L 9 U 226/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 11 U 496/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 226/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 14. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung von Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 6.5.2003.

Der am 19.10.1968 geborene Kläger erlitt bei einem privaten Fußballspiel eine Ruptur des vorderen Kreuzbandes am rechten Knie. Am 15.9.1988 wurde bei einer Arthroskopie eine Arthrotomie vorgenommen und eine Naht des vorderen Kreuzbandes rechts durchgeführt.

Am 26.6.1989 stürzte der Kläger auf dem Weg zur Arbeit mit dem Fahrrad. Der Durchgangsarzt diagnostizierte eine Kniedistorsion rechts. Während des stationären Aufenthalts im Städtischen Krankenhaus in Überlingen wurde bei einer Arthroskopie eine erneute intraligamentäre Ruptur und Auffaserung des vorderen Kreuzbandes im proximalen Anteil festgestellt. Auf eine Naht des verletzten Kreuzbandes wurde verzichtet. Am 11.9.1989 wurde in der St. Elisabeth-Klinik in Saarlouis eine Kreuzbandplastik durchgeführt.

Am 29.1.1992 zog sich der Kläger eine Verdrehung des oberen Sprunggelenks zu. Unterlagen hierüber liegen der damals zuständigen Berufsgenossenschaft (BG) für Fahrzeughaltung, Rechts-vorgängerin der BG für Transport und Verkehrswirtschaft, nicht mehr vor.

Im Oktober 1992 stellte sich der Kläger bei dem Orthopäden Dr. K. vor und klagte über einen zunehmenden Schwellzustand des Kniegelenks an der Vorderseite. Dr. K. führte eine Tenosynovektomie durch und entfernte Narbengewebe sowie subkutanes Fettgewebe.

Am 9.3.1993 blieb der Kläger beim Aussteigen aus einem Schaufelradbagger hängen und verdrehte sich das rechte Knie. Dr. K. diagnostizierte beim Kläger eine frische Kniegelenksdistorsion.

Am 6.5.2003 erlitt der Kläger bei seiner Beschäftigung in einem Getränkemarkt einen weiteren – hier streitgegenständlichen – Arbeitsunfall, als er mit dem rechten Bein in einem Palettenschlitz hängen blieb, umknickte und sich dabei das rechte Kniegelenk verdrehte. Dr. S. diagnostizierte beim Kläger eine Kniedistorsion rechts (DA-Bericht vom 6.5.2003). Die am 9.5.2003 durchgeführte Kernspintomographie des rechten Kniegelenks zeigte eine funktionsfähige vordere Kreuzbandplastik, eine beginnende laterale Gonarthrose sowie eine Außenmeniskusvorder-horndegeneration. Bei einer Arthroskopie am 20.5.2003 fand sich ein Knorpeldefekt im Bereich des medialen Femurs und ein Außenmeniskusvorderhornabriss. Der Knorpeldefekt wurde ab-radiert und geglättet, das Vorderhorn des Außenmeniskus wurde reseziert. Nach einer Arbeits- und Belastungserprobung wurde der Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit zunächst ab 18.8.2003 angenommen. Da sich der Kläger zu einer vollschichtigen Tätigkeit nicht in der Lage sah, wurde er von 11.9. bis 26.9.2003 stationär in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. behandelt. Nach einer erneuten Belastungserprobung wurde Arbeitsfähigkeit ab 20.10.2003 festgestellt. Die BG für den Einzelhandel – Rechtsvorgängerin der Beklagten – zog Leistungsauszüge der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) sowie Unterlagen der BG für Fahrzeughaltungen, die für den Arbeitsunfall des Klägers vom 26.6.1989 zuständig ist, bei und ließ den Kläger begutachten.

Professor Dr. M., Chefarzt der Abteilung für Unfallchirurgie am Krankenhaus St. Elisabeth in Ravensburg, führte im Gutachten vom 11.5.2004 (nebst ergänzender Stellungnahme vom 28.6.2004) aus, zum Zeitpunkt des Ereignisses vom 6.5.2003 habe ein erheblicher Vorschaden bestanden. Die anlässlich des Ereignisses vom 6.5.2003 durchgeführten Röntgenaufnahmen zeigten Zeichen einer deutlichen Arthrose in allen Kompartimenten des Kniegelenks, die als Folge der vorbestehenden Kreuzbandruptur anzusehen seien. Auch die nunmehr feststellbare endgradige Beweglichkeitseinschränkung lasse sich durch die Folgen des Kreuzbandabrisses erklären. Ausweislich der vorliegenden Berichte sei es am 6.5.2003 zu einer Distorsion des rechten Kniegelenkes gekommen, deren Folgen erfahrungsgemäß in sechs bis acht Wochen abklingen. Der nunmehrige Zustand erkläre sich allein durch die Folgen der vorbestehenden Kreuzbandruptur. Seit dem 10.10.2003, dem Eintritt der Arbeitsfähigkeit, betrage die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) 0 v.H.

Mit Bescheid vom 26.10.2004 führte die Beklagte aus, der Kläger habe wegen der Folgen seines Arbeitsunfalls vom 6.5.2003 keinen Anspruch auf Rente. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit habe bis zum 9.10.2003 bestanden. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.12.2004 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 11.1.2005 Klage zum Sozialgericht (SG) Konstanz (S 5 U 70/05) erhoben, mit der er wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 6.5.2003 die Gewährung einer Rente nach einer MdE um 30 v.H. bzw. zumindest 20 v.H. begehrt hat. Er hat ausgeführt, nachdem im Oktober 1989 die vordere Kreuzbandersatzplastik durchgeführt worden sei, habe er keine Beschwerden im rechten Knie mehr gehabt, weder bei der Arbeit noch beim Sport. Seit dem Arbeitsunfall vom 6.5.2003 leide er unter erheblichen Beschwerden im rechten Knie, auch ohne Belastung, und sei auf die Einnahme von Voltaren angewiesen. Seine Beschwerden seien auf beide Arbeitsunfälle zurückzuführen. Bei der Beurteilung der unfallbedingten MdE seien die Folgen des Arbeitsunfalls aus dem Jahr 1989 mit zu berücksichtigen.

Im Mai 2005 wandte sich der Kläger wegen des Arbeitsunfalls vom 26.6.1989 an die BG Fahrzeughaltungen, Rechtsvorgängerin der BG für Transport und Verkehrswirtschaft, und bat um Überprüfung. Nach Einholung eines chirurgischen Gutachtens vom 21.5.2006 bei Dr. F. und beratungsärztlicher Stellungnahmen lehnte die BG für Fahrzeughaltung mit Bescheid vom 21.12.2006 die Gewährung einer Rente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 26.6.1989 ab. Den Widerspruch wies sie nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme mit Widerspruchsbescheid vom 1.2.2008 zurück. Die hiergegen erhobene Klage (S 11 U 366/08) hat das SG nach Einholung eines Gutachtens bei dem Orthopäden Dr. F., Chefarzt an den Waldburg-Zeil Kliniken, vom 13.1.2009 mit Gerichtsbescheid vom 14.10.2009 abgewiesen. Die Berufung (L 9 U 5387/09) hiergegen hat der Kläger am 2.3.2010 zurückgenommen.

Im Hinblick auf das Verfahren gegen die BG für Fahrzeughaltungen bzw. Transport und Verkehrswirtschaft hat das SG mit Beschluss vom 26.4.2007 das Ruhen des Klageverfahrens angeordnet. Nach Wiederanrufung des Klageverfahrens im März 2010 (S 11 U 496/10) hat das SG Dr. F., der den Kläger im Parallelverfahren begutachtet hatte, mit der Erstattung eines Gutachtens nach Aktenlage beauftragt. Dieser hat im Gutachten vom 24.8.2010 ausgeführt, die beim Kläger am rechten Knie vorliegenden Gesundheitsstörungen (deutlicher Verschleiß des rechten Kniegelenkes bei Zustand nach vorderer Kreuzbandersatzplastik) seien nicht mit Wahrscheinlichkeit auf das Ereignis vom 6.5.2003 zurückzuführen. Die schon am 6.5.2003 aufgrund der Verschleißerscheinungen bestehenden Beschwerden seien wahrscheinlich vorübergehend verschlimmert worden; der Verschleiß selbst sei nicht verschlimmert worden. Die durch Kernspintomographie und Arthroskopie am 9. bzw. 20.5.2003 festgestellten Zusammenhangstrennungen des Außenmeniskus seien durch den Vorschaden, die erheblichen Verschleißerscheinungen, bedingt und nicht durch das Ereignis vom 6.5.2003. Dem Gutachten von Professor Dr. M. werde zugestimmt.

Mit Urteil vom 14.12.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beschwerden des Klägers am rechten Kniegelenk seien nicht wesentlich auf das Ereignis vom 6.5.2003 zurückzuführen; eine rentenberechtigende MdE werde nicht erreicht. Dies folge aus dem Gutachten von Dr. F., das schlüssig sei und das Gericht überzeuge. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen das am 16.12.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 17.1.2011 Berufung eingelegt und vorgetragen, das SG stütze die Klageabweisung auf das Gutachten von Dr. F. vom 24.8.2010. Hierbei verkenne dieser, dass Dr. S. direkt nach dem Unfallereignis vom 6.5.2003 bei der durchgeführten Arthroskopie einen Knorpeldefekt im Bereich des medialen Femurs und einen Außenmeniskusvorderhornabriss diagnostiziert habe. Diese Diagnose und die auch von Dr. F. eingeräumte Tatsache, dass der Bewegungsablauf, der am 6.5.2003 auf das rechte Kniegelenk eingewirkt habe, geeignet sei, eine Meniskusverletzung hervorzurufen und er sich aufgrund der starken Schmerzen sofort in ärztliche Behandlung begeben habe, führe zwingend zur Schlussfolgerung, dass der Meniskusriss durch den Unfall vom 6.5.2003 verursacht worden sei. Trotz der durch die vorangegangenen Unfälle vorhandenen Schadensanlage habe der Meniskusriss am 6.5.2003 zu der seither vorhandenen MdE von 20 v.H. geführt. Zur Zusammenhangsfrage sollte ein weiteres Gutachten von Amts wegen eingeholt werden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 14. Dezember 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. Oktober 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 6. Mai 2003 eine Rente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert, aus der Berufungsbegründung ergebe sich nichts Neues. Sie verweise auf die überzeugenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils, eine weitere Begutachtung von Amts wegen halte sie nicht für erforderlich.

Der Senat hat die Akten der Berufsgenossenschaft Transport und Verkehr, den Arbeitsunfall des Klägers vom 26.9.1989 betreffend, beigezogen sowie die Vorakten des LSG (L 9 U 5387/09).

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Akten der Beklagten, die Akten der BG für Transport und Verkehrswirtschaft, des SG (S 5 U 70/05 bzw. S 11 U 496/10, S 11 U 366/08) und des Senats (L 9 U 226/11 und L 9 U 5387/09) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden hat, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung des Klägers ist unbegründet, da er wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 6.5.2003 keinen Anspruch auf Verletztenrente hat.

Versicherungsfälle im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründeten Tätigkeit (versicherte Tätigkeit).

Der Kläger hat am 6.5.2003 einen solchen Unfall erlitten, als er bei seiner beruflichen, bei der Beklagten versicherten Tätigkeit mit dem rechten Bein in einem Palettenschlitz hängen blieb, umknickte und sich das rechte Kniegelenk verdrehte.

Ob und in welcher Höhe wegen der Folgen von Versicherungsfällen Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen sind, insbesondere Verletztenrente zu gewähren ist, ist grundsätzlich für jeden einzelnen Versicherungsfall getrennt zu prüfen und zu entscheiden (vgl. auch BSG, Urteil vom 19.8.2003 - B 2 U 50/02 R - u.a. in Juris).

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls (Arbeitsunfall) über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern.

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperli¬chen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.6.2004 - B 2 U 14/03 R - in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermö¬gens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unent¬behrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtli¬chen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.

Voraussetzung für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalls und ihrer Berücksichtigung bei der Bemessung der MdE ist u. a. ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis bzw. dem dadurch eingetretenen Gesundheitserstschaden und der fortdauernden Gesundheitsstörung (sog. haftungsausfüllende Kausalität). Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen - neben der versicherten Tätigkeit - der Gesundheitserstschaden und die eingetretenen fortdauernden Gesundheitsstörungen gehören, mit einem der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit erwiesen sein. Für die Bejahung eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen dem Gesundheitserstschaden und den fortdauernden Gesundheitsstörungen gilt in der gesetzlichen Unfallversicherung die Kausalitätstheorie der "wesentlichen Bedingung". Diese hat zur Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob das Ereignis nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Auf Grund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden, bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens abgeleitet werden (vgl. die zusammenfassende Darstellung der Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingung im Urteil des BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 = BSGE 96, 196-209 und Juris).

Bei mehreren konkurrierenden Ursachen muss die rechtlich wesentliche Bedingung nach dem Urteil des BSG vom 9.5.2006 nicht "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig" sein. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Kommt einer der Ursachen gegenüber den anderen eine überragende Bedeutung zu, ist sie allein wesentliche Ursache und damit allein Ursache im Rechtssinn.

Gemessen daran hat der Kläger keinen Anspruch auf Verletztenrente, denn der Arbeitsunfall vom 6.5.2003 hat über die 26. Woche nach dem Unfallereignis hinaus keine MdE in messbarem Grade, d.h. um wenigstens 20 v.H., bzw. bei Vorliegen eines Stütztatbestandes – der vorliegend jedoch nicht ersichtlich ist – um wenigstens 10 v.H. hinterlassen.

Dies ergibt sich für den Senat schlüssig und überzeugend aus dem im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten von Professor Dr. M. und Dr. B. vom 11.5.2004 (nebst ergänzender Stellungnahme vom 28.6.2004), das im Wege des Urkundenbeweises verwertbar ist, sowie dem vom SG eingeholten Sachverständigengutachten von Dr. F. vom 24.8.2010.

Zum Zeitpunkt des hier streitgegenständlichen Arbeitsunfalls vom 6.5.2003 war das rechte Knie des Klägers schon vorgeschädigt. So hatte er zuvor mehrere Unfälle erlitten, die das rechte Knie bzw. das rechte Sprunggelenk betroffen haben (Ruptur des vorderen Kreuzbandes bei privatem Fußballspiel mit Naht des vorderen Kreuzbandes rechts am 15.9.1988; Kniegelenksdistorsion beim Sturz vom Fahrrad am 26.6.1989, Wegeunfall versichert bei der BG für Fahrzeughaltung; Verdrehung des oberen Sprunggelenks am 29.1.1992; Verdrehen des rechten Knies am 9.3.1993 beim Ausstieg aus einem Schaufelradbagger). Zudem war am 11.9.1989 eine Kreuzbandplastik am rechten Knie vorgenommen worden. Vom 15.10. bis 11.12.1992 wurde der Kläger wegen eines Schwellzustandes des rechten Knies behandelt, wobei bei einem ambulanten operativen Eingriff kollagenfaserreiches Narbengewebe und ein spornförmig vorstehender Teil des Ursprungs des Kreuzbandtransplantats entfernt wurde. Wegen weiter auftretender Schwellungen rechnete Dr. K. mit einer weiteren größeren operativen Revision (Bericht von Dr. K. vom 7.12.1992). Nach Angaben des Klägers gegenüber dem Sachverständigen Dr. F. (s. Gutachten vom 13.1.2009 wegen des Arbeitsunfalls vom 26.6.1989) wurde nach Auftreten der Schmerzen im rechten Knie im Herbst 1992 arthroskopisch eine Meniskusteilresektion wegen eines Innenmeniskusrisses durchgeführt. Darüber hinaus wurde das rechte Knie von 1992 bis 2003 ca. viermal punktiert, wobei sich gelblich-klare Flüssigkeit entleerte; ferner waren krankengymnastische Behandlungen erforderlich.

Bei dem Arbeitsunfall vom 6.5.2003, bei dem der Kläger mit dem rechten Bein in einem Palettenschlitz hängen blieb, umknickte und sich das rechte Knie verdrehte, hat sich der Kläger – ausweislich des DA-Berichts von Dr. S. vom 6.5.2003 – eine Kniedistorsion rechts zugezogen. Bei der Untersuchung am Unfalltag stellte der Arzt einen lokalen Druckschmerz, aber keinen tastbaren Gelenkerguss fest. Die Meniskustestung war negativ und die Band- und Kreuzbandführung stabil. Die am 9.5.2003 durchgeführte Kernspintomographie des rechten Kniegelenks zeigte typische Veränderungen bei Zustand nach Kreuzbandplastik, arthrotische Randzackenbildungen lateralseitig sowie diskrete arthrotische Randzackenbildungen an der medialen Facette des Patellagleitweges, ein etwas unregelmäßiges Signal des Knorpelbelages der Patella-rückfläche und einen Kniegelenkserguss. Der Radiologe Risson führte in seiner Beurteilung aus, die vordere Kreuzbandplastik erscheine funktionell suffizient. Es finde sich eine beginnende laterale Gonarthrose und eine Außenmeniskusvorderhorndegeneration. Bei Zustand nach Distorsion finde sich kein Nachweis einer Bandruptur; es liege ein Kniegelenkserguss vor. Bei der am 20.5.2003 durchgeführten Arthroskopie des rechten Knies wurden ein Außenmeniskus-Vorderhorn- und -Hinterhornriss, eine Chondromalazie der medialen Femurrolle sowie ein Zustand nach vorderer Kreuzbandplastik diagnostiziert. Es wurde eine Teilresektion des Außenmeniskus-Vorderhorns und des Außenmeniskus-Hinterhorns sowie eine Knorpelglättung an der medialen Femurkondyle vorgenommen. Die histologische Untersuchung ergab einen hochgradig degenerierten hyalinen Knorpel mit Fissurenbildung, zum Teil mit direkten Übergang in den Knochen sowie eine mäßig reichlich fibrosierte Synovia.

Nunmehr liegen beim Kläger am rechten Knie noch Belastungsschmerzen, seltener Ruheschmerzen, eine Schwellneigung, eine leichte Instabilität ohne giving way, eine ganz leichte Beugeeinschränkung sowie eine deutliche posttraumatische Arthrose bei Zustand nach vorderer Kreuzbandersatzplastik vor. Diese Gesundheitsstörungen sind jedoch nicht mit Wahrscheinlichkeit auf den Unfall vom 6.5.2003 zurückzuführen. Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat aufgrund des Gutachtens von Professor Dr. M./Dr. B. vom 11.5.2004 (nebst ergänzender Stellungnahme vom 28.6.2004) sowie der beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. S. vom 22.11.2005, erstattet im Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall vom 26.6.1989, die im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden, sowie der Sachverständigengutachten von Professor Dr. F. vom 13.1.2009 (im Verfahren S 11 U 366/08 betreffend den Arbeitsunfall vom 26.6.1989) sowie vom 24.8.2010. Die in der Arthroskopie vom 20.5.2003 ersichtlichen Befunde, nämlich die Knorpelerweichung an der inneren Rolle des Oberschenkelknochens sowie die Rissbildung im Außenmeniskus, sind nicht auf das Unfallereignis vom 6.5.2003 zurückzuführen, wie Dr. F. nachvollziehbar dargelegt hat. Ganz offensichtlich ist dies bei der Knorpelerweichung, bei der ein ursächlicher Zusammenhang von vornherein ausscheidet, zumal es sich hier um eindeutige Verschleißerscheinungen handelt. Ein Zusammenhang zwischen den Rissen des Außenmeniskus und dem Ereignis vom 6.5.2003 lässt sich ebenfalls nicht mit Wahrscheinlichkeit feststellen, zumal beim Kläger am rechten Knie Vorschäden bestanden und bei einer Kniebandinstabilität bzw. Zustand nach vorderer Kreuzbandersatzplastik, die keine Stabilität wie ein unversehrtes Kniegelenk bedeutet, degenerative Meniskusläsionen früher als üblich auftreten. Da nach dem Unfall vom 6.5.2003 weitere Schädigungen im rechten Knie z.B. am Innenmeniskus, an den Bändern nicht festzustellen waren, spricht dies gegen einen unfallbedingten Schaden. So kann es sein, dass die Außenmeniskuszusammenhangstrennungen schon vor dem 6.5.2003 bestanden und erst durch die Untersuchungen nach Verdrehung und Abknickung des rechten Kniegelenks am 6.5.2003 entdeckt wurden. Angesichts dessen folgt der Senat den übereinstimmenden Beurteilungen von Professor Dr. M./Dr. B. und Dr. F., dass es durch das Ereignis vom 6.5.2003 zu einer Distorsion des erheblich vorgeschädigten rechten Knies gekommen ist, die nicht ursächlich für die nunmehr noch vorliegenden Gesundheitsstörungen des rechten Kniegelenks ist und ab Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit aufgrund der Folgen des Arbeitsunfalls eine MdE von 0 v.H. vorliegt.

Aber selbst wenn man die Risse des Außenmeniskus ursächlich auf den Unfall vom 6.5.2003 zurückführen könnte, was nach Ansicht von Dr. F. unwahrscheinlich ist, läge die hierdurch bedingte MdE unter 10 v.H., da lediglich die lädierten Bereiche am Außenmeniskus entfernt wurden, ohne dass der Gesamtmeniskus reseziert werden musste. Nur ein persistierender Meniskusschaden oder ein Zustand nach kompletter Entfernung eines Meniskus führt im Verlauf von Jahren zum Verschleiß, so wie das auch bei einer Kniebandinstabilität - wie auch vorliegend - der Fall ist.

Die beim Kläger am rechten Kniegelenk vorliegenden Verschleißerscheinungen und Beschwerden sind damit nicht mit Wahrscheinlichkeit ursächlich auf das Ereignis vom 6.5.2003 zurückzuführen, wie Professor Dr. M./Dr. B., Dr. S. und Dr. F. übereinstimmend und für den Senat überzeugend dargelegt haben. Irgendwelche ärztlichen Äußerungen, die geeignet wären, das klägerische Begehren zu stützen, bzw. die vorliegenden Gutachten zu widerlegen oder gar auch nur zu erschüttern, liegen nicht vor.

Nach alledem war das angefochtene Urteil des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung des Klägers müsste deswegen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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