebliche Ausbildung zur Konditorin bei der Firma T.-C.-Hotel auf R. aufgenommen. Seit diesem Zeitpunkt lebte sie im eigenen Haushalt und bezog von der Beklagten Berufsausbildungsbeihilfe (BAB). Zuvor hat sie bei ihren Eltern in A./N.-W. gelebt. Ab dem 1. September 2010 setzte sie ihre Ausbildung im Cafe "Pause" in F. im zweiten Ausbildungsjahr fort, ab dem 1. September 2011 wechselte sie zu einer dritten Ausbildungsstätte wiederum auf R ...

Am 10. August 2010 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie die Ausbildungsstätte wechsele und die Übernahme der Umzugskosten von B. zum Wohnort ihrer Eltern, A., sowie von dort nach F. beantrage.

In der Folge teilte sie mit, sie sei am 21./22. Juli 2010 von A. nach B. gefahren um dort den Ausbildungsvertrag zu kündigen und ihr Zimmer zu räumen. Die Rückfahrt nach A. sei am 27. uli 2010 erfolgt. Am 28. August 2010 sei sie dann nach F. gefahren um dort Einrichtungsgegenstände zu beschaffen und ein Konto zu eröffnen. Am 1. September 2010 sei sie nach A. zurückgekehrt. Insgesamt habe sie 2.200 km zurückgelegt. Mit Bescheid vom 2. November 2010 bewilligte die Beklagte der Klägerin als Förderung aus dem Vermittlungsbudget (Kosten für den Umzug) eine Umzugskostenbeihilfe in Höhe von 98,40 EUR.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin, vertreten durch ihren Vater, am 17. November 2011 Widerspruch. Sie habe ihren Antrag auf die Fahrtkosten beschränkt um so eine möglichst unbürokratische Abwicklung der Angelegenheit zu ermöglichen. Sollten nicht für die gesamten 2.200 km die Fahrtkosten übernommen werden, werde sie beim Sozialgericht M. Klage erheben, dann aber weitere Kosten geltend machen. Die Entscheidung der Beklagten könne sie nicht nachvollziehen; schließlich habe ihr Bruder für seinen Umzug von S. nach Fr. 1.800,00 EUR von der Beklagten erhalten. Mit Widerspruchsbescheid vom 1. Dezember 2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der im angegriffenen Bescheid verfügte Betrag von 98,40 EUR errechne sich aus einer Kilometerpauschale von 0,20 EUR und der nach dem Routenplaner falk.de angegebenen kürzesten Entfernung (einfacher Weg) von 492 km zwischen der elterlichen Wohnung in A. und der Wohnung am neuen Ausbildungsort in F ... Im Übrigen sei der Antrag auf Kostenübernahme erst am 10. August 2010 und damit bezüglich der Fahrt nach B. verspätet gestellt worden. Leistungsbegründendes Ereignis sei grundsätzlich die Entstehung der Kosten; hinsichtlich des Aufenthaltes in B. seien Hin- und Rückfahrt in der Zeit vom 21. bis 27. Juli 2010, also vor der Antragstellung erfolgt. Es seien keine Gründe ersichtlich, die einer rechtzeitigen Antragstellung entgegengestanden hätten. Außerdem gehöre die Klägerin zur Zeit des Ausbildungsplatzwechsels bzw. des Umzugs nicht zum nach § 45 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) förderungsfähigen Personenkreis. Sie sei zu dieser Zeit nicht bei der Bundesagentur für Arbeit als Bewerber um eine berufliche Ausbildungsstelle gemeldet gewesen. Das gewöhnliche Interesse an einer anderen Ausbildungsstelle rechtfertige es nicht, Kosten zu erstatten, die in dem entstandenen Umfang für eine berufliche Eingliederung nicht notwendig gewesen seien. Ferner sei fraglich, ob es sich überhaupt um einen Umzug gehandelt habe. Die Klägerin habe an den Ausbildungsorten nur ein Zimmer angemietet. Ihr Lebensmittelpunkt befinde sich ihren eigenen Angaben nach wie vor im elterlichen Haushalt in A ... Letztlich seien bereits im Rahmen der Gewährung von BAB Fahrtkosten für die An- und Abreise zwischen A. und F. bewilligt worden. Diese Bewilligung sei mit Bescheid vom 7. Oktober 2010 erfolgt und habe 200,00 EUR betragen.

Die Klägerin hat am 7. Dezember 2010 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Sie hat vorgetragen, der Umzug sei von B. nach F. erfolgt. Die hierbei entstandenen Kosten seien von der Beklagten zu übernehmen. Neben den Fahrtkosten in Höhe von 660,00 EUR (2.200 x 0,30 EUR; Pauschale wie bei Steuer) seine Übernachtungs- (9 Übernachtungen ä 60,00 EUR, insgesamt 540,00 EUR) und Verpflegungskosten (9 x 50,00 EUR, insgesamt 450,00 EUR) angefallen. Die Gründe für die Aufgabe des Arbeitsplatzes auf R. dürften ihres Erachtens kein Rolle spielen. Es habe Probleme mit dem Hoteldirektor und mit der Arbeitsweise (Verwendung von Fertigprodukten) gegeben. Mit Urteil vom 16. Januar 2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe den Antrag auf Übernahme der Kosten des Umzugs von B. nach A. schon nicht rechtzeitig vor Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses gestellt. Darüber hinaus seien auch keine Gründe ersichtlich, die eine Zulassung des verspäteten Antrags wegen besonderer Härte rechtfertigen könnten. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen für die Übernahme von Umzugskosten aber auch insgesamt nicht vor; insbesondere sei der Umzug nach F. nicht notwendig gewesen um die Ausbildung fortsetzen zu können.

Gegen dieses ihrem Bevollmächtigten am 20. Januar 2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 15. Februar 2012 unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens schriftlich beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Neben der Übernahme der Kosten für den Umzug von B. nach F. begehre sie nun auch eine Kostenübernahme hinsichtlich des später erfolgten Umzugs von F. nach B.-J ... Beide Umzüge seien erforderlich gewesen. In B. habe die Vermittlung der Ausbildungsinhalte nicht ihren Erwartungen entsprochen; sie sei zudem von der zuständigen Konditormeisterin und einer Kollegin gemobbt worden. Im Cafe Pause sei sie dann (auch) zu Tätigkeiten herangezogen worden, die nichts mit der Ausbildung zu tun hätten, z. B. Schneeräumen, Aufbauen von Verkaufsbuden und Schleppen schwerer Säcke.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 16. Januar 2012 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 2. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Dezember 2010 zu verurteilen, weitere Umzugskosten für den Umzug von B. nach F. sowie für den Umzug von F. nach B.-J. zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält ihre Entscheidung für rechtmäßig und das angegriffene Urteil für zutreffend. Das Begehren auf Übernahme der Kosten für den Umzug von F. nach B.-J. können zulässigerweise nicht geltend gemacht werden, da insoweit ein Klageverfahren beim Sozialgericht Stralsund (S 13 AL 174/11) anhängig sei.

Der Senat hat den in dem Klageverfahren S 13 AL 174/11 ergangenen Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stralsund vom 14. März 2012 beigezogen.

Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Klageakten des SG (S 12 AL 1519/11) und die Berufungsakten des Senats (L 13 AL 660/12) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Die Berufung ist statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstands 750,00 EUR übersteigt (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG] in der hier anzuwendenden ab 1. April 2008 geltenden Fassung). Soweit sich die Klägerin mit der Berufung gegen das Urteil des SG vom 16. Januar 2012 wendet und Kostenerstattung für den Umzug von B. nach F. begehrt ist die Berufung auch im Übrigen zulässig; sie ist insbesondere unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Soweit die Klägerin erstmals im Berufungsverfahren die Kostenübernahme für den Umzug von F. nach B.-J. geltend gemacht hat, ist die Berufung unzulässig, weil das SG über einen solchen Anspruch (zu Recht) nicht entschieden hat und eine Klageerweiterung im Berufungsverfahren weder sachdienlich ist noch eine Einwilligung der Beklagten vorliegt (vgl. § 99 Abs. 1 SGG; zur Zulässigkeit der Klageänderung während des Rechtsmittelverfahrens vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 99 Rdnr. 12 m.w.N.). Im Übrigen stünde der Zulässigkeit die Rechtskraft des in dem Klageverfahren S 13 AL 174/11 ergangenen Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stralsund. vom 14. März 2012 entgegen.

Soweit die Klägerin die Erstattung weiterer Kosten für den Umzug von B. nach F. begehrt, ist die Berufung unbegründet; das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen. Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage ist insoweit der Bescheid vom 2. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Dezember 2010, mit dem die Beklagte der Klägerin eine Umzugskostenbeihilfe in Höhe von 98,40 EUR gewährt hat. Soweit die Beklagte einen darüber hinaus gehenden Anspruch der Klägerin auf Erstattung von Umzugskosten verneint und den Antrag der Klägerin diesbezüglich abgelehnt hat, erweist sich die angegriffene Entscheidung als rechtmäßig und die Klägerin nicht in subjektiven Rechten verletzend. Die Klägerin kann die Übernahme weiterer Umzugskosten durch die Beklagte für ihren Umzug von B. nach F. nicht beanspruchen.

Als Anspruchsgrundlage für die begehrten Leistungen kommt lediglich § 45 SGB III in der hier noch anwendbaren bis 31. März 2012 geltenden Fassung in Betracht. Nach Abs. 1 der Vorschrift können Ausbildungssuchende, von Arbeitslosigkeit bedrohte Arbeitsuchende und Arbeitslose aus dem Vermittlungsbudget der Agentur für Arbeit bei der Anbahnung oder Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gefördert werden, wenn dies für die berufliche Eingliederung notwendig ist. Sie sollen insbesondere bei der Erreichung der in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Eingliederungsziele unterstützt werden. Die Förderung umfasst die Übernahme der angemessenen Kosten, soweit der Arbeitgeber gleichartige Leistungen nicht oder voraussichtlich nicht erbringen wird. Gemäß § 45 Abs. 3 SGB III entscheidet die Agentur für Arbeit über den Umfang der zu erbringenden Leistungen; sie kann Pauschalen festlegen. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sind ausgeschlossen. Die Förderung aus dem Vermittlungsbudget darf die anderen Leistungen nach diesem Buch nicht aufstocken, ersetzen oder umgehen.

Der Senat kann offen lassen, ob die Antragstellerin die Kostenübernahme im Hinblick auf die für die Fahrten von A. nach B. und zurück angefallenen Kosten zu spät beantragt hat (vgl. dazu §§ 323 Abs. 1 Satz 1, 324 Abs. 1 Satz 1 SGB III) und ein Anspruch insoweit bereits aus diesem Grunde zu verneinen ist; denn die Klägerin erfüllt jedenfalls die Anspruchsvoraussetzungen für die begehrte Förderung nach § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB III nicht. Dass im Fall der Klägerin eine Förderung für ihre berufliche Eingliederung nicht notwendig gewesen ist, hat das SG in den Entscheidungsgründen des mit der Berufung angegriffenen Urteils zutreffend und umfassend dargelegt. Der Senat nimmt zur weiteren Begründung deshalb auf dieses Urteil Bezug, macht sich die Entscheidungsgründe aufgrund eigener Überzeugungsbildung vollinhaltlich zu eigen und sieht von einer weiteren Darstellung eigener Gründe ab (vgl. § 153 Abs. 2 SGG). Lediglich ergänzend ist im Hinblick auf den Vortrag der Klägerin im Berufungsverfahren nochmals darauf hinzuweisen, dass gerade der tatsächliche Geschehensablauf zeigt, dass die berufliche Eingliederung der Klägerin zu keinem Zeitpunkt gefährdet war. Mithin war objektiv keine Notwendigkeit für eine Förderung durch die Beklagte gegeben. Dies bedeutet nicht, dass die Klägerin nicht nachvollziehbare Gründe für die individuell gewählte Gestaltung ihres Ausbildungsgangs ins Feld zu führen vermag. Solche Gründe allein können aber noch keine Leistungspflicht der Beklagten begründen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Hierbei war für den Senat im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens ausschlaggebend, dass die Rechtsverfolgung der Klägerin insgesamt ohne Erfolg geblieben ist und der Beklagte keinen berechtigten Anlass zur Klageerhebung gegeben hat.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved