Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 5 P 2402/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 4378/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 22. Juli 2010 abgeändert, als es den Bescheid der Beklagten vom 24. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Mai 2008 abgeändert und die Beklagte verurteilt hat, dem Kläger auch für die Zeit vom 1. Dezember 2007 bis 31. Dezember 2011 Pflegegeld nach der Pflegestufe II zu zahlen. Insoweit wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist im Berufungsverfahren zuletzt noch streitig, ob der Kläger auch bereits für die Zeit vom 1. Dezember 2007 bis 31. Dezember 2011 Anspruch auf Pflegegeld nach der Pflegestufe II hatte.
Der 1971 geborene Kläger war bis 23. März 2007 Mitglied der beklagten Pflegekasse oder deren Rechtsvorgängerin (im Folgenden einheitlich Beklagte) und ist es nach einer Familienversicherung über seine damalige Ehefrau bei einer anderen Pflegekasse erneut seit 23. Oktober 2007. Beim Kläger trat im zehnten Lebensmonat eine komplette Querschnittssymptomatik mit spastischer Paraplegie und Lähmung ab Nabelhöhe auf. Seitdem ist der Kläger rollstuhlpflichtig. Ferner besteht seit dem dritten Lebensjahr eine schwere Kyphoskoliose der Wirbelsäule. Am 25. Juni 1999 erfolgte wegen eines destruierenden Hüftgelenksemphysem und eines Weichteilsinfekts rechts die Amputation des rechten Beines mit Exartikulation im Hüftgelenk (Bericht des Prof. Dr. Sc. vom 16. August 1999). Die Beklagte bewilligte dem Kläger Pflegegeld nach der Pflegestufe II ab 1. April 1995 (Bescheid vom 30. Juni 1995).
Die Beklagte veranlasste eine Überprüfung. Pflegefachkraft K., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK), schätzte in ihrem Gutachten vom 22. Januar 2004 den Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege mit 14 Minuten täglich (Körperpflege zehn Minuten, Mobilität vier Minuten). Im Vergleich zum Vorgutachten (des Sozialmediziners Dr. S. vom 24. Juni 1995) habe der Kläger eine fast völlige Selbstständigkeit trotz seiner Behinderung erreicht. Er benötige keine Hilfestellungen mehr bei der Darm- und Blasenentleerung. Auch die mundgerechte Zubereitung der Nahrung, das Aufstehen und Zubettgehen sowie die Transfers erfolgten mittlerweile selbstständig. Mit dem Rollstuhl sei er selbstständig mobil. Die Beklagte verfügte daraufhin, dass das Pflegegeld zum 1. März 2004 "eingestellt" werde (Bescheid vom 29. Januar 2004). Der Kläger erhob Widerspruch. Pflegefachkraft B., MDK, schätzte in ihrem Gutachten vom 23. April 2004 den Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege auf 19 Minuten täglich (Körperpflege zehn Minuten, Mobilität neun Minuten). Auch sie kam zum Ergebnis, dass der Kläger nur noch geringfügig auf Hilfestellungen angewiesen sei und trotz seiner Behinderung sehr viel Selbstständigkeit gewonnen habe. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 7. Oktober 2004). Zur Begründung berief er sich auf die Feststellungen in den Gutachten des MDK. Hiergegen erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG, S 5 P 3992/04). Die Beklagte gab folgendes Anerkenntnis vom 21. Juli 2005 ab, das der Kläger annahm: 1. Der Aufhebungsbescheid vom 29. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom "17.02.2004" (richtig 7. Oktober 2004) wird aufgehoben. 2. Der Kläger erhält auf der Grundlage des Zubilligungsbescheids vom 30. Juni 1995 weiterhin Leistungen der Pflegestufe II bis einschließlich 12. März 2005. 3. Der Bezug von Leistungen der Pflegestufe II auf der Grundlage des Bescheids vom 30. Juni 1995 endet bei der Beklagten spätestens zum Ende einer Mitgliedschaft oder Versicherung bei der AOK Baden-Württemberg. 4. Das Ende des Leistungsbezugs tritt nicht ein, sofern nahtlos im Anschluss an ein Versicherungsverhältnis/eine Mitgliedschaft bei der AOK Baden-Württemberg eine weitere Mitgliedschaft/ein weiteres Versicherungsverhältnis bei der AOK Baden-Württemberg zu Stande kommt. 5. (Kosten) Die Beklagte zahlte Pflegegeld nach der Pflegestufe II bis 24. März 2007. Die Pflegekasse, bei der der Kläger danach familienversichert war, zahlte Pflegegeld nach der Pflegestufe II zunächst unter Vorbehalt bis 22. Oktober 2007 weiter.
Wegen der seit 23. Oktober 2007 bestehenden erneuten Mitgliedschaft bei der Beklagten beantragte der Kläger unter dem 5. Dezember 2007 Geldleistungen der Pflegeversicherung. Pflegefachkraft St., MDK, nannte in seinem Gutachten vom 21. Januar 2008 als pflegebegründende Diagnosen eine Bewegungseinschränkung bei Querschnittslähmung, einen Zustand nach Beinamputation rechts, einen Decubitus über dem rechten Sitzbeinhöcker, eine Skoliose, rezidivierende Blasenentzündungen sowie teilweise Blasen- und Darmlähmung. Er schätzte den Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege auf 23 Minuten täglich (Körperpflege 15 Minuten, Mobilität acht Minuten). Der Kläger benötige Hilfe beim Waschen des Rückens und des Gesäßes, abends bei der Intimwäsche, teilweise beim Aufstehen und Zubettgehen durch Festhalten, beim An- und Entkleiden der Hosen sowie beim Ein- und Ausstieg in die Dusche wegen der hohen Einstiegshöhe. Innerhalb und außerhalb der Wohnung könne der Kläger sich im Rollstuhl selbstständig bewegen. Die Beklagte lehnte es ab, Pflegeleistungen zu zahlen (Bescheid vom 24. Januar 2008).
Auf den Widerspruch des Klägers, mit dem er geltend machte, sein Gesundheitszustand und seine Pflegebedürftigkeit hätten sich gegenüber dem Vorgutachtern erheblich erhöht, veranlasste die Beklagte das Gutachten der Pflegefachkraft Kl., MDK, vom 7. März 2008. Diese nannte als pflegebegründende Diagnosen eine Paraplegie mit Lähmung ab Nabelhöhe distal, eine Verformung der Wirbelsäule, eine Kyphosierung der Brustwirbelsäule, eine Skoliose der Lendenwirbelsäule sowie einen Zustand nach Beinamputation rechts mit Hüftgelenksbeteiligung. Sie schätzte den Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege auf 25 Minuten täglich (Körperpflege zehn Minuten, Mobilität 15 Minuten). Der Kläger benötige Unterstützung beim Waschen des Rückens und des Beins, beim Ein- und Ausstieg (30 cm hoch) in die enge Duschkabine, beim An- und Ausziehen der Hose sowie beim Transfer auf die Toilette durch Halten des Rollstuhls, weil derzeit die Bremsen des Rollstuhls defekt seien. Mit dem Rollstuhl sei der Kläger innerhalb und außerhalb des Hauses selbstständig mobil. Der linke Arm sei derzeit aufgrund einer Entzündung im Ellenbogengelenk nur stark reduziert beweglich. Der Kläger könne die Toilettengänge und alle Transfers selbstständig durchführen. Die Handkraft beidseits sei vorhanden. Der Nacken-Schürzengriff sei gut möglich. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 8. Mai 2008). Der Widerspruchsausschuss verwies zur Begründung auf das Gutachten der Pflegefachkraft Kl. und sowie auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 13. Mai 2007 (B 3 P 3/03 R, SozR 4-3300 § 37 Nr. 2), wonach es bei einem Wechsel von einer Pflegekasse zu einer anderen Pflegekasse aufgrund einer von der ersten Pflegekasse getroffenen Entscheidung über die Bewilligung keinen Bestandsschutz gebe.
Der Kläger erhob am 14. Mai 2008 Klage beim SG. Wegen seiner erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen liege weiterhin Pflegebedürftigkeit nach der Pflegestufe II vor. Der tägliche Zeitaufwand betrage bei der Grundpflege 260 Minuten und bei der hauswirtschaftlichen Versorgung 240 Minuten. Die Gutachter schätzten die Wohn- und Betreuungssituation falsch ein. Wegen der Inkontinenz und starken Schwitzens sei eine mehrmalige Körperwäsche täglich erforderlich, die jeweils voll von einer Pflegeperson übernommen werden müsse. Das Badezimmer sei klein und schlecht befahrbar. Wegen des hohen Einstiegs in die Dusche und eines fehlenden Sitzes in der Dusche sei er nicht in der Lage, allein zu duschen. Weiter sei er nicht in der Lage zu stehen, zu gehen, selbstständig von einem Stuhl aufzustehen, Treppen zu benutzen sowie sich alleine anzukleiden und zu entkleiden. Wegen der Inkontinenz müssten mehrere Garnituren Kleidung zur Verfügung gestellt werden. Unterstützung brauche er beim Aufstehen und Zubettgehen sowie den Transfers. Ein permanenter Lagewechsel sei erforderlich. Er müsse täglich mindestens 30 Minuten mit seiner Mutter Gymnastikübungen machen. Es bestehe trotz Blasentrainings eine leichte Inkontinenz sowie ein dauernder Beaufsichtigungs- und Betreuungsbedarf. Auch habe er Bestands- und Vertrauensschutz. Ferner sei die Beklagte wegen des im Verfahren S 5 P 3992/04 abgegebenen Anerkenntnisses vom 21. Juli 2005 verpflichtet, ihm Leistungen nach der Pflegestufe II zu zahlen. Der Kläger legte eine Stellungnahme seiner Mutter zur notwendigen Pflege sowie das ärztliche Attest des Internisten Dr. Ku. vom 8. Juli 2008 (keine Änderung der Situation seit dem Jahre 2004) vor.
Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf die Gutachten des MDK und den Widerspruchsbescheid entgegen.
Das SG zog die Unterlagen der Pflegekasse bei, bei der der Kläger vom 25. März bis 22. Oktober 2007 versichert war.
Das SG erhob von Amts wegen das Gutachten der examinierten Kinderkrankenschwester, Pflegedienstleiterin und Fachwirtin für Sozialwesen B. vom 27. März 2009, das die Sachverständige nach einer Untersuchung des Klägers bei einem Hausbesuch am 16. März 2009 erstattete. Sie nannte als von ihr aus den vorliegenden Unterlagen übernommene Diagnosen eine spastische Paraplegie beider Beine, eine Hüftgelenksexartikulation rechts, eine schwere Skoliose der Wirbelsäule, eine supranukleäre neurogene Blasenentleerungsstörung, einen Verdacht auf eine urethrale Manipulation, eine Sensibilitätsstörung sowie einen Glutealdecubitus und schätzte den Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege seit 23. Oktober 2007 auf 125 Minuten (Körperpflege 75 Minuten, Ernährung neun Minuten, Mobilität 41 Minuten).
Duschen Zweimal täglich Volle Übernahme 40 Minuten Intimhygiene Fünfmal täglich Volle Übernahme 10 Minuten Richten der Bekleidung Zweimal täglich Volle Übernahme 10 Minuten Reinigung des Umfelds nach Darm- und Blasenentleerung Fünfmal täglich Volle Übernahme 5 Minuten Stuhlgang mit Nachsorge Zweimal täglich Volle Übernahme 10 Minuten mundgerechte Zubereitung der Nahrung Dreimal täglich Volle Übernahme 9 Minuten Aufstehen und Zubettgehen Viermal täglich Volle Übernahme 16 Minuten Umlagern Dreimal täglich Teilweise Übernahme 6 Minuten An- und Auskleiden gesamt Zweimal täglich Teilweise Übernahme 8 Minuten An- und Auskleiden Unterkörper Viermal täglich Volle Übernahme 8 Minuten Verlassen/Wiederaufsuchen der Wohnung Dreimal wöchentlich Teilweise Übernahme 3 Minuten
Nacken- und Schürzengriff, Faustschluss sowie Pinzettengriff könnten umgesetzt werden. Die Schultern seien in der Beweglichkeit leicht eingeschränkt. Die Arme könnten gestreckt werden. Die grobe Kraft der rechten Hand sei deutlich vermindert. Es bestehe ein leichter Tremor in beiden Händen. Der Glutealdecubitus im Bereich der Narbe der im Jahre 1999 durchgeführten Operation werde alle zwei Tage in einer Arztpraxis versorgt. Wegen Einschränkungen der Sensibilität müsse mit personeller Hilfe auf häufige Lageveränderung zur Vermeidung weiterer Decubitusgeschwüre geachtet werden. Als die Pflege erschwerender Faktor könne das Gewicht von über 80 kg sowie das Verstärken des Spasmus im linken Bein bei den Transfers bewertet werden. Die Hand- und Ellenbogengelenke seien entzündlich schmerzhaft degeneriert und könnten nur begrenzt der Belastung des Oberkörpers beim Transfer standhalten. Das linke versteifte Bein sei geh- und stehunfähig mit schweren Spasmen. Bei und nach Transfers beginne das Bein erheblich schmerzhaft zu verkrampfen. Im Bereich der Ernährung könne er sich nicht selbst versorgen, da sein Rollstuhl nicht unterfahrbar sei und auch keine entsprechenden Küchenmöbel vorhanden seien. Das Essen müsse zubereitet und angereicht werden. Der Rollstuhl könne mittels Schwungrädern im Wohnbereich sowie auch auf kurzen Strecken im Außenbereich selbstständig gefahren werden. Zur Entlastung der inneren Organe, der Sitzhöcker und zur Vermeidung neuer Dekubitalgeschwüre verbringe der Kläger ca. zwölf Stunden liegend im Bett.
Die Beklagte hielt das Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen unter Verweis auf die von ihr vorgelegte Stellungnahme der Pflegefachkraft L., MDK, vom 2. Juli 2009 für grob fehlerhaft. Dieser führte aus, nach dem von der Sachverständigen selbst erhobenen Befund sei ein höherer Hilfebedarf als in den vorangegangenen Gutachten nicht nachvollziehbar. Die Sachverständige lasse die funktionellen Fähigkeiten des Klägers, insbesondere die nicht pflegerelevant beeinträchtigte Beweglichkeit im Bereich des Oberkörpers, nahezu vollständig außer Acht. Die von ihr selbst beobachteten und dokumentierten Ressourcen der Beweglichkeit im Oberkörper ermögliche eine weitaus größere Selbstständigkeit bei der Grundpflege als möglicherweise von den Angehörigen oder dem Kläger selbst angegeben. Es bestehe ein krankheitsbedingter Sollhilfebedarf bei der Grundpflege von 15 Minuten täglich (Hilfestellung beim Waschen schwer erreichbarer Teile des Rückens und Teilhilfe beim Waschen des oft spastischen linken Beines beim Duschen acht Minuten bei einmal täglicher Durchführung; Teilhilfe beim An-und Auskleiden des Unterkörpers bis übers Knie fünf Minuten; Hilfe beim Transfer an der Dusche zwei Minuten).
Mit Urteil vom 22. Juli 2010 hob das SG den Bescheid der Beklagten vom 24. Januar 2008 und den Widerspruchsbescheid vom 8. Mai 2008 auf und verurteilte die Beklagte, dem Kläger ab dem 1. Dezember 2007 Pflegeleistungen nach der Pflegestufe II zu gewähren. Das SG folgte den Feststellungen der Sachverständigen B. und hielt die Auffassung der Pflegefachkraft L. für nicht nachvollziehbar. Nicht zutreffend sei, dass der Kläger, weil er noch beide Arme und Hände habe, bei der Körperpflege im Zusammenhang mit dem Duschen noch erheblich selbst mithelfen könne. Auch die weiteren Ansätze des Hilfebedarfs der gerichtlichen Sachverständigen B. erschienen nachvollziehbar, abgesehen von der regelmäßig für nötig erachteten Hilfe bei der mundgerechten Zubereitung der Nahrung. Insoweit dürfte kein Hilfebedarf von neun Minuten gegeben sein. Im Gutachten der Sachverständigen fehle jedoch ein Hilfebedarf bei Transferleistungen zwischen dem Bett und dem Rollstuhl, zwischen dem Rollstuhl und der Toilette und von der Toilette in den Rollstuhl sowie bei den Transfers in die beengte Dusche. Dieser Hilfebedarf betrage mindestens zehn Minuten täglich. Im Ergebnis verbleibe es bei einem täglichen Grundpflegebedarf von etwa 126 Minuten.
Gegen das ihr am 16. August 2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 6. September 2010 Berufung eingelegt. Die Berufung hat sie zurückgenommen, soweit es die Verurteilung zur Zahlung von Pflegegeld nach der Pflegestufe I betrifft. Sie hat auf die dem SG vorgelegte Stellungnahme der Pflegefachkraft L. sowie auf die Gutachten des MDK aus den Jahren 2004 und 2008 verwiesen, die lediglich einen Hilfebedarf unterhalb der Pflegestufe I festgestellt hätten. Das SG gehe nicht ausreichend darauf ein, dass die noch vorhandene Beweglichkeit des Oberkörpers dem Kläger weiterhin erlaube, einen Teil der notwendigen Verrichtungen weiterhin selbstständig auszuführen. Ferner könne der Höhe der Zeitansätze für die einzelnen Verrichtungen nicht gefolgt werden, zumal der Kläger behaupte, der Hilfebedarf habe sich den letzten Jahren nicht verändert. Sie hat die weitere Stellungnahme der Pflegefachkraft H., MDK, vom 12. Oktober 2010 vorgelegt, die hinsichtlich des Hilfebedarfs bei der Grundpflege sich der Auffassung der Pflegefachkraft L. angeschlossen hat.
Am 10. Januar 2012 erfolgte nach Nekrotisierung einer Wunde eine Teilamputation des linken Beins unterhalb des linken Knies. Der Kläger hat unter dem 2. Februar 2012 die Höherstufung beantragt. Die Beklagte hat das Gutachten der Pflegefachkraft Z. vom 5. April 2012 eingeholt, die den Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege auf 146 Minuten täglich (Körperpflege 67 Minuten, Mobilität 79 Minuten) geschätzt hat. Der Nackengriff sei ausführbar, der Schürzengriff bei Beeinträchtigung der Rumpfkontrolle mit Sturzneigung nicht. Die grobe Kraft beidseits sei gemindert. Der Faustschluss beidseits sei möglich. Die Greiffunktion sei eingeschränkt. Übernommen werde das Waschen des Rückens, der Beine und des Intimbereichs beim abendlichen Duschen oder Baden sowie das Haare waschen. Morgens werde am Waschbecken mit Hilfestellung der Rücken, der Beinbereich links und der Intimbereich gewaschen. Im Oberkörper- und Gesichtsbereich könne der Kläger dies selbst durchführen, wie auch Kämmen, Zahnpflege und Rasur. Beim Sitzen auf der Toilette sei Beaufsichtigung und teilweises Festhalten durch die Pflegekraft erforderlich, weil der Kläger dazu neige, nach vorne über zu kippen. Die Säuberung nach Stuhlgang sowie das Hoch- und Herunterziehen der Hose werde übernommen. Ca. ein- bis zweimal wöchentlich sei wegen nächtlichen Einnässens zusätzliche Intimhygiene und Bekleidungswechsel im Bereich des Unterkörpers erforderlich. Derzeit erfolge auch Assistenz bei der Blasenentleerung. Hilfe sei erforderlich beim Aufstehen und Zubettgehen, beim Umsetzen, beim Aufrichten im Bett, teilweise bei der Lagerung im Bett, beim Aufrichten des Oberkörpers, beim Wechsel der Bekleidung im Bereich des Unterkörpers, im Bereich des Oberkörpers beim Knöpfen und bei Reißverschlüssen, beim Transfer im Bad sowie beim Umsetzen auf die Toilette, den Sessel oder das Sofa. Die Beklagte hat mit Bescheid vom 17. April 2012 ab 1. Januar 2012 Pflegegeld der Pflegestufe II bewilligt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 22. Juli 2010 abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit es die Verurteilung zur Zahlung von Pflegegeld nach der Pflegestufe II für die Zeit vom 1. Dezember 2007 bis 31. Dezember 2011 betrifft.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Im Vergleich zu 2004 habe sich entgegen der Behauptung der Beklagten sein Gesundheitszustand verschlechtert. Die vom MDK erstatteten Gutachten seien Parteigutachten und keine unabhängigen Gutachten wie das von der Sachverständigen B ...
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akten des SG (S 5 P 3992/04, S 5 P 2010/08 ER und S 5 P 2402/08) sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Die Beklagte hat die Berufung form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung ist auch statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund des § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist nicht gegeben. Bei Einlegung der Berufung hat sich die Beklagte gegen die unbefristete Zahlung von Pflegegeld nach der Pflegestufe II gewandt, mithin für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Nachdem die Beklagte die die von ihr eingelegte Berufung zurückgenommen hat, soweit sie das SG auch verurteilt hat, Pflegegeld nach der Pflegestufe I für die Zeit vom 1. Dezember 2007 bis 31. Dezember 2011 zu zahlen, ist nur noch darüber zu entscheiden, ob der Kläger in diesem Zeitraum Anspruch auf Pflegegeld nach der Pflegestufe II hatte.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist, soweit über sie noch zu entscheiden war, begründet, das SG hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1. Dezember 2007 bis 31. Dezember 2011 Pflegegeld nach der Pflegestufe II zu zahlen. Die Voraussetzungen für diesen vom Kläger geltend gemachten Anspruch lagen nicht vor.
Pflegebedürftige können nach § 37 Abs. 1 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) anstelle der Pflegesachleistungen ein Pflegegeld erhalten. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die im Einzelnen in § 14 Abs. 4 SGB XI genannt sind, auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen. Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI). Pflegebedürftige der Pflegestufe II (Schwerpflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB XI Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe II mindestens drei Stunden betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mindestens zwei Stunden entfallen (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 SGB XI). Die Grundpflege umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI), der Ernährung (§ 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI) und der Mobilität (§ 14 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI). Zur Grundpflege zählt ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege beim Waschen, Duschen, Baden, der Zahnpflege, dem Kämmen, Rasieren, der Darm- und Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung beim mundgerechten Zubereiten der Nahrung und der Aufnahme der Nahrung sowie im Bereich der Mobilität beim selbstständigen Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, dem An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und dem Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung. Das Ausmaß des Pflegebedarfs ist nach einem objektiven ("abstrakten") Maßstab zu beurteilen. Maßgebend für den zeitlichen Aufwand ist grundsätzlich die tatsächlich bestehende Pflegesituation unter Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse des zu Pflegenden, allerdings am Maßstab des allgemein Üblichen. § 14 SGB XI stellt allein auf den "Bedarf" an Pflege und nicht auf die im Einzelfall unterschiedliche Art der Deckung dieses Bedarfs oder die tatsächlich erbrachte Pflege ab (vgl. BSG, Urteil 21. Februar 2002 - B 3 P 12/01 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 19). Bei der Bestimmung des erforderlichen Zeitbedarfs für die Grundpflege sind als Orientierungswerte die Zeitkorridore der Richtlinie der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI (Begutachtungs-Richtlinie) zu berücksichtigen. Diese Zeitwerte sind zwar keine verbindlichen Vorgaben; es handelt sich jedoch um Zeitkorridore mit Leitfunktion (Abschnitt F Nr. 1 Begutachtungs-Richtlinie; vgl. dazu BSG, Urteil vom 22. Juli 2004 - B 3 P 6/03 R - SozR 4-3300 § 23 Nr. 3 m.w.N.). Dabei beruhen die Zeitkorridore auf der vollständigen Übernahme der Verrichtungen durch eine Laienpflegekraft. Die Zeiten für den Hilfebedarf bei den einzelnen Verrichtungen beruhen regelmäßig auf Schätzungen, denen eine gewisse und auf wenige Minuten beschränkte Unschärfe nicht abgesprochen werden kann und die dennoch hinzunehmen sind (vgl. BSG, Urteil vom 10. März 2010 - B 3 P 10/08 R - SozR 4-3300 § 15 Nr. 4).
1. Ein Anspruch des Klägers auf Pflegegeld nach der Pflegestufe II für die Zeit vom 1. Dezember 2007 bis 31. Dezember 2011 ergibt sich nicht bereits daraus, dass er bis 23. März 2007 diese Leistung von der Beklagten bezog. Mit dem Ende der Mitgliedschaft des Klägers an diesem Tag endete auch sein Anspruch auf diese Leistung (vgl. BSG, Urteil vom 13. Mai 2007 - B 3 P 3/03 R - a.a.O. zur privaten Pflegeversicherung). Insoweit besteht zwischen der sozialen Pflegeversicherung und der privaten Pflegeversicherung kein Unterschied, Aufgrund der ab 23. Oktober 2007 bestehenden erneuten Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten war ein erneuter Antrag erforderlich, der ohne Beschränkungen wegen Verpflichtungen aus der vorangegangenen Mitgliedschaft neu zu prüfen war. Im Übrigen kann der Kläger auch aus dem Anerkenntnis der Beklagten vom 21. Juli 2005 zur Stützung seines geltend gemachten Anspruchs nichts ableiten. Denn das Anerkenntnis, weiterhin Leistungen der Pflegestufe II zu zahlen, war begrenzt bis zum Ende der Mitgliedschaft des Klägers bei der AOK Baden-Württemberg und damit auch das Ende der Mitgliedschaft bei der Beklagten, das am 23. März 2007 eintrat.
2. Beim Kläger bestand im streitigen Zeitraum ein täglicher Hilfebedarf bei den Verrichtungen der Grundpflege von 55 bis 65 Minuten, mithin weniger als 120 Minuten.
a) Beim Kläger bestand im streitigen Zeitraum eine spastische Paraplegie, eine schwere Kyphoskoliose der Wirbelsäule, eine Amputation des rechten Beines mit Exartikulation im Hüftgelenk sowie eine Blasenentleerungsstörung. Diese beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen werden sowohl in dem Gutachten der Sachverständigen B. als auch der Gutachter des MDK übereinstimmend beschrieben.
b) Der von der Sachverständigen B. angenommene Hilfebedarf von täglich 125 Minuten ist nicht schlüssig. Denn den Zeitaufwand für einzelne Verrichtungen ist anhand der von ihr erhobenen Befunde nicht nachvollziehbar.
aa) Dies gilt zunächst für den von der Sachverständigen angenommenen Hilfebedarf für ein täglich zweimaliges Duschen von insgesamt 40 Minuten täglich. Insoweit ist höchstens ein täglicher Zeitaufwand von 20 Minuten plausibel. Die Sachverständige geht insoweit in ihrer auf S. 15 ihres Gutachtens enthaltenen tabellarischen Aufstellung des täglichen Hilfebedarfs davon aus, dass die Pflegeperson das Duschen vollständig übernehmen müsse. Damit widerspricht sie bereits ihrem eigenen Gutachten. Denn auf S. 5 ihres Gutachtens legte sie - insoweit in Übereinstimmung mit dem Gutachten der Pflegefachkraft Kl. - dar, die Grundpflege werde in Form einer Dusche morgens und abends bei Teilübernahme durch die Pflegeperson ausgeführt, völlige Übernahme sei beim Waschen des Intimbereichs, des Rückens und des Fußes erforderlich. Des Weiteren ist aufgrund der von der Sachverständigen erhobenen Befunde die vollständige Übernahme des Waschens des gesamten Körpers nicht nachvollziehbar. Denn die Sachverständige beschreibt keine Befunde, die eine erhebliche Einschränkung der Beweglichkeit der oberen Extremitäten belegen. Nach den Feststellungen der Sachverständigen konnte der Kläger den Nacken- und Schürzengriff umsetzen. Die Beweglichkeit in den Schultern war nur leicht eingeschränkt. Die Arme konnten gestreckt werden. Die grobe Kraft der rechten Hand war deutlich vermindert. In beiden Händen bestand ein leichter Tremor. Zu Recht wird insoweit in den von der Beklagten vorgelegten Stellungnahmen der Pflegefachkräfte L. und H. darauf abgehoben, dass der Kläger jedenfalls einzelne Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Duschen und auch dem sonstigen Waschen selbst ausführen konnte und die Pflegekraft nur einzelne Tätigkeiten, wie z.B. das Waschen des Rückens oder des Intimbereichs zu übernehmen hatte. Auch der Kläger selbst gab im Antrag vom 5. Dezember 2007 an, bei der Ganzkörperwäsche sowie beim Duschen/Baden bestehe ein teilweiser Hilfebedarf und die Teilwäsche des Rückens, des Unterleibs und der Füße müsse vollständig übernommen werden. Dass der Kläger sich im Bereich des Oberkörpers und des Gesichts selbst waschen kann, bestätigt schließlich auch das zuletzt von der Beklagten veranlasste Gutachten der Pflegefachkraft Z. vom 5. April 2012, obgleich der Kläger den Schürzengriff nun nicht mehr ausführen kann und damit auch der tägliche Hilfebedarf sich wesentlich geändert hat. Insoweit ist höchstens der von Pflegefachkraft Kl. im Gutachten vom 7. März 2008 geschätzte Hilfebedarf von zehn Minuten plausibel, bei einem zweimal täglichen Duschen - so die Sachverständige B. und Pflegefachkraft Kl. - mithin 20 Minuten.
Der Senat lässt dahingestellt, ob ein Duschen zweimal täglich erforderlich ist, oder ob - wie sich aus dem Gutachten der Pflegefachkraft Z. vom 5. April 2012 ergibt - morgens eine Teilwäsche und abends das Duschen erfolgt. Bei einem zweimal täglichen Duschen ist jedenfalls eine weitere Teilwäsche nicht erforderlich. Würde man nur ein einmal tägliches Duschen für erforderlich halten, müsste zusätzlich ein zeitlicher Hilfebedarf für eine Teilwäsche des Unterkörpers berücksichtigt werden. Unter Berücksichtigung der Orientierungswerte der Begutachtungs-Richtlinie (Teilwäsche Unterkörper zwölf bis 15 Minuten bei der vollen Übernahme) ergäbe sich kein wesentlich abweichender zeitlicher Hilfebedarf.
bb) Bei der Darm- und Blasenentleerung lässt sich jedenfalls bis zur Untersuchung der Sachverständigen B. allenfalls ein Hilfebedarf beim Säubern nach dem Stuhlgang und beim Richten der Bekleidung feststellen. Die Darm- und Blasenentleerung konnte der Kläger selbstständig durchführen, wie sich aus dem Gutachten der Pflegefachkraft Kl. ergibt. Weder dem Gutachten der Sachverständigen B. noch dem Vortrag des Klägers lässt sich Anderes entnehmen. In der dem SG vorgelegten, von seiner Mutter verfassten Zusammenstellung der Tätigkeiten ist Entsprechendes nicht behauptet worden. Soweit der Kläger Hilfe beim Aufsuchen der Toilette benötigte, ist dies bei der Verrichtung Transfer zu berücksichtigen.
Dass zur Blasenentleerung eine Urinflasche verwendet wurde, ergibt sich erstmals aus dem Gutachten der Sachverständigen B., so dass auch ein Hilfebedarf für das Anlegen des Urinalkondoms und das Entleeren der Urinflasche anzunehmen war. Ferner ergibt sich aus dem zuletzt von der Beklagten veranlassten Gutachten der Pflegefachkraft Z. vom 5. April 2012 erstmals, dass beim Sitzen auf der Toilette Beaufsichtigung und teilweises Festhalten durch die Pflegekraft erforderlich ist, das Säubern nach dem Stuhlgang und das Hoch- und Herunterziehen der Hose übernommen wird sowie bei der Blasenentleerung assistiert wird. Da im Hinblick auf die im Januar 2012 erfolgte Unterschenkelamputation links von einer Zunahme des Pflegebedarfs auszugehen ist, war bei großzügiger Schätzung für den Zeitraum bis März 2009 (Untersuchung durch die Sachverständige) höchstens ein Zeitaufwand von 15 Minuten (Reinigung nach Stuhlgang einmal täglich fünf Minuten; Richten der Bekleidung zehn Minuten [fünfmal täglich à zwei Minuten]) gegeben. Dieser Zeitaufwand erhöhte sich wegen der Verwendung der Urinflasche, wobei insgesamt auch für die Vergangenheit allenfalls der von Pflegefachkraft Z. geschätzte Hilfebedarf von 25 Minuten angenommen werden kann.
cc) Ein Hilfebedarf bestand weiter beim An- und Entkleiden des Unterkörpers. Angesichts der bereits mehrmals erwähnten, von der Sachverständigen B. erhobenen Befunde im Bereich der oberen Extremitäten ist ein Hilfebedarf beim An- und Entkleiden des Oberkörpers nicht nachvollziehbar. Insoweit kann deshalb allenfalls der von der Sachverständigen eingesetzte Zeitaufwand von acht Minuten berücksichtigt werden.
dd) Hilfebedarf bestand im streitigen Zeitraum schließlich bei den Transfers, den - wie das SG zutreffend entschieden hat - die Sachverständige B. nicht berücksichtigte. Sollte die Sachverständige den insoweit bestehenden Hilfebedarf bei den Verrichtungen des Duschens und der Darm- und Blasenentleerung einbezogen haben, wäre dies methodisch unrichtig.
Ein solcher Hilfebedarf bestand, weil der Kläger Hilfe beim Einstieg in die Dusche benötigte. Nach den eigenen Feststellungen der Sachverständigen B., die mit den Feststellungen der anderen Gutachter übereinstimmen, ist die Dusche mit einer Einstieghöhe von 30 cm versehen, welche der Kläger nur mit Hilfe der Pflegeperson überwinden kann. Des Weiteren kam die Sachverständige selbst zu dem Ergebnis, dass Unterstützung beim Transfer in und aus dem Rollstuhl sowie bei Toilettengängen bestehe. Dies ist im Hinblick auf die gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers, die im streitigen Zeitraum vorlagen, nachvollziehbar und wird in den von der Beklagten vorgelegten Stellungnahmen der Pflegefachkräfte L. und H. zu Unrecht nicht berücksichtigt.
Der Zeitaufwand für die gesamten Transfers betrug 14 Minuten. Der zeitliche Hilfebedarf für die genannten Transfers ist mit jeweils einer Minute zu bemessen. Beim einmaligem Duschen täglich besteht mithin ein Zeitaufwand von insgesamt zwei Minuten, bei zweimaligem Duschen täglich von insgesamt vier Minuten. Toilettengänge finden mehrmals täglich statt, nach den Feststellungen der Sachverständigen B. fünfmal täglich, so dass sich bei einem Zeitaufwand von insgesamt zwei Minuten pro Toilettengang insgesamt ein Zeitaufwand von zehn Minuten täglich ergibt.
ee) Ein Hilfebedarf bei der Verrichtung der mundgerechten Zubereitung der Nahrung bestand im streitigen Zeitraum entgegen der Auffassung der Sachverständigen B. nicht, wie das SG zutreffend entschieden hat. Die mundgerechte Zubereitung der Nahrung im Sinne des § 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI erfordert, dass die zubereitete Nahrung so aufbereitet wird, dass der Pflegebedürftige sie greifen, zum Mund führen, zerkauen und schlucken kann (BSG, Urteile vom 17. Juni 1999 - B 3 P 10/98 R - SozR 3-3300 § 15 Nr. 7 und 28. Juni 2001 - B 3 P 12/00 R - in juris; Abschnitt D 4.2 Nr. 8 Begutachtungs-Richtlinie). Aus den von der Sachverständigen B. mitgeteilten Befunden ergeben sich hierfür keinerlei Anhaltspunkte, insbesondere nicht weshalb das zubereitete Essen angereicht werden muss. Wie bereits zu Verrichtungen des Duschens ausgeführt, konnte der Kläger nach den Feststellungen der Sachverständigen den Nacken- und Schürzengriff umsetzen. Die Beweglichkeit in den Schultern war nur leicht eingeschränkt. Die Arme konnten gestreckt werden. Die grobe Kraft der rechten Hand war deutlich vermindert. In beiden Händen bestand ein leichter Tremor. Der Kläger selbst hat im Übrigen auch zu keinem Zeitpunkt behauptet, das zubereitete Essen nicht alleine aufnehmen zu können. Auch wird in keinem der anderen Gutachten ein entsprechender Hilfebedarf angenommen, insbesondere auch nicht in dem letzten Gutachten der Pflegefachkraft Z. vom 5. April 2012.
ff) Im streitigen Zeitraum bestand ferner kein Hilfebedarf bei der Verrichtung des Verlassens und Wiederaufsuchens der Wohnung. Hilfeleistungen auf Wegen außerhalb der Wohnung sind nur in begrenztem Maße im Bereich der Mobilität zu berücksichtigen, weil sie in der Regel anderen Lebensbereichen zuordnen sind (BSG, Urteile vom 24. Juni 1998 - B 3 P 4/97 R - SozR 3 3300 § 14 Nr. 5, vom 6. August 1998 - B 3 P 17/97 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 6, vom 10. Oktober 2000 - B 3 P 15/99 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 16, vom 21. Februar 2002 - B 3 P 12/01 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 19 und vom 28. Mai 2003 - B 3 P 6/02 R - SozR 4-3300 § 15 Nr. 1 sowie Beschluss vom 18. August 2011 - B 3 P 10/11 B -, nicht veröffentlicht). Hilfe im Bereich der Mobilität außerhalb der eigenen Wohnung bei der Verrichtung Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung ist als Pflegebedarf der sozialen Pflegeversicherung nur berücksichtigungsfähig, wenn sie erforderlich ist, um das Weiterleben in der eigenen Wohnung zu ermöglichen, also Krankenhausaufenthalte und die stationäre Pflege in einem Pflegeheim zu vermeiden (grundlegend dazu BSG, Urteile vom 24. Juni 1998 - B 3 P 4/97 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 5 und 6. August 1998 - B 3 P 17/97 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 6 m.w.N.). Diese Voraussetzung ist u.a. nur dann gegeben, wenn ein mindestens einmal wöchentlicher Hilfebedarf beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung für Arztbesuche oder das Aufsuchen ärztlich verordneter Behandlungen gegeben ist, weil nur dann dieser Hilfebedarf "regelmäßig" im Sinne von § 14 SGB XI ist (vgl. BSG, Urteil vom 29. April 1999 - B 3 P 7/98 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 10; Urteil vom 12. August 2010 - B 3 P 3/09 R - SozR 4-3300 § 45b Nr. 1).
Die Sachverständige B. hat hinsichtlich des Verlassens und Wiederaufsuchens der Wohnung einen Zeitaufwand von drei Minuten angenommen, wobei sie wohl insoweit sowohl die Arzttermine als auch die Therapietermine zur Krankengymnastik berücksichtigte. Wie sich dieser Wert ergibt, ist nicht nachvollziehbar, ebenso wenig dass insoweit ein Hilfebedarf bestand. Entsprechende Termine sind nicht belegt und auch der eigene Vortrag des Klägers ergibt keine Anhaltspunkte dafür, dass entsprechende Termine auf Dauer, d.h. voraussichtlich für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten, im streitigen Zeitraum anfielen.
gg) Schließlich bleibt ein nicht verrichtungsbezogener Aufsichtsbedarf ("allgemeiner Aufsichts- und Betreuungsbedarf") bei der Ermittlung des Pflegebedarfs außer Ansatz, da nur die bei den Katalogverrichtungen anfallenden notwendigen Hilfeleistungen berücksichtigungsfähig sind (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juni 2001 - B 3 P 7/00 R - SozR 3-3300 § 43a Nr. 5).
hh) Insgesamt ergibt sich damit ein geschätzter Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege im streitigen Zeitraum von 67 Minuten. Selbst wenn man noch die von der Sachverständigen B. angenommenen Hilfebedarfe beim Aufstehen und Zubettgehen von 16 Minuten und sechs Minuten beim Umlagern berücksichtigte, wäre mit 89 Minuten jedenfalls der für die Pflegestufe II erforderliche Mindestzeitaufwand von 120 Minuten deutlich nicht erreicht.
c) Der vom Kläger angegebene Hilfebedarf bei den Verrichtungen der Grundpflege, insbesondere in der von seiner Mutter verfassten Aufstellung, ist überzogen. Der Kläger übersieht, dass für die Ermittlung des Zeitaufwands des Hilfebedarfs in der soziale Pflegeversicherung nicht alle anfallenden Tätigkeiten berücksichtigungsfähig sind, so z.B. - wie das SG zutreffend ausgeführt hat -die Tätigkeiten der Behandlungspflege (Eincremen, Verbandswechsel). Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 SGB XI ergänzen bei häuslicher und teilstationärer Pflege die Leistungen der Pflegeversicherung die familiäre, nachbarschaftliche oder sonstige ehrenamtliche Pflege und Betreuung. § 4 Abs. 2 SGB XI als Grundnorm verdeutlicht, dass die Leistungen der Pflegeversicherung (lediglich) eine soziale Grundsicherung in Form von unterstützenden Hilfeleistungen darstellen sollen, eine Vollversorgung des Pflegebedürftigen indessen nicht angestrebt wird. Im ambulanten Bereich obliegt es den Versicherten, einen durch die Leistungen der Pflegeversicherung nicht gedeckten Pflege- und Betreuungsaufwand selbst sicherzustellen (vgl. Bundestags-Drucksachen 12/5262 S. 90 und 16/7439, S. 44; siehe auch BSG, Urteil vom 5. Mai 2010 - B 12 R 6/09 R - SozR 4-2600 § 3 Nr. 5).
d) Dass der Kläger Pflegegeld nach der Pflegestufe II bis 22. Oktober 2007 erhalten hat, bedeutet nicht, dass die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für diesen Anspruch vorlagen. Vielmehr spricht einiges dafür, dass dies nicht der Fall war. Die Zahlung des Pflegegelds nach der Pflegestufe II bis 22. Oktober 2007 beruhte allein darauf, dass die Beklagte nicht in der Lage war, die zumindest nach Aktenlage anzunehmende - Verringerung des Pflegebedarfs verfahrensrechtlich ordnungsgemäß umzusetzen.
3. Der Senat kann für die Beurteilung des Hilfebedarfs im gerichtlichen Verfahren die von der Beklagten beim MDK veranlassten Gutachten verwerten. Dem steht nicht entgegen, dass diese Gutachten der MDK erstattete. Entgegen der Auffassung des Klägers handelt es sich nicht um Parteigutachten. Die Beklagte muss vor ihrer Entscheidung zwingend eine Prüfung durch den MDK durchführen lassen (§ 18 Abs. 1 SGB XI). Der MDK ist nicht in die Verwaltungsorganisation der Pflegekassen eingebunden, sondern institutionell von diesen getrennt. Es handelt sich auf Länderebene jeweils um eigenständige Körperschaften des öffentlichen Rechts (§ 278 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB V -). Um auch den Anschein eines Weisungsverhältnisses zwischen Kranken- oder Pflegekassen und den Ärzten des MDK auszuschließen, stellt § 275 Abs. 5 SGB V ausdrücklich klar, dass die Ärzte des MDK bei der Wahrnehmung ihrer medizinischen Aufgaben nur ihrem ärztlichen Gewissen unterworfen sind (vergleiche BSG, Urteil vom 14. Dezember 2000 - B 3 P 5/00 R - SozR 3-3300 § 15 Nr. 11).
Im Übrigen können Gerichte auch von Beteiligten veranlasste und vorgelegte Gutachten als Parteivorbringen bei der Entscheidung verwerten. Denn ein von einer Partei in Auftrag gegebenes Gutachten oder eine gutachtliche Stellungnahme ist, jedenfalls sofern sie von einem Beteiligten in das gerichtliche Verfahren eingebracht wird, in erster Linie Bestandteil des Parteivorbringens und wie dieses zu würdigen (BSG, Urteil vom 8. Dezember 1988 - 2/9b RU 66/87 - in juris).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist im Berufungsverfahren zuletzt noch streitig, ob der Kläger auch bereits für die Zeit vom 1. Dezember 2007 bis 31. Dezember 2011 Anspruch auf Pflegegeld nach der Pflegestufe II hatte.
Der 1971 geborene Kläger war bis 23. März 2007 Mitglied der beklagten Pflegekasse oder deren Rechtsvorgängerin (im Folgenden einheitlich Beklagte) und ist es nach einer Familienversicherung über seine damalige Ehefrau bei einer anderen Pflegekasse erneut seit 23. Oktober 2007. Beim Kläger trat im zehnten Lebensmonat eine komplette Querschnittssymptomatik mit spastischer Paraplegie und Lähmung ab Nabelhöhe auf. Seitdem ist der Kläger rollstuhlpflichtig. Ferner besteht seit dem dritten Lebensjahr eine schwere Kyphoskoliose der Wirbelsäule. Am 25. Juni 1999 erfolgte wegen eines destruierenden Hüftgelenksemphysem und eines Weichteilsinfekts rechts die Amputation des rechten Beines mit Exartikulation im Hüftgelenk (Bericht des Prof. Dr. Sc. vom 16. August 1999). Die Beklagte bewilligte dem Kläger Pflegegeld nach der Pflegestufe II ab 1. April 1995 (Bescheid vom 30. Juni 1995).
Die Beklagte veranlasste eine Überprüfung. Pflegefachkraft K., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK), schätzte in ihrem Gutachten vom 22. Januar 2004 den Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege mit 14 Minuten täglich (Körperpflege zehn Minuten, Mobilität vier Minuten). Im Vergleich zum Vorgutachten (des Sozialmediziners Dr. S. vom 24. Juni 1995) habe der Kläger eine fast völlige Selbstständigkeit trotz seiner Behinderung erreicht. Er benötige keine Hilfestellungen mehr bei der Darm- und Blasenentleerung. Auch die mundgerechte Zubereitung der Nahrung, das Aufstehen und Zubettgehen sowie die Transfers erfolgten mittlerweile selbstständig. Mit dem Rollstuhl sei er selbstständig mobil. Die Beklagte verfügte daraufhin, dass das Pflegegeld zum 1. März 2004 "eingestellt" werde (Bescheid vom 29. Januar 2004). Der Kläger erhob Widerspruch. Pflegefachkraft B., MDK, schätzte in ihrem Gutachten vom 23. April 2004 den Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege auf 19 Minuten täglich (Körperpflege zehn Minuten, Mobilität neun Minuten). Auch sie kam zum Ergebnis, dass der Kläger nur noch geringfügig auf Hilfestellungen angewiesen sei und trotz seiner Behinderung sehr viel Selbstständigkeit gewonnen habe. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 7. Oktober 2004). Zur Begründung berief er sich auf die Feststellungen in den Gutachten des MDK. Hiergegen erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG, S 5 P 3992/04). Die Beklagte gab folgendes Anerkenntnis vom 21. Juli 2005 ab, das der Kläger annahm: 1. Der Aufhebungsbescheid vom 29. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom "17.02.2004" (richtig 7. Oktober 2004) wird aufgehoben. 2. Der Kläger erhält auf der Grundlage des Zubilligungsbescheids vom 30. Juni 1995 weiterhin Leistungen der Pflegestufe II bis einschließlich 12. März 2005. 3. Der Bezug von Leistungen der Pflegestufe II auf der Grundlage des Bescheids vom 30. Juni 1995 endet bei der Beklagten spätestens zum Ende einer Mitgliedschaft oder Versicherung bei der AOK Baden-Württemberg. 4. Das Ende des Leistungsbezugs tritt nicht ein, sofern nahtlos im Anschluss an ein Versicherungsverhältnis/eine Mitgliedschaft bei der AOK Baden-Württemberg eine weitere Mitgliedschaft/ein weiteres Versicherungsverhältnis bei der AOK Baden-Württemberg zu Stande kommt. 5. (Kosten) Die Beklagte zahlte Pflegegeld nach der Pflegestufe II bis 24. März 2007. Die Pflegekasse, bei der der Kläger danach familienversichert war, zahlte Pflegegeld nach der Pflegestufe II zunächst unter Vorbehalt bis 22. Oktober 2007 weiter.
Wegen der seit 23. Oktober 2007 bestehenden erneuten Mitgliedschaft bei der Beklagten beantragte der Kläger unter dem 5. Dezember 2007 Geldleistungen der Pflegeversicherung. Pflegefachkraft St., MDK, nannte in seinem Gutachten vom 21. Januar 2008 als pflegebegründende Diagnosen eine Bewegungseinschränkung bei Querschnittslähmung, einen Zustand nach Beinamputation rechts, einen Decubitus über dem rechten Sitzbeinhöcker, eine Skoliose, rezidivierende Blasenentzündungen sowie teilweise Blasen- und Darmlähmung. Er schätzte den Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege auf 23 Minuten täglich (Körperpflege 15 Minuten, Mobilität acht Minuten). Der Kläger benötige Hilfe beim Waschen des Rückens und des Gesäßes, abends bei der Intimwäsche, teilweise beim Aufstehen und Zubettgehen durch Festhalten, beim An- und Entkleiden der Hosen sowie beim Ein- und Ausstieg in die Dusche wegen der hohen Einstiegshöhe. Innerhalb und außerhalb der Wohnung könne der Kläger sich im Rollstuhl selbstständig bewegen. Die Beklagte lehnte es ab, Pflegeleistungen zu zahlen (Bescheid vom 24. Januar 2008).
Auf den Widerspruch des Klägers, mit dem er geltend machte, sein Gesundheitszustand und seine Pflegebedürftigkeit hätten sich gegenüber dem Vorgutachtern erheblich erhöht, veranlasste die Beklagte das Gutachten der Pflegefachkraft Kl., MDK, vom 7. März 2008. Diese nannte als pflegebegründende Diagnosen eine Paraplegie mit Lähmung ab Nabelhöhe distal, eine Verformung der Wirbelsäule, eine Kyphosierung der Brustwirbelsäule, eine Skoliose der Lendenwirbelsäule sowie einen Zustand nach Beinamputation rechts mit Hüftgelenksbeteiligung. Sie schätzte den Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege auf 25 Minuten täglich (Körperpflege zehn Minuten, Mobilität 15 Minuten). Der Kläger benötige Unterstützung beim Waschen des Rückens und des Beins, beim Ein- und Ausstieg (30 cm hoch) in die enge Duschkabine, beim An- und Ausziehen der Hose sowie beim Transfer auf die Toilette durch Halten des Rollstuhls, weil derzeit die Bremsen des Rollstuhls defekt seien. Mit dem Rollstuhl sei der Kläger innerhalb und außerhalb des Hauses selbstständig mobil. Der linke Arm sei derzeit aufgrund einer Entzündung im Ellenbogengelenk nur stark reduziert beweglich. Der Kläger könne die Toilettengänge und alle Transfers selbstständig durchführen. Die Handkraft beidseits sei vorhanden. Der Nacken-Schürzengriff sei gut möglich. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 8. Mai 2008). Der Widerspruchsausschuss verwies zur Begründung auf das Gutachten der Pflegefachkraft Kl. und sowie auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 13. Mai 2007 (B 3 P 3/03 R, SozR 4-3300 § 37 Nr. 2), wonach es bei einem Wechsel von einer Pflegekasse zu einer anderen Pflegekasse aufgrund einer von der ersten Pflegekasse getroffenen Entscheidung über die Bewilligung keinen Bestandsschutz gebe.
Der Kläger erhob am 14. Mai 2008 Klage beim SG. Wegen seiner erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen liege weiterhin Pflegebedürftigkeit nach der Pflegestufe II vor. Der tägliche Zeitaufwand betrage bei der Grundpflege 260 Minuten und bei der hauswirtschaftlichen Versorgung 240 Minuten. Die Gutachter schätzten die Wohn- und Betreuungssituation falsch ein. Wegen der Inkontinenz und starken Schwitzens sei eine mehrmalige Körperwäsche täglich erforderlich, die jeweils voll von einer Pflegeperson übernommen werden müsse. Das Badezimmer sei klein und schlecht befahrbar. Wegen des hohen Einstiegs in die Dusche und eines fehlenden Sitzes in der Dusche sei er nicht in der Lage, allein zu duschen. Weiter sei er nicht in der Lage zu stehen, zu gehen, selbstständig von einem Stuhl aufzustehen, Treppen zu benutzen sowie sich alleine anzukleiden und zu entkleiden. Wegen der Inkontinenz müssten mehrere Garnituren Kleidung zur Verfügung gestellt werden. Unterstützung brauche er beim Aufstehen und Zubettgehen sowie den Transfers. Ein permanenter Lagewechsel sei erforderlich. Er müsse täglich mindestens 30 Minuten mit seiner Mutter Gymnastikübungen machen. Es bestehe trotz Blasentrainings eine leichte Inkontinenz sowie ein dauernder Beaufsichtigungs- und Betreuungsbedarf. Auch habe er Bestands- und Vertrauensschutz. Ferner sei die Beklagte wegen des im Verfahren S 5 P 3992/04 abgegebenen Anerkenntnisses vom 21. Juli 2005 verpflichtet, ihm Leistungen nach der Pflegestufe II zu zahlen. Der Kläger legte eine Stellungnahme seiner Mutter zur notwendigen Pflege sowie das ärztliche Attest des Internisten Dr. Ku. vom 8. Juli 2008 (keine Änderung der Situation seit dem Jahre 2004) vor.
Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf die Gutachten des MDK und den Widerspruchsbescheid entgegen.
Das SG zog die Unterlagen der Pflegekasse bei, bei der der Kläger vom 25. März bis 22. Oktober 2007 versichert war.
Das SG erhob von Amts wegen das Gutachten der examinierten Kinderkrankenschwester, Pflegedienstleiterin und Fachwirtin für Sozialwesen B. vom 27. März 2009, das die Sachverständige nach einer Untersuchung des Klägers bei einem Hausbesuch am 16. März 2009 erstattete. Sie nannte als von ihr aus den vorliegenden Unterlagen übernommene Diagnosen eine spastische Paraplegie beider Beine, eine Hüftgelenksexartikulation rechts, eine schwere Skoliose der Wirbelsäule, eine supranukleäre neurogene Blasenentleerungsstörung, einen Verdacht auf eine urethrale Manipulation, eine Sensibilitätsstörung sowie einen Glutealdecubitus und schätzte den Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege seit 23. Oktober 2007 auf 125 Minuten (Körperpflege 75 Minuten, Ernährung neun Minuten, Mobilität 41 Minuten).
Duschen Zweimal täglich Volle Übernahme 40 Minuten Intimhygiene Fünfmal täglich Volle Übernahme 10 Minuten Richten der Bekleidung Zweimal täglich Volle Übernahme 10 Minuten Reinigung des Umfelds nach Darm- und Blasenentleerung Fünfmal täglich Volle Übernahme 5 Minuten Stuhlgang mit Nachsorge Zweimal täglich Volle Übernahme 10 Minuten mundgerechte Zubereitung der Nahrung Dreimal täglich Volle Übernahme 9 Minuten Aufstehen und Zubettgehen Viermal täglich Volle Übernahme 16 Minuten Umlagern Dreimal täglich Teilweise Übernahme 6 Minuten An- und Auskleiden gesamt Zweimal täglich Teilweise Übernahme 8 Minuten An- und Auskleiden Unterkörper Viermal täglich Volle Übernahme 8 Minuten Verlassen/Wiederaufsuchen der Wohnung Dreimal wöchentlich Teilweise Übernahme 3 Minuten
Nacken- und Schürzengriff, Faustschluss sowie Pinzettengriff könnten umgesetzt werden. Die Schultern seien in der Beweglichkeit leicht eingeschränkt. Die Arme könnten gestreckt werden. Die grobe Kraft der rechten Hand sei deutlich vermindert. Es bestehe ein leichter Tremor in beiden Händen. Der Glutealdecubitus im Bereich der Narbe der im Jahre 1999 durchgeführten Operation werde alle zwei Tage in einer Arztpraxis versorgt. Wegen Einschränkungen der Sensibilität müsse mit personeller Hilfe auf häufige Lageveränderung zur Vermeidung weiterer Decubitusgeschwüre geachtet werden. Als die Pflege erschwerender Faktor könne das Gewicht von über 80 kg sowie das Verstärken des Spasmus im linken Bein bei den Transfers bewertet werden. Die Hand- und Ellenbogengelenke seien entzündlich schmerzhaft degeneriert und könnten nur begrenzt der Belastung des Oberkörpers beim Transfer standhalten. Das linke versteifte Bein sei geh- und stehunfähig mit schweren Spasmen. Bei und nach Transfers beginne das Bein erheblich schmerzhaft zu verkrampfen. Im Bereich der Ernährung könne er sich nicht selbst versorgen, da sein Rollstuhl nicht unterfahrbar sei und auch keine entsprechenden Küchenmöbel vorhanden seien. Das Essen müsse zubereitet und angereicht werden. Der Rollstuhl könne mittels Schwungrädern im Wohnbereich sowie auch auf kurzen Strecken im Außenbereich selbstständig gefahren werden. Zur Entlastung der inneren Organe, der Sitzhöcker und zur Vermeidung neuer Dekubitalgeschwüre verbringe der Kläger ca. zwölf Stunden liegend im Bett.
Die Beklagte hielt das Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen unter Verweis auf die von ihr vorgelegte Stellungnahme der Pflegefachkraft L., MDK, vom 2. Juli 2009 für grob fehlerhaft. Dieser führte aus, nach dem von der Sachverständigen selbst erhobenen Befund sei ein höherer Hilfebedarf als in den vorangegangenen Gutachten nicht nachvollziehbar. Die Sachverständige lasse die funktionellen Fähigkeiten des Klägers, insbesondere die nicht pflegerelevant beeinträchtigte Beweglichkeit im Bereich des Oberkörpers, nahezu vollständig außer Acht. Die von ihr selbst beobachteten und dokumentierten Ressourcen der Beweglichkeit im Oberkörper ermögliche eine weitaus größere Selbstständigkeit bei der Grundpflege als möglicherweise von den Angehörigen oder dem Kläger selbst angegeben. Es bestehe ein krankheitsbedingter Sollhilfebedarf bei der Grundpflege von 15 Minuten täglich (Hilfestellung beim Waschen schwer erreichbarer Teile des Rückens und Teilhilfe beim Waschen des oft spastischen linken Beines beim Duschen acht Minuten bei einmal täglicher Durchführung; Teilhilfe beim An-und Auskleiden des Unterkörpers bis übers Knie fünf Minuten; Hilfe beim Transfer an der Dusche zwei Minuten).
Mit Urteil vom 22. Juli 2010 hob das SG den Bescheid der Beklagten vom 24. Januar 2008 und den Widerspruchsbescheid vom 8. Mai 2008 auf und verurteilte die Beklagte, dem Kläger ab dem 1. Dezember 2007 Pflegeleistungen nach der Pflegestufe II zu gewähren. Das SG folgte den Feststellungen der Sachverständigen B. und hielt die Auffassung der Pflegefachkraft L. für nicht nachvollziehbar. Nicht zutreffend sei, dass der Kläger, weil er noch beide Arme und Hände habe, bei der Körperpflege im Zusammenhang mit dem Duschen noch erheblich selbst mithelfen könne. Auch die weiteren Ansätze des Hilfebedarfs der gerichtlichen Sachverständigen B. erschienen nachvollziehbar, abgesehen von der regelmäßig für nötig erachteten Hilfe bei der mundgerechten Zubereitung der Nahrung. Insoweit dürfte kein Hilfebedarf von neun Minuten gegeben sein. Im Gutachten der Sachverständigen fehle jedoch ein Hilfebedarf bei Transferleistungen zwischen dem Bett und dem Rollstuhl, zwischen dem Rollstuhl und der Toilette und von der Toilette in den Rollstuhl sowie bei den Transfers in die beengte Dusche. Dieser Hilfebedarf betrage mindestens zehn Minuten täglich. Im Ergebnis verbleibe es bei einem täglichen Grundpflegebedarf von etwa 126 Minuten.
Gegen das ihr am 16. August 2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 6. September 2010 Berufung eingelegt. Die Berufung hat sie zurückgenommen, soweit es die Verurteilung zur Zahlung von Pflegegeld nach der Pflegestufe I betrifft. Sie hat auf die dem SG vorgelegte Stellungnahme der Pflegefachkraft L. sowie auf die Gutachten des MDK aus den Jahren 2004 und 2008 verwiesen, die lediglich einen Hilfebedarf unterhalb der Pflegestufe I festgestellt hätten. Das SG gehe nicht ausreichend darauf ein, dass die noch vorhandene Beweglichkeit des Oberkörpers dem Kläger weiterhin erlaube, einen Teil der notwendigen Verrichtungen weiterhin selbstständig auszuführen. Ferner könne der Höhe der Zeitansätze für die einzelnen Verrichtungen nicht gefolgt werden, zumal der Kläger behaupte, der Hilfebedarf habe sich den letzten Jahren nicht verändert. Sie hat die weitere Stellungnahme der Pflegefachkraft H., MDK, vom 12. Oktober 2010 vorgelegt, die hinsichtlich des Hilfebedarfs bei der Grundpflege sich der Auffassung der Pflegefachkraft L. angeschlossen hat.
Am 10. Januar 2012 erfolgte nach Nekrotisierung einer Wunde eine Teilamputation des linken Beins unterhalb des linken Knies. Der Kläger hat unter dem 2. Februar 2012 die Höherstufung beantragt. Die Beklagte hat das Gutachten der Pflegefachkraft Z. vom 5. April 2012 eingeholt, die den Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege auf 146 Minuten täglich (Körperpflege 67 Minuten, Mobilität 79 Minuten) geschätzt hat. Der Nackengriff sei ausführbar, der Schürzengriff bei Beeinträchtigung der Rumpfkontrolle mit Sturzneigung nicht. Die grobe Kraft beidseits sei gemindert. Der Faustschluss beidseits sei möglich. Die Greiffunktion sei eingeschränkt. Übernommen werde das Waschen des Rückens, der Beine und des Intimbereichs beim abendlichen Duschen oder Baden sowie das Haare waschen. Morgens werde am Waschbecken mit Hilfestellung der Rücken, der Beinbereich links und der Intimbereich gewaschen. Im Oberkörper- und Gesichtsbereich könne der Kläger dies selbst durchführen, wie auch Kämmen, Zahnpflege und Rasur. Beim Sitzen auf der Toilette sei Beaufsichtigung und teilweises Festhalten durch die Pflegekraft erforderlich, weil der Kläger dazu neige, nach vorne über zu kippen. Die Säuberung nach Stuhlgang sowie das Hoch- und Herunterziehen der Hose werde übernommen. Ca. ein- bis zweimal wöchentlich sei wegen nächtlichen Einnässens zusätzliche Intimhygiene und Bekleidungswechsel im Bereich des Unterkörpers erforderlich. Derzeit erfolge auch Assistenz bei der Blasenentleerung. Hilfe sei erforderlich beim Aufstehen und Zubettgehen, beim Umsetzen, beim Aufrichten im Bett, teilweise bei der Lagerung im Bett, beim Aufrichten des Oberkörpers, beim Wechsel der Bekleidung im Bereich des Unterkörpers, im Bereich des Oberkörpers beim Knöpfen und bei Reißverschlüssen, beim Transfer im Bad sowie beim Umsetzen auf die Toilette, den Sessel oder das Sofa. Die Beklagte hat mit Bescheid vom 17. April 2012 ab 1. Januar 2012 Pflegegeld der Pflegestufe II bewilligt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 22. Juli 2010 abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit es die Verurteilung zur Zahlung von Pflegegeld nach der Pflegestufe II für die Zeit vom 1. Dezember 2007 bis 31. Dezember 2011 betrifft.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Im Vergleich zu 2004 habe sich entgegen der Behauptung der Beklagten sein Gesundheitszustand verschlechtert. Die vom MDK erstatteten Gutachten seien Parteigutachten und keine unabhängigen Gutachten wie das von der Sachverständigen B ...
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akten des SG (S 5 P 3992/04, S 5 P 2010/08 ER und S 5 P 2402/08) sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Die Beklagte hat die Berufung form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung ist auch statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund des § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist nicht gegeben. Bei Einlegung der Berufung hat sich die Beklagte gegen die unbefristete Zahlung von Pflegegeld nach der Pflegestufe II gewandt, mithin für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Nachdem die Beklagte die die von ihr eingelegte Berufung zurückgenommen hat, soweit sie das SG auch verurteilt hat, Pflegegeld nach der Pflegestufe I für die Zeit vom 1. Dezember 2007 bis 31. Dezember 2011 zu zahlen, ist nur noch darüber zu entscheiden, ob der Kläger in diesem Zeitraum Anspruch auf Pflegegeld nach der Pflegestufe II hatte.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist, soweit über sie noch zu entscheiden war, begründet, das SG hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1. Dezember 2007 bis 31. Dezember 2011 Pflegegeld nach der Pflegestufe II zu zahlen. Die Voraussetzungen für diesen vom Kläger geltend gemachten Anspruch lagen nicht vor.
Pflegebedürftige können nach § 37 Abs. 1 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) anstelle der Pflegesachleistungen ein Pflegegeld erhalten. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die im Einzelnen in § 14 Abs. 4 SGB XI genannt sind, auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen. Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI). Pflegebedürftige der Pflegestufe II (Schwerpflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB XI Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe II mindestens drei Stunden betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mindestens zwei Stunden entfallen (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 SGB XI). Die Grundpflege umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI), der Ernährung (§ 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI) und der Mobilität (§ 14 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI). Zur Grundpflege zählt ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege beim Waschen, Duschen, Baden, der Zahnpflege, dem Kämmen, Rasieren, der Darm- und Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung beim mundgerechten Zubereiten der Nahrung und der Aufnahme der Nahrung sowie im Bereich der Mobilität beim selbstständigen Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, dem An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und dem Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung. Das Ausmaß des Pflegebedarfs ist nach einem objektiven ("abstrakten") Maßstab zu beurteilen. Maßgebend für den zeitlichen Aufwand ist grundsätzlich die tatsächlich bestehende Pflegesituation unter Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse des zu Pflegenden, allerdings am Maßstab des allgemein Üblichen. § 14 SGB XI stellt allein auf den "Bedarf" an Pflege und nicht auf die im Einzelfall unterschiedliche Art der Deckung dieses Bedarfs oder die tatsächlich erbrachte Pflege ab (vgl. BSG, Urteil 21. Februar 2002 - B 3 P 12/01 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 19). Bei der Bestimmung des erforderlichen Zeitbedarfs für die Grundpflege sind als Orientierungswerte die Zeitkorridore der Richtlinie der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI (Begutachtungs-Richtlinie) zu berücksichtigen. Diese Zeitwerte sind zwar keine verbindlichen Vorgaben; es handelt sich jedoch um Zeitkorridore mit Leitfunktion (Abschnitt F Nr. 1 Begutachtungs-Richtlinie; vgl. dazu BSG, Urteil vom 22. Juli 2004 - B 3 P 6/03 R - SozR 4-3300 § 23 Nr. 3 m.w.N.). Dabei beruhen die Zeitkorridore auf der vollständigen Übernahme der Verrichtungen durch eine Laienpflegekraft. Die Zeiten für den Hilfebedarf bei den einzelnen Verrichtungen beruhen regelmäßig auf Schätzungen, denen eine gewisse und auf wenige Minuten beschränkte Unschärfe nicht abgesprochen werden kann und die dennoch hinzunehmen sind (vgl. BSG, Urteil vom 10. März 2010 - B 3 P 10/08 R - SozR 4-3300 § 15 Nr. 4).
1. Ein Anspruch des Klägers auf Pflegegeld nach der Pflegestufe II für die Zeit vom 1. Dezember 2007 bis 31. Dezember 2011 ergibt sich nicht bereits daraus, dass er bis 23. März 2007 diese Leistung von der Beklagten bezog. Mit dem Ende der Mitgliedschaft des Klägers an diesem Tag endete auch sein Anspruch auf diese Leistung (vgl. BSG, Urteil vom 13. Mai 2007 - B 3 P 3/03 R - a.a.O. zur privaten Pflegeversicherung). Insoweit besteht zwischen der sozialen Pflegeversicherung und der privaten Pflegeversicherung kein Unterschied, Aufgrund der ab 23. Oktober 2007 bestehenden erneuten Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten war ein erneuter Antrag erforderlich, der ohne Beschränkungen wegen Verpflichtungen aus der vorangegangenen Mitgliedschaft neu zu prüfen war. Im Übrigen kann der Kläger auch aus dem Anerkenntnis der Beklagten vom 21. Juli 2005 zur Stützung seines geltend gemachten Anspruchs nichts ableiten. Denn das Anerkenntnis, weiterhin Leistungen der Pflegestufe II zu zahlen, war begrenzt bis zum Ende der Mitgliedschaft des Klägers bei der AOK Baden-Württemberg und damit auch das Ende der Mitgliedschaft bei der Beklagten, das am 23. März 2007 eintrat.
2. Beim Kläger bestand im streitigen Zeitraum ein täglicher Hilfebedarf bei den Verrichtungen der Grundpflege von 55 bis 65 Minuten, mithin weniger als 120 Minuten.
a) Beim Kläger bestand im streitigen Zeitraum eine spastische Paraplegie, eine schwere Kyphoskoliose der Wirbelsäule, eine Amputation des rechten Beines mit Exartikulation im Hüftgelenk sowie eine Blasenentleerungsstörung. Diese beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen werden sowohl in dem Gutachten der Sachverständigen B. als auch der Gutachter des MDK übereinstimmend beschrieben.
b) Der von der Sachverständigen B. angenommene Hilfebedarf von täglich 125 Minuten ist nicht schlüssig. Denn den Zeitaufwand für einzelne Verrichtungen ist anhand der von ihr erhobenen Befunde nicht nachvollziehbar.
aa) Dies gilt zunächst für den von der Sachverständigen angenommenen Hilfebedarf für ein täglich zweimaliges Duschen von insgesamt 40 Minuten täglich. Insoweit ist höchstens ein täglicher Zeitaufwand von 20 Minuten plausibel. Die Sachverständige geht insoweit in ihrer auf S. 15 ihres Gutachtens enthaltenen tabellarischen Aufstellung des täglichen Hilfebedarfs davon aus, dass die Pflegeperson das Duschen vollständig übernehmen müsse. Damit widerspricht sie bereits ihrem eigenen Gutachten. Denn auf S. 5 ihres Gutachtens legte sie - insoweit in Übereinstimmung mit dem Gutachten der Pflegefachkraft Kl. - dar, die Grundpflege werde in Form einer Dusche morgens und abends bei Teilübernahme durch die Pflegeperson ausgeführt, völlige Übernahme sei beim Waschen des Intimbereichs, des Rückens und des Fußes erforderlich. Des Weiteren ist aufgrund der von der Sachverständigen erhobenen Befunde die vollständige Übernahme des Waschens des gesamten Körpers nicht nachvollziehbar. Denn die Sachverständige beschreibt keine Befunde, die eine erhebliche Einschränkung der Beweglichkeit der oberen Extremitäten belegen. Nach den Feststellungen der Sachverständigen konnte der Kläger den Nacken- und Schürzengriff umsetzen. Die Beweglichkeit in den Schultern war nur leicht eingeschränkt. Die Arme konnten gestreckt werden. Die grobe Kraft der rechten Hand war deutlich vermindert. In beiden Händen bestand ein leichter Tremor. Zu Recht wird insoweit in den von der Beklagten vorgelegten Stellungnahmen der Pflegefachkräfte L. und H. darauf abgehoben, dass der Kläger jedenfalls einzelne Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Duschen und auch dem sonstigen Waschen selbst ausführen konnte und die Pflegekraft nur einzelne Tätigkeiten, wie z.B. das Waschen des Rückens oder des Intimbereichs zu übernehmen hatte. Auch der Kläger selbst gab im Antrag vom 5. Dezember 2007 an, bei der Ganzkörperwäsche sowie beim Duschen/Baden bestehe ein teilweiser Hilfebedarf und die Teilwäsche des Rückens, des Unterleibs und der Füße müsse vollständig übernommen werden. Dass der Kläger sich im Bereich des Oberkörpers und des Gesichts selbst waschen kann, bestätigt schließlich auch das zuletzt von der Beklagten veranlasste Gutachten der Pflegefachkraft Z. vom 5. April 2012, obgleich der Kläger den Schürzengriff nun nicht mehr ausführen kann und damit auch der tägliche Hilfebedarf sich wesentlich geändert hat. Insoweit ist höchstens der von Pflegefachkraft Kl. im Gutachten vom 7. März 2008 geschätzte Hilfebedarf von zehn Minuten plausibel, bei einem zweimal täglichen Duschen - so die Sachverständige B. und Pflegefachkraft Kl. - mithin 20 Minuten.
Der Senat lässt dahingestellt, ob ein Duschen zweimal täglich erforderlich ist, oder ob - wie sich aus dem Gutachten der Pflegefachkraft Z. vom 5. April 2012 ergibt - morgens eine Teilwäsche und abends das Duschen erfolgt. Bei einem zweimal täglichen Duschen ist jedenfalls eine weitere Teilwäsche nicht erforderlich. Würde man nur ein einmal tägliches Duschen für erforderlich halten, müsste zusätzlich ein zeitlicher Hilfebedarf für eine Teilwäsche des Unterkörpers berücksichtigt werden. Unter Berücksichtigung der Orientierungswerte der Begutachtungs-Richtlinie (Teilwäsche Unterkörper zwölf bis 15 Minuten bei der vollen Übernahme) ergäbe sich kein wesentlich abweichender zeitlicher Hilfebedarf.
bb) Bei der Darm- und Blasenentleerung lässt sich jedenfalls bis zur Untersuchung der Sachverständigen B. allenfalls ein Hilfebedarf beim Säubern nach dem Stuhlgang und beim Richten der Bekleidung feststellen. Die Darm- und Blasenentleerung konnte der Kläger selbstständig durchführen, wie sich aus dem Gutachten der Pflegefachkraft Kl. ergibt. Weder dem Gutachten der Sachverständigen B. noch dem Vortrag des Klägers lässt sich Anderes entnehmen. In der dem SG vorgelegten, von seiner Mutter verfassten Zusammenstellung der Tätigkeiten ist Entsprechendes nicht behauptet worden. Soweit der Kläger Hilfe beim Aufsuchen der Toilette benötigte, ist dies bei der Verrichtung Transfer zu berücksichtigen.
Dass zur Blasenentleerung eine Urinflasche verwendet wurde, ergibt sich erstmals aus dem Gutachten der Sachverständigen B., so dass auch ein Hilfebedarf für das Anlegen des Urinalkondoms und das Entleeren der Urinflasche anzunehmen war. Ferner ergibt sich aus dem zuletzt von der Beklagten veranlassten Gutachten der Pflegefachkraft Z. vom 5. April 2012 erstmals, dass beim Sitzen auf der Toilette Beaufsichtigung und teilweises Festhalten durch die Pflegekraft erforderlich ist, das Säubern nach dem Stuhlgang und das Hoch- und Herunterziehen der Hose übernommen wird sowie bei der Blasenentleerung assistiert wird. Da im Hinblick auf die im Januar 2012 erfolgte Unterschenkelamputation links von einer Zunahme des Pflegebedarfs auszugehen ist, war bei großzügiger Schätzung für den Zeitraum bis März 2009 (Untersuchung durch die Sachverständige) höchstens ein Zeitaufwand von 15 Minuten (Reinigung nach Stuhlgang einmal täglich fünf Minuten; Richten der Bekleidung zehn Minuten [fünfmal täglich à zwei Minuten]) gegeben. Dieser Zeitaufwand erhöhte sich wegen der Verwendung der Urinflasche, wobei insgesamt auch für die Vergangenheit allenfalls der von Pflegefachkraft Z. geschätzte Hilfebedarf von 25 Minuten angenommen werden kann.
cc) Ein Hilfebedarf bestand weiter beim An- und Entkleiden des Unterkörpers. Angesichts der bereits mehrmals erwähnten, von der Sachverständigen B. erhobenen Befunde im Bereich der oberen Extremitäten ist ein Hilfebedarf beim An- und Entkleiden des Oberkörpers nicht nachvollziehbar. Insoweit kann deshalb allenfalls der von der Sachverständigen eingesetzte Zeitaufwand von acht Minuten berücksichtigt werden.
dd) Hilfebedarf bestand im streitigen Zeitraum schließlich bei den Transfers, den - wie das SG zutreffend entschieden hat - die Sachverständige B. nicht berücksichtigte. Sollte die Sachverständige den insoweit bestehenden Hilfebedarf bei den Verrichtungen des Duschens und der Darm- und Blasenentleerung einbezogen haben, wäre dies methodisch unrichtig.
Ein solcher Hilfebedarf bestand, weil der Kläger Hilfe beim Einstieg in die Dusche benötigte. Nach den eigenen Feststellungen der Sachverständigen B., die mit den Feststellungen der anderen Gutachter übereinstimmen, ist die Dusche mit einer Einstieghöhe von 30 cm versehen, welche der Kläger nur mit Hilfe der Pflegeperson überwinden kann. Des Weiteren kam die Sachverständige selbst zu dem Ergebnis, dass Unterstützung beim Transfer in und aus dem Rollstuhl sowie bei Toilettengängen bestehe. Dies ist im Hinblick auf die gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers, die im streitigen Zeitraum vorlagen, nachvollziehbar und wird in den von der Beklagten vorgelegten Stellungnahmen der Pflegefachkräfte L. und H. zu Unrecht nicht berücksichtigt.
Der Zeitaufwand für die gesamten Transfers betrug 14 Minuten. Der zeitliche Hilfebedarf für die genannten Transfers ist mit jeweils einer Minute zu bemessen. Beim einmaligem Duschen täglich besteht mithin ein Zeitaufwand von insgesamt zwei Minuten, bei zweimaligem Duschen täglich von insgesamt vier Minuten. Toilettengänge finden mehrmals täglich statt, nach den Feststellungen der Sachverständigen B. fünfmal täglich, so dass sich bei einem Zeitaufwand von insgesamt zwei Minuten pro Toilettengang insgesamt ein Zeitaufwand von zehn Minuten täglich ergibt.
ee) Ein Hilfebedarf bei der Verrichtung der mundgerechten Zubereitung der Nahrung bestand im streitigen Zeitraum entgegen der Auffassung der Sachverständigen B. nicht, wie das SG zutreffend entschieden hat. Die mundgerechte Zubereitung der Nahrung im Sinne des § 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI erfordert, dass die zubereitete Nahrung so aufbereitet wird, dass der Pflegebedürftige sie greifen, zum Mund führen, zerkauen und schlucken kann (BSG, Urteile vom 17. Juni 1999 - B 3 P 10/98 R - SozR 3-3300 § 15 Nr. 7 und 28. Juni 2001 - B 3 P 12/00 R - in juris; Abschnitt D 4.2 Nr. 8 Begutachtungs-Richtlinie). Aus den von der Sachverständigen B. mitgeteilten Befunden ergeben sich hierfür keinerlei Anhaltspunkte, insbesondere nicht weshalb das zubereitete Essen angereicht werden muss. Wie bereits zu Verrichtungen des Duschens ausgeführt, konnte der Kläger nach den Feststellungen der Sachverständigen den Nacken- und Schürzengriff umsetzen. Die Beweglichkeit in den Schultern war nur leicht eingeschränkt. Die Arme konnten gestreckt werden. Die grobe Kraft der rechten Hand war deutlich vermindert. In beiden Händen bestand ein leichter Tremor. Der Kläger selbst hat im Übrigen auch zu keinem Zeitpunkt behauptet, das zubereitete Essen nicht alleine aufnehmen zu können. Auch wird in keinem der anderen Gutachten ein entsprechender Hilfebedarf angenommen, insbesondere auch nicht in dem letzten Gutachten der Pflegefachkraft Z. vom 5. April 2012.
ff) Im streitigen Zeitraum bestand ferner kein Hilfebedarf bei der Verrichtung des Verlassens und Wiederaufsuchens der Wohnung. Hilfeleistungen auf Wegen außerhalb der Wohnung sind nur in begrenztem Maße im Bereich der Mobilität zu berücksichtigen, weil sie in der Regel anderen Lebensbereichen zuordnen sind (BSG, Urteile vom 24. Juni 1998 - B 3 P 4/97 R - SozR 3 3300 § 14 Nr. 5, vom 6. August 1998 - B 3 P 17/97 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 6, vom 10. Oktober 2000 - B 3 P 15/99 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 16, vom 21. Februar 2002 - B 3 P 12/01 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 19 und vom 28. Mai 2003 - B 3 P 6/02 R - SozR 4-3300 § 15 Nr. 1 sowie Beschluss vom 18. August 2011 - B 3 P 10/11 B -, nicht veröffentlicht). Hilfe im Bereich der Mobilität außerhalb der eigenen Wohnung bei der Verrichtung Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung ist als Pflegebedarf der sozialen Pflegeversicherung nur berücksichtigungsfähig, wenn sie erforderlich ist, um das Weiterleben in der eigenen Wohnung zu ermöglichen, also Krankenhausaufenthalte und die stationäre Pflege in einem Pflegeheim zu vermeiden (grundlegend dazu BSG, Urteile vom 24. Juni 1998 - B 3 P 4/97 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 5 und 6. August 1998 - B 3 P 17/97 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 6 m.w.N.). Diese Voraussetzung ist u.a. nur dann gegeben, wenn ein mindestens einmal wöchentlicher Hilfebedarf beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung für Arztbesuche oder das Aufsuchen ärztlich verordneter Behandlungen gegeben ist, weil nur dann dieser Hilfebedarf "regelmäßig" im Sinne von § 14 SGB XI ist (vgl. BSG, Urteil vom 29. April 1999 - B 3 P 7/98 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 10; Urteil vom 12. August 2010 - B 3 P 3/09 R - SozR 4-3300 § 45b Nr. 1).
Die Sachverständige B. hat hinsichtlich des Verlassens und Wiederaufsuchens der Wohnung einen Zeitaufwand von drei Minuten angenommen, wobei sie wohl insoweit sowohl die Arzttermine als auch die Therapietermine zur Krankengymnastik berücksichtigte. Wie sich dieser Wert ergibt, ist nicht nachvollziehbar, ebenso wenig dass insoweit ein Hilfebedarf bestand. Entsprechende Termine sind nicht belegt und auch der eigene Vortrag des Klägers ergibt keine Anhaltspunkte dafür, dass entsprechende Termine auf Dauer, d.h. voraussichtlich für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten, im streitigen Zeitraum anfielen.
gg) Schließlich bleibt ein nicht verrichtungsbezogener Aufsichtsbedarf ("allgemeiner Aufsichts- und Betreuungsbedarf") bei der Ermittlung des Pflegebedarfs außer Ansatz, da nur die bei den Katalogverrichtungen anfallenden notwendigen Hilfeleistungen berücksichtigungsfähig sind (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juni 2001 - B 3 P 7/00 R - SozR 3-3300 § 43a Nr. 5).
hh) Insgesamt ergibt sich damit ein geschätzter Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege im streitigen Zeitraum von 67 Minuten. Selbst wenn man noch die von der Sachverständigen B. angenommenen Hilfebedarfe beim Aufstehen und Zubettgehen von 16 Minuten und sechs Minuten beim Umlagern berücksichtigte, wäre mit 89 Minuten jedenfalls der für die Pflegestufe II erforderliche Mindestzeitaufwand von 120 Minuten deutlich nicht erreicht.
c) Der vom Kläger angegebene Hilfebedarf bei den Verrichtungen der Grundpflege, insbesondere in der von seiner Mutter verfassten Aufstellung, ist überzogen. Der Kläger übersieht, dass für die Ermittlung des Zeitaufwands des Hilfebedarfs in der soziale Pflegeversicherung nicht alle anfallenden Tätigkeiten berücksichtigungsfähig sind, so z.B. - wie das SG zutreffend ausgeführt hat -die Tätigkeiten der Behandlungspflege (Eincremen, Verbandswechsel). Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 SGB XI ergänzen bei häuslicher und teilstationärer Pflege die Leistungen der Pflegeversicherung die familiäre, nachbarschaftliche oder sonstige ehrenamtliche Pflege und Betreuung. § 4 Abs. 2 SGB XI als Grundnorm verdeutlicht, dass die Leistungen der Pflegeversicherung (lediglich) eine soziale Grundsicherung in Form von unterstützenden Hilfeleistungen darstellen sollen, eine Vollversorgung des Pflegebedürftigen indessen nicht angestrebt wird. Im ambulanten Bereich obliegt es den Versicherten, einen durch die Leistungen der Pflegeversicherung nicht gedeckten Pflege- und Betreuungsaufwand selbst sicherzustellen (vgl. Bundestags-Drucksachen 12/5262 S. 90 und 16/7439, S. 44; siehe auch BSG, Urteil vom 5. Mai 2010 - B 12 R 6/09 R - SozR 4-2600 § 3 Nr. 5).
d) Dass der Kläger Pflegegeld nach der Pflegestufe II bis 22. Oktober 2007 erhalten hat, bedeutet nicht, dass die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für diesen Anspruch vorlagen. Vielmehr spricht einiges dafür, dass dies nicht der Fall war. Die Zahlung des Pflegegelds nach der Pflegestufe II bis 22. Oktober 2007 beruhte allein darauf, dass die Beklagte nicht in der Lage war, die zumindest nach Aktenlage anzunehmende - Verringerung des Pflegebedarfs verfahrensrechtlich ordnungsgemäß umzusetzen.
3. Der Senat kann für die Beurteilung des Hilfebedarfs im gerichtlichen Verfahren die von der Beklagten beim MDK veranlassten Gutachten verwerten. Dem steht nicht entgegen, dass diese Gutachten der MDK erstattete. Entgegen der Auffassung des Klägers handelt es sich nicht um Parteigutachten. Die Beklagte muss vor ihrer Entscheidung zwingend eine Prüfung durch den MDK durchführen lassen (§ 18 Abs. 1 SGB XI). Der MDK ist nicht in die Verwaltungsorganisation der Pflegekassen eingebunden, sondern institutionell von diesen getrennt. Es handelt sich auf Länderebene jeweils um eigenständige Körperschaften des öffentlichen Rechts (§ 278 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB V -). Um auch den Anschein eines Weisungsverhältnisses zwischen Kranken- oder Pflegekassen und den Ärzten des MDK auszuschließen, stellt § 275 Abs. 5 SGB V ausdrücklich klar, dass die Ärzte des MDK bei der Wahrnehmung ihrer medizinischen Aufgaben nur ihrem ärztlichen Gewissen unterworfen sind (vergleiche BSG, Urteil vom 14. Dezember 2000 - B 3 P 5/00 R - SozR 3-3300 § 15 Nr. 11).
Im Übrigen können Gerichte auch von Beteiligten veranlasste und vorgelegte Gutachten als Parteivorbringen bei der Entscheidung verwerten. Denn ein von einer Partei in Auftrag gegebenes Gutachten oder eine gutachtliche Stellungnahme ist, jedenfalls sofern sie von einem Beteiligten in das gerichtliche Verfahren eingebracht wird, in erster Linie Bestandteil des Parteivorbringens und wie dieses zu würdigen (BSG, Urteil vom 8. Dezember 1988 - 2/9b RU 66/87 - in juris).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
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