L 3 U 1807/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 U 5924/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 U 1807/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. April 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung bzw. Durchführung einer Rehabilitationsmaßnahme "Belastungserprobung und Arbeitstherapie in einer Bäckerei" streitig.

Die am 04.04.1949 geborene Klägerin wurde am 15.07.2003 Opfer eines Raubüberfalls in dem von ihr betriebenen Imbiss. Die Beklagte erkannte den Raubüberfall als Arbeitsunfall an und erbrachte u.a. Heilbehandlungsmaßnahmen sowie die Gewährung von Verletztengeld für 78 Wochen bis zum 10.01.2005.

Vom 18.07. bis 28.08., 01.09.bis 05.09. und 07.09. bis 26.09.2003 befand sich die Klägerin im Zentrum für Psychiatrie C ... Der Sachverständige Prof. Dr. S. führte im Gutachten vom 27.11.2003 aus, auf neurologischem Fachgebiet bestünden als Unfallfolgen eine posttraumatische Belastungsstörung sowie in der Zwischenzeit ausgeheilte Narbenkopfschmerzen. An weiteren therapeutischen Maßnahmen sei unfallbedingt eine ambulante Verhaltenstherapie mit Expositionstraining am alten Arbeitsplatz oder einem anderen Arbeitsplatz erforderlich. Unabdingbare Voraussetzung hierfür sei allerdings, dass die Klägerin dies auch selbst wünsche. Sofern kein diesbezügliches Therapieziel einvernehmlich mit der Klägerin formuliert werden könne, seien weitere Therapien gegenstandslos. Es sollte daher eine ambulante Verhaltenstherapie bei einem entsprechend qualifizierten Psychotherapeuten/in unverzüglich in die Wege geleitet werden. Der Umfang der Behandlung sei mit 20 Stunden vorläufig anzusetzen. Bereits nach den ersten Sitzungen sollte ein Behandlungsbericht angefordert werden, in welchem speziell dazu um Auskunft gebeten werde, ob die Klägerin überhaupt bereit sei, eine entsprechende Tätigkeit wie von ihr zum Unfallzeitpunkt ausgeübt wieder aufzunehmen. Prof. Dr. S. führte weiter aus, eine Besserung der Unfallfolgen sei sicher zu erwarten, weshalb nach einem Jahr eine erneute Untersuchung durchgeführt werden sollte.

Mit Schreiben vom 04.12.2003 fragte die Beklagte bei der Klägerin an, ob sie mit der von Prof. Dr. S. vorgeschlagenen ambulanten Verhaltenstherapie mit Training am alten Arbeitsplatz oder einem anderen Arbeitsplatz mit einem qualifizierten Psychotherapeuten einverstanden sei. Die Klägerin teilte hierauf mit Schreiben vom 30.12.2003 mit, es würden Versuche in dieser Therapierichtung unternommen. Sie bitte die Beklagte, sich mit ihrer Psychologin in Verbindung zu setzen.

Ab dem 01.10.2003 befand sich die Klägerin in teilstationärer Behandlung in der Psychiatrischen Tagesklinik B ... Im dortigen Schreiben vom 04.12.2003 wurde von einer weiteren teilstationären Behandlung von ca. zwei Monaten ausgegangen. Eine allmähliche Besserung sei dahingehend ersichtlich, dass die Klägerin eine Reduktion der Ängstlichkeit wahrnehme und zunehmend im häuslichen Alltag besser zurecht komme.

Auf die Anfrage der Beklagten vom 10.12.2003, ob die vorgeschlagene Verhaltenstherapie mit Expositionstraining von der Tagesklink übernommen werden könne, teilte diese mit Schreiben vom 16.12.2003 mit, die Expositionsbehandlung im Rahmen der tagesklinischen Behandlung werde in der Weise durchgeführt, dass die Klägerin nach einer ausreichenden Stabilisierung darauf vorbereitet werde, sich mit angstauslösenden Reizen erneut zu konfrontieren. Das Expositionstraining habe dazu geführt, dass es der Klägerin allmählich leichter falle, sich in gesellschaftlichen Anlässen mit größeren Menschenmengen und fremden unvertrauten Personen zu konfrontieren. Im neuen Jahr sei geplant, ein therapeutisch begleitetes Praktikum in einer Bäckerei durchzuführen, wo die Klägerin einige wenige Stunden tätig sein werde mit dem Ziel, sich mit der für sie ähnlichen Arbeitssituation nochmals zu konfrontieren und zu erleben, dass sie auch ohne Angst wieder diese Tätigkeit ausführen könne.

Mit Schreiben vom 17.02.2004 teilte die Psychiatrische Tagesklinik B. mit, die Entlassung der Klägerin habe nicht wie beabsichtigt am 13.02.2004 erfolgen können, da es, vermutlich aufgrund eines erneuten traumatisierenden Erlebnisses der Klägerin (sie sei Zeugin eines Raubüberfalls im Supermarkt in ihrer Straße geworden) zu einer erneuten depressiven Dekompensation gekommen sei, begünstigt auch durch die bevorstehende und näher rückende Entlassung. Mit Schreiben vom 26.02.2004 genehmigte die Beklagte die weitere ambulante Behandlung und bat um baldige Benennung eines geeigneten Therapeuten für die von Prof. Dr. S. vorgeschlagene Verhaltenstherapie.

Im Bericht vom 02.03.2004 führte die Psychiatrische Tagesklinik B. aus, die Klägerin habe am 27.02.2003 in ausreichend stabilisiertem Zustand entlassen werden können, die Fortführung einer ambulanten psychotherapeutischen Behandlung werde empfohlen. Die nächsten Wochen würden entscheiden, ob die Hospitalisierung so weit fortgeschritten sei, dass beim nächsten Auftreten eines ängstigenden Ereignisses erneut stationäre Hilfe gesucht werde. Da jedoch einige ambulante Hilfen von der Klägerin bereits initiiert worden seien und auch als sehr positiv angesehen würden, sei momentan von einer eher günstigen Prognose auszugehen. Nach weiterführender Stabilisierung wäre eine Wiederaufnahme der bisherigen Berufstätigkeit sicher denkbar.

Dipl.-Psych. G. teilte unter dem 12.09.2004 mit, die Klägerin stehe seit dem 09.06.2004 in ihrer Behandlung. Seither seien sechs Sitzungen abgehalten worden. Die Klägerin sei gut motiviert und strebe nach eigenen Aussagen einen beruflichen Wiedereinstieg an. Mit Schreiben vom 12.10.2004 teilte Dipl.-Psych. G.das für die Klägerin vorgesehene Behandlungskonzept mit.

1. Mit Bescheid vom 15.12.2004 stellte die Beklagte fest, dass mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit bei der Klägerin nicht zu rechnen sei und das Verletztengeld mit Ablauf der 78. Woche, gerechnet vom Tag des Beginns der Arbeitsunfähigkeit, somit mit dem 10.01.2005 ende. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.06.2006 zurück. Die hiergegen zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobene Klage auf Weitergewährung des Verletztengeldes hat des SG mit Urteil vom 30.05.2007 (S 1 U 5508/06) abgewiesen mit der Begründung, nach den vorliegenden Unterlagen habe die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit bereits am 13.02.2004 geendet. Hiergegen hat die Klägerin am 02.08.2007 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt (L 10 U 3797/07). In diesem Verfahren haben die Beteiligten in der nicht-öffentlichen Sitzung vom 27.11.2007 folgenden Vergleich geschlossen:

1. Die Klägerin stellt einen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. 2. Die Beklagte verpflichtet sich, diesen Antrag der Klägerin zu überprüfen und ihr einen rechtsmittelfähigen Bescheid zu erteilen. 3. Die Klägerin nimmt die Berufung im Hinblick auf das Verletztengeld zurück. 4. Die Beteiligten erklären den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt. 5. Die Kosten werden gegeneinander aufgehoben.

Nachdem die Klägerin diesen Vergleich angefochten hatte, stellte das LSG mit Urteil vom 12.06.2008 (L 10 U 5930/07) fest, dass das Berufungsverfahren L 10 U 3797/07 durch den gerichtlichen Vergleich vom 27.11.2007 erledigt ist. Die hiergegen zum Bundessozialgericht (BSG) erhobene Nichtzulassungsbeschwerde hat das BSG mit Beschluss vom 22.12.2008 als unzulässig verworfen (B 2 U 201/08 B).

2. Mit Schreiben vom 27.12.2007 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Durchführung einer Maßnahme "Belastungserprobung und Arbeitstherapie in einer Bäckerei" und trug weiter vor, es seien auch sonst alle Maßnahmen willkommen, die sie befähigten, in ihrem ehemaligen Beruf wieder beschwerdefrei zu arbeiten. Mit Bescheid vom 18.01.2008 führte die Beklagte aus, mit den Ausführungen vom 27.12.2007 habe die Klägerin ihren Antrag modifiziert. Dieser solle die Durchführung einer Belastungserprobung und Arbeitstherapie in einer Bäckerei beinhalten. Hierbei handle es sich nicht um eine Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben, sondern vielmehr um eine Maßnahme der Heilbehandlung. Wie bereits mitgeteilt seien alle weiteren medizinischen Maßnahmen bei der zuständigen Krankenkasse zu beantragen. Nach alledem würden die im Vergleich vor dem LSG angesprochenen Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht beantragt. Die Angelegenheit werde bezüglich der Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben als erledigt betrachtet. Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 22.01.2008 Widerspruch, mit dem sie den Antrag auf Gewährung der "medizinischen Rehabilitationsmaßnahme der Arbeitstherapie in einer Bäckerei" weiter verfolgte. Mit Widerspruchsbescheid vom 27.02.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin habe mit ihren Ausführungen vom 27.12.2012 ihren Antrag modifiziert, dieser solle die Durchführung einer Belastungserprobung und Arbeitstherapie in einer Bäckerei enthalten. Hierbei handele es sich nicht um eine Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben im Sinne des § 33 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) in Verbindung mit § 35 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII), sondern um eine Maßnahme der Heilbehandlung im Sinne des § 26 SGB IX in Verbindung mit § 27 SGB VII. Die medizinischen Maßnahmen wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 15.07.2003 seien abgeschlossen, da kein Therapieziel einvernehmlich formuliert worden sei. Alle weiteren medizinischen Maßnahmen seien bei der zuständigen Krankenkasse zu beantragen.

Hiergegen hat die Klägerin am 29.02.2008 Klage zum SG erhoben (S 13 U 1826/08). Zur Begründung hat sie vorgetragen, die Arbeitstherapie als medizinische Rehabilitationsmaßnahme im Sinne von § 27 SGB VII sei von der Beklagten bereits bewilligt worden. Die Therapie sei jedoch nicht durchgeführt worden, nachdem die Behandlung in der Nervenklinik beendet worden sei. Mit Beschluss vom 26.06.2008 hat das SG das Ruhen des Verfahrens S 13 U 1826/08 angeordnet.

3. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 26.06.2008 stellte die Klägerin ausweislich des Berichts des Sitzungsvertreters der Beklagten - erneut - den Antrag auf Durchführung einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme.

Mit Schreiben vom 03.07.2008 leitete die Beklagte diesen Antrag an die Krankenkasse zur weiteren Prüfung weiter. Mit Schreiben gleichfalls vom 03.07.2008 teilte sie der Klägerin mit, dem Antrag könne nicht stattgegeben werden, da Behandlungsbedürftigkeit wegen Unfallfolgen nach Ende der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit nicht mehr vorliege. Eine Mehrfertigung dieses Schreibens und des Antrags sei an die Krankenkasse - AOK B. - weitergeleitet worden.

Hiergegen erhob die Klägerin am 04.08.2008 Widerspruch mit der Begründung, die begehrte Rehabilitationsmaßnahme sei bereits bewilligt worden. Es komme § 14 SGB IX zur Anwendung.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28.08.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück mit der Begründung, es lägen keine messbaren Unfallfolgen mehr vor, deshalb scheide auch die Bewilligung von medizinischen Maßnahmen durch den Unfallversicherungsträger aus.

Hiergegen hat die Klägerin am 02.09.2008 Klage zum SG erhoben und mit Schriftsatz vom 14.01.2009 beantragt, "den Verwaltungsakt vom 03.07.2008 in der Form des Widerspruchsbescheids aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die bereits von ihr selbst bereits beschlossene medizinische Rehabilitationsmaßnahme "Arbeitstherapie in einer Bäckerei" durchzuführen". Zur Begründung hat sie vorgetragen, die Beklagte habe gemäß den Gutachten von Prof. Dr. S. und Dr. med. Dipl.-Psych. S. die Durchführung der begehrten Maßnahme bereits beschlossen. Unbeachtlich sei, ob die psychischen Beschwerden unfallbedingt seien oder nicht, da sich die Zuständigkeit der Beklagten aus § 14 Abs. 3 SGB IX ergebe.

Mit Gerichtsbescheid vom 19.04.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die von der Klägerin beantragte Arbeitserprobung in einer Bäckerei sei als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben im Sinne der §§ 33 ff. SGB IX zu qualifizieren. Die Beklagte sei zur Erbringung der Leistung jedoch nicht zuständig, da sie den Antrag innerhalb der zeitlichen Vorgaben des § 14 Abs. 1 SGB IX an den Träger der Krankenversicherung weitergeleitet habe. Darüber hinaus bestehe auch kein materiell-rechtlicher Anspruch gegen die Beklagte, da sie die Bewilligung der Leistung zu Recht abgelehnt habe.

Gegen den am 25.04.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 27.04.2012 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, der Rehabilitationsantrag sei nicht an die Krankenkasse weitergeleitet worden. Hierzu hat sie ein Schreiben der AOK Stuttgart/B. vom 16.05.2012 vorgelegt, in welchem diese mitteilt, anhand der dort vorliegenden Unterlagen und den gespeicherten Daten könne nicht festgestellt werden, dass ihr im Jahr 2008 ein Antrag auf Rehabilitation zugesandt worden sei. Die Klägerin hat weiter ein auf den 19.05.2009 datiertes Schreiben an die Beklagte vorgelegt, in welchem sie ausführt, die AOK habe ihr mitgeteilt, bis heute von der Beklagten nichts bekommen zu haben. Dieses Schreiben enthält den handschriftlichen Vermerk: Habe am selben Tag e-Mail an AOK geschickt.

Die Klägerin trägt weiter vor, entgegen der Auffassung des SG sei die AOK B. beizuladen. Der Beklagten sei bereits mit Schreiben vom 19.05.2009 mitgeteilt worden, dass die AOK den Antrag nicht erhalten habe. Da die Beklagte den Antrag nicht weitergeleitet habe, sei ihre Leistungspflicht nach allen Rechtsgrundlagen des gesamten Sozialversicherungsrechts zu prüfen. Vorliegend komme insbesondere ein Anspruch nach § 42 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in Betracht. Es sei auch nicht zutreffend, dass sie den Beruf einer Bäckereifachverkäuferin anstrebe. Irrelevant sei, ob die Maßnahme in einer Bäckerei, einer Metzgerei oder einem Schuhgeschäft stattfinde. Wichtig sei nur, dass Publikumsverkehr gegeben sei. Zudem sie ihr die beantragte Leistung bereits im Schreiben der Beklagten vom 10.12.2003 bewilligt worden.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. April 2012 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 03. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2008 zu verurteilen, bei ihr als medizinische Rehabilitationsmaßnahme eine Arbeitstherapie in einer Bäckerei durchzuführen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Denn die Klage war bereits wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig.

1. Zwar handelt es sich bei der beantragten Maßnahme - entgegen der Auffassung des SG im angefochtenen Gerichtsbescheid - nicht um eine Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben nach den §§ 33 ff. SGB IX, sondern um eine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation gemäß § 26 Abs. 2 Nr. 7 SGB IX. Danach umfassen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation insbesondere Belastungserprobung und Arbeitstherapie. Dies kann auch dem Antrag der Klägerin entnommen werden, wonach sie im Erörterungstermin vor dem SG am 26.06.2008 im Verfahren S 13 U 1826/08 auf den Hinweis des Vorsitzenden, Streitgegenstand jenes Verfahrens seien Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, ausgeführt hat, sie beantrage eine Arbeits- und Belastungserprobung.

Diesen Antrag hat die Klägerin jedoch bereits mit Schreiben vom 27.12.2007 gestellt, worauf die Beklagte im Bescheid vom18.01.2008 und im Widerspruchsbescheid vom 27.02.2008 auch Bezug genommen hat. Die Klägerin hat damit bereits vor dem Erlass des ablehnenden Bescheides vom 18.01.2008 über den im gerichtlichen Vergleich vom 27.11.2007 gestellten Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben hinaus auch die Bewilligung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gem. § 5 Nr. 1 SGB IX beantragt.

2. Die Beklagte ist auch zuständig für die Entscheidung über den Antrag auf Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Insbesondere ist eine Zuständigkeit der Krankenkasse der Klägerin nicht gem. § 14 Abs. 1 SGB IX gegeben. Werden danach Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist; bei den Krankenkassen umfasst die Prüfung auch die Leistungspflicht nach § 40 Abs. 4 des Fünften Buches. Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu. Dahingestellt bleiben kann, ob die Beklagte den - wiederholten - Antrag vom 26.06.2008 am 03.07.2008 und damit innerhalb der Zweiwochenfrist des § 14 Abs. 1 SGB IX an die Krankenkasse der Klägerin weitergeleitet hat. Denn die Klägerin hat den Antrag bereits mit Schreiben vom 27.12.2007 gestellt, dieser lag der Beklagten spätestens am 31.01.2008 vor. Innerhalb von zwei Wochen ab diesem Datum hat die Beklagte den Antrag nicht weitergeleitet, so dass sie für die Erbringung auch der medizinischen Leistungen zur Rehabilitation zuständig geworden ist.

Da somit eine Zuständigkeit der Krankenkasse der Klägerin nicht in Betracht kommt, ist diese auch nicht gem. § 75 SGG notwendig beizuladen (vgl. BSG, Urteil vom 20.10.2009 - B 5 R 5/07 R- juris).

3. Der Antrag auf Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation ist bereits Gegenstand des Klageverfahrens S 13 U 1826/08 vor dem SG. Denn der Bescheid vom 03.07.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.08.2008 ist gem. § 96 SGG Gegenstand dieses Klageverfahrens geworden. Nach § 96 SGG wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Dies ist hier der Fall. Denn die Klägerin hatte bereits vor Erlass des Ablehnungsbescheids vom 18.01.2008 ihren Antrag dahingehend erweitert, dass sie auch eine medizinische Rehabilitationsleistung in Form einer Belastungserprobung und Arbeitstherapie in einer Bäckerei beantragt hat. Zwar ist bei einer weiteren Antragstellung danach zu differenzieren, ob eine ganz neue Teilhabeleistung beantragt wird oder ob im Rahmen des Erstantrags eine Modifizierung oder Ergänzung angestrebt wird (Luik in: jurisPK-SGB IX, § 14 Rn. 55). Für die Beantragung einer neuen Teilhabeleistung könnte sprechen, dass die Beklagte sich zunächst im Wege des Vergleichs verpflichtet hatte, über die Gewährung einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben gem. § 5 Nr. 1 SGB IX zu entscheiden und die Klägerin sodann am 27.12.2007 die Bewilligung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation beantragt hat. Dies kann jedoch dahinstehen, da die Beklagte diesen Antrag mit dem Bescheid vom 18.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.02.2008 abgelehnt hat, indem sie ausgeführt hat, sie sei für die Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nicht (mehr) zuständig. Dies stellt eine zumindest konkludente Ablehnung des Antrags dar, so dass damit auch über die Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation entschieden worden ist.

Die Klage war deshalb wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig. Gem. § 202 i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) kann während der Rechtshängigkeit die Sache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden. Dies beruht darauf, dass über einen Streitgegenstand zwischen denselben Beteiligten nur eine gerichtliche Entscheidung ergehen darf. Als der vorliegende Rechtsstreit am 02.09.2008 beim SG anhängig und damit gem. § 94 Abs. 1 SGG rechtshängig geworden ist, war die Sache bereits rechtshängig, da der Bescheid vom 18.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.02.2008 Gegenstand des Verfahrens S 13 U 1826/08 geworden ist. Zwar hat das Verfahren vor dem SG geruht. Das Ruhen des Verfahrens beseitigt jedoch nicht die Rechtshängigkeit, so dass § 96 SGG weiter Anwendung findet (Hk-SGG/Binder, § 96 Rn. 5). Die Klage ist deshalb wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 94 Rn. 7), so dass die Berufung zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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